Transcript 1 HGB

AG Handels- und Gesellschaftsrecht
SS 2011 – Daniel Könen
Der Kaufmann §§ 1 ff. HGB
Die Kaufmannseigenschaft ist in den §§ 1-7
HGB geregelt.
 § 1 HGB: Ist-Kaufmann

 Abs. 1: „ Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs
ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt.“
 Abs. 2: „ Handelsgewerbe ist jeder
Gewerbebetrieb, es sei denn, dass das
Unternehmen nach Art oder Umfang einen in
kaufmännischer Weise eingerichteten
Geschäftsbetrieb nicht erfordert.“
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Der Kaufmann §§ 1 ff. HGB
Prüfungsfolge:
 Gem. § 1 Abs. 1 HGB ist Kaufmann im Sinne
des HGB, wer ein Handelsgewerbe betreibt.
 Handelsgewerbe ist dabei jeder
Gewerbebetrieb (vgl. § 1 Abs. 2 HGB), d.h.
jede nach außen gerichtete, selbstständige,
planmäßige auf gewisse Dauer zum Zwecke
der Gewinnerzielung (h.M.) ausgeübte
erlaubte (str.) Tätigkeit, die nicht freier Beruf
ist.
 Ein Gewerbebetrieb ist ein Handelsgewerbe,
wenn er einen in kaufmännischer Weise
eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.
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P: Betreibereigenschaft
℗ Betreibereigenschaft im Sinne von § 1
I HGB (Ist-Kaufmann)
(zT): Derjenige in dessen Namen (Firma)
das Geschäft geführt wird
(wohl h.M.): Der, der durch die Geschäfte
berechtigt und/oder verpflichtet wird.
 Relevant, bei § 128 HGB
 Unterschied: Ein Gesellschafter einer OHG
verbürgt sich mündlich, nach h.M. gilt er
selbst als Kaufmann, so dass nach § 350
HGB Formfreiheit gilt.

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Gewerbebetrieb
1. Es muss also zunächst ein Gewerbebetrieb vorliegen:
a) (rechtlich) Selbstständige Tätigkeit:
(Unternehmerrisiko)
Durch dieses Merkmal sollen vor allem solche Tätigkeiten
aus dem Handelsrecht ausgegrenzt werden, die aufgrund
und im Rahmen einer abhängigen Stellung erbracht
werden. (Abgrenzung über § 84 Abs. 1 S. 2 HGB
vorzunehmen: „wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit
gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann“ →
insbesondere wichtig bei Merkmal „Arbeitnehmer“ im
Arbeitsrecht)
b) Nach außen gerichtete / erkennbare Tätigkeit:
Die reine Vermögensverwaltung ist kein Handelsgewerbe.
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c) Planmäßig auf gewisse Dauer angelegte Tätigkeit:
Maßgeblich ist hier die Vielzahl der beabsichtigten
Geschäftsabschlüsse, die allerdings lediglich ein Indiz
liefert.
d) Kein freier Beruf:
Eine Aufzählung freier Berufe enthält § 1 Abs. 2 PartGG,
die jedoch nicht pauschal auf den handelsrechtlichen
Gewerbebegriff übertragbar ist.
Umfasst die Betätigung sowohl gewerbliche als auch
freiberufliche Komponenten, kommt es maßgeblich auf
den Tätigkeitsschwerpunkt an.
z.B.: ℗ Apotheker = Freiberufler?
Zwar: öffentliche Aufgabe der Medikamentenversorge
Aber: Heutzutage steht der reine Warenhandel im
Vordergrund
 Kein freier Beruf
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e) Erlaubte Tätigkeit:
Maßgeblich ist insoweit, ob die in dem Betrieb
typischerweise abgeschlossenen
Rechtsgeschäfte gegen das Gesetz oder die
guten Sitten verstoßen. Die neuere Lehre
verzichtet auf dieses Erfordernis
f) Gewinnerzielungsabsicht:
Sie soll bereits vorliegen, wenn das Bestreben
darauf gerichtet ist, mit der Tätigkeit einen
Ertrag zu erzielen, der höher als der Aufwand
ist. Ausgeschlossen sind damit in erster Linie
karikative Tätigkeiten. Teilweise wird inzwischen
allerdings vertreten, dass auf dieses Merkmal
verzichtet werden könne
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2. Kein Kleingewerbe (Vorliegen
Handelsgewerbe)
Der Gewerbebetrieb ist nur ein
Handelsgewerbe, wenn zu dessen Führung ein
in kaufmännischer Weise eingerichteter
Geschäftsbetrieb notwendig ist:
Für die Frage, ob ein Unternehmen einen in
kaufmännischer Weise eingerichteten
Geschäftsbetrieb erfordert, kommt es
maßgeblich auf das Erscheinungsbild des
Geschäftsablaufs des Unternehmens an. Es gilt
eine gesetzliche Vermutung („es sei denn“).
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„Indizwirkung“ entfalten
- für den Prüfungspunkt „Art“: die Vielfalt des
Geschäftsgegenstandes und Schwierigkeit der
Geschäftsvorgänge, die Inanspruchnahme von
Kredit- oder Teilzahlungen, erhebliche
Teilnahme am Wechsel-/ Scheckverkehr, der
Umfang der Geschäftskorrespondenzen,
Buchführung und Bilanzierung;
- für den Prüfungspunkt „Umfang“: der
Umsatz, die Höhe des Anlage-/
Kapitalvermögens, die Anzahl der
Betriebsstätten und deren Größe, die Zahl der
Geschäftsabschlüsse, die Anzahl der
Beschäftigten und die Lohnsumme.
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→ Eintragungspflicht: Der (Ist-)Kaufmann
muss sich in das Handelsregister eintragen
lassen.
 → Wirkung: Die Eintragung (§ 29 HGB) wirkt
rein deklaratorisch (rechtsbekundend) → Der
Kaufmann unterliegt also auch dann den
handelsrechtlichen Vorschriften, wenn er
(pflichtwidrig) nicht in das Handelsregister
eingetragen ist. Der Schutz Dritter wird in
diesem Fall durch die Regelung des § 15 Abs.
1 HGB gewährleistet.
 → Beweislast: widerlegbare Vermutung
hinsichtlich des Vorliegens eines
Handelsgewerbes; auch zugunsten des nicht
eingetragenen Gewerbetreibenden

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• Gesellschafter einer
Personenhandelsgesellschaft
→ Gesellschafter der OHG/ Komplementäre der KG:
KM-Eigenschaft (+), diese sind gem. § 128 HGB
einer unbeschränkten persönlichen Haftung
ausgesetzt, die wirtschaftlichen Folgen der
Geschäfte der Gesellschaft treffen sie also
unmittelbar
→ Kommanditist: (-), beschränkte Haftung (§ 171
HGB), Ausschluss von Geschäftsführung und
Vertretung (§§ 164, 170 HGB)
• Gesellschafter einer juristischen Person
(-), nur die juristische Person wird aus den in ihrem
Namen geschlossenen Geschäften berechtigt und
verpflichtet
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§ 2 HGB – Kann-Kaufmann
→ Voraussetzungen:
 Betreiben eines sonstigen gewerblichen Unternehmens;
„Kleingewerbetreibende“
 Eintragung im Handelsregister
 Für „Kleingewerbetreibende besteht keine
Eintragungspflicht, sondern nur eine
Eintragungsmöglichkeit (Wahlrecht). Die Eintragung wirkt
hier konstitutiv.
 Der Gewerbetreibende muss in bewusster Ausübung
seines Wahlrechts handeln, also wissen, dass er nicht
eine nach § 29 HGB rechtlich gebotene und nur
deklaratorisch wirkende Erklärung abgibt, sondern dass
er durch seine Äußerung eine materielle Rechtsfolge
herbeiführt.
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§ 2 HGB – Kann-Kaufmann
→ Rechtsfolge: Solange sich der
Kleingewerbetreibende nicht zur Eintragung ins
Handelsregister angemeldet hat, sind diejenigen
handelsrechtlichen Vorschriften, die tatbestandlich
an die Kaufmannseigenschaft anknüpfen,
grundsätzlich nicht anwendbar.
Zu prüfen bleibt allerdings immer, ob einzelne
Vorschriften entsprechend anzuwenden sind.
 Die handelsrechtlichen Regelungen bergen auch
Nachteile: Besondere Pflichten (Buchführung, § 238
HGB), größeres Maß an Sorgfalt (§ 377), weiterhin
§§ 348, 350 HGB, § 310 Abs. 1 BGB etc.
 Merke: Es handelt sich um eine
rechtsgeschäftsähnliche Handlung, Regelungen für
WE analog anwendbar.
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§ 5 HGB: Kaufmann kraft Eintragung
→ Voraussetzungen:
(1) Betreiben eines Gewerbes
§ 5 HGB setzt den tatsächlichen und
aktuellen Betrieb eines Gewerbes unter der
eingetragenen Firma voraus → Die
Anwendung des § 5 HGB ist
ausgeschlossen, wenn die Tätigkeit nicht die
Voraussetzungen des handelsrechtlichen
Gewerbebegriffs erfüllt.
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§ 5 HGB: Kaufmann kraft Eintragung
(2) Eintragung im Handelsregister
 § 5 HGB dient dem Schutz des Rechtsverkehrs. Die Regelung
setzt allerdings nicht die Gutgläubigkeit eines Dritten voraus. Es
handelt sich nicht um eine Rechtsscheinnorm.
 Für § 5 HGB ist allein die formelle Rechtslage maßgeblich, d. h.
die Rechtsfolge des § 5 HGB tritt nur ein, wenn eine Firma in
das Handelsregister eingetragen ist (→ auch die zu Unrecht
erfolgte Eintragung löst die Rechtsfolge des § 5 HGB aus!).
 § 5 HGB ist von Amts wegen zu berücksichtigen (h.M.). Der
Dritte muss sein Begehren also nicht auf die
Kaufmannseigenschaft nach § 5 HGB stützen (teilweise
vertretene Ansicht).
 Streitig ist, ob § 5 HGB auch im Deliktsrecht Anwendung finden
soll. Teilweise wird dies bejaht, der BGH ließ diese Frage
ausdrücklich offen und zum Teil wird diese Frage unter Verweis
auf den Schutzzweck der Norm verneint.
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Problem1: Herabsinken des Istkaufmanns zum
Kleingewerbetreibenden
Umstritten sind die Auswirkungen auf die
Kaufmannseigenschaft, wenn ein Istkaufmann nach seiner
deklaratorisch wirkenden Eintragung in das Handelsregister
infolge einer Verringerung des Geschäftsbetriebes zum
Kleingewerbetreibenden herabsinkt.
 → Wortlaut des § 2 Satz 1 HGB: Die Kaufmannseigenschaft
bleibt von der Verringerung des Geschäftsbetriebes wegen der
fortbestehenden Eintragung im Handelsregister unberührt. Folge
hiervon ist, dass eine Löschung der Firma von Amts wegen
unzulässig ist und die Kaufmannseigenschaft erst verloren geht,
wenn der Inhaber gem. § 2 S. 3 HGB die Löschung beantragt.
(arg.: Rechtssicherheit)

In dem Eintragungsantrag nach § 1 HGB könnte konkludenter
Antrag nach § 2 HGB liegen.
 Ausübung des Wahlrechts könnte in dem Unterlassen der
Löschung der Eintragung liegen.

16
Problem1: Herabsinken des Istkaufmanns
zum Kleingewerbetreibenden



→ Problematisch stellt sich insoweit allerdings die
fehlende Harmonie mit § 5 HGB dar. Dieser will nach
seinem Wortlaut gerade den Sachverhalt erfassen,
dass ein Gewerbe kein Handelsgewerbe ist, und
somit in den Fällen eingreifen, in denen sich der
Eingetragene darauf beruft, dass sein Unternehmen
keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten
Geschäftsbetrieb erfordert.
Es wird daher teilweise auch eine Anwendung des
§ 5 HGB vorgeschlagen.
H.M.: § 2 HGB ist abzulehnen; es fehlt an einer
bewussten Ausübung des Wahlrechts. § 1 HGB ist
nur deklaratorisch, während § 2 HGB konstitutiv
wirkt. Daher liegt eine andere Rechtsqualität vor.
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Problem2: Irrtümliche Anmeldung als Istkaufmann

Jemand denkt, er sei „Ist-Kaufmann“ und lässt sich daher
ins Handelsregister eintragen.
◦ teilw.: derjenige sei Kaufmann (§ 2 HGB), da er sich ins
Handelsregister hat eintragen lassen
◦ teilw.: er sei nicht Kaufmann, da es sich um eine
fehlgeschlagene Eintragung handelt; solche Fälle seien
über § 5 HGB zu lösen

Der Unterschied zwischen § 2 HGB und § 5 HGB ist
insoweit relevant, als § 5 HGB keine staatlichen Zwangsund Sanktionsmaßnahmen herbeiführt. Ein Kaufmann
nach § 5 HGB unterliegt nicht der Bilanzierungspflicht der
§§ 238 ff. HGB und kann sich somit auch nicht nach §§
283 ff. StGB strafbar machen.
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Der Scheinkaufmann


Voraussetzungen:
1. Rechtsschein der Eigenschaft als Kaufmann
→ ausdrückliche Erklärung: Wer
unaufgefordert oder auf Nachfrage erklärt,
Kaufmann zu sein.
P: Muss diese Erklärung auch schlüssig
sein? Nein, hiergegen ist einzuwenden, dass
mangelnde Rechtskenntnisse für die Frage,
ob ein ausreichender Rechtsschein besteht,
irrelevant sind.
→ problematisch: konkludentes Verhalten:
zumindest dann, wenn sich jemand solcher
Einrichtungen bedient, die ausschließlich Kaufleuten
vorbehalten sind (z.B. Erteilung einer Prokura)
19
Der Scheinkaufmann

2. Aufgrund des eigenen Auftretens im
Rechtsverkehr zurechenbar gesetzt
→ wichtig: Geschäftsfähigkeit
notwendig! Verschulden nicht
erforderlich!
→ Testfrage: Ist es objektiv
vorhersehbar, dass ein bestimmtes
Handeln bei Dritten bzw. im
Rechtsverkehr den Rechtsschein der
Kaufmannseigenschaft erweckt?
20
Scheinkaufmann

3. Gutgläubigkeit des Dritten
→ hieran fehlt es bei positiver
Kenntnis und bei grob fahrlässiger
Unkenntnis
→ grds. keine Nachforschungspflicht,
nur bei konkreten Zweifeln
21
Scheinkaufmann

4. Konkrete Kausalität: Der Dritte hat im
Vertrauen auf Rechtsschein gehandelt.
(kennen und darauf verlassen)
→ hierfür ist ausreichend, wenn bei
Kenntnis der wahren Sachlage mit einer
anderen Entscheidung
des Dritten zu
rechnen gewesen wäre
→ es sei sachgerecht, die Beweislast
demjenigen aufzuerlegen, der die
Rechtsscheinshaftung nicht
gegen sich
gelten lassen möchte
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Rechtsfolge:
 Der Scheinkaufmann muss sich wie ein Kaufmann
behandeln lassen. (dogmatisch: Entweder wird der
Anwendungsbereich der Norm mittels einer Analogie auf
den Scheinkaufmann ausgedehnt oder dem
Scheinkaufmann wird die Berufung auf die fehlende
Kaufmannseigenschaft nach § 242 BGB (venire contra
factum proprium) verwehrt.
 Der Dritte kann sich entscheiden (Wahlrecht), ob er sich
auf die wahre oder auf die scheinbare Rechtslage berufen
möchte. Der „Scheinkaufmann“ kann sich nicht auf den
Rechtsschein berufen und damit eine ihm günstige
Rechtslage herbeiführen.
 Problem: Anwendung des § 366 Abs. 1 HGB auf den
Scheinkaufmann? Wohl hL keine Wirkung des
Rechtsscheins zu Lasten unbeteiligter Dritter (aber str., aA
vertretbar).
23
Fall 1:
Der Bäckermeister (B) ist nicht im Handelsregister eingetragen.
Für die Darlehensschuld seines Bruders (D) gibt B der G-Bank
(G) gegenüber eine schriftliche Bürgschaftserklärung ab. Mit
Eintritt der Fälligkeit nimmt G den B in Anspruch. B wendet ein,
G müsse sich zunächst an D halten. Er sei kein Kaufmann. Der
Betrieb des B hat einen Jahresumsatz von 200. 000 Euro. In
der Bäckerei, die sich im Haus des B befindet, arbeiten nur
zwei Lehrlinge, sowie seine Ehefrau und Tochter. Die Bäckerei
wird nur von einem Lieferanten versorgt. Die Abrechnung mit
diesem erfolgt teils durch Barzahlung teils durch
Banküberweisung. Teilzahlungs- oder Wechselgeschäfte
werden nicht getätigt.
Kann die G-Bank von B die Rückzahlung des Darlehens
verlangen?
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A. Anspruch der G-Bank gegen B aus der Bürgschaft gem. §
765 Abs. 1 BGB
I. Bestehen und Fälligkeit der Hauptverbindlichkeit
Nach dem Sachverhalt besteht eine fällige
Hauptverbindlichkeit in Form eines wirksamen
Darlehensvertrags (§ 488 BGB) zwischen D und der GBank.
II. Wirksame Bürgschaft
B müsste sich wirksam verbürgt haben. B hat gegenüber
der G-Bank ein Bürgschaftsversprechen abgegeben. Die
Bürgschaftserklärung bedarf grundsätzlich der Form des §
766 S. 1 BGB. Da die Schriftform laut Sachverhalt
eingehalten wurde, kann hier offen bleiben, ob die
Formvorschrift gem. § 350 HGB keine Anwendung findet.
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III.
Einrede der Vorausklage § 771 BGB

B könnte jedoch die Einrede der Vorausklage
zustehen, dass heißt er könnte die Befriedigung
des Gläubigers verweigern, solange nicht der
Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den
Hauptschuldner (D) ohne Erfolg versucht hat.

Diese Einrede steht dem B jedoch nach § 349 HGB
nicht zu, wenn die Bürgschaft für ihn ein
Handelsgeschäft darstellt. Handelsgeschäfte sind
nach § 343 HGB alle Geschäfte eines Kaufmanns,
die zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören
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1. Kaufmannseigenschaft des B
B müsste zunächst Kaufmann sein.
Kaufmann ist nach § 1 Abs. 1 HGB, wer
ein Handelsgewerbe betreibt.
Nach § 1 Abs. 2 ist ein Handelsgewerbe
jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass
das Unternehmen nach Art und Umfang
einen in kaufmännischer Weise
eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht
erfordert.
27
a) Gewerbe



Erforderlich ist zunächst, dass überhaupt ein Gewerbe
betrieben wird. Gewerbebetrieb ist jede nach außen
gerichtete, selbstständige, auf gewisse Dauer, zum
Zwecke der Gewinnerzielung ausgeübte, erlaubte
Tätigkeit. Das Gewerbe wird von demjenigen betrieben,
der aus den abgeschlossenen Geschäften berechtigt und/
oder verpflichtet wird.
Dies ist vorliegend der B. B betreibt ein Gewerbe im Sinne
der genannten Definition, damit gilt für ihn grundsätzlich
die gesetzliche Vermutung der Kaufmannseigenschaft aller
Gewerbetreibenden.
Umstritten ist es, ob die Gewinnerzielungsabsicht sowie
das Kriterium der Erlaubtheit konstitutive Merkmale sind.
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b) Mindestbetriebsgröße/Abgrenzung vom sog. Kleingewerbe



Gemäß § 1 Abs. 2 HGB ist B jedoch ausnahmsweise kein
Kaufmann, wenn sein Betrieb nach Art oder Umfang einen
kaufmännischen Geschäftsbetrieb nicht erfordert.
Unter einem in „kaufmännischer Weise eingerichteten
Geschäftsbetrieb“ sind diejenigen Einrichtungen zu
verstehen, die ein Kaufmