Einführung in die Slavische Sprachwissenschaft

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Transcript Einführung in die Slavische Sprachwissenschaft

Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
1.
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4.
5.
Doppelstunde: Philologie, Sprachwissenschaft, Linguistik
Vergleichende und indogermanische Sprachwissenschaft
Indogermanische Sprachen: Stammbaummodell
Urslavisch, Altkirchenslavisch, Missionierung (Kyrill und
Method)
Lautgesetze
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7. Transliteration
8. Polnisch
9. Russisch
10. Ukrainisch (Frau Kovalchuk); Tschechisch, Slowakisch
(11.01. 2007)
11. Tschechisch, Slowakisch, Bulgarisch, Makedonisch
(18.01.07)
13. Serbisch, Kroatisch, Bosnisch (Serbokroatisch), Slowenisch
(25.01.07)
15. Wiederholung des Stoffes (01.02.07)
16. Klausur (08.02.07)
Zusätzliches Angebot: Tutorium Frau Dr. Schürcks: 12.01.07,
11-13h, Komplex II: Golm, Raum 02.25.B101
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Die Sprache bezeichnet die wichtigste
Kommunikationsform des Menschen. Sie wird akustisch
durch Schallwellen (Lautketten) oder visuell-räumlich
durch Gebärden (vgl. Gebärdensprache) oder Schrift
(vgl. Schriftsprache) realisiert. Die Wissenschaft von
Sprache als System heißt Allgemeine
Sprachwissenschaft. Exemplarisch sei die Definition von
Edward Sapir (1921) zitiert:
– "Sprache ist eine ausschließlich dem Menschen eigene, nicht im
Instinkt wurzelnde Methode zur Übermittlung von Gedanken,
Gefühlen und Wünschen mittels eines Systems von frei
geschaffenen Symbolen." (zitiert nach John Lyons, 4. Auflage,
1992, S. 13)
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Ferdinand de Saussure hat - einer Tradition folgend - Sprache als
Zeichensystem konzipiert und das Sprachzeichen als Verbindung
von Lautbild und Vorstellung, also als etwas Mentales gefasst.
Karl Bühler sieht Sprache als "geformtes Gerät", als Medium des
Verständigungshandelns mit den Grundfunktionen der Darstellung
(Bezug auf die Wirklichkeit), des Ausdrucks (Befindlichkeit des
Sprechers) und des Appells (Beeinflussung des Hörers). Damit wird
die Auffassung von Sprache als Zeichensystem fraglich, denn nur
symbolische Ausdrücke lassen sich als Zeichen im eigentlichen Sinn
("etwas steht für etwas") auffassen. Wofür steht der Artikel der, die
Abtönungspartikel halt, das Zeigwort da, die Interjektion hm?
Für die Pragmatik ist Sprache ein zweckorientiertes
Handlungssystem, das mental verankert ist.
Für manche Linguisten ist Sprache ein menschentypisches
biologisches Organ (Noam Chomsky), für andere das Medium der
Gedankenbildung schlechthin (W.v. Humboldt).
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Ferdinand de Saussure (* 26. November 1857 in
Genf; † 22. Februar 1913 in Vufflens-le-Château
bei Morges) war ein Schweizer
Sprachwissenschaftler. De Saussure studierte in
Leipzig und in Berlin Indogermanistik. Von 1906
bis 1911 hielt er an der Universität Genf
Vorlesungen über allgemeine
Sprachwissenschaft.
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Ferdinande de Saussure
 Er wird als Begründer der modernen Linguistik und fälschlicherweise - des Strukturalismus betrachtet. In den
posthum unter Saussures Namen erschienenen
Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft
(Cours de linguistique générale, 1916/dt. 1967; im
folgenden CLG), wird eine allgemeine Theorie der
Sprache als Zeichensystem entwickelt. Darin wird die
Untersuchung von Sprache, verstanden als ein abstraktes
und überindividuelles System von Zeichen (langue), als
einzig relevanter Gegenstand der Sprachwissenschaft
begriffen. Sprache wird so vom Sprechen, der parole,
abgelöst und kann von diesem unabhängig untersucht
werden.
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Erst in den 1950er Jahren greift eine quellenkritische Rezeptionstradition
Raum, die bemüht ist, die authentische Sprachidee Saussures aus seinem
fragmentarischen Nachlass zu erschließen. Die Rezeptionsgeschichte
Saussures ist mithin durch eine Kluft zwischen Cours-Rezeption und
Saussure-Rezeption gezeichnet. Die gleichermaßen notwendigen wie
erfolgreichen Bemühungen um eine Rekonstruktion des authentischen
Sprachdenkens Saussures, das auch disziplinenübergreifend, etwa in der
Medien-, und Kulturwissenschaft sowie der Neurolinguistik fruchtbar
aufgegriffen worden ist, kann die weichenstellende Bedeutung des Cours,
dessen Rezeption den strukturalistischen und poststrukturalistischen Diskurs
maßgeblich geprägt und unzählige Anschlußdiskurse gezeitigt hat, nicht
ungeschehen machen. Der Cours de linguistique générale bleibt das
bedeutendste Buch, das Ferdinand de Saussure nie geschrieben hat.
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Saussures Ruhm zu Lebzeiten begründete sich in seiner Leistung als
Indogermanist. In seinem Mémoire sur le système primitif des
voyelles dans les langues indo-européennes (1879) hat Saussure
schon als 21-jähriger Student durch die Anwendung
junggrammatischer Methoden die Laryngaltheorie angedacht. Bei
der internen Rekonstruktion des indogermanischen Vokalsystems hat
er unterliegende, abstrakte "Koeffizienten" (coefficients sonantiques)
angenommen, die der dänische Sprachforscher Hermann Møller
noch im 19. Jh. mit Laryngalen identifizierte. 1914, nach Saussures
Tod, hat Bedřich Hrozný das Hethitische entziffert, und diese
Sprache stellte sich dabei als indogermanische Sprache heraus. An
manchen Stellen, wo Saussure seine Lautkoeffizienten rekonstruiert
hatte, fand man im Hethitischen Laryngale. Obwohl mit wichtigen
Einschränkungen zu rechnen ist, werden die Laryngalen im
Hethitischen im Allgemeinen als Bestätigung von Saussures
Rekonstruktion betrachtet.
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Indogermanische Sprachfamilie
Die indogermanische Sprachfamilie, von der nicht
deutschsprachigen Philologie eher als indoeuropäische
Sprachfamilie bezeichnet, deren Vokabular
Übereinstimmung bei Flexion, Numerus, Genus und
Ablaut aufweist, ist die mittlerweile vor allem auf Grund
der Kolonisation meistverbreitete Sprachfamilie auf der
Welt mit mehr als 2,5 Mrd. Muttersprachlern.
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Inhaltsverzeichnis
1 Der Begriff „indogermanisch“
2 Ursprung und Entwicklung
3 Untergruppen
4 Verwandtschaftsverhältnisse
5 Siehe auch
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6 Literatur
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Der Begriff „indogermanisch“
Bei der Bildung der Bezeichnung Indogermanisch im 19.
Jahrhundert gingen die Sprachforscher von den beiden
Sprachgruppen aus, die damals als die räumlich am
weitesten voneinander entfernten angesehen wurden,
d. h. der indischen im Osten und im Westen der
germanischen Gruppe (mitsamt des Isländischen). Die
keltischen Sprachen wurden damals aufgrund
grammatikalischer Besonderheiten noch nicht als
indogermanisch angesehen und das Tocharische weiter
östlich wurde erst 1890 entdeckt
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Die Bezeichnung Indogermanisch wurde im deutschen
Sprachraum, der in dieser Forschungsdisziplin weltweit
immer noch führend ist, beibehalten. In anderen
Sprachen wird hingegen die Bezeichnung
Indoeuropäisch (IE) verwendet. Der amerikanische
Linguist Merritt Ruhlen benutzt die Bezeichnung IndoHethitisch, um eine vorgebliche Sonderstellung des
Hethitischen bzw. der anatolischen Sprachgruppe
innerhalb des Indogermanischen zu betonen. Ein solcher
Stammbaum wird jedoch (zumindest in der
weitreichenden Form) von den meisten anderen
Forschern abgelehnt. Heute nehmen viele Forscher aber
an, dass sich die anatolischen Sprachen tatsächlich als
erste von der Ursprache abgespalten haben.
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Ursprung und Entwicklung
Die indogermanischen Sprachen sind nach Meinung der
Indogermanistik im linguistischen Sinne genetisch verwandt. Dass
ihre Ähnlichkeit nur auf typologischer Angleichung nach Art eines
Sprachbunds zustande kam, kann ausgeschlossen werden.
Ende des 18. Jahrhunderts erkannte der englische Orientalist
William Jones aus Ähnlichkeiten zwischen dem Sanskrit und einigen
europäischen Sprachen, dass es für diese Sprachen eine gemeinsame
Wurzel geben muss. Der Deutsche Franz Bopp brachte 1816 in
seinem Buch Über das Konjugationssystem der Sanskritsprache in
Vergleichung mit jenem der griechischen, lateinischen, persischen
und germanischen Sprache den methodischen Beweis für die
Verwandtschaft dieser Sprachen und gilt zumindest im
deutschsprachigen Raum als Entdecker des Indogermanischen.
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Diese indogermanische Ursprache ließ sich sprachwissenschaftlich rekonstruieren,
obwohl aus dieser Zeit keine Schriftdokumente vorliegen. Für die Sprachen,
die auf das Indogermanische zurückgehen, lässt sich auf der Grundlage der
Forschungsergebnisse des deutschen Linguisten August Schleicher ein
„Stammbaum“ darstellen, der den Ursprung und die Verwandtschaftsstruktur
dieser Sprachen wiedergibt. In diesem „Stammbaum“ gibt es sowohl
gesicherte als auch spekulative Verzweigungen; letztere betreffen
insbesondere ausgestorbene Sprachen, die keine Nachfolgesprachen
hinterlassen haben. Schleicher versuchte das hypothetische
Protoindogermanische zu rekonstruieren, indem er sich ursprünglicher Formen
diverser indogermanischer Sprachen bediente. Daraus entstand eine
Übersetzung der sog. indogermanischen Fabel „Das Schaf und die Pferde“ als
„Avis akvasasca“. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass solche
Rekonstruktionen in der Regel zu Wortwurzeln einerseits und
morphologischen und phonologischen Erscheinungen andererseits führen.
Auch syntaktische Merkmale des Indogermanischen konnten mit
Einschränkungen rekonstruiert werden. Eine Grundsprache im Sinne eines
kommunikativen Verständnisses wird mit dieser Rekonstruktion jedoch nicht
erreicht.
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Stammbaumtheorie
Die Stammbaumtheorie in der Linguistik wurde von August Schleicher
(1821-1868) Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt. Er ging davon aus, dass
sich Sprachen analog der Evolution biologischer Arten aus Ursprachen
entwickeln. Danach verhalten sich die Beziehungen und
Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Sprachen genau so wie die
Relationen der Arten in der Biologie, die sich in Form von Stammbäumen
darstellen lassen. Ausgehend von seinen evolutionstheoretischen
Überlegungen entwickelte August Schleicher u. a. das Stammbaummodell
der indogermanischen Sprachfamilie.
Stammbaummodelle sind hierarchische Modelle, in denen sich
Tochtersprachen "genetisch" zusammenhängend aus Elternsprachen
entwickeln. So sind die romanischen Sprachen Tochtersprachen von Latein,
Latein ist eine Tochtersprache von Italisch, Italisch eine Tochtersprache des
Indogermanischen. Stammbaummodelle werden heute verwendet, um die
Beziehungen zwischen Sprachen darzustellen und sie zu gruppieren.
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Durch Sprachvergleich kann man Verwandtschaften entdecken und
Elternsprachen teilweise rekonstruieren. So wurde die indoeuropäische
Sprache zum Teil rekonstruiert. Das Stammbaummodell führt, zu Ende
gedacht, gegebenenfalls zu einer gemeinsamen Ursprache aller Sprachen.
Darauf deuten bestimmte Erscheinungen des Basiswortschatzes und neuerer
genetischer Forschungen hin, es ist aber umstritten, da jede weitere
erschlossene ältere Stufe des Sprachstammbaums größere Unsicherheiten
beinhaltet.
Mit "Stammbäumen" ließen sich bis Mitte des 20. Jahrhunderts
Erscheinungen der Durchdringung und Überlagerung von Sprachen nicht
gut erklären. Einfacher zu begreifen war das von Johannes Schmidt um
1870 entwickelte Wellenmodell. Aufgrund neuerer Erkenntnisse über
genetische Abweichungen, Veränderungen und die Entwicklung der Arten in
der Biologie, für die es jetzt Simulations- und Berechnungsmöglichkeiten
mittels mathematischer Modelle gibt, lebt heute jedoch die
Stammbaumtheorie als Erklärungsmodell für "genetische"
Sprachveränderungen wieder auf.
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Indogermanische Ursprache
Die indogermanische Ursprache ist der hypothetische
gemeinsame Vorfahre der indogermanischen Sprachen.
Da die Ursprache nicht direkt überliefert ist, wurden alle
Laute und Wörter durch die Komparativmethode
erschlossen. Man hat sich darauf geeinigt, nicht
bestätigte Formen mit einem Sternchen zu markieren:
*wódr "Wasser", *ḱwṓn "Hund", *tréyes "drei
(maskulin)", etc. Viele der Wörter in den modernen
indogermanischen Sprachen stammen durch regelmäßige
Lautverschiebung von diesen "Urwörtern" ab (z.B.
Grimms Gesetz).
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Phonologie
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Es wird angenommen, dass die indogermanische Ursprache folgende Phoneme
verwendete:
Konsonanten
labial koronal palatovelar velar labiovelar laryngal
Stimmlose Plosive
p
t
ḱ
k
kw
Stimmhafte Plosive
b
d
ǵ
g
gw
Aspirierte Plosive
bh
dh
ǵh
gh
gwh
Nasale
m
n
Frikative
s
h1, h2, h3
Approximanten
w
r, ly
Vokale
Kurze Vokale a, e, o
Lange Vokale ā, ē, ō
Diphthonge ei, eu, ēi, ēu, oi, ou, ōi, ōu
Ablaut
Die indogermanische Ursprache hatte eine charakteristische, generelle Ablautsequenz der
Phoneme o/e/Ø.
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Verben
Das urindogermanische Verbsystem ist extrem kompliziert und
beinhaltet eine Ablautsequenz, die in den germanischen Sprachen
noch immer vorhanden ist.
Verben haben mindestens vier Modi (Indikativ, Imperativ,
Konjunktiv und Optativ, und vielleicht auch den Injunktiv, der sich
aus dem Sanskrit rekonstruieren lässt), eine Diathese (Aktiv and
Mediopassiv), sowie drei Personen und drei Numeri (Singular, Dual
und Plural). Verben werden in drei Tempora konjugiert (Präsens,
Aorist, und Perfekt).
Konjugation
Die Wurzel ist das grundlegende Morphem eines Wortes. Der
Stamm ist ein Wort, dem die flektierten Endungen abgeschnitten
wurden. Im einfachsten Fall besteht der Stamm aus der einfachen
Wurzel
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Konjugation des Präsens
Im Präsens wurden Verben folgendermaßen konjugiert:
Stamm *gwh(é)n- "schlagen"
1.sg. *gwhén-mi
2.sg. *gwhén-si
3.sg. *gwhen-ti
1.pl. *gwhn-més
2.pl. *gwhn-té
3.pl. *gwhn-énti
 Konjugation des Präteritums
Im Präteritum wurden Verben folgendermaßen konjugiert:
Stamm *w(ó)id- "wissen"
1.sg. *wóid-h2a
2.sg. *wóid-th2a
3.sg. *wóid-e
1.pl. *wid-mé
2.pl. *wid-té
3.pl. *wid-é:r
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Indogermanische Fabel
Von August Schleicher wurde erstmals ein kurzer Text verfaßt, den er als
Fabel in der rekonstruierten Ursprache Indogermanisch verstanden wissen
wollte. Hiervon gibt es bislang zwei neuere Fassungen, eine von Hermann
Hirt und eine von Norbert Oettinger. Schleicher verfaßte den Text, um nicht
nur einzelne rekonstruierte Wortformen, sondern auch deren syntaktische
Verbindung im Satz zeigen zu können.
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Fassung von Schleicher (1868:207)
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Avis akvāsas ka. Avis, jasmin varnā na ā ast, dadarka akvams, tam,
vāgham garum vaghantam, tam, bhāram magham, tam, manum āku
bharantam. vais akvabhjams ā vavakat: kard aghnutai mai vidanti
manum akvams agantam. Akvāsas ā vavakant: krudhi avai, kard
aghnutai vividvant-svas : manus patis varnām avisāms karnauti
svabhjam gharmam vastram avibhjams ka varnā na asti. Tat
kukruvants avis agram ā bhugat.
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Übersetzung der Fabel
Übersetzung mit im Text nicht vorhandenen in eckigen, mit
erklärenden Zusätzen in runden Klammern: [Das] Schaf und [die]
Pferde. [Ein] Schaf, [auf] welchem Wolle nicht war (ein geschorenes
Schaf), sah Pferde, das [einen] schweren Wagen fahrend, das [eine]
große Last, das [einen] Menschen schnell tragend. [Das] Schaf
sprache [zu den] Pferden: [Das] Herz wird beengt [in] mir (es tut mir
sehr leid), sehend [den] Menschen [die] Pferde treibend. [Die]
Pferde sprachen: Höre, Schaf, [das] Herz wird beengt [in den]
gesehen-Habenden (es tut uns sehr leid, da wir wissen): [der]
Mensch, [der] Herr macht [die] Wolle [der] Schafe [zu einem]
warmen Kleide [für] sich und [den] Schafen ist nicht Wolle (die
Schafe haben aber keine Wolle mehr, sie werden geschoren; es geht
ihnen noch schlechter als den Pferden). Dies gehört habend bog
(entwich) [das] Schaf [auf das] Feld (es machte sich aus dem Staub).
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Fassung von Hirt (1939:114)
Owis ek’wōses-kwe owis, jesmin wьl∂nā ne ēst,
dedork’e ek’wons, tom, woghom gwьrum weghontmo ,
tom, bhorom megam, tom, gh’ьmonmo ōk’u bherontmo.
owis ek’womos ewьwekwet: k’ērd aghnutai moi
widontei gh’ьmonmo ek’wons ag’ontmo . ek’wōses
ewьwekwont: kl’udhi, owei!, k’ērd aghnutai vidontmos:
gh’ьmo, potis, wьl∂nām owjôm kwroneuti sebhoi
ghwermom westrom; owimos-kwe wьl∂nā ne esti. Tod
k’ek’ruwos owis ag’rom ebhuget. (Textcodierung:
Western)
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Ausgehend von Wortstämmen, die allen indogermanischen Sprachen
gemeinsam sind, wurde weiterhin in Zusammenarbeit mit der
Archäologie versucht, das Ursprungsgebiet der Indogermanen zu
bestimmen. Dabei wurden sowohl Ostanatolien, Gebiete nördlich
des Schwarzen Meeres oder Südosteuropa vorgeschlagen. Von den
zahlreichen Hypothesen über diese Urheimat der Indogermanen,
beispielsweise Kurgan-These, Anatolien-These ist keine allgemein
akzeptiert. Einige Wissenschaftler stellen den Migrationsmodellen
die Konzeption eines ausgedehnten indogermanischen
Sprachkontinuums gegenüber. Es ist sogar strittig, ob eine 'Urheimat'
überhaupt definiert werden kann, weil schon deren Existenz nicht
gesichert werden könne, geschweige denn eine auch nur mehr als
vage zeitliche und räumliche Ansetzung möglich sei.
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Auch die Methodik der Glottochronologie liefert nur vermeintlich exakte
Daten. Sie versucht an Hand einer Testliste von Begriffen, die in möglichst
vielen Sprachen vorhanden sind, Verwandtschaftsbeziehungen von Sprachen
festzustellen: je größer der Prozentsatz an als verwandt vermuteten Wörtern
der Liste, desto enger seien die Sprachen verwandt. Unter der Hypothese
einer konstanten Ersetzungsrate (früher für alle Sprachen, heute je
Einzelsprache oder gar Einzelwort) wird der Verlust an gemeinsamem
Wortbestand in einem belegbaren Zeitraum mit verschiedenen Methoden
einfach zurückprojiziert. Daraus ergäbe sich dann automatisch der zeitliche
Abstand der Trennung der Schwestersprachen. Kritisiert an dieser Methodik
wird v.a. die Überzeugung, dass für die verschiedenen Stufen der
Ausgliederung eine absolute Chronologie bestimmt werden könne. Dies gilt
auch für die in der Presse stark beachtete Berechnung von Gray/Atkinson
von der Universität Auckland (Neuseeland) aus dem Jahr 2003, die mit
Computerprogrammen der Bioinformatik arbeitet.
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Wahrscheinlich lassen sich sprachliche Rekonstruktionen nur in der
Zusammenarbeit von Sprachwissenschaft und Archäologie erarbeiten.
Ob die Humangenetik dabei eine Rolle spielen kann, ist umstritten.
Populationsgenetiker wie Luigi Cavalli-Sforza versuchen nachzuweisen, dass
sich zwischen der genetischen Verwandtschaft auch weit auseinander
lebender Bevölkerungsgruppen und sprachlicher Verwandtschaft Parallelen
ziehen lassen.
Vermutungen zu entfernter Verwandtschaft wurden zu beinahe allen Sprachen
der Welt angestellt. Die engste Verwandtschaft wird auf Grund grammatischmorphologischer Gemeinsamkeiten mit den uralischen Sprachen
angenommen. Darüber hinaus wird eine lose Verwandtschaft mit unter
anderem Afro-Asiatischen Sprachen, sowie mit den altaischen Sprachen
angenommen und unter dem Begriff Nostratisch untersucht.
Eine überholte Unterteilung der indogermanischen Sprachen erfolgte früher
nach dem Zahlwort für „hundert", der erschlossenen Urform *kmtom, siehe
Kentumsprachen.
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Kentumsprachen
Als Kentumsprachen (seltener Centumsprachen)
bezeichnete die frühere Indogermanistik eine
indogermanische Sprachgruppe der Jungsteinzeit. Alle
anderen indogermanischen Sprachen gehören nach dieser
Theorie zu den Satem-Sprachen. Heute spielt diese
Unterscheidung in der Forschung keine Rolle mehr.
Benannt sind die beiden Gruppen nach dem lateinischen
bzw. altiranischen Wort für "hundert", die beide aus
einem urindogermanischen */dk’mtóm/ entstanden sind.
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Ältere Annahme
Früher nahm man an, dass sich das Indogermanische - noch bevor
die Völker westwärts nach Europa kamen - zuerst in eine
Kentumsprache und eine Satem-Sprache geteilt habe.
Beim Proto-Indoeuropäischen geht man von der „k“-Aussprache aus.
Irgendwann tendierten einige indoeuropäische Sprachen dazu, dieses
„k“ zu palatalisieren, also zu einem Zischlaut /s/ bzw. /ʃ/ werden zu
lassen, ähnlich, wie dies später in den meisten romanischen
Sprachen mit dem lateinischen <c> in centum passierte.
Dieser Wandel trat bei den heute östlichen Zweigen wie z. B. den
Indoiranische Sprachen ein, zu denen Sanskrit und Persisch gehören.
Auch bei den frühen slawischen und baltischen Sprachen sowie dem
Albanischen ereignete sich Ähnliches. Andere Sprachen wie die
germanischen und die keltischen blieben (wenigstens zunächst) beim
ursprünglichen Laut.
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in die Slavische Sprachwissenschaft
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Moderne Annahme
Die Unterscheidung zwischen Kentum- und Satemsprachen einer Epoche, als die
vergleichende Sprachwissenschaft noch allzu sehr in einem sturen Denkschema mit
Sprachstammbäumen, die sich ständig verästeln, gefangen war. Dagegen besteht
heute Einigkeit, dass die tatsächlichen Verhältnisse viel komplexer waren und
insbesondere das Stammbaummodell spätere Beeinflussungen durch Sprachkontakte
ignorierte.
Außerdem ist nicht zu beweisen, dass der Unterschied zwischen Kentum- und
Satemsprachen der am frühesten eingetretene Unterschied zwischen
indogermanischen Sprachen ist.
Zudem konnte man feststellen, dass in den Satemsprachen einige Wörter existieren,
die den bewussten Lautwandel nicht zeigen, sondern noch das ursprüngliche -kaufweisen. Es kann sich aber auch nicht um Lehnwörter aus irgendeiner
Kentumsprache handeln.
Da die Unterscheidung zwischen Kentum- und Satemsprachen sich also als nicht so
grundlegend herausgestellt hat, wie man lange gemeint hatte, spielt sie in der
aktuellen Forschung der Indoeuropäistik praktisch keine Rolle mehr.
Damit läge bei diesem Begriff ein weiteres Beispiel dafür vor, wie ein
Forschungsergebnis zu einer gewissen Zeit über die ursprüngliche Forschergemeinde
hinaus populär geworden und dies geblieben ist, während es in der eigentlichen
Forschung keine Rolle mehr spielt.
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in die Slavische Sprachwissenschaft
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Untergruppen
Zu den indogermanischen Sprachen gehören die folgenden Gruppen lebender und
ausgestorbener (†) Sprachen:
Albanisch
Anatolische Sprachen †
Armenisch
Baltische Sprachen
– Ostbaltische Sprachen
– Westbaltische Sprachen †
Germanische Sprachen
– Nordgermanische Sprachen
– Ostgermanische Sprachen †
– Westgermanische Sprachen
Griechisch
Illyrisch †
Indoiranische Sprachen
– Indoarische Sprachen
– Iranische Sprachen
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Italische Sprachen
– Latino-faliskische Sprachen (mit Latein und den romanischen Sprachen)
– Oskisch-umbrische Sprachen †
Keltische Sprachen
– Festlandkeltische Sprachen †
– Inselkeltische Sprachen
Phrygisch †
Slawische Sprachen
– Ostslawische Sprachen
– Westslawische Sprachen
– Südslawische Sprachen
Thrakisch †
Tocharisch †
Venetisch †
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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Slawische Sprachen
Übersichtskarte der Slawischen Sprachen
Die slawischen Sprachen sind ein Zweig der indogermanischen
Sprachen.
Inhaltsverzeichnis
1 Allgemeines
 2 Überblick über die slawischen Sprachen

– 2.1 Tabelle
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3
4
5
6
7
8
Ausgestorbene slawische Sprachen
Andere slawische Sprachen und Dialekte
Charakteristika der slawischen Sprachen
Maschinelle Übersetzung zwischen slawischen Sprachen
Wörter mit slawischem Ursprung
Literatur
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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Allgemeines
Nach der geltenden wissenschaftlichen Auffassung sind sie aus dem
sog. Urslawischen entstanden, dem die älteste slawische
Schriftsprache, das Altkirchenslawische (ab dem 9. Jahrhundert),
noch sehr nahe stand. Aus dem Altkirchenslawischen entwickelten
sich etwa dem 11. Jahrhundert verschiedene Varianten, die man
traditionell als Kirchenslawisch bezeichnet. Dabei unterscheidet man
zwischen Bulgarisch-Kirchenslawisch (oft auch Mittelbulgarisch
genannt), Russisch-Kirchenslawisch, Serbisch-Kirchenslawisch,
Kroatisch-Kirchenslawisch und Tschechisch-Kirchenslawisch. Auch
in Rumänien war bis in das 19. Jahrhundert eine spezielle Variante
des Kirchenslawischen als Kirchensprache in Gebrauch.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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Am nächsten steht den slawischen Sprachen der
baltische Sprachzweig, was auf die lange
Nachbarschaft zurückzuführen ist und darauf,
dass sich beide Sprachgruppen aus ähnlichen
indogermanischen Dialekten entwickelt haben.
Einige Sprachwissenschafter gehen sogar von
einer baltisch-slawischen Spracheinheit aus,
diese Meinung gilt jedoch als umstritten.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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Die folgende Übersicht enthält, gegliedert nach
den drei geografischen Untergruppen
Ostslawisch, Westslawisch und Südslawisch
zunächst die slawischen Standardsprachen und
danach die sog. Mikroliteratursprachen -- dieser
Ausdruck ist in der Slawistik für Sprachformen
üblich, in denen schriftliche Texte verfasst
werden, die aber nicht alle Eigenschaften
vollgültiger Standardsprachen aufweisen.
Innerhalb jedes Abschnitts sind die Sprachen
alphabetisch angeordnet.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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Überblick über die slawischen Sprachen
KURZÜBERBLICK:
Westslawische Sprachen:
Sorbisch
– Niedersorbisch
– Obersorbisch
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Polabisch ausgestorben
Polnisch
Pomoranisch
– Kaschubisch
– Slowinzisch ausgestorben
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Tschechisch
– Lachisch
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Slowakisch
Einführung
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ostslawische Sprachen:
Russisch
Weißrussisch
Ukrainisch
Karpato-Russinisch
Jugoslawo-Russinisch
Westpolessisch
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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südslawische Sprachen:
Bosnisch
Bulgarisch
Kroatisch
Mazedonisch
Slowenisch
Serbisch
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in die Slavische Sprachwissenschaft
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Tabelle
In der Spalte Verbreitung sind Gebiete, in denen die betreffende Sprache Amtssprache
ist, fett und Gebiete, in die die betreffende Sprache erst durch Auswanderungen in
jüngerer Zeit gekommen ist, kursiv hervorgehoben.
Sprache
Verbreitung
Sprecher
ostslawische Standardsprachen
Russisch (русский язык) Russland, Weißrussland,
Kasachstan, Kirgisien, Krim (Ukraine);
weitere Länder der ehemaligen Sowjetunion (vor allem Ukraine, Lettland,
Estland); USA, Israel, Deutschland, weitere westeuropäische
Länder
180.000.000
Ukrainisch (українська мова) Ukraine, Russland, Kasachstan, Moldawien, Polen,
Weißrussland, Slowakei, Rumänien, Nordamerika, Argentinien, Kirgisien, Lettland,
Westeuropa, Tschechien
47.000.000
Weißrussisch (беларуская мова)Weißrussland, Russland, Ukraine,
Polen (in der Umgebung von Białystok), Lettland, Litauen, Kasachstan,
USA
8.000.000
Einführung
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Mikroliteratursprachen Karpato-Russinisch (Ruthenisch)
(руски язик)Karpato-Ukraine (Ukraine, dort aber nicht
offiziell anerkannt, sondern als ukrainischer Dialekt
betrachtet), nordöstliche Slowakei und angrenzende
Gebiete Polens, Emigranten v.a. in
Nordamerika 830.000Jugoslawo-Russinisch (BatschkaRussinisch) (бачвански руски язик)Vojvodina (Serbien)
und Slawonien (Kroatien) (ursprüngliche Herkunft:
Karpato-Ukraine) 23.000Westpolessischim Grenzbereich
zwischen der Ukraine und Weißrussland
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westslawische Standardsprachen
Niedersorbisch (dolnoserbska rěc) Niederlausitz (Deutschland) in der
Umgebung von Cottbus 12.000
Obersorbisch (hornjoserbska rěč) Oberlausitz (Deutschland) in der
Umgebung von Bautzen 55.000
Polnisch (język polski) Polen, Weißrussland, Ukraine, Tschechien, Litauen,
Nordamerika, Westeuropa, Brasilien, Australien 50.000.000
Slowakisch (slovenský jazyk) Slowakei, Vojvodina (Serbien), Ungarn,
Rumänien, Tschechien, Ukraine, Kroatien, Nordamerika, Australien,
Westeuropa 6.000.000
Tschechisch (český jazyk) Tschechien, angrenzende Länder (v.a. Slowakei),
Nordamerika, Westeuropa, Australien 12.000.000
westslawische Mikroliteratursprachen Kaschubisch (kaszëbsczi jãzëk)in
Polen westlich und südlich von Danzig 50.000
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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
südslawische Standardsprachen
Bosnisch (bosanski jezik) Bosnien und Herzegowina, Serbien und Montenegro,
Nordamerika Westeuropa 2.000.000
Bulgarisch (български език) Bulgarien, Ukraine, Moldawien, angrenzende Länder,
USA, Westeuropa 9.000.000
Mazedonisch (македонски јазик) Mazedonien, angrenzende Länder (v.a.
Griechenland, Bulgarien), Westeuropa 2.000.000
Kroatisch (hrvatski jezik) Kroatien, Bosnien und Herzegowina,
Westeuropa 4.800.000
Serbisch (српски језик) Serbien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina,
Westeuropa 10.000.000
Slowenisch (slovenski jezik)Slowenien, südliches Kärnten, Provinzen Triest und
Görz (Italien), westliches Ungarn 2.000.000südslawische
Mikroliteratursprachen Banater Bulgarisch (bâlgarsći jazič) Banat
(Rumänien) 18.000
Burgenlandkroatisch (gradišćansko-hrvatski jezik)Burgenland (Österreich) 19.000
MolisekroatischMolise (Italien) 2.500
Resianisch (rozojanski lengač)Resia-Tal in der Provinz Udine (Italien) 19.000
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft



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

Charakteristika der slawischen Sprachen
Die slawischen Sprachen gelten als für Westeuropäer und insbesondere Deutsche
schwer erlernbar. Diese Meinung beruht nicht nur auf Erfahrungen von Ausländern,
die eine slawische Sprache lernen wollten, sondern auch auf dem Widerstand gegen
das (z.B. nach 1945 in der DDR) oktroyierte Russische und auf Meinungen von
Slawen über die schwere Erlernbarkeit ihrer Sprachen (auf die sie ausdrücklich stolz
sind). Objektiv zu beschreiben sind die folgenden Faktoren, die sich jedoch nicht bei
allen slawischen Sprachen in gleicher Weise auswirken:
für manche slawischen Sprachen (vor allem Russisch, Polnisch, Bulgarisch) sind
weiche bzw. palatalisierte Konsonanten charakteristisch, deren Aussprache
Ausländern Schwierigkeiten bereitet
als typisch slawisch gelten Konsonantengruppen, die aber vor allem in den Sprachen
vorkommen, in denen r und/oder l an Stelle von Vokalen gebraucht werden können
(Tschechisch, Slowakisch, Kroatisch, Serbisch, Bosnisch), Bsp.: č. Strč prst skrz krk,
vlk.
man sagt den slawischen Sprachen, die zu den flektierenden Sprachen gehören, einen
großen "Formenreichtum" nach; in der Tat haben die meisten slawischen Sprachen
sechs oder sieben Kasus, Bulgarisch und Mazedonisch jedoch keine, manche ein
reicheres Tempussystem (so die sorbischen Sprachen, das Kroatische, das Serbische,
das Bulgarische und das Mazedonische) usw.
als schwer erlernbar gilt der in allen slawischen Sprachen vorkommende
Verbalaspekt.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
Vom Urslavischen zum Kirchenslavischen
Urheimat der Slaven (UdS): nördlich der Karpaten, laut der

klassischen Theorie L. Niederles (1902; 1923; 1953) erstreckte sich
die UdS von den Flüssen Weichsel, W von Bug und Pripjet (pripjat‘)
bis zum Mittellauf des Dnjepr, zum Oberlauf von S Bug und Dnjestr
(d.h., sie umfasste Ostpolen, Südweißrussland, einen Teil der
Ukraine); T. Lehr-Spławiński (1946) verschiebt die Urheimat stark
westwärts: Mittellauf der Elbe bis auf das Gebiet Wolhyniens (SW
Ukraine), im NO bis zur Weichsel.
Hydronymie: J. Udolph (1979) Nordhang der Karpaten, etwa zwischen
Zakopane im W und der Bukowina im O.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Gliederung der slavischen Sprachen und älteste
Schriftsprachen der Slaven
Aksl. i. J. 863 zur ältesten slav. Schriftsprache erhoben
2.
Die tsch. SSpr. 14. Jh.
3.
Die sloven. SSpr. 16. Jh.
4.
Die Maked. SSpr. i. J. 1944-1945
5.
Die bisher übliche klassische wiss. Einteilung beruht vor
allem auf historisch-phonolog. bzw. morpholog. Kriterien:
Lautlehre (Phonologie): ursl. Lautgruppen *tj/kt', dj : *světja
„Kerze“ / *năktь „Nacht“, *medja „Rain, Grenze“:
Dreiteilung (Trichotomie) 1) Südslav.: Bulg., Mak., Skr.,
Sloven.  unterschiedl. Reflexe: свещ, нощ, межда
(bulg.);
1.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
mak. свеќа, ноќ, меѓа; skr. sv(ij)eća/noć ; međa;
sloven. sveča, noč, meja // 2. Westslav.: Tsch.,
Slovak., Ober-, Niedersorb., Poln.: c, z (poln. dz):
tsch. svíce, noc, mez (poln. miedza) // 3. Ostslav.:
Ukr., Wßr., Russ. – č, ž: свеча, ночь, межа (ukr.
свiча, нiч, ночi, межа aber: ходжу ‚ich gehe‘; wrß.
свеча, ноч, межа). Zum Westl. gehören die
ausgestorbenen Sprachen Polab. und Ostseeslav.
(Pomor.), die nie zur Stufe einer SSpr. erhoben
wurden, vgl.: polab. svec‘a/nüc, miʒ‘a; kasch.
sv’ėca/noc, m’eʒa.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft



Urslavisch:
Entwicklungsstufe und Vorstufe der slavischen
Sprachen.
Zeit: von der Ausgliederung aus der baltisch-slav.
Sprachgemeinschaft (2.-1. Jahrtausend v. Chr.) bis zu den
Anfängen der mehr oder weniger selbständigen Entwicklung
der slav. Einzelsprachen (Ende 10. Jh. n. Chr.)
Gemeinslavisch:
Periode kurz vor der Ausgliederung in die
einzelnen slav. Sprachen; sie zeichnet sich durch dialektalen
Zerfall in die drei Gruppen: ost-, west- und südslav. Spr.
(spätestens seit 800 n.Chr. Karl d. Gr. > ostsl. korol‘, westsl.
Krol > poln. król, südslav. kral(j), tsch. král „König“) aus. [vgl.
Liquidametathese].
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
 Das Vokalsystem des Urslavischen – Gemeinslav.
vordere
hintere
vordere
hintere
ī
ĭ
ǖ
ü
i
ь
y
ъ
e
ě
o
a
ĕ
ē
ă
ā
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft



Vokalquantität: kurze und lange Vokale (wie heute im Tschech.:
dráha „die Bahn“ : drahá „teuer“ Adj.fem. Nom.Sg.)
Akzent: frei und beweglich (wie heute im Russ.: жен'а : жен'ы :
ж'ёны (NSg. : GSg. : NPl.)), um grammatische Formen zu
unterscheiden oder um lexikalische Bedeutung zu unterscheiden:
мук'а «Mehl» // м'ука «Qual» з'амок „Schloss (chateau)“ // за'мок
„Schloss (Verschluss)“
Intonation: vier Intionationen wie im Sbkr.: kurzsteigend,
langsteigend, kurzfallend und langfallend:
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Intonation und Quantität
(Tonsilben)
Intonationen
Quantitäten
kurz
fallend
steigend
“
̀ ̀
lang
ˆ
́
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


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



Silbenharmonie (Palatalisation)
I. und II. Palatalisation
Gesetz der offenen Silben (TSS) =
Liquidametathese: tart/talt, tert/telt >
Südslav., Tsch./Slk.: trat/tlat, trět tlět
Lechit. (Poln., Pomor., Kasch.) + Sorb.: trot/tlot,
tret/tlet
Ostslav.: Vollaut (Pleophonie, Polnoglasie).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

1. Silbenharmonie: 1., 2. u. 3. Palatalisation

Die Silbenharmonie kommt zum Tragen in der Abfolge: velarer
Konsonant + palataler (vorderer) Sonant/Vokal (vordere Vokale sind
ь, i, e, ě, ę) sowie der Gleitlaut j

1. (urslav.) Palatalisation: k, g, ch + ь, i, e, ě, ę > k‘, g‘, ch‘ >
č, ž, š:
Belege: V.Sg. (o-Stämme) *rake, * Boge, dauche > rače, Bože duše.
kj, gj, chj > č, ž, š:
Belege: *bikj- > bičь ‚Geißel‘, *mangj- > manžь (aksl. mąžь) ‚Mann‘,
*pěchjь > pěšь ‚zu Fuß gehend‘
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

2. (gemeinslav.) Palatalisation:
k, g, ch + ai, oi, ei > (ě2 i2) > k', g', ch' > c, (d)z, s (š)
Belege: *kaina, *nagai, *sachai > cěna, nodzě (poln. nodze, tsch.
noze), westsl. soše, sonst sosě
DLSg. der a-Stämme; im Russ. wurde die 2. Palat. wieder rückgängig
gemacht, vgl. tsch. ruka : ruce, noha : noze // russ. нога : ноге,
рука : руке (aruss. rącě, nozě)


3. progressive Palatalisation: ь, i + velarer Konsonant (= k, g, ch)
+ a > c, (d)z, s (š)
Belege: *avьka > ovьca ‚Schaf‘, *kЪninga > aksl. kЪnędzь ‚Fürst‘ zu
got./urgerm. kuningaz, russ. князь ,Fürst‘, tsch. kněz ‚Pfarrer‘;
*vьcha > russ. вся, все, sbkr. sve < vьse // wesl. vše, wšo, wszystko
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Belege für die Liquidametathese (TSS):
Urslav.
Südslav.
Tsch.-Slk.
tart >
*talt >
grad, hrad
glava,
głowa
hlava
golova
*tert >
brěgъ
brzeg
bereg
*telt >
mlěko
mleko
meleko>
moloko
Westslav.
grod
Ostslav.
gorod
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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Russische Sprache
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Russisch (русский язык
Aussprache
Gesprochen in Russland, Mitgliedsstaaten der GUS und
baltischen Staaten, sowie von Emigranten in den USA, Israel,
Deutschland und weiteren europäischen LändernSprecher145
Millionen Muttersprachler (Platz 8)
etwa 110 Millionen Zweitsprachler
Linguistische
Klassifikation
Indogermanische Sprachen
– Slawische Sprachen
 Ostslawische Sprachen
 Russisch
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Offizieller Status
Amtssprache inRussland,
Weißrussland, Kasachstan, Kirgisistan
(regional), Ukraine (regional), Vereinte
Nationen
Sprachcodes ISO 639-1:ru ISO 6392:(B) rus(T) -SIL ISO 639-3:RUS
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Die russische Sprache (früher auch Großrussisch
genannt; im Russischen: русский язык, ['ru.skʲɪj
jɪˈzɨk]/ Transkription russki jazyk) ist die slawische
Sprache mit den meisten Sprechern und gilt als
Weltsprache. Sie bildet zusammen mit dem
Ukrainischen (früher auch als Kleinrussisch
bezeichnet), dem Weißrussischen und dem
Russinischen die Gruppe der ostslawischen
Sprachen. Die russische Standardsprache beruht
auf den mittelrussischen Mundarten der Gegend um
Moskau.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Russisch wird von etwa 145 Millionen
Menschen als Muttersprache gesprochen,
von denen etwa 118 Millionen in Russland
leben. Es ist Amtssprache in Russland,
Weißrussland (zusammen mit Weißrussisch)
und offizielle Sprache in Kasachstan (mit
Kasachisch als Amtssprache), Kirgisistan
(mit Kirgisisch als Amtssprache) und der zur
Ukraine gehörenden Autonomen Republik
Krim (zusammen mit Ukrainisch und
Krimtatarisch).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

In manchen Oblasten der Südostukraine ist
sie die regionale Amtssprache, wobei dieser
Status wegen Verfassungswidrigkeit
umstritten ist. Sie ist auch eine der
Amtssprachen in den völkerrechtlich nicht
anerkannten Staaten Transnistrien
(zusammen mit Ukrainisch und Moldawisch),
Südossetien (zusammen mit Ossetisch) und
Abchasien (zusammen mit Abchasisch).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

In diesen Staaten bzw. Regionen ist es sowohl
Muttersprache eines Teiles der Bevölkerung als
auch Sprache eines großen Teils des öffentlichen
Lebens. Daneben gibt es russischsprachige
Minderheiten in allen GUS-Staaten sowie im
Baltikum. In Israel bilden die russischsprachigen
Einwanderer ca. ein Sechstel der Bevölkerung. Die
russische Sprache ist ebenso eine verbreitete
Sprache für Wissenschaft, Kunst und Technik. Zählt
man die Zweitsprachler hinzu, kommt man auf etwa
255 Millionen Russischsprecher.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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
Inhaltsverzeichnis
1 Verbreitung
2 Alphabet
3 Phonetik und Phonologie
– 3.1 Einleitung
– 3.2 Vokale
– 3.3 Konsonanten
4 Aussprache
– 4.1 Tonalität
– 4.2 Wortbetonung
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft






5 Grammatik
6 Dialekte
– 6.1 Nordrussisch
– 6.2 Mittelrussisch
– 6.3 Südrussisch
7 Mischsprachen
8 Lehnwörter
9 Weitere verwandte Aktikel
10 Weblinks
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft




Alphabet
Russisches Alphabet
Аа Бб Вв Гг Дд Ее Ёё Жж Зз Ии Йй Кк Лл Мм Нн
Оо Пп Рр Сс Тт Уу Фф Хх Цц Чч Шш Щщ Ъъ Ыы
Ьь Ээ Юю Яя
Russisch wird mit dem russischen Alphabet
geschrieben (rus.: русский алфавит od.
русская азбука / Transkription russkij alfavit od.
russkaja azbuka), das dem kyrillischen Alphabet
(rus.: кириллический алфавит od.
кириллица/ Transkription kirilličeskij alfavit od.
kirillica) entstammt.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Verbreitung [Bearbeiten]

Die russischsprachige Welt

Siehe
http://de.wikipedia.org/wiki/Russische
_Sprache
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Seit der letzten Rechtschreibreform im Jahre 1918
besteht das russische Alphabet aus 33 Buchstaben.
Davon dienen 10 Buchstaben zur Wiedergabe der
Vokale, und zwar: а, е, ё, и, о, у, ы, э, ю und я.
Die übrigen 23 Buchstaben werden zur Wiedergabe
von Konsonanten verwendet, wobei die Buchstaben
ъ und ь nicht zur Nachbildung bestimmter,
eigenständiger Laute, sondern als Indikatoren für
die Härte oder Weichheit vorangehender
Konsonanten dienen [mehr dazu siehe unter:
Russische Phonetik].
Siehe auch: Russische Rechtschreibreform von
1918
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Phonetik und Phonologie
– Hauptartikel: Russische Phonetik


Einleitung
Die phonetische Struktur der modernen russischen
Standardsprache zählt 42
bedeutungsunterscheidende Einzellaute (Phoneme),
die sich wiederum in 6 Vokal- und 36
Konsonantenlaute aufteilen lassen. Das
umfangreiche Phoneminventar des Russischen
erklärt sich durch eine für slawische Sprachen
typische Besonderheit der Aussprache, und zwar
werden die meisten russischen Konsonanten sowohl
hart als auch weich (palatalisiert) ausgesprochen.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Hierbei handelt es sich aber nicht um
sogenannte Phone, sondern um einzelne
Phoneme, denn jede dieser
Aussprachevarianten ist
bedeutungsunterscheidend. Einige russische
Dialekte haben einen spezifischen
Phonembestand, in dem einige Konsonanten
vorwiegend hart bzw. palatalisiert oder
etwas anders (z. B. guttural) ausgesprochen
werden.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Die Aussprache russischer Vokale und Konsonanten
variiert in Abhängigkeit davon, welche Position sie
in einem Wort einnehmen. Dabei unterscheidet man
bei Vokalen zwischen einer betonten und einer
unbetonten Position. So wird beispielsweise das "o"
als [o] in betonter und als [a] oder als [ə] in
unbetonter Position ausgesprochen. Die Aussprache
vieler russischer Konsonanten wird wiederum durch
andere, ihm nachfolgende Konsonanten bestimmt.
So werden u. a. alle stimmhaften Konsonanten
nicht nur am Wortende stimmlos ausgesprochen,
sondern auch dann, wenn sie einem anderen
stimmlosen Konsonanten vorangehen.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Im Unterschied zum Deutschen ist die Länge der
Vokale im Russischen weder
bedeutungsunterscheidend (wie z.B. in Stiel – still)
noch für die richtige Aussprache eines Wortes
ausschlaggebend. Die betonten Vokale werden in
der Regel halblang ausgesprochen. Die unbetonten
Vokale sind dagegen kurz und unterscheiden sich
häufig von den entsprechenden betonten Vokalen
auch qualitativ. So wird das unbetonte o stets zu
einem (kurzen) a (sog. аканье); das unbetonte e
oder я geht deutlich in Richtung i (иканье).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Beispiele: молоко (Milch) /məlakɔ/ пятнадцать
(fünfzehn) / pit'natsiţ / земля (Land) /zim'ļa /
Sowohl Doppelvokale als auch zwei
unterschiedliche, aufeinander folgende Vokale
werden in der Regel als einzelne Laute
ausgesprochen (wie z.B. in Kooperation, aktuell,
Museum, geimpft). Ausnahmen hierfür sind die mit
dem й (и краткое = kurzes i, vergleichbar mit
deutschem j) gebildeten Diphthonge: ой (betont) =
wie eu/äu im Deutschen, ай = ei/ai im Deutschen.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Auch wird die Verbindung ао/ау gelegentlich
in Fremdwörtern zu einem Diphthong: Фрау
(Frau als Anrede einer dt. Staatsbürgerin).
Das е (je) wird vor palatalisierten
Konsonanten in der Regel zu einem
geschlossenen Vokal: кабинет (Studien-,
Arbeitszimmer) /kabi'ņet/, hingegen в
кабинете (im Arbeitszimmer) /fkabi'ne:ţe/
Andere Beispiele hierfür: университет
(Universität), газета (Zeitung).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Vokale
Das Russische besitzt 6 Monophthonge
(ɨ wird aber oft ein Allophon des i
beachtet).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Monophthonge des Russischen





vorne
geschlossen i
mittel
e
offen
zentral
ɨ
a
hinten
u
o
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft



Konsonanten
Das Russische hat 36 Konsonanten.
Davon treten 16 in Paaren mit einem
palatalisierten und einem nicht
palatalisierten Laut auf. Die Laute /ts/,
/tʲʃʲ/, /ʒ/ und /j/ verfügen über kein
genaues Gegenstück.
Die Tabelle enthält von jedem Konsonantenpaar nur
die nicht palatalisierte Variante.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft









Konsonanten des Russischen
bilabial labio-dental alveolar post-alveolar palatal velar
Plosive p b
td
kg
Affrikaten
ts
tʲʃʲ
Nasale m
n
Vibranten
r
Frikative
f v
sz
ʃʒ
x
Approximanten
j
Laterale
l
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Aussprache
Die Aussprache der russischen Sprache
bezeichnet die Phonetik und die Phonologie
der russischen Standardsprache. Im
weiteren Sinne kann darunter auch die
Aussprache in verschiedenen Varietäten
(Dialekten und Mundarten) der russischen
Sprache verstanden werden.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft



Tonalität
Russisch ist eine nicht-tonale Sprache, d.h. die
Tonhöhe der Vokale hat keinen Einfluss auf die
Bedeutung eines Wortes. Wie auch im Deutschen
wird im Russischen innerhalb oder am Ende eines
Satzes eine unterschiedliche Stimmhöhe benutzt,
um z.B. einen Aussagesatz von einem Frage- oder
Ausrufesatz kenntlich zu machen.
Es gibt hierfür im Russischen 7 verschiedene
Intonationskonstruktionen (интонационные
конструкции), die mit ИК-1 bis ИК-7 bezeichnet
werden und verschiedene Arten von Aussage- und
Fragesätzen kennzeichnen. In tonalen Sprachen
hingegen ändert der Ton die Bedeutung einzelner
Wörter.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft



Wortbetonung
Siehe auch : Wortbetonung in der russischen Sprache
Die Betonung eines Wortes (der Wortakzent) hat im
Russischen eine wichtige und häufig eine sinnunterscheidende
Bedeutung. Falsch betonte Wörter können zu
Verständnisschwierigkeiten führen, insbesondere dann, wenn
sie aus dem sprachlichen Kontext isoliert oder einzeln
ausgesprochen werden. In der sprachwissenschaftlichen
Literatur wird die russische Wortbetonung u.a. als frei und
beweglich bezeichnet. So werden z.B. durch die Verlagerung
der Betonung innerhalb einiger russischen Wörter ihre
unterschiedlichen Flexionsformen gebildet.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft




Wortakzent als Mittel zur Bildung von Wortformen
Die Beweglichkeit des Wortakzents hat im Wesentlichen
folgende semantische Funktionen:
1. Mit dem Wortakzent werden Paradigmen eines
Wortes gebildet,
also Formen eines Wortes, die sich bei seiner Beugung
(Deklination und Konjugation) ergeben, z.B.:
воды́ (des Wassers, Gen. Sing.) – во́ ды (die Wässer od. die
Gewässer, Nom. Plural)
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft




до́ ма (des Hauses, Gen. Sing., außerdem
"zu Hause") – дома́ (die Häuser, Nom.
Plural)
о́ блака (der Wolke, Gen. Sing.) – облака́
(die Wolken, Nom. Plural)
люби́ те (Liebt!/Lieben Sie!, Imperativ) –
лю́бите (ihr liebt/Sie lieben, Indikativ)
дыши́ те (Atmet!/Atmen Sie!, Imperativ) –
ды́ шите (ihr atmet/Sie atmen, Indikativ)
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft






2. Der Wortakzent grenzt einzelne Paradigmen zweier
unterschiedlicher Wörter ab,
also gebeugte Wörter, deren Grundformen unterschiedlich
sind, z.B.:
я плачу́ (ich bezahle, Infinitiv: плати́ ть) – я пла́ чу (ich weine,
Infinitiv: пла́ кать)
кру́жки (die Henkeltassen, Nom. Sing.: кру́жка) – кружки́
(kleine Kreise od. Ringe, Nom. Sing.: кружо́ к)
пи́ ли (ihr tranket/sie tranken, Infinitiv: пить) – пили́ (Säge!,
Imperativ von пили́ ть)
[со] зна́ ком ([mit] dem Zeichen, Nom. Sing.: знак) – знако́ м
(bekannt, Kurzform des männl. Adjektivs знакóмый)
ме́ли (die Untiefen od. der Untiefe, Nom. Sing.: мель) – мели́
(ihr fegtet/sie fegten, Infinitiv: мести́ )
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft






3. Der Wortakzent grenzt Paradigmen eines Wortes
von der Grundform eines anderen Wortes ab,
also gebeugte Wörter, die zwar gleich wie Grundformen
anderer Wörter geschrieben, aber unterschiedlich
ausgesprochen werden, z.B.:
дорога́ (werte, teure - Kurzform des weilb. Adjektivs дорога́ я)
– доро́ га (die Straße)
жила́ (sie lebte) – жи́ ла (die Sehne od. die Ader)
ме́сти (der Rache, Gen. Sing.) – мести́ (fegen, kehren)
по́ том ([mit] dem Schweiß, Instrumental Sing.) – пото́ м
(dann, danach od. nachher, später)
пища́ (piepsend, quietschend) – пи́ ща (die Nahrung od. die
Kost)
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

4. Mit dem Wortakzent werden Aspekte
einiger Verben gebildet,
also solche verbale Kategorien, die eine Handlung
in Bezug auf ihre Einmaligkeit oder Wiederholung
im Zeitgeschehen spezifizieren oder auf Beginn,
Dauer und Vollendung einer Handlung hinweisen.
Im Russischen sind es ausschließlich Verben, die
durch unterschiedliche Präfixe von den Verben
ре́зать (schneiden) und сы́ пать (schütten od.
streuen) gebildet werden, z.B.:
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


среза́ ть (abschneiden - unvollendeter Aspekt, wie
z.B. "etwas fortwährend abschneiden") –
сре́зать (abschneiden - vollendeter Aspekt, wie z.B.
"etwas endgültig abgeschnitten haben")
подсыпа́ть (hinzuschütten - unvollendeter Aspekt,
wie z.B. "etwas regelmäßig hinzuschütten") –
подсы́ пать (hinzuschütten - vollendeter Aspekt, wie
z.B. "etwas versehentlich [einmal] hinzugeschüttet
haben")
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Grammatik [Bearbeiten]
– Hauptartikel: Russische Grammatik

Wie die meisten slawischen Sprachen ist
auch das Russische stark flektierend. In
einer flektierenden Sprache ändert sich die
Gestalt eines Wortes innerhalb diverser
grammatischen Kategorien, und zwar
einerseits durch Hinzufügung von Affixen
(schwache od. äußere Flexion) oder durch
Veränderung des Wortstammes (starke od.
innere Flexion).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Für das Russische sind die beiden Flexionsarten
charakteristisch. Im Falle der starken Flexion
verändert sich der Stamm vieler russischen Wörter
bei deren Beugung (Deklination, Konjugation,
Komparation), und zwar durch Ablaut (z.B.: мыть мою, жевать - жуёт), Konsonantenverschiebung
(z.B.: возить - вожу) oder Hinzufügung bzw.
Wegfall der Stammvokale (z.B.: брать - беру, один
- одна). Dabei können die Attribute der schwachen
und der starken Flexion jeweils einzeln oder in
Kombination miteinander auftreten (z.B.: жечь жёг - жгу).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Wortarten und deren grammatische Kategorien:
Wie im Deutschen werden im Russischen Substantive,
Adjektive und Pronomen nach Kasus, Genus und Numerus
gebeugt und Adverbien nur gesteigert. Russische Verben
werden hingegen nicht nur nach Tempus und Numerus,
sondern in der Vergangenheitsform auch nach Genus
gebeugt. Wie im Deutschen werden im Russischen auch
Eigennamen (Personen-, Städte-, Ländernamen u.ä.) und
Zahlwörter gebeugt. Außerdem kennt das Russische weder
bestimmte noch unbestimmte Artikel.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Für die Anzeige von Kasus, Genus und Numerus
treten stattdessen zahlreiche Suffixe auf. Bei einer
kleinen Gruppe russischer Wörter können
grammatische Kategorien durch Verlagerung der
Wortbetonung von einer auf die andere Silbe
gebildet werden (mehr dazu siehe unter:
Wortbetonung in der russischen Sprache). Weitere
Wortarten im Russischen sind Präpositionen,
Konjunktionen, Fragewörter, Interjektionen, Frageund Modalpartikeln sowie die Verbpartikel «бы». In
einem Satz bleiben sie immer ungebeugt.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Substantive:
Das Russische kennt drei grammatische
Geschlechter und sechs grammatische Fälle
(Kasus). Bei der Deklination wird innerhalb
der grammatischen Geschlechter weiterhin
nach belebten (d.h. Lebewesen) und
unbelebten (d.h. Sachen) Substantiven
unterschieden. Dies bezieht sich jedoch nur
auf die Akkusativbildung.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Verben:
Eine Besonderheit der russischen Verben
besteht darin, dass sie zwei unterschiedliche
Formen haben, um eine Handlung im
Zeitgeschehen als vollendet oder
unvollendet zu spezifizieren. In der
sprachwissenschaftlichen Literatur wird
diese verbale Kategorie als Aspekt
bezeichnet (mehr dazu siehe unter: Der
Aspekt in den slawischen Sprachen,
Verlaufsform).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Tempus:
Im Unterschied zu anderen indoeuropäischen
Sprachen, z. B. dem Deutschen, gibt es in der
russischen Standardsprache anstatt sechs nur drei
Zeiten. Die Vergangenheitsform wird häufig analog
zur Deutschen Grammatik als Präteritum
bezeichnet. Diese Bezeichnung ist lediglich auf die
Art und Weise, wie die Vergangenheitsform
russischer Verben gebildet wird, zurückzuführen.
Diese erfolgt ausschließlich durch Änderung der
Gestalt eines Verbs, wie etwa durch Anhängen
spezifischer Suffixe. Die Nebenzeiten, die im
Deutschen durch zusätzliche Nutzung der
Hilfsverben „haben“ oder „sein“ gebildet werden,
entfallen komplett.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Syntax (Satzbildung):
Da das Russische stark flektierend ist, sind die gebeugten Formen
vieler russischen Wörter oft einzigartig und entsprechen jeweils nur
einer bestimmten grammatischen Kategorie. Deshalb ist die
Verknüpfung einzelner Satzglieder im Russischen nicht so streng wie
im Deutschen geregelt. So muss das Subjekt nicht notwendigerweise
unmittelbar vor oder nach dem Prädikat gesetzt werden, ein
Aussagesatz kann mit dem Prädikat anfangen oder enden. Innerhalb
kurzer Sätze oder einzelner, geschlossener Satzteile kann die
Wortfolge oft stark dennoch nicht willkürlich variieren, ohne dabei die
Satzsemantik zu verändern. Insbesondere in der Poesie wird dieses
besondere Merkmal der russischen Syntax häufig verwendet, indem
Sätze zuweilen durch eine unübliche Umstellung der Wörter gebildet
werden und somit die Reimfindung erleichtern. Einige Unterschiede
zwischen den Satzbildungsregeln im Deutschen und im Russischen
können durch folgende Beispiele veranschaulicht werden:
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Im deutschen Satz „Maria fragt Jan.“ wird
die Satzsemantik durch die Reihenfolge
[Subjekt] → [Prädikat] → [Akkusativobjekt]
bestimmt. Die Substantive, in diesem Fall
die Eigennamen „Maria“ und „Jan“, weisen
keine grammatischen Merkmale auf, die sie
als Subjekt bzw. Akkusativobjekt erkennen
lassen. Deshalb, sobald man die beiden
Substantive miteinander vertauscht, ändert
sich die Bedeutung des Satzes im
Deutschen: „Jan fragt Maria.“.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Im Russischen lassen sich die beiden
Substantive durch ihre Flexionsformen
eindeutig als Subjekt bzw. Akkusativobjekt
erkennen. Die Bedeutung des Satzes
„Мария спрашивает Яна.“ („Maria fragt
Jan.“) wird im Russischen also nicht durch
die Reihenfolge der Satzglieder, sondern
durch deren Flexionsformen bestimmt.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Deshalb ändert sich die Satzsemantik durch die Umstellung
der Satzglieder nicht. Im russischen Satz wird es immer Maria
sein, die Jan fragt und nicht umgekehrt: „Мария спрашивает
Яна.“ oder „Мария Яна спрашивает.“ oder „Яна Мария
спрашивает.“ oder „Яна спрашивает Мария.“. Will man im
Russischen sagen, dass Jan Maria fragt, muss man die
Flexionsformen der beiden Substantive ändern: „Ян
спрашивает Марию.“.
Im deutschen Satz „Ich liebe dich.“ muss das Prädikat immer
an der zweiten Stelle stehen. Im Russischen Satz kann es
entweder an der zweiten oder an der letzten Stelle sein: „Я
люблю тебя.“ bzw. „Я тебя люблю.“. Wird das Prädikat an
die erste Stelle im Satz gesetzt, so leitet es im Russischen
nicht eine Frage ein, sondern hebt lediglich die Handlung
hervor und weist in diesem Fall auf die Gefühlsstärke des
Sprechenden: „Люблю я тебя.“ („Ich liebe dich so sehr.“).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Dialekte
Man unterscheidet im europäischen Teil Russlands
drei sprachlich unterschiedliche Gebiete: Nord-,
Mittel- und Südrussland. Die Gebiete unterteilen
sich ferner in einzelne Dialekte. Generell sind die
Dialekte im Russischen aber trotz großer
Entfernungen weitaus weniger ausgeprägt, als etwa
in Deutschland oder Frankreich. Unterschiede in der
Aussprache liegen nirgendwo im Land so
auseinander, dass sich zwei Russen nicht verstehen
könnten.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft







Nordrussisch
Nord-östlich einer Linie vom Ladogasee über
Nowgorod und Jaroslawl bis Joschkar-Ola. Diese
Mundart kennzeichnet sich durch ein klar
ausgesprochens unbetontes "o" (оканье - Okanje),
ein gutturales "g" und ein hartes "t".
Mundartengruppe von Ladoga und Tichwin
Mundartengruppe von Kostroma
Mundartengruppe von Wologda
Mundartengruppe von Onega
Mundarten von Beloozersk
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


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




Mittelrussisch
Die Nördliche Grenze verläuft von Sankt-Petersburg
über Nowgorod und Iwanowo bis Nischni Nowgorod
und Tscheboksary, die südliche von Welikije Luki
über Moskau bis Pensa. Dieses Gebiet zeigt sowohl
nördliche als auch südliche Sprachzüge. Im Westen
ist das unbetonte "o" ein "o", im Osten ein "a"
(аканье - Akanje).
Westmittelrussisch von Pskow
Westmittelrussisch von Nowgorod
Ostmittelrussisch von Moskau und Umgebung
Ostmittelrussisch von Jegorewsk und Umgebung
Ostmittelrussisch von Temnikow und Umgebung
Ostmittelrussisch vom Wolga-Wladimir Gebiet
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft





Südrussisch
Im Bereich südlich von Welikije Luki
über Rjasan bis Tambow. Hier spricht
man das unbetonte "o" als "a", ein
frikatives "g" und ein weiches "t".
Mundart von Rjasan
Mundartengruppe vom Dnjepr
Mundart von Oskol
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Zur Geschichte der russischen Sprache

Das Gemeinostslawische
(obščevostočnoslavjanskij jazyk)

"Es handelt sich hier um jene Sprache, die zwischen dem
Zerfall des Urslawischen und der Herausbildung der
ostslawischen Einzelsprachen, des Russischen
(Großrussischen), Ukrainischen und Belorussischen, also
chronologisch frühestens zwischen dem 8. und dem 14.
Jahrhundert anzusiedeln ist. Diese Epoche lässt sich nochmals
in zwei Perioden untergliedern:
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

1. das frühe Gemeinostslawische: vom 8.
Jahrhundert bis zum Zeitpunkt des überlieferten
Schrifttums (Mitte des 11. Jahrhunderts). (...)
Für einen bestimmten Zeitabschnitt des
Gemeinostslawischen vor der Überlieferung des
Schrifttums, d.h. für einige Jahrhunderte vor der
Mitte des 11.Jahrhunderts, gebraucht V. Kiparsky
den Terminus Urrussisch. Bestimmte Eigenheiten
dieses Urrussischen ermittelt er aus der
Lehnwortkunde und aus einigen Aufzeichnungen
fremder Beobachter.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

2. das Altrussische im engeren Sinne: vom 11. bis
14. Jahrhundert. Für die erste Periode ist die
Konsolidierung der ostslawischen
Stammesdialekte und die Herausbildung von
territorialen Dialekten auf ihrer Grundlage
charakteristisch. Die zweite verläuft bereits im
Rahmen des frühfeudalen Kiever Staates
(Kievskaja Rus'), so dass insgesamt für diese
Zeitepoche der Frühfeudalismus charakteristisch
ist.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Eine einschneidende Zäsur ist die Bildung
des ersten Staates auf dem Territorium der
Ostslawen mit der auch die Übernahme des
Christentums (988) und die Entwicklung des
Schrifttums zusammenhingen, wobei
letzteres, wie aus den Verträgen des Fürsten
Igor mit den Griechen bekannt ist, über ein
Jahrhundert früher einsetzte, als die
frühesten belegten Schriften bezeugen.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Das Gemeinostslawische löste sich im 13. bis 15.
Jahrhundert allmählich auf, als zuerst das
Ukrainische einige spezifische Züge entwickelte und
später auch das Belorussische sich in seiner
einzelsprachlichen Herausbildung abzuheben
begann, während das Russische (Großrussische),
die Sprache der großrussischen Völkerschaft, sich
im Rahmen des Moskauer Staates weiter
entwickelte."
Eckert, R., Crome, E., Fleckenstein, Ch. Geschichte
der russischen Sprache. Leipzig: VEB Verlag
Enzyklopädie, 1983, 19.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft




Das Altrussische (drevnerusskij jazyk)
"Den Terminus Altrussisch verwenden wir einer
alten Tradition folgend in einem weiten Sinne, d.h.
für die Zeit vom 11. Jahrhundert bis zum Ausgang
des 17. Jahrhunderts. Die altrussische Periode lässt
sich in folgende zwei Teilperioden gliedern:
die altrussische Periode im eigentlichen und
engeren Sinne (11. bis 14. Jahrhundert) drevnerusskij staršej pory. Es ist dies gleichzeitig
die Spätperiode des Gemeinostslawischen (...).
die großrussische (velikorusskij) oder
mittelrussische Periode (srednerusskij period) oder
wie sie in letzter Zeit häufiger genannt wird.:
starorusskij: vom 14. Jahrhundert bis Ende des 17.
Jahrhunderts.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Die erstgenannte Teilperiode, das Altrussische, ist in
die Zeit der Existenz des Kiever Staates (862 1240) bzw. die Epoche der feudalen Zersplitterung
einzuordnen. Gegen Ende dieser Periode löst sich
das Gemeinostslawische auf. In dieser Zeit liegt die
Herausbildung ausgeprägter ostslawischer
Territorialdialekte. Die großrussische Periode steht
in engem Zusammenhang mit der Herausbildung
der großrussischen Völkerschaft und der
Entwicklung des Moskauer Staates.“
Eckert, R., Crome, E., Fleckenstein, Ch. Geschichte
der russischen Sprache. Leipzig: VEB Verlag
Enzyklopädie, 1983, 20.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft



Die Periode der Herausbildung der russischen
Nationalsprache
"Ende des 17. Jahrhunderts bis ins 1. Drittel des 19.
Jahrhunderts. Mit der Herausbildung der russischen
Nation entwickelt sich die russischen
Nationalsprache. Die Petrinische Zeit leitete diese
Periode ein. Die Begründung der russischen
Literatursprache auf demokratisch-volkssprachlicher
Grundlage und die Schaffung einheitlicher Normen
Anfang des 19. Jahrhunderts schließen diesen
Zeitabschnitt ab.“
Eckert, R., Crome, E., Fleckenstein, Ch. Geschichte
der russischen Sprache. Leipzig: VEB Verlag
Enzyklopädie, 1983, 20.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Die Periode der russischen Sprache der
Gegenwart

Sie zerfällt in vier Teilperioden:

1. die Periode der Entwicklung der russischen
Nationalsprache im 19. Jahrhundert und zu Beginn
des 20. Jahrhunderts.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

2. die Periode der Entwicklung der russischen
Nationalsprache in der Sowjetzeit, d.h. seit 1917.
Die Große Sozialistische Oktoberrevolution hatte
grundlegende Auswirkungen auf die Entwicklung
der modernen russischen Literatursprache, von der
erstmals die breiten Massen des Volkes besitz
ergriffen. Es kommt weiterhin zu einer wesentlichen
Ausweitung der gesellschaftlichen Funktion des
Russischen als Mittel der Verständigung im
polynationalen Sowjetstaat und als Weltsprache.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


3. Die Periode der Zeit der Perestrojka
(80er Jahre)
4. Die Periode der großen
Umwälzungen nach dem Fall des
Eisernen Vorhangs (90er Jahre)
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft





Tschechisch
Inhaltsverzeichnis
1 Die gesprochene Sprache des Tschechischen
2 Grammatik
3 Alphabet
4 Die tschechischen Laute
– 4.1 Vokale
– 4.2 Diphthonge
– 4.3 Konsonanten



4.3.1 Sog. harte Konsonanten
4.3.2 Sog. weiche Konsonanten
4.3.3 So genannte neutrale Konsonanten oder Zwitterlaute
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

5 Aussprache
– 5.1 Grundregeln


6 Tschechische Schrift und ihre
diakritischen Zeichen
7 Sprachgeschichte
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft







Tschechische Sprache
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Tschechisch (čeština)
Gesprochen inTschechien, angrenzende Länder (v.a.
Slowakei), USA, Kanada, Westeuropa, Australien
Sprecher12 Millionen
Linguistische
Klassifikation
Indogermanische Sprachen
– Slawische Sprachen

Westslawische Sprachen

Tschechisch
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft







Offizieller Status
Amtssprache in
Tschechien, Europäische Union
Sprachcodes
ISO 639-1:cs
ISO 639-2:(B) cze/ces(T) –
SIL ISO 639-3:CZC
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Tschechisch ist eine Sprache aus dem
westslawischen Zweig der
indogermanischen Sprachfamilie.
Sie wird von ca. 12 Millionen Menschen als
Muttersprache gesprochen (Stand 1999),
von denen ca. 10 Millionen in Tschechien
leben, wo es die Amtssprache ist. Seit dem
1. Mai 2004 ist Tschechisch auch eine
Amtssprache der EU. Die Wissenschaft, die
sich mit der tschechischen Sprache befasst,
ist die Bohemistik.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Tschechisch und Slowakisch sind gegenseitig
gut verständlich (siehe dazu unter
slowakische Sprache). Schriftlich sind die
beiden Sprachen am einfachsten durch
Buchstaben ř, ě und ů unterscheidbar, die
es nur im Tschechischen gibt (zur
Aussprache siehe unten). Hingegen gibt es
im Slowakischen die Buchstaben ä, ô, ľ und
ŕ, die es nicht im Tschechischen gibt.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Der ebenso geschriebene Laut des Obersorbischen
wird heute nach t wie tsch oder c, sonst wie sch
gesprochen.
Die Aussprache des Tschechischen gilt im
Deutschen als schwierig, einerseits wegen der
Zischlaute und des ř, andererseits weil r und l
eigene Silben bilden können (z.B. wird der
Ortsname Brno (dt. Brünn) zweisilbig gesprochen).
Dadurch sind Sätze wie Strč prst skrz krk möglich,
die offensichtlich keine Vokale enthalten. Es sind
silbenbildende Konsonanten [ŗ ] [ļ].
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Die gesprochene Sprache des Tschechischen
Die Umgangssprache in Tschechien (obecná
čeština) hebt sich von der Schriftsprache (spisovná
čeština) ab. Es handelt sich dabei nicht um einen
örtlichen Dialekt, sondern um die gesprochene
Sprache, die vor allem in Böhmen verbreitet ist.
Einige Sprachwissenschaftler, vor allem Mähren,
bezeichnen die Umgangssprache als s. g.
Interdialekt, das ist ein verbreiteter Dialekt, der
über anderen Dialekten steht.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Für diese Umgangssprache gibt es fast
keine schriftlichen Grundlagen. Die
nachfolgenden Ausführungen gelten deshalb
in erster Linie für die sprachliche Ebene, wie
sie in den Medien und im Kontakt mit
Nichtmuttersprachlern benutzt wird.
Der Lernende der tschechischen Sprache
trifft ansonsten auf die nationale
Umgangssprache oder einen der vielen
Dialekte, die es daneben gibt.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Grammatik
Tschechisch ist eine stark flektierende Sprache mit
sieben grammatischen Fällen (Nominativ, Genitiv,
Dativ, Akkusativ, Vokativ, Lokativ, Instrumental) im
Singular und Plural. Im Akkusativ Singular und
Nominativ Plural der Maskulina gibt es
unterschiedliche Formen für belebte
(Belebtheitskategorie) und unbelebte Wesen. Die
Substantiva haben in jedem der drei Genera
(männlich, weiblich, sächlich) mindestens vier
Grundformen.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Das Verbum verfügt über die
Kategorien von Aspekt (perfektiv und
imperfektiv) und Tempus (Präsens,
Futur, Präteritum), Person, Numerus
und Modus (Imperativ, Konditional).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Die Deklinierung und Konjugierung erfolgt
mittels Endungen (und/oder kleinen
Änderungen im Stamm), deren Bildung sehr
vielfältig und nicht immer regelmäßig und
somit sehr schwer erlernbar ist.
Die Wortfolge ist relativ frei und ermöglicht
stilistische Differenzierungen.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Im Tschechischen werden viele Adjektive
und Partizipien nicht nur nach Genus,
Numerus und Kasus abgewandelt, es wird
zusätzlich zwischen langen und kurzen
Formen unterschieden. Im Unterschied z.B.
zum Kroatischen oder den baltischen
Sprachen können kurze Formen nur
prädikativ verwendet werden und weisen
ein reduziertes Paradigma auf.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Während die Kurzformen von Adjektiven
meist in gehobenem Stil benützt werden, ist
die Verwendung der Kurz-/Langformen von
Partizipien im periphrastischen Passiv auch
in der Umgangssprache
bedeutungsunterscheidend, z.B. okno bylo
zavřeno (Vorgangspassiv: das Fenster
wurde geschlossen) vs. okno bylo zavřené
(Zustandspassiv: das Fenster war
geschlossen).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
Alphabet
 Tschechisch wird mit dem lateinischen
Alphabet geschrieben, durch diakritische
Zeichen differenziert.
 Beim Sortieren und in Verzeichnissen
(Telefonbuch) und Wörterbüchern werden
die Zeichen: Č, Ch, Ř, Š, Ž als selbständige
und eigenständige Buchstaben behandelt
(das Ch folgt dem Buchstaben H); das
tschechische Alphabet hat demzufolge
ganze 34 statt nur 26 Buchstaben.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Vollständig lautet das tschechische
Alphabet:
A, (Á), B, C, Č, D, (Ď), E, (É), (Ě), F, G,
H, Ch, I, (Í), J, K, L, M, N, (Ň), O, (Ó),
P, Q, R, Ř, S, Š, T, (Ť), U, (Ú), (Ů), V,
W, X, Y, (Ý), Z, Ž.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Die in Klammern gesetzten Buchstaben werden beim Sortieren
so behandelt wie der ihnen vorhergehende Buchstabe. So
steht dann beispielsweise pět (= fünf) vor petrklíč (=
Schlüsselblume). Wenn sich zwei Wörter nur durch die beiden
verwandten Buchstaben unterscheiden, steht zunächst das
Wort mit dem einfachen Buchstaben und dann das andere,
also etwa pas (= Pass) vor pás (= Gürtel).
Ě, Ů und Ý kommen nie am Wortanfang vor, deshalb sind die
entsprechenden Großbuchstaben sehr selten und werden nur
dann verwendet, wenn das ganze Wort in Großbuchstaben
geschrieben wird (z.B. MĚSTO).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft



Die tschechischen Laute
Vokale [samohlásky]
Es gibt kurze und lange Vokale. Ferner
können im Tschechischen die Konsonanten
r, l und (selten) m Silben bilden, so gibt es
auch Wörter, die nur aus Konsonanten
bestehen, vgl. etwa krk "Hals" ; blb
"Blödmann" oder scvrnkls "du hast es
heruntergeschnipst".
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Diphthonge [dvojhlásky]
Im Tschechischen gibt es die Diphthonge
ou, au und eu. Der Diphthong ou ist auch in
tschechischen Wörtern häufig, au und eu
kommen nur in Fremdwörtern oder
Interjektionen vor - in tschechischen
Wörtern bilden sie zwei Silben, z.B. in
neučím "ich lehre nicht", das dreisilbig
gesprochen wird ['nɛ.u.tʃiːm].
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft



Der Diphthong au wird wie im Deutschen
ausgesprochen, z.B. auto ['aʊtɔ].
Bei der Aussprache des Diphthongs ou werden ein
offenes o und ein unsilbisches offenes u verbunden,
vgl. moudrý "schlau,intelligent" als ['mɔʊdriː], auf
keinen Fall darf – wie in französischen Lehnwörtern
im Deutschen – nur ein Vokal gesprochen werden
(vgl. Souterrain ['sutɛrɛ]̃ ).
Bei der Aussprache des Diphthongs eu werden ein
offenes e und ein unsilbisches u verbunden, vgl.
Leukemie ['lɛʊkɛː,mɪɛ], auf keinen Fall darf wie im
Deutschen oi [ɔʏ] gesprochen werden.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Konsonanten [souhlásky]
In der tschechischen Rechtschreibung
unterscheidet man sog. harte, neutrale
und weiche Konsonanten. Weich
ausgesprochen (wie in anderen
slawischen Sprachen wie dem
Russischen) werden aber nur die
Konsonanten ť, ď und ň.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Für die Rechtschreibung und die Deklination ist
diese Einteilung sehr wichtig. Die Kinder lernen
daher in der Grundschule zum einen die Reihen der
harten und neutralen Konsonanten wie das
Alphabet aufzusagen und zum anderen jene Wörter
mit neutralen Konsonanten aufzusagen, in denen
ein [i] als y geschrieben wird (so genannte
vyjmenovaná oder vybraná slova bzw.
"ausgewählte Wörter"). Erwachsene haben aber
meistens die Rechtschreibung bereits
"automatisiert" und brauchen diese Reihen nicht
mehr.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft





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
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


Sog. harte Konsonanten
Die 8 harten Konsonanten sind:
Schriftzeichen
Beispiel
H
hotel, Praha
Ch
chyba, Čech
K
křeslo, vlaky
G
guma, magnetofon
R
ráno, dobrý
D
dáme, jeden
T
tabule, stůl
N
noc, ten
In der Rechtschreibung schreibt man nach diesen
Konsonanten ein [i] wie y.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft



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
Sog. weiche Konsonanten [měkké souhlásky]
Die 9 weichen Konsonanten sind:
Schriftzeichen
Beispiel
Ž
židle, leží
Š
šest, sešit
Č
černý, večer
Ř
středa, říká
C
co, mloci
J
jaký, jídlo
Ď
Maďarsko, ďábel, dívka, děkuji
Ť
chuť, ticho
Ň
skříň, niva, bez něho
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Anmerkung: ď wird handschriftlich als dˇ, ť als tˇ
geschrieben.
In der Rechtschreibung schreibt man nach diesen
Konsonanten ein [i] wie i bzw. ě oder e.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


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
So genannte neutrale Konsonanten oder Zwitterlaute
[obojetné souhlásky]
Die 8 neutralen Konsonanten sind:
Schriftzeichen
Beispiel
B
tabule, býti, bída, bíti
F
fyzika, fičet
L
leží, lysý, list
M
mám, myš, míchat
P
pán, pyšný, píchnout, pysk, pískat
S
sešit, sýr, síra, prosím
V
velký, výr, vír, vichřice
Z
zítra, jazyk
In der Rechtschreibung schreibt man nach diesen Konsonanten in
"ausgewählten Wörtern" und einigen Fremdwörtern ein [i] wie y,
sonst wie i.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Eine Besonderheit beim Erlernen der neutralen
Zwitterlaute bietet hier der phonetische
Zusammenfall von harten und weichen
Konsonanten in einen mittleren, gleich lautenden
Laut, wodurch das tschechische Kind in der Schule
den Bedeutungsunterschied von Wortformen nur
aufgrund der unterschiedlichen Schriftzeichen i/y
oder í/ý erkennen und lernen kann, vgl.: výr „Uhu“
: vír „Wasserstrudel“, mýt „waschen“ : mít „haben“,
být „sein“ : bít „schlagen“. Mit gleichen Problemen
hat der Ausländer beim Erlernen des Tschechischen
zu rechnen.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Aussprache
Das reglementierte Hochtschechisch
(entsprechend der Schriftform) wird bei
offiziellen Anlässen gesprochen (z. B.
Nachrichten im Rundfunk, TV, Festreden),
die tatsächlich gesprochene
Umgangssprache weicht jedoch stark davon
ab, sowohl in der Aussprache als auch in der
Grammatik.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft




Grundregeln
Im Tschechischen wird grundsätzlich die erste Silbe
des Worts betont.
Die mit der so genannten čárka (Akut)
gekennzeichneten Buchstaben (á, é, í, ó, ý, ú,
sowie ů) werden lang ausgesprochen. Lange und
betonte Silben fallen oft nicht zusammen.
Die mit dem so genannten háček (Häkchen)
gekennzeichneten Buchstaben sind entweder
Zischlaute (š, č, ž, ř) oder sie werden weich
ausgesprochen, d.h. mit einem Anklang an ein j
hinter dem Konsonanten artikuliert (dies im Falle
von ť, ď, ň).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


ě wird wie je gesprochen, außer nach
d, t und n, wo es deren Erweichung
auslöst.
Vor ě und i werden die Konsonanten d,
t und n weich ausgesprochen, d.h. mit
einem Anklang an ein j hinter dem
Konsonanten artikuliert. Die Zunge
geht dabei zum vorderen Gaumen.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Sprachgeschichte
Das Tschechische stellt zusammen mit dem
Slowakischen die sog. südliche Gruppe der
westslawischen Sprachen dar. Diese Einordnung
beruht auf einigen lautlichen Besonderheiten, die das
Tschechische/Slowakische mit dem Südslawischen
gemeinsam aus dem Gemeinslawischen ererbt haben,
wie z. B. die Liquidametathese und Ersatzdehnung in
den Gruppen *TERT/*TELT/*TORT/*TOLT, die in
beiden Sprachen > TRĒT / TLĒT und TRŌT/ TLŌT mit
der weiteren Veränderung zu TRĚT / TLĚT und TRAT /
TLAT gegenüber dem Umlaut ohne Dehnung in den
lechitischen Sprachen und sorbischen Sprachen: vgl.
tsch. hlava, kráva, břeh, mléko .
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Obwohl das Tschechische und Slowakische über
mehr als 1000 Jahre Sprachkontakt zu
unterschiedlichen Sprachen hatten und auch –
abgesehen von den Jahren der Ersten und Zweiten
Tschechoslowakischen Republik – zu
unterschiedlichen politischen und kulturellen
Einflusssphären gehörten, bleibt die sprachliche
Nähe erhalten. Unterschiede ergeben sich vor allem
in der Phonologie, der Morphologie und der Lexik.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft



Slk.
Ľudia, ktorí ťažko robia, zvykle nemajú veľa peňazí
Tsch. Lidé, kteří těžce pracují, obvykle nemají mnoho peněz
Die besondere Nähe der beiden Sprachen wird auch
dadurch deutlich, dass selbst nach der Trennung
der beiden Nationen im Jahre 1993 und der
Auflösung der Tschechoslowakei ein Tscheche und
ein Slowake in der jeweils eigenen Muttersprache
kommunizieren können, ohne dass dabei
Verständnisprobleme entstehen.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Diese sprachliche Nähe hat in der Zeit von
1918-1938 T. G. Masaryk, der Präsident der
Ersten Tschechoslowa-kischen Republik,
genutzt, um von einer einheitlichen
tschechoslowakischen Sprache in zwei
schriftsprachlichen Varianten zu sprechen.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft





Zu den lautlichen Besonderheiten des Tsch.
gehören folgende typisch westslavische
Lautwechsel:
(a) tj, dj > c, z (dz); svíce, sázet
(b) kv, gv vor vorderen Vokalen bleiben
unverändert (květ, hvězda) gegenüber ost-/südslav.
cvet, zvezda.
(c) Liquida-metathese (hrad, robota, mléko, břeh)
(d) Kontraktion: dobrá, naší \ russ. dobraja
Nom.Sg., našeju Instr. Sg. | poln. dobra, naszą
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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Abweichungen gegenüber den anderen westslav.
Sprachen:
(a) Übergang von Nasalvokalen zu oralen Vokalen
(b) Umlaut a > ě | e (nůše, duše : slk. nôša, duša)
(c) Wechsel g > h (gemeinsam mit dem Ukr. und
Obers.): hrad, hlava, horní, Hradčany
(d) Reduktion der Palatalitätsopposition
(e ) Phonem r > ř (řeka : slk. reka)
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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Die historische Entwicklung des Tsch. :
(1) Urtschechisch (Anf. 10. – 1. Hälfte 12. Jh.)
[rekonstruiertes Stadium, keine schriftlichen
Denkmäler] (belegt auf diesem Boden nur die lat.
Texte und die aksl. Texte mähr./böhm. Provenienz:
Kiever Blätter Anf. 10. Jh. und Prager glagolitischen
Glossen]
(2) Älteres Alttschechisch (12./13. Jh.) [Bohemica
in lat. Texten: Chronica Boemorum von Kosmas Anf.
12. Jh.]
(3) Jüngere alttschechische Periode (1. Hälfte des
14. Jh.) [ältere digraphematische Schreibung]
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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(4) Hussitische Periode (2. Hälfte 14. Jh. – Ende 15.
Jh.) [Einführung der diakritischen Orthographie
durch Jan Hus „Orthographia Bohemica“]
(5) Humanistisches Tschechisch (Anfang 16. Jh. –
Anfang 17. Jh.) [Grammatika česká von Beneš
Optát, Petr Gzell und Václav Philomates, 1533;
1571 überarbeitet und ergänzt durch Jan Blahoslav;
Bibl‘a Kralická in 6 Bänden, ]
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Die in der Reihe "Biblia Slavica" bei SchöninghVerlag 1995 nachgedruckte "Kralicka Bible" ist
erstmals in den Jahren 1579-1594 als
monumentales Übersetzungswerk der Brüderunität
erschienen. Sie ist das Ergebnis einer gigantischen
Übersetzerleistung der in der Zeit Jan Blahoslavs
wirkenden Böhmischen Brüdergemeinde und stellt
eine Mischung der tschechischen Volkssprache des
ausgehenden 16. Jh. und der kultivierten Sprache
der tschechischen Schriftgelehrten und
Kulturschaffenden dar.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Aufgrund ihrer sprachlichen und literarischen Bedeutung
wurde die Kralitzer Bibel zur Grundlage der kodifizierten
Sprachnorm und galt -neben den in Veleslavin edierten
Drucken - lange Zeit als die eigentliche schriftsprachliche
Norm der tschechischen Hochsprache. Als "einzigartiges
Denkmal der tschechischen Geistes- und Kulturgeschichte"
(Vaclav Havel im Vorwort der Facsimile-Ausgabe) stellt die
Kralitzer Bibel "ein hervorragendes Ergebnis der damaligen
Übersetzungskunst und exegetischen Bestrebungen dar, das
an die bedeutende ältere Tradition der Übersetzungen der
Heiligen Schrift in die tschechische Sprache anknüpfen
konnte." (Havel, a.a.O.)
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Literatur: P. Kosta: Zur Sprache der Kralitzer Bibel.
Vortrag auf der Tagung der "Deutsch-Tschechischen
Dobrovsky-Gesellschaft für Gelehrsamkeit und
Künste e.V." im Nationalmuseum Prag bei der
feierlichen Überreichung der Kralitzer Bibel am
26.06.1995; Kralitzer Bibel/Kralicka Bible. Teil 1:
Bibli ceske. Dil prvni-sesty. Facsimile. Mit einem
Vorwort von Vaclav Havel, Ferdinand SchöninghVlg. Paderborn, München, Wien, Zürich 1995 (Biblia
Slavica. Hrsg. von Hans Rothe und Friedrich
Scholz).

(6) Barockes Tschechisch (2. Hälfte des 17.
Jh. – 2. Drittel des 18. Jh.) [Jan Rosa:
Čechořečnost seu Grammatica linguae
Bohemicae, 1704; das Werk von Jan Amos
Komenský]
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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
(7) Tschechisch der Nationalen Wiedergeburt (80er
Jahre d. 18. Jh. – 40er Jahre d. 19. Jh.)
[Beginn der Kodifizierung der tsch. Schriftsprache:
Bohuslav Balbín Dissertatio apologetica pro lingua
Slavonica, praecipue Bohemica, Verteidigung der
slavischen, vornehmlich böhmischen Sprache;
1672, besorgt durch Pelcl 1775; Akademische
Antrittsrede über den Nutzen und Wichtigkeit der
Böhmischen Sprache 1793 von Jan Pelcl;
Böhmische Grammatik 1795;
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Josef Dobrovskýs Ausführliches
Lehrgebäude der böhmischen Sprache 1809
und Lehrgebäude der Böhmischen Sprache
1819, Josef Jungmanns Wörterbuch 18351839 in 6 Bänden: Slovník česko-německý
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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(8) Tschechisch der Zeit nach der
Nationalen Wiedergeburt (40er Jahre
d. 19. Jh. – Ende d. 19. Jh.)
(9) Tschechisch der 1. Hälfte d. 20. Jh.
(10) Tschechisch der Gegenwart (2.
Hälfte d. 20. Jh. - heute)
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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Slowakische Sprache
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Slowakisch (slovenčina)
Gesprochen in
Slowakei, USA, Kanada, Vojvodina, Ungarn, Rumänien,
Tschechien, Australien, Ukraine, Kroatien, Westeuropa
Sprecher 6 Millionen
Linguistische Klassifikation
Indogermanische Sprachen
– Slawische Sprachen
 Westslawische Sprachen
 Slowakisch
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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
Offizieller Status
Amtssprache in
Slowakei, Europäische Union
Sprachcodes
ISO 639-1:sk
ISO 639-2:(B) slo(T) slkSIL ISO 639-3:SLO
Slowakisch (slowakisch slovenčina) wird von etwa 5
Millionen Slowaken in der Slowakei und etwa einer Million
Auswanderer in Nordamerika gesprochen. Kleinere
Sprachgruppen gibt es heute noch in Ungarn, Rumänien,
Serbien, Tschechien, Kanada und den USA. Seit dem 1. Mai
2004 ist es eine der Amtssprachen der Europäischen Union.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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Inhaltsverzeichnis
1 Geschichte
2 Grammatik
3 Aussprache
– 3.1 Die rhythmische Kürzung


4 Dialekte
5 Unterschiede zwischen dem Slowakischen und dem Tschechischen
– 5.1 Lautsystem
– 5.2 Wortschatz
– 5.3 Grammatik
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

6 Die slowakische Schrift und ihre diakritischen Zeichen
7 Textsammlungen
8 Literatur
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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
Geschichte
Das Slowakische entstand im 10. Jahrhundert nach
dem Untergang des Großmährischen Reiches aus
der Sprache der slověne (ausgesprochen etwa
[slowäne](offenes e) oder [slowene] (mittleres e)),
das heißt der Bevölkerung dieses Reichs (siehe
unter Slawen), in Form von mehreren Dialekten.
Vom 10. bis zum 19. Jahrhundert wurde im
Königreich Ungarn (dessen Bestandteil die Slowakei
im 11. Jahrhundert geworden war) als Amts- und
Literatursprache vorwiegend Latein verwendet.
Außerdem wurde zum Teil Deutsch und Ungarisch
verwendet.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Daneben begann vor allem das Bürgertum der
Slowakei im 13. und 14. Jahrhundert, die eigene
Sprache als (parallele) Amtssprache zu verwenden,
wobei man allerdings schon bald (am Ende des 14.
Jahrhunderts) dazu überging, in dieser Funktion
und später auch als Literatursprache das
Tschechische einzusetzen. Die Gründe hierfür waren
anfangs vor allem, dass es sich um eine bereits
"fertige" Schriftsprache eines verwandten Landes
mit einer berühmten Universität in Prag handelte,
im 15. Jahrhundert auch der Einfluss tschechischer
Hussiten in der Slowakei und später auch der
Einfluss tschechischer protestantischer Emigranten
in der Slowakei.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Die tschechischen Texte wurden aber
sehr oft (bewusst oder unbewusst) mit
slowakischen Elementen versehen (so
genanntes slowakisiertes Tschechisch,
siehe auch Žilina). Im mündlichen
Gebrauch wurden natürlich weiterhin
die jeweiligen slowakischen Dialekte
verwendet.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Obwohl es schon im 16. Jahrhundert
Versuche gab, eine slowakische
Schriftsprache zu etablieren, wurde
die erste richtige Schriftsprache erst
1787 von Anton Bernolák auf der
Grundlage des westslowakischen
Dialekts aus der Umgebung von
Trnava festgelegt.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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
Die heutige slowakische Schriftsprache wurde in
den 1840er Jahren des 19. Jahrhunderts von
Ľudovít Štúr auf der Basis eines mittelslowakischen
Dialektes festgelegt (siehe Nationale Wiedergeburt
der Slowaken). Die Tatsache, dass die Sprache erst
so relativ spät kodifiziert wurde, ist verantwortlich
dafür, dass das slowakische Formensystem
einfacher ist als das tschechische.
Seit dem 1. Mai 2004 ist Slowakisch eine der
Amtssprachen in der EU.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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Unterschiede zwischen dem Slowakischen und dem
Tschechischen
Lautsystem
Das Slowakische und das Tschechische unterscheiden sich vor allem
durch einige lautliche Entwicklungen. Eigene slowakische Laute, die
es im Tschechischen nicht gibt, und die teilweise auch graphisch
anders dargestellt werden, sind das ä, die Diphthonge ia/ie/iu und ô,
das dz, das dž, sowie das ľ (zur Aussprache dieser Laute siehe
oben). Wie im Tschechischen können l und r als Vokale auftreten, im
Slowakischen gibt es dazu noch einen Unterschied zwischen langem
und kurzem r oder l. (tschech.: vrba [vrba], slowak.: vŕba [vr:ba],
dt.: Weide). Die Lautassimilierung sowie eine Art "liaison" bei der
Aussprache ist (zumindest in der Schriftsprache) im Slowakischen viel
deutlicher ausgeprägt als im Tschechischen.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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Wortschatz
Der Wortschatz ist bis auf die lautlichen Differenzen
zum großen Teil mit dem tschechischen identisch.
Unterschiede betreffen im Wesentlichen die
folgenden Bereiche:
a) Fremdwörter sind im Tschechischen oft bewusst
durch eigene Bildungen ersetzt worden, im
Slowakischen aber gebräuchlich (vergleiche
Sekunde = ts. vteřina = sl. sekunda, Januar = ts.
leden = sl. január, ähnlich auch die anderen
Monatsnamen, Grammatik = ts. mluvnice = sl.
gramatika usw., dt. Flasche = ts. láhev = sl.
fľaša;);
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

b) im Slowakischen gibt es eine kleine
Zahl ungarischer Wörter, die im
Tschechischen fehlen, vergleiche
Nachricht = sl. chýr, ungar. hír, und
Wörter der im Karpatenraum
siedelnden Hirten, vergleiche
Schafskäse = sl. bryndza (dies ist aus
dem Rumänischen übernommen, wo
es einfach Käse heißt);
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

c) gewisse Bereiche des
Grundwortschatzes (zum Beispiel
dt.sprechen = ts. mluvit = sl. hovoriť;
dt.ja(wohl) = ts. jo = sl. hej, dt. falls,
wenn = ts. jestli = sl. ak; dt. auf
Wiedersehen = ts. nashledanou = sl.
dovidenia).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Die Ähnlichkeiten gehen zum größeren Teil
darauf zurück, dass das Tschechische vom
15. bis 18. Jahrhundert in weiten Teilen der
Slowakei als Schriftsprache gebräuchlich
war. Im 19. Jahrhundert entfernte sich die
neue slowakische Schriftsprache (zum Teil
auch bewusst) vom Tschechischen, in dieser
Zeit wurden auch einzelne Wörter aus
Dialekten in die Schriftsprache
übernommen.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Außerdem wurde vor allem in der Biologie
eine eigene wissenschaftliche Terminologie
gebildet. In der Zeit des gemeinsamen
Staates Tschechoslowakei näherten sich die
Sprachen wieder an. Von 1918 bis in die
1930er Jahre gingen die
tschechoslowakischen Behörden von der
Fiktion einer "tschechoslowakischen"
Sprache aus, de facto wurde in dieser Zeit
das Slowakische bewusst an das
Tschechische herangeführt.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Nachdem sich in den dreißiger Jahren
deutlicher Widerstand gegen diese
Politik gewandt hatte, wurde sie nach
1945 nicht wieder aufgenommen.
Doch waren bis zum Ende der
Tschechoslowakei terminologische
Kommissionen bestrebt, den
Fachwortschatz beider Sprachen
möglichst ähnlich zu halten.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Zur heutigen Ähnlichkeit des Wortschatzes der
beiden Sprachen hat vor allem seit den sechziger
und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts die
gegenseitige Erreichbarkeit durch Rundfunk, Film
und Fernsehen in beiden Teilen der
Tschechoslowakei beigetragen. Auf diese Weise
kamen alle Bürger mit beiden Sprachen in
Berührung. Seit der Staatstrennung ist eine erneute
Entfernung zu beobachten. So haben Jugendliche
heute oft Probleme, die jeweils andere Sprache zu
verstehen.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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
13. Serbisch, Kroatisch, Bosnisch (Serbokroatisch),
Slowenisch (25.01.07)
Serbokroatische Sprache
Gesprochen in Serbien, Montenegro, Bosnien und
Herzegowina, Kroatien, andere Nachfolgestaaten des
ehemaligen Jugoslawiens und Auswanderungsziele der
Bevölkerung dieser Staaten, primär Deutschland, USA,
Kanada, Schweden, Österreich, Schweiz, Australien
Sprecher17–22 Millionen (Serbisch, Kroatisch und Bosnisch
zusammengenommen). Es gibt keine Zahlen darüber, wie viele
sich tatsächlich als Sprecher des Serbokroatischen betrachten.
Linguistische Klassifikation
Indogermanisch
– Slawisch
 Südslawisch
 Serbokroatisch
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


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
Offizieller Status
Amtssprache bis 1990/1992 im damaligen
Jugoslawien; unter den Namen Bosnisch, Kroatisch,
Serbisch, und Burgenlandkroatisch respektive in
Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Serbien,
Montenegro und dem Burgenland
Sprachcodes ISO 639-1:shSIL ISO 639-3:SRC
Serbokroatisch oder Kroatoserbisch (auch
Kroatisch oder Serbisch, Serbisch oder
Kroatisch) (srpskohrvatski oder cрпскохрватски
oder hrvatskosrpski oder hrvatski ili srpski oder
srpski ili hrvatski) war, gemeinsam mit Slowenisch
und Makedonisch, die Amtssprache im ehemaligen
Jugoslawien.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Erstmalig wurde dieser Begriff vom
Slowenischen Philologen Jernej Kopitar in
einem Brief im Jahr 1836 erwähnt. Offiziell
wurde die Bezeichnung von 1921 bis ca.
1993 als Dachsprache für die Dialekte von
Serben, Kroaten, Bosniaken und
Montenegrinern verwendet.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Mit dem Zerfall Jugoslawiens trennten
sich die Sprachen, Kroatisch, Serbisch,
Bosnisch und Montenegrinisch werden
seitdem meist als getrennte Sprachen
beschrieben (Ausbausprachen).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Der Ausdruck Serbokroatisch wird in
den serbokroatischsprachigen Ländern
kaum noch verwendet. Anfänglich
verschwand er aus offiziellen
Dokumenten und mit der Zeit
zunehmend auch aus der
sprachwissenschaftlichen Literatur.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft



Kontroverse um den Begriff
„Serbokroatisch“
Heute ist „Serbokroatisch“ ein kontroverser
Begriff, der variablen Bedeutung des
Begriffes Sprache entsprechend.
Nach der Meinung mancher Linguisten ist es
eine zusammenfassende Bezeichnung für
Bosnisch, Kroatisch, Moliseslawisch,
Montenegrinisch und Serbisch. Es ist
umstritten, ob Serbokroatisch eine Sprache
oder eine Sprachunterfamilie ist.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Die schriftsprachlichen Varietäten des Serbokroatischen
beruhen alle auf Formen des štokavischen Dialektes und
stimmen in weiten Teilen der Grammatik und des
Wortschatzes überein, unterscheiden sich jedoch in anderen
Teilen des Wortschatzes, in vielerlei Details der sprachlichen
Norm und im Gebrauch unterschiedlicher Alphabete (im
Kroatischen und Bosnischen das lateinische, im Serbischen
überwiegend das kyrillische Alphabet). Ob es sich um
Varietäten einer einzigen Sprache oder um vier eng verwandte
eigenständige Sprachen handelt, ist sowohl in der
Sprachwissenschaft vor allem an Lehrstühlen außerhalb der
betroffenen Länder als auch unter manchen Sprechern selbst
umstritten.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft



Kontroverse um den Begriff „Serbokroatisch“
Heute ist „Serbokroatisch“ ein kontroverser Begriff,
der variablen Bedeutung des Begriffes Sprache
entsprechend.
Nach der Meinung mancher Linguisten ist es eine
zusammenfassende Bezeichnung für Bosnisch,
Kroatisch, Moliseslawisch, Montenegrinisch und
Serbisch. Es ist umstritten, ob Serbokroatisch eine
Sprache oder eine Sprachunterfamilie ist. Die
schriftsprachlichen Varietäten des Serbokroatischen
beruhen alle auf Formen des štokavischen Dialektes
und stimmen in weiten Teilen der Grammatik und
des Wortschatzes überein,
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

unterscheiden sich jedoch in anderen Teilen des
Wortschatzes, in vielerlei Details der sprachlichen
Norm und im Gebrauch unterschiedlicher Alphabete
(im Kroatischen und Bosnischen das lateinische, im
Serbischen überwiegend das kyrillische Alphabet).
Ob es sich um Varietäten einer einzigen Sprache
oder um vier eng verwandte eigenständige
Sprachen handelt, ist sowohl in der
Sprachwissenschaft vor allem an Lehrstühlen
außerhalb der betroffenen Länder als auch unter
manchen Sprechern selbst umstritten.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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
Srpskohrvatski jezik naziv je za jezik koji je, po mišljenju nekih
slavista, postojao od sredine 19. stoljeća do konca 20., kada se, po
tom stajalištu, raspao na hrvatski, srpski i bošnjački, s potencijalnom
daljnjom kristalizacijom crnogorskoga jezika. Po drugačijim se
mišljenjima radi o pojmu koji ima političkopovijesni, ali ne i
lingvistički sadržaj, tj., po tim stavovima, srpskohrvatski nikada nije
postojao ni kao sustav narječja, ni kao standardni jezik.
Назив језика у социјалистичким републикама
Српскохрватски језик је имао различите називе у тадашњим
социјалистичким републикама у оквиру СФРЈ:
СР Србија: српскохрватски
СР Хрватска: хрватски или српски / српски или хрватски
СР Босна и Херцеговина: српскохрватски или хрватскосрпски
СР Црна Гора: српскохрватски
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft



Geschichte
Traditionelle schriftsprachliche Varietäten
Die Geschichte der südslawischen Völker und
infolgedessen auch der südslawischen Sprachen
verlief über Jahrhunderte im Bereich der Literatur
und der Sprachentwicklung aufgrund der über 500
Jahre dauernden unterschiedlichen Zugehörigkeit
des Großteils der Serben zum Osmanischen Reich
und der Mehrheit der Kroaten zu Österreich-Ungarn
voneinander größtenteils getrennt.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Standardisierung im 19. Jahrhundert
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
verfolgte die illyrische Bewegung im
österreichisch-ungarischen Kroatien das Ziel,
auf der Grundlage des Štokavischen eine
einheitliche Schriftsprache möglichst für alle
Südslawen (anfangs einschließlich der
Slowenen und der Bulgaren), zumindest
aber für alle Kroaten zu entwickeln.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Sowohl bei den Kroaten als auch bei den Serben entwickelten
sich schriftsprachliche Varietäten auf der Grundlage des
štokavischen Dialektes, jedoch keine einheitliche,
nationalitätenübergreifende Norm. Gleichzeitig existierten bei
den Kroaten auch schriftsprachliche Formen des Kajkavischen
und des Čakavischen, während bei den Serben bis zur frühen
Neuzeit das Kirchenslawische als Schriftsprache verwendet
wurde. Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts setzte sich
durch den russischen Einfluss auf die orthodoxen slawischen
Völker des osmanischen Reiches bei den Serben die russische
Form des Kirchenslawischen durch, neben die für weltliche
Texte eine serbisch-russisch-kirchenslawische Mischsprache
trat, die als Slawenoserbisch (slavenosrpski, auch
slavjanoserbski) bezeichnet wird.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Ljudevit Gaj, der wohl wichtigste Vertreter des
Illyrismus, ging in seiner Zeitschrift Danica
("Morgenstern") 1836 vom Kajkavischen der Region
um Zagreb zum Štokavisch-ijekavischen über. Als
Vorbild diente dabei vor allem die traditionelle
Schriftsprache Dubrovniks. Auf dem Gebiet der
Orthographie orientierten sich die Illyristen am
Lateinalphabet des Tschechischen. Die aus diesem
übernommenen Buchstaben mit Sonderzeichen č, š,
ž, ě sowie das aus dem polnischen übernommene ć
traten an die Stelle verschiedener zuvor
verwendeter, regional unterschiedlicher Digraphen.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Gleichzeitig waren bei den Serben Vuk Karadžić und
seine Anhänger bestrebt, das Kirchenslawische als
Schriftsprache durch die štokavische Volkssprache
zu ersetzen. Von 1813 an verfasste Vuk Karadžić
zahlreiche Arbeiten über die und in der serbischen
Volkssprache - eine Grammatik, ein Wörterbuch,
Sammlungen von Volksliedern und eine
Bibelübersetzung. Ziel der Reform sollte eine an der
gesprochenen Volkssprache orientierte
Schriftssprache sein, deren Orthographie
ausschließlich der Aussprache folgen sollte (gemäß
seinem Leitspruch: Piši kao što govoriš ("Schreibe,
wie du sprichst!").
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Durch eine radikale Reform des kyrillischen
Alphabetes des Serbischen erreichte er, dass in
diesem seitdem jedem Phonem genau ein
Buchstabe entspricht. Karadžić verwendete dabei
überwiegend den heute als "Ostherzegowinisch"
bezeichneten štokavisch-ijekavischen Dialekt, wie er
in der östlichen Herzegowina, im nördlichen
Montenegro und im Südwesten Serbiens, woher er
selbst stammte, gesprochen wird.
Unter diesen Umständen kam es seit der Mitte des
19. Jahrhunderts zu einer Zusammenarbeit
kroatischer und serbischer Linguisten bei der
Normierung einer gemeinsamen Schriftsprache auf
der Grundlage des štokavischen Dialektes.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Die erste förmliche Schritt zu einer gemeinsamen
Kodifikation der Schriftsprache war das sogenannte
Wiener Abkommen vom 28. März 1850, das von
einer Reihe von serbischen und kroatischen
Sprachwissenschaftlern (u. a. von Vuk Karadžić,
seinem Mitarbeiter Đuro Daničić und dem
kroatischen Illyristen Ivan Mažuranić) sowie vom
angesehenen slowenischen Slawisten Franc Miklošič
unterzeichnet wurde, die sich zur Mitarbeit an der
von der österreichisch-ungarischen Regierung
betriebenen Normierung der juristischen
Terminologie in den Sprachen des Habsburgerreichs
in Wien aufhielten.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Die Unterzeichner des Abkommens bekannten sich zu dem
Ziel, "dass ein Volk ein Schrifttum haben muss" ("da jedan
narod treba jednu književnost da ima"). Sie schlugen vor, dass
das Štokavisch-ijekavische die Grundlage der gemeinsamen
Schriftsprache sein solle, und machten Vorschläge zur
Vereinheitlichung einiger bisher in Kroatien und Serbien
unterschiedlich gelöster Fragen der Standardisierung. Diese
waren vor allem morphologischer und orthographischer Natur:
Beispielsweise solle der Genitiv Plural der meisten Substantive
auf -a enden, das h solle überall geschrieben werden, wo es
etymologisch vorhanden sei (z. B. historija 'Geschichte' statt
istorija), und das silbische r solle ohne Begleitvokal
geschrieben werden (z. B. prst 'Finger' statt pàrst o. ä.). Mit
der Standardisierung des Wortschatzes befasste sich das
Abkommen nicht.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Die juristische Terminologie wurde in getrennten
Spalten für das Kroatische und das Serbische
veröffentlicht, was unter anderem darauf
zurückzuführen war, dass an der serbischen
Fassung auch Gegner von Karadžić' Sprachreform
mitwirkten, die Wörter slawenoserbischer Herkunft
mit aufnahmen. Das Wiener Abkommen war eine
informelle Absichtserklärung, der zunächst keine
weiteren Schritte folgten. Der größte Teil der
orthographischen und morphologischen
Empfehlungen des Abkommens wurden schließlich
in Serbien Ende der 1860er und in Kroatien Anfang
der 1890er Jahre zur offiziellen Norm.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Im Königreich Serbien konnten sich in in den
1860er Jahren die Anhänger der Sprachreform Vuk
Karadžić' gegen die Anhänger einer stärker am
slawenoserbischen orientierten Schriftsprache
durchsetzen. Grundlage der Orthographie wurde die
streng phonologische reformierte Kyrilliza,
Grundlage der Standardgrammatik die von Đuro
Daničić in Übereinstimmung mit den Vorstellungen
Karadžić' und dem "Wiener Abkommen" verfasste
Grammatik der serbischen Sprache.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Hinsichtlich des Reflexes des etymologischen Jat in
der Schriftsprache konnten sich jedoch die
Anhänger Karadžić' und Daničić' im Königreich
Serbien und in der Vojvodina nicht durchsetzen. Die
Verwendung des Ijekavische wurde hier nur von
einer begrenzten Zahl von Menschen übernommen,
die Mehrzahl blieb in Übereinstimmung mit den
meisten in diesen Gebieten gesprochenen Dialekten
beim Ekavischen. Durchsetzen konnte sich das
Ijekavische als Schriftsprache hingegen in
Montenegro und unter den Serben in BosnienHerzegowina und der kroatischen Militärgrenze, wo
auch ijekavische Dialekte gesprochen werden.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

In Kroatien orientierte sich die amtliche Schreibweise des
Štokavischen, das dort zunächst in illyristischer Tradition meist
als Illyrisch, seit Anfang der 1860er Jahre als Kroatische oder
Serbische Sprache bezeichnet wurde, von den 1840er bis zu
den 1880er Jahren überwiegend an den in den 1840er Jahren
von den illyristischen Grammatikern kodifizierten Normen, die
sich in einigen Punkten von den von Karadžić' und Daničić'
verfochtenen unterschieden: Die Orthographie orientierte sich
teilweise an morphologischen, nicht an phonologischen
Kriterien (so wurde die Stimmtonassimilation nicht in der
Schrift wiedergegeben), und der ijekavische Jat-Reflex wurde
zunächst als ě, später als ie oder je, nicht hingegen als ije/je
geschrieben
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Auf dem Gebiet der Morphologie wurden im Plural
der Nomina abweichende Flexionsendungen
verwendet, die nur in wenigen Varietäten des
Štokavischen vorkommen, jedoch im Kajkavischen
allgemein üblich sind und den rekonstruierten
urslawischen Formen näherstehen. Über die Details
dieser Normierung kam es jedoch niemals zu einer
allgemein akzeptierten Einigung, vielmehr standen
sich in Kroatien in den meisten Fragen
unterschiedliche auf die illyrische Tradition Bezug
nehmende Schulen gegenüber.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Vor allem unter dem Einfluss des an die
Jugoslawische Akademie der
Wissenschaften und Künste in Zagreb
berufenen Đuro Daničić entwickelte sich
parallel dazu die Schule der sogenannten
"kroatischen Vuk-Anhänger", die eine streng
phonologische Orthographie und eine
Orientierung der Morphologie an den
Formen des gesprochenen Štokavischen
forderte, wie es in den Werken von Karadžić'
und Daničić' verwirklicht war.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Diese Schule, deren wichtigste Vertreter der
Grammatiker Tomislav Maretić und der Lexikograph
Ivan Broz waren, konnte sich gegen Ende des 19.
Jahrhunderts durchsetzen.
Als Ergebnis dieser konvergenten
Normierungsprozesse kam es gegen Ende des 19.
Jahrhunderts zu einer weitgehend einheitlichen
morphologischen Norm der serbischen und/oder
kroatischen Sprache und einer Vereinheitlichung der
orthographischen Normen des kroatischen
lateinischen und des serbischen kyrillischen
Alphabetes, so dass diese seitdem direkt ineinander
transliteriert werden können.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Da von der Sprachwissenschaft der damaligen Zeit
im Allgemeinen die Morphologie und der aus
älteren Sprachformen ererbte Grundwortschatz als
entscheidend für die Klassifikation von Sprachen
angesehen wurden, setzte sich in der Slawistik der
damaligen Zeit die Auffassung durch, dass die in
ihrer schriftsprachlichen Form auf diesen Gebieten
weitgehend übereinstimmenden Sprachen der
Serben und Kroaten als eine einzige Sprache
anzusehen seien, für die sich zunächst vor allem in
der ausländischen Slawistik die Bezeichnung
"Serbokroatisch" einbürgerte.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Sprachliche Entwicklung im 20. Jahrhundert
Nach der Gründung des Königreiches der Serben,
Kroaten und Slowenen (des späteren Jugoslawiens)
als eines gemeinsamen Staates dieser
südslawischen Völker wurde die Amtssprache
zunächst im Einklang mit der offiziellen Ideologie,
wonach Serben, Kroaten und Slowenen ein einziges
Volk seien, als "Serbo-kroato-slowenisch" definiert.
Da die slowenische Schriftsprache sich jedoch auf
allen Gebieten deutlich von derjenigen der Serben
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Beim Ausbau des Wortschatzes kam es
hingegen zu keiner systematischen
Zusammenarbeit, so dass sich die
Unterschiede zwischen der bei den Kroaten
und der bei den Serben gebrauchten
schriftsprachlichen Form des Štokavischen
durch unterschiedliches Vorgehen bei der
Bildung von Neologismen und der
Übernahme von Fremdwörtern in diesem
Zeitraum teilweise noch vergrößerten.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
und Kroaten unterschied und auch von der
damaligen Slawistik allgemein als
eigenständige Sprache betrachtet wurde,
wurde innerhalb des slowenischen
Siedlungsgebietes de facto weiterhin das
Slowenische als Amtssprache verwendet,
was auch dadurch begünstigt wurde, dass
das Siedlungsgebiet der Slowenen
geographisch relativ klar von demjenigen
der anderen südslawischen Völker
abgrenzbar ist.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Im übrigen Staatsgebiet wurde jedoch das
Serbokroatische zur einheitlichen Amtssprache
erklärt, wobei die Unterschiede zwischen den
schriftsprachlichen Varietäten keine
Berücksichtigung fanden. Da die Hauptstadt des
neuen Staates Belgrad war und dessen
Institutionen zum größten Teil von den Politikern,
Beamten und Militärs des bisherigen Königreiches
Serbien beherrscht wurden, führte dies in der Praxis
dazu, dass die serbische Varietät der Schriftsprache
als Amtssprache verwendet wurde, während die vor
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

allem auf dem Gebiet des Wortschatzes
abweichenden Formen der bis dahin in Kroatien
verwendeten schriftsprachlichen Varietät von
offizieller Seite als nicht standardgemäße
Regionalismen betrachtet wurden. Dies führte
wiederum dazu, dass auf kroatischer Seite
zunehmend die Forderung aufkam, das Kroatische
als eigenständige Sprache anzuerkennen, um die
Diskriminierung kroatischer Ausdrücke zu beenden.
Nach der Bildung der autonomen Banovina Kroatien
im Jahre 1939 wurde auf deren Gebiet de facto die
kroatische Variante der Sprache auch amtlich
verwendet.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Während des Zweiten Weltkriegs versuchte der
faschistische sogenannte Unabhängige Staat
Kroatien (Nezavisna Država Hrvatska, NDH) 1941–
1945 eine radikale Abkehr von der bestehenden
sprachlichen Norm durchzusetzen. Das Kroatische
staatliche Sprachbüro (Hrvatski državni ured za
jezik) versuchte alle (tatsächlichen oder
angeblichen) Serbismen und Fremdwörter aus der
Sprache zu verbannen und durch zum Teil ältere
und traditionelle, zum Teil neu gebildete "echt
kroatische" Wörter ersetzte (z. B. telegraf durch das
neue brzojav, wörtlich Schnellmeld, oder waggonrestaurant durch kola za blagovanje, wörtlich
Wagen fürs Speisen).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Gleichzeitig wurde unter Übergehung des
Widerspruchs führender kroatischer
Sprachwissenschaftler eine Rechtschreibreform
dekretiert, durch die die von den "kroatischen VukAnhängern" Ende des 19. Jahrhunderts
durchgesetzte Rechtschreibreform rückgängig
gemacht werden sollte. Die neue Norm sollte sich
streng an morphologischen statt an phonologischen
Kriterien orientieren, da die phonologische
Orthographie angeblich nur "serbisch" sei.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Im kommunistischen Jugoslawien wurden in den
ersten Jahren nach 1945 ebenso wie schon in der
Publizistik der Partisanen während des Zweiten
Weltkrieges das Serbische und das Kroatische als
zwei eigenständige Sprachen anerkannt, so dass
der jugoslawische Staat zu dieser Zeit vier
Amtssprachen anerkannte (Serbisch, Kroatisch,
Slowenisch und Mazedonisch). In den folgenden
Jahren änderte sich die offizielle politische Linie
jedoch erneut. 1954 wurde im Abkommen von Novi
Sad festgelegt, dass die Sprache der Kroaten,
Bosnier, Herzegowiner, Serben und Montenegriner
dieselbe sei,
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

nämlich Serbokroatisch. Lediglich der Unterschied
in der Aussprache zwischen Ijekavisch und der
Ekavisch und die Verwendung der zwei
verschiedenen Alphabete sollten bestehen bleiben.
Das Serbische wurde danach gewöhnlich als
östliche Variante, das Kroatische als westliche
Variante des Serbokroatischen bezeichnet. Das
Slowenische und das Mazedonische behielten
hingegen ihre Anerkennung als eigenständige
Sprachen, und auf regionaler Ebene wurden auch
die Sprachen nichtslawischer Minderheiten wie das
Ungarische und das Albanische als Amtssprachen
anerkannt.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Diese Regelung stieß in den 1960er Jahren in
Kroatien auf zunehmenden Widerspruch. 1967
unterzeichneten bekannte kroatische
Sprachwissenschaftler, Literaten und Politiker die
Deklaration über die Bezeichnung und Stellung der
kroatischen Schriftsprache (Deklaracija o nazivu i
položaju hrvatskog književnog jezika), in der sie das
Recht einforderten, dass ein Volk seine Sprache
nach sich selbst benennen dürfen müsse, selbst
wenn diese Sprache mit der Sprache eines anderen
Volkes identisch sei. Auf diese Deklaration reagierte
Titos Zentralregierung mit Repressionen, die
letztlich
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

wohl den kroatischen Widerstand noch verstärkten,
der schließlich zum "Kroatischen Frühling" führte.
Danach wurde im Jahre 1974 in Kroatien wieder
Kroatisch als Bezeichnung des Unterrichtsfachs in
den Schulen eingeführt, und jede Teilrepublik
konnte in ihrer Verfassung eine eigene regionale
Varietät der Sprache benennen. Als Bezeichnung
der gesamten Sprache sowie der Amtssprache auf
Bundesebene blieb "Serbokroatisch oder
Kroatoserbisch" (nun offiziell meist in Kombination
genannt) jedoch im Gebrauch.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Seit dem Zerfall Jugoslawiens werden das
Bosnische, Kroatische und Serbische offiziell als
eigenständige Sprachen anerkannt, während der
Status der Sprache der Montenegriner nach wie vor
umstritten ist. Vor allem in Kroatien werden dabei
auch sprachliche Eigenheiten, die seit 1918
verpönt, unterdrückt oder in Vergessenheit geraten
waren, wieder verwendet. Das grammatische
System und der Grundwortschatz der drei Sprachen
sind nach wie vor großteils identisch, jedoch dürfte
die nicht mehr gemeinsam erfolgende Sprachpflege
zu einer künftigen weiteren auseinanderentwicklung
beitragen. Das Sprachenkürzel "sh" (nach ISO 639)
wird seit dem 18. Februar 2000 als veraltet
angesehen (vgl. [1]).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Dialekte
Die von den Serben, Kroaten, Bosniaken und
Montenegrinern gesprochenen Dialekte sind Teil
eines südslawischen Dialektkontinuums, das über
das Serbokroatische hinaus auch das Slowenische,
Mazedonische und Bulgarische umfasst. Sie lassen
sich in vier Dialektgruppen unterteilen, die nicht
deckungsgleich mit den Staatsgebieten sind. Drei
der Dialektgruppen sind nach der jeweiligen Form
des Fragewortes was? benannt, das selbst aber nur
eines von zahlreichen phonologischen und
morphologischen Merkmalen ist, die dieser
Einteilung zugrunde liegen.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Das Štokavische (nach dem Fragewort für was?: što
oder šta) wird in ganz Bosnien und Herzegowina
und Montenegro sowie im größten Teil Serbiens und
Kroatiens gesprochen. Das Kajkavische (kajkavski;
Fragewort kaj was?) ist im nördlichen Kroatien
verbreitet und das Čakavische (čakavski; Fragewort
größtenteils ča was?) im nördlichen und mittleren
Teil der kroatischen Küste. Die Dialekte des
südöstlichen Serbiens, die einen Übergang vom
Štokavischen zum Mazedonischen und Bulgarischen
bilden, werden als Torlakisch bezeichnet.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Da das Fragewort was? hier – ebenso wie im
Štokavischen, Mazedonischen und Bulgarischen –
što lautet, werden die torlakischen Dialekte oft zu
den štokavischen hinzugerechnet. Da die
eigentliche Grundlage der Einteilung in
verschiedene Dialektgruppen jedoch nicht ein
einzelnes Wort, sondern eine ganze Reihe
phonologischer, morphologischer und syntaktischer
Merkmale ist, ist das Torlakische mit seinen
morphologisch-syntaktischen Besonderheiten als
eigene Dialektgruppe anzusehen.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Das Štokavische lässt sich wiederum in mehrere
Untergruppen einteilen. Der auffälligste Unterschied
betrifft die verschiedene Wiedergabe des
urslawischen Lautes *ě (genannt "Jat"). Nach der
Wiedergabe dieses Lautes als ije/je (z.B. urslawisch
*světъ > svijet 'Welt' oder *květъ > cvijet 'Blume'),
e (svet, cvet) oder i (svit, cvit) werden die
štokavischen Dialekte in ijekavische (ijekavica),
ekavische (ekavica) und ikavische (ikavica)
unterschieden.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Ijekavische Dialekte werden in Teilen
Kroatiens, dem größten Teil BosnienHerzegowinas, ganz Montenegro sowie in
den Grenzgebieten Westserbiens
gesprochen. Ekavische Dialekte werden im
größten Teil Serbiens gesprochen. Ikavische
Dialekte kommen in Teilen Dalmatiens, im
südlichen Istrien, in der westlichen
Herzegowina sowie Teilen Westbosniens und
des südlichen Slawoniens vor.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Die Schriftsprache aller vier Nationalitäten
baut auf dem Štokavischen auf. Die Kroaten,
Bosniaken und Montenegriner verwenden
dabei nur das Ijekavische, die Serben in
Serbien vor allem das Ekavische, die
bosnischen Serben hingegen zum größten
Teil das Ijekavische. Daneben gibt es einige
seltener vorkommende lautliche
Unterschiede im Wortschatz slawischer
Herkunft.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Des Weiteren gibt es Unterschiede bei der
Übernahme von Fremdwörtern: serbisch falsifikovati
vs. kroatisch falsificirati; sb. okean vs. kr. ocean; sb.
hemija vs. kr. kemija. Grundsätzlich werden
Fremdwörter im Kroatischen sparsamer eingesetzt
als im Serbischen, während das Bosnische viele
Turzismen enthält. Es gibt eine große Anzahl von
Regionalismen, deren Verbreitungsgebiet jedoch oft
nicht den nationalen Grenzen folgt. Die
Unterschiede im Grundwortschatz sind dagegen
geringer als etwa zwischen vielen deutschen
Dialekten.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Standardvarietäten
Das Serbokroatische wird (zumindest seit
dem Zweiten Weltkrieg) nicht als
zentralistische Einheitssprache, sondern als
plurizentrische Sprache verstanden, die
nicht nur einen einzigen Standard kennt
(wie z. B. das Italienische, Polnische oder
Finnische), sondern über mehrere
Standardvarietäten verfügt (wie die meisten
von mehreren
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Nationen gesprochenen Sprachen, z. B.
Schweizer Hochdeutsch, österreichisches
Deutsch und Deutschlanddeutsch; britisches
Englisch, amerikanisches Englisch,
australisches Englisch, schottisches Englisch
usw.; Frankreichfranzösisch, belgisches
Französisch, Schweizer Französisch,
Quebecer Französisch usw.). In Abweichung
von der deutschen linguistischen
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Terminologie bezeichnet die Serbokroatistik eine
solche Standardvarietät als Variante (serbokroatisch
varijanta).
Zu allen Zeiten unterschieden und unterscheiden
sich die Varietäten des Serbokroatischen nicht nur
durch den Unterschied zwischen ijekavischer und
ekavischer Aussprache und durch den Gebrauch der
beiden Alphabete, sondern vor allem durch den
Wortschatz (vgl. Unterschiede zwischen den
serbokroatischen Standardvarietäten; die
Feststellung, dass zwei Varietäten gleichermaßen
ijekavisch und lateinisch geschrieben seien,
bedeutet also keineswegs, dass sie damit identisch
seien.)
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Regionale Varietäten des
Serbokroatischen 1954–1974
Das 1954 geschlossene Abkommen
von Novi Sad unterschied zwei
"Varianten", zwei offizielle
"Aussprachen" (skr. izgovor) und zwei
Alphabete, die sich folgendermaßen
verteilten:
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


die westliche Variante (zapadna varijanta), die nur
in ijekavischer Aussprache und lateinischer Schrift
vorkam (in den Teilrepubliken Kroatien und
Bosnien-Herzegowina benutzt)
die östliche Variante (istočna varijanta), die in zwei
Aussprachen vorkam, die beide sowohl kyrillisch als
auch lateinisch geschrieben werden konnten:
– ijekavische Aussprache (in den Teilrepubliken
Montenegro und Bosnien-Herzegowina)
– ekavische Aussprache (in der Teilrepublik
Serbien)
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

In den 50er und 60er Jahren gab es jedoch auch
eine inoffizielle Bestrebung, die Unterschiede
zwischen den Varietäten zu verringern, die vielleicht
das Ziel verfolgte, letztendlich eine "jugoslawische"
Einheitssprache mit einem einzigen Standard zu
erhalten, der als "Kompromiss" auf der östlichen
Varietät beruhen, aber ausschließlich lateinisch
geschrieben würde. Aus kroatischer Sicht wird dies
als Beleg der fortgesetzten serbischen Hegemonie
gesehen, aus serbischer hingegen als
"demokratische" Notwendigkeit, da die Sprecher
der östlichen Varietät gegenüber denen der
westlichen mit rund 10 zu 5 Millionen klar in der
Mehrheit waren.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Regionale Varietäten des
Serbokroatischen 1974–1991
Als 1974, nach dem "Kroatischen Frühling",
neue Verfassungen des Bundesstaats und
der Teilrepubliken verabschiedet wurden,
konnten die Teilrepubliken je einen
regionalen "standardsprachlichen Ausdruck"
(skr. književnojezički izraz) definieren. Die
Gesamtsprache hieß jetzt offiziell
"Serbokroatisch oder Kroatoserbisch" (skr.
srpskohrvatski ili hrvatskosrpski jezik).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Nun gab es vier verschiedene Varietäten, von
denen jedoch nach wie vor nur zwei als offizielle
"Varianten" galten. Die anderen beiden könnte man
mit den von Ulrich Ammon (1995) als Halbzentren
bezeichneten Varietäten der deutschen Sprache in
Luxemburg, Ostbelgien, Liechtenstein und Südtirol
vergleichen (gegenüber den Vollzentren in
Deutschland, Österreich und der Deutschschweiz).
Insgesamt wurden nun also folgende Varietäten
anerkannt:
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

die kroatoserbische Variante der
serbokroatischen oder kroatoserbischen
Sprache (hrvatskosrpska varijanta
srpskohrvatskoga ili hrvatskosrpskoga
jezika), bisweilen auch als kroatische
Standardsprache (hrvatski književni jezik),
niemals aber als kroatische Sprache
(hrvatski jezik) bezeichnet (Amtssprache der
Teilrepublik Kroatien): ijekavisch in
lateinischer Schrift
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

die serbokroatische Variante der
serbokroatischen oder
kroatoserbischen Sprache
(srpskohrvatska varijanta
srpskohrvatskoga ili hrvatskosrpskoga
jezika) (Amtssprache der Teilrepublik
Serbien): meist ekavisch (seltener
auch ijekavisch), in kyrillischer oder
lateinischer Schrift
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

der montenegrinische
standardsprachliche Ausdruck der
serbokroatischen oder
kroatoserbischen Sprache (crnogorski
književnojezički izraz srpskohrvatskoga
ili hrvatskosrpskoga jezika)
(Amtssprache der Teilrepublik
Montenegro): ijekavisch, in kyrillischer
oder lateinischer Schrift
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

der bosnisch-herzegowinische
standardsprachliche Ausdruck der
serbokroatischen oder kroatoserbischen
Sprache (bosansko-hercegovački
književnojezički izraz srpskohrvatskoga ili
hrvatskosrpskoga jezika) (Amtssprache der
Teilrepublik Bosnien-Herzegowina und dort
von allen Bevölkerungsgruppen benutzt):
ijekavisch, in kyrillischer oder lateinischer
Schrift
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Nationale Varietäten des Serbokroatischen seit 1991
Nach dem Zerfall Jugoslawiens waren die Standardvarietäten
nicht mehr an die ehemaligen Teilrepubliken gebunden,
sondern in erster Linie an die Nationalität der Sprecher.
(Allerdings gibt es hierüber Meinungsverschiedenheiten. So ist
z. B. unklar bzw. wohl auch individuell verschieden, ob in
Kroatien lebende Serben Serbisch oder Kroatisch sprechen,
und das Bosnische wird von manchen als gemeinsames Idiom
aller Einwohner Bosniens, von anderen hingegen als Idiom der
muslimisch-bosnischen Nationalität verstanden.) Dadurch kam
es zu einem qualitativen Wandel von regionalen
Standardvarietäten innerhalb Jugoslawiens zu in vollem Sinne
nationalen Varietäten:
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


die kroatische nationale Varietät (von Kroaten vor
allem in Kroatien und Bosnien-Herzegowina
gesprochen, Amtssprache Kroatiens und BosnienHerzegowinas): ijekavisch und lateinisch
geschrieben
die serbische nationale Varietät, die in mindestens
drei staatlichen Standardvarietäten existiert (ähnlich
wie die deutsche nationale Varietät des Deutschen
bis 1990 in zwei staatlichen Varietäten existierte,
nämlich der der BRD und der der DDR):
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft




die Varietät Serbiens (Amtssprache Serbiens,
zwischen 1993 und 1998 auch von serbischen
Nationalisten in Bosnien-Herzegowina als
Amtssprache propagiert): meist ekavisch, verstärkt
kyrillisch, aber auch lateinisch geschrieben
die Varietät Bosnien-Herzegowinas (Amtssprache
Bosnien-Herzegowinas): ijekavisch, verstärkt
kyrillisch, aber auch lateinisch geschrieben
die Varietät Montenegros (Amtssprache
Montenegros): ijekavisch, lateinisch oder kyrillisch
geschrieben
die bosnische nationale Varietät (von Muslimen vor
allem in Bosnien gesprochen, Amtssprache BosnienHerzegowinas): ijekavisch, lateinisch geschrieben
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Diese "Nationalisierung" der Varietäten, verbunden
mit deren kompletter Kodifizierung in jeweils
eigenen Wörterbüchern und Grammatiken, wird von
den meisten Sprechern als Entwicklung zu
vollwertigen, unabhängigen Standardsprachen
empfunden. Jedoch ist zu bedenken, dass –
unabhängig von der politischen Bewertung dieses
Prozesses – die Unterschiede zwischen in den
einzelnen Varietäten geschriebenen Texten nach
wie vor deutlich geringer sind als z. B. diejenigen
zwischen tschechischen und slowakischen,
zwischen dänischen und norwegischen oder
zwischen deutschen und letzeburgischen Texten.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Eine Ausnahme stellt das Projekt einer eigenen
montenegrinischen Sprache dar, für die Vojislav Nikčević eine
Grammatik und ein orthographisches Wörterbuch verfasst hat,
da er dabei diverse phonologische und morphologische
Dialektmerkmale einbezieht, die von der bisherigen
serbokroatischen Tradition deutlich abweichen. Dieses Projekt
findet in Montenegro selbst jedoch bisher wenig
Unterstützung. Die meisten Montenegriner benutzen weiterhin
die oben beschriebene montenegrinische Varietät des
Serbischen und nennen diese je nach politischer Ausrichtung
entweder Montenegrinisch oder Serbisch.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft



Politischer Status
Die Diskussion um den Status des
Serbokroatischen ist stark von Ideologie
geprägt. Während sich Sprecher der
Varietäten Serbisch, Kroatisch und Bosnisch
gut verständigen können, lehnen sie es
gleichzeitig ab, dass dieses Mittel der
Verständigung eine gemeinsame Sprache
sein soll.
Es gibt grundsätzlich zwei unterschiedliche
Sichtweisen:
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Sichtweise 1: Serbokroatisch als plurizentrische
Sprache
Bosnisch, Kroatisch und Serbisch seien keine Einzelsprachen,
sondern Varietäten einer Sprache (ähnlich wie österreichisches
und deutschländisches Deutsch, oder britisches und
amerikanisches Englisch). Die serbische und die kroatische
Schriftsprache unterschieden sich beispielsweise weniger
voneinander als Bairisch und Hochdeutsch. Teilweise seien die
dialektalen Unterschiede innerhalb Kroatiens größer als die
zwischen der Standardsprache Kroatiens und der der anderen
beiden serbokroatischsprachigen Länder (siehe Dialekte).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Die Abneigung gegen Serbokroatisch liege vor allem an der
historischen Entwicklung im ehemaligen Jugoslawien und der
dortigen Ideologisierung des Serbokroatischen. Daher
betrachteten Politik und die meisten Sprecher die
Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Sprache mit den
Nachbarn im ehemaligen Jugoslawien in erster Linie als ein
Eingeständnis einer Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen
Kultur oder einem gemeinsamen Volk. Aus der gleichen
Motivation heraus suchten auch Linguisten aus den
betroffenen Ländern nach identitätsstiftenden Besonderheiten
ihrer jeweiligen Varietät (siehe Ideologisierte Linguistik). So
habe der Zerfall Jugoslawiens in einzelne Staaten dazu
geführt, dass die Regionalvarianten der serbokroatischen
Sprache in ihren jeweiligen Sprecherländern in den Status
einer eigenen, den Landesnamen tragenden Amtssprache
erhoben wurde.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Dennoch habe es für einen Nichtmuttersprachler
keinen Sinn, nacheinander Kroatisch, Serbisch und
Bosnisch zu lernen, genauso, wie man keine
Dolmetscher und Übersetzer zwischen diesen
"Sprachen" brauche. (Allerdings scheiterte eine
1991 in Ilidža bei Sarajevo abgehaltene Konferenz,
die den Krieg in Kroatien beenden und den
drohenden Krieg in Bosnien verhindern sollte, unter
anderem an der Diskussion um die Forderung
kroatischer und bosnischer Nationalisten nach
Simultanübersetzungen aus dem Serbokroatischen.)
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Sichtweise 2: Der Mythos Serbokroatische
Sprache
Die "Serbokroatische Sprache" sei ein politisches
Konstrukt, das nie als Standardsprache existiert
habe. Im Einklang mit der Ideologie wonach Serben
und Kroaten ein einziges serbokroatisches oder
jugoslawisches Volk seien, wurde die von Kritikern
als panserbisch oder jugoslawisch-unitaristisch
bezeichnete Sprache als "Serbo-kroatisch" definiert.
Die kroatische und serbische Sprache seien
aufgrund ihrer historischen Entwicklung und
Standardisierung als Einzelsprachen zu betrachten
und hätten sich lediglich einige Jahrzehnte lang (zur
Zeit Jugoslawiens) parallel entwickelt (und das zum
Teil unter Zwang).
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft






Der Tatsache, dass sich die drei Standardsprachen
Kroatisch, Bosnisch und Serbisch aus dem NeuŠtokavischen entwickelt haben, sei keine allzu
große Bedeutung beizumessen:
In der Linguistik gebe es zahlreiche Beispiele für
ähnliche, jedoch anerkannte unterschiedliche
Standardsprachen, wie z. B.
Hindi und Urdu,
Rumänisch und Moldawisch,
Bulgarisch und Mazedonisch oder
Norwegisch und Dänisch.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft



In dieser Sichtweise werden die
Unterschiede zwischen der kroatischen und
der serbischen Standardsprache betont, die
sich wie folgt zusammenfassen lassen:
Alphabet: Lateinisch vs. Kyrillisch
Orthographie: vor allem Adaption von
Fremdnamen (z. B. serbisch Nju Jork/Њу
Јорк vs. kroatisch meist New York) und
Schreibung gewisser Futur-Formen (z. B.
serbisch radiću/радићу vs. kroatisch radit ću
'ich werde arbeiten‘)
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft




Phonetik: unterschiedliche Akzentuierung einzelner
Wörter
Grammatik: diverse Unterschiede, u. a. Meidung
des Infinitivs im Serbischen (z. B. želim da radim,
wörtlich 'ich möchte, dass ich arbeite' vs. kroatisch
želim raditi 'ich möchte arbeiten')
Morphologie: zahlreiche unterschiedliche DetailRegelungen, die bisher meist eine Frage der Stilistik
waren
Wortschatz und Semantik: Unterschiede bei einer
Reihe von Wörtern
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Allerdings gelten auch Hindi und Urdu sowie
Rumänisch und Moldawisch vielen
Linguisten als Varietäten einer Sprache, und
die mazedonische und norwegische
Standardsprache basieren auf anderen
Dialekten als die bulgarische bzw. dänische.)
In dieser Sichtweise werden die
Unterschiede zwischen der kroatischen und
der serbischen Standardsprache betont, die
sich wie folgt zusammenfassen lassen:
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Fremdwörter vs. Lehnübersetzungen
Die kroatische Standardsprache zeichnet
sich durch einen Sprachpurismus aus, der
deutlich weniger Fremdwörter akzeptiert als
z. B. das Serbische. Kroatische Formen
wiederbelebter Archaismen, Neologismen,
Lehnübersetzungen und Lehnübertragungen
werden bevorzugt.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft

Kroatisch
siječanj
veljača
ožujak
travanj
svibanj
lipanj
srpanj
kolovoz
rujan
listopad
studeni
prosinac
Bosnisch Serbisch
januar
februar
mart
april
maj
juni
jun
juli
jul
august
avgust
septembar
oktobar
novembar
decembar
Deutsch
Januar
Februar
März
April
Mai
Juni
Juli
August
September
Oktober
November
Dezember
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
Kroatisch
Bosnisch
Serbisch
Deutsch
odrezak
časnik
šnicla
oficir (dt./frz.)
šnicla
oficir (dt./frz.)
Schnitzel
Offizier
zrakoplov
zrakomlat
avion (frz.)
helikopter (dt.)
avion (frz.)
helikopter (dt.)
Flugzeug
Helikopter
kolodvor
tisuća
stanica (ksl.)
hiljada (gr.)
stanica (ksl.)
hiljada (gr.)
Bahnhof
tausend
glazba
znamenka
muzika (lat.)
cifra (arab.)
muzika (lat.)
cifra (arab.)
Musik
Ziffer
susjed
komšija (türk.),
susjed
sused, komšija
Nachbar
(türk.)
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft


Gebrauch des Infinitivs vs. da-Konstruktion
Im Kroatischen wird bei Modalverben mehrheitlich und bei der
Bildung des Futurs ausschließlich der Infinitiv benutzt. Im
Serbischen und Bosnischen erscheint an dieser Stelle häufig
eine Nebensatz-Konstruktion mit der Konjunktion da ‘dass’
und einer finiten Verbform, wobei das Subjekt dieses dassSatzes mit dem des Hauptsatzes identisch ist. Dies ist eine
Gemeinsamkeit mit den Idiomen des Balkansprachbunds. In
den Sprachen dieser Gruppe ist der Infinitiv jedoch vollständig
geschwunden, sodass etwa im Bulgarischen die daKonstruktion die einzig mögliche Variante darstellt. Im
Bosnischen und Serbischen sind dagegen beide Varianten
möglich.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
Kroatisch
Bosnisch
Serbisch
Deutsch
želim vas
informirati
želim da vas
informišem
oder želim vas
Ich will Sie
informieren/ ich
will, dass ich Sie
informiere
moram raditi
moram da radim oder moram
raditi
ich muss
arbeiten
("ich muss, dass
ich arbeite")
ja ću to napisati
oder napisat ću
to
ja ću to da
napišem
oder ja ću to
napisati
oder napisat ću
to
ich werde das
aufschreiben
("ich werde,
dass ich das
aufschreibe")
informisati
ja ću to da
napišem
oder ja ću to
napisati
oder napisaću to
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft



Die slawische Sprachwissenschaft
Die slawische Sprachwissenschaft erforscht,
dokumentiert und vermittelt die Entwicklung
der slawischen Sprachen von den Anfängen
bis zur Gegenwart.
Zu den sprachwissenschaftlichen
Untersuchungsbereichen der Slawistik
gehören:
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft










Phonetik
Phonologie
Morphologie
Syntax
Semantik (Wort- und Satzbedeutungslehre)
Pragmatik
Etymologie
Dialektologie
Historische Linguistik
Soziolinguistik
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft



Konversationsanalyse
Diskursanalyse
Sprechakttheorie
Einführung in die Slavische Sprachwissenschaft
Klausurfragen




1. Was ist Strukturalismus?
2. Was ist der Unterschied zwischen
Bühlers und de Saussures Models?
3. Nennen und erläutern Sie Saussures
vier Dichotomien!
4. Grenzen Sie die Begriffe Philologie,
Sprachwissenschaft und Linguistik ab!
Einführung in die Slavische Sprachwissenschaft
Klausurfragen







5. Was bedeuten und was behandeln die
folgenden Disziplinen und Teilgebiete der
Sprachwissenschaft:
a. Sprachgeschichte
b. Sprachvergleich
c. Soziolinguistik
d. Semantik
e. Pragmatik
f. Syntax
Einführung in die Slavische Sprachwissenschaft
Klausurfragen
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6. Was bedeutet indoeuropäisch uns was
bedeutet indogermanisch?
7. Erläutern Sie die Begriffe:
Kentumsprachen?
Satemsprachen?
8. Bestimmen Sie die wichtigsten Gruppen
der indogermanischen und der slavischen
Sprachen am Beispiel des
Stammbaummodells
Einführung in die Slavische Sprachwissenschaft
Klausurfragen
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11. Welche Bedeutung hatte die
Slavenmission im Kontext der Zeit? Geben
Sie die wichtigsten Etappen an.
12. Welche slawischen
Mikroliteratursprachen gelten als anerkannte
Minderheitensprachen, welche als
Regionalsprachen?
13. Was ist der Unterschied zwischen
Transkription und Transliteration?
Einführung in die Slavische Sprachwissenschaft
Klausurfragen
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8. Bestimmen Sie die wichtigsten Gruppen der
indogermanischen und der slavischen Sprachen am
Beispiel des Stammbaummodells
9. Unterscheiden Sie die Perioden a)
Gemeinslawisch, b) Urslawisch und c)
Altkirchenslawisch und ordnen Sie sie zeitlich ein?
d) Wo lag die Urheimat der Slawen? (3 Theorien)
10. Durch welche lautlichen Besonderheiten lässt
sich das Urslavische (bzw. Gemeinslawische)
charakterisieren und in welchen slawischen
Sprachen lassen sich noch Spuren dieses
phonologischen Systems heute finden?
Einführung in die Slavische Sprachwissenschaft
Klausurfragen
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14. Erläutern Sie die Tendenz zur Steigerung
der Silbensonorität!
15. Geben Sie die Regel der folgenden
Lautgesetze an:
a. Liquidametathese
b. Silbenharmonie
c. 1. regressive (urslawischen) Palatalisation
d. 2. regressive (gemeinslawische)
Palatalisation
e. 3. progressive Palatalisation
Einführung in die Slavische Sprachwissenschaft
Klausurfragen
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16. Stellen Sie die wichtigsten allgemeinen
(Sprecherzahl, Geschichte), phonologischen,
morphologischen, syntaktischen und
lexikalischen Charakteristika einer der
folgenden Sprachen dar!
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Russisch, Polnisch, Tschechisch, Kroatisch, Serbisch, Bosnisch,
Ukrainisch, Makedonisch, Bulgarisch
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gez. Kosta, Schürcks, Daiber
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Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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Einführende Literatur
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A. Bibliographien
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Gladrow, W. Gutschmidt,' Seemann, K. D. (Hrsg.). 2002:
Bibliographie slawistischer Veröffentlichungen aus
Deutschland, Österreich und der Schweiz 1983/19871992. München: Sagner.
Olbislav: Die Online-Bibliothek der deutschsprachigen
Slavistik. Bestände seit 1993. In: http://www.slavistik.uni-
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potsdam.de/cfdocs/bibliographie/index.htm
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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B. Handbücher und Einführungen:
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Die slavischen Sprachen - The Slavic Languages. Ein
internationales Handbuch zu ihrer Geschichte, ihrer
Struktur und ihrer Erforschung/An International
Handbook of their History, their Structure and their
Investigation. Herausgegeben von/Edited by Tilman
Berger (Tübingen) - Karl Gutschmidt (Dresden) –
Sebastian Kempgen (Bamberg) - Peter Kosta (Potsdam)
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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Enzyklopädie des europäischen Ostens. Klagenfurt 2002.
Franz, Norbert: Einführung in das Studium der Slavischen
Philologie Darmstadt: Verlag: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
1994
Lehfeldt, Werner: Einführung in die Sprachwissenschaft für
Slavisten. München: Sagner (Slavistische Beiträge 324).
Evgenij Širjaev (Hrsg.): Russkij jazyk. (Najnowsze dzieje języków
słowiańskich). Opole 2001.
Rehder, Peter (Hrsg.): Einführung in die slavischen Sprachen.
Darmstadt 1998(3).
Trautmann, Reinhold: Die slavischen Völker und Sprachen. Eine
Einführung in die Slavistik. Leipzig 1948 (alt, aber immer noch gut)
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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C. Linguistische Wörterbücher:
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Hadumod Bußmann (Hrsg.): Lexikon der Sprachwissenschaft. 3.
aktualisierte Aufl. Stuttgart: Kröner 2002. Präsenzbestand.
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Kosta, Peter
Weitere Verfasser/Herausgeber: Veselovská, Ludmila
Titel: Stichwortbearbeitung zur generativen Syntax: Schlagwörter:
Rektions-Bindungs-Theorie, Minimalistisches Programm,
Linguistisches Wörterbuch des Tschechischen
Rubrik: (01) Slavistik theoretisch und historisch
Sprache: (38) Tschechisch. In: Enzyklopädisches Wörterbuch des
Tschechischen. Prag 2002. Hrsg. Petr Karlík.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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D. Sammelbände:
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Slavistische Linguistik 1996. Referate des XXII. Konstanzer
Slavistischen Arbeitstreffens. Potsdam 17.-20.09.1996. Hrsg. Von
Peter Kosta und Elke Mann. München: Sagner 1997.
Bereichsbibliothek Neues Palais. Haus 10. KD 1035 SLA.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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Wichtige Persönlichkeiten der
Linguistik des 20./21. Jahrhunderts
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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Noam Chomsky
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Noam Chomsky beim Weltsozialforum 2003
Avram Noam Chomsky (* 7. Dezember 1928 in Philadelphia,
Pennsylvania, USA) ist Professor für Linguistik am Massachusetts
Institute of Technology (MIT).
Er entwickelte die nach ihm benannte Chomsky-Hierarchie, seine
Beiträge zur allgemeinen Sprachwissenschaft förderten den
Niedergang des Behaviorismus und den Aufstieg der
Kognitionswissenschaft. Neben seiner linguistischen Arbeit gilt
Chomsky als einer der bedeutendsten Intellektuellen Nordamerikas
und ist als scharfer Kritiker der US-amerikanischen Außenpolitik
bekannt. Seine politische Heimat ist der Anarchosyndikalismus.
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Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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2 Wirkung
– 2.1 Beiträge zur Linguistik
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2.1.1 Generative Grammatik
2.1.2 Chomsky-Hierarchie
2.1.3 Kritik an Chomskys Linguistik
– 2.2 Beiträge zur Psychologie
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3
4
5
6
Auszeichnungen
Rezeption in Deutschland
Original-Zitate (übersetzt)
Literatur
– 6.1 Linguistik
– 6.2 Politische Werke
– 6.3 Über Chomsky
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7 Filme
8 Weblinks
9 Siehe auch
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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Leben
Chomsky wurde am 7. Dezember 1928 in Philadelphia (Pennsylvania, USA) als Sohn
des jüdischen Gelehrten William Chomsky geboren. Im Jahr 1945 begann er, an der
University of Pennsylvania Philosophie und Linguistik zu studieren. Zu seinen
Lehrern zählten der Sprachwissenschaftler Zellig Harris und der Philosoph Nelson
Goodman. Chomskys anarchistische Überzeugungen bildeten sich schon in den
1940er Jahren heraus. Von großer Bedeutung war dabei die Auseinandersetzung mit
den anarchistischen Experimenten während des Spanischen Bürgerkriegs. Chomsky
hatte in dieser Zeit auch Kontakte zu zionistischen Organisationen.
Anfang der 1950er Jahre studierte er einige Jahre an der Harvard University, bis er
1955 an der Universität von Pennsylvania in Linguistik promovierte. In seiner
Doktorarbeit The Logical Structure of Linguistic Theory begann er bereits damit,
einige der Ideen zu entwickeln, die er 1957 in seinem Buch Syntactic Structures,
einem der bekanntesten Werke der Linguistik, ausarbeitete.
Nach der Verleihung der Doktorwürde lehrte Chomsky zunächst als
Assistenzprofessor, seit 1961 als ordentlicher Professor für Linguistik und
Philosophie am Massachusetts Institute of Technology. In den 1960er Jahren wurden
seine revolutionären linguistischen Arbeiten weltweit anerkannt, seither gilt er als
einer der wichtigsten Theoretiker auf diesem Gebiet.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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In dieser Zeit begann Chomsky, sich in der Öffentlichkeit deutlicher
politisch zu artikulieren. Seit 1964 protestierte er gegen das
Eingreifen der USA in Vietnam. 1969 veröffentlichte er "Amerika
und die neuen Mandarine", eine Sammlung von Aufsätzen über den
Vietnamkrieg. Ebenso deutlich bezog Chomsky Stellung gegen die
US-amerikanische Politik in Kuba, Haiti, Ost-Timor, Nicaragua, im
Palästinakonflikt und gegenüber den "Schurkenstaaten" sowie zum
Golf- und Kosovokrieg, zur Frage der Menschenrechte, zu
Globalisierung und neoliberaler Weltordnung. Heute ist er, neben
seiner weiter unbestrittenen Bedeutung für die Linguistik, zu einem
der bedeutendsten Kritiker der US-Außenpolitik, der politischen
Weltordnung und der Macht der Massenmedien geworden.
Einführung
in die Slavische Sprachwissenschaft
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In der "New York Times Book Review" wurde Chomsky einmal als der
"wichtigste Intellektuelle der Gegenwart" bezeichnet. Noam Chomsky hierzu:
"Das Zitat wurde von einem Verlagshaus veröffentlicht. Doch da sollte man
immer sehr genau lesen: Wenn man nämlich das Original nachschaut, dann
heißt es weiter: 'wenn dies der Fall ist, wie kann er dann solchen Unsinn über
die amerikanische Außenpolitik schreiben?' Diesen Zusatz zitiert man nie. Aber
um ehrlich zu sein: Gäbe es ihn nicht, würde ich glauben, ich mache etwas
falsch."
Noam Chomsky gilt in Hinblick auf sein politisches Schrifttum als der
"meistzitierte Außenseiter der Welt". Er wird als einer der Vorsprecher und
Vordenker der Antiglobalisierungsbewegung angesehen. Nach dem 11.
September 2001 postulierte Noam Chomsky in einer Reihe von Interviews
sinngemäß, dass Osama Bin Laden gleichsam in Vertretung der Dritten Welt
das Zentrum des internationalen Kapitalismus und der Globalisierung
angegriffen habe, während die USA nach seiner Darstellung in Afghanistan zu
einem Genozid ansetzten.
Kritiker hingegen werfen ihm ein schlichtes Weltbild vor, das nur die Farben
Schwarz und Weiß, nur Druck und Gegendruck kenne und demzufolge die
USA und Israel stets Unrecht, die Befreiungsbewegungen der Erde stets Recht
hätten.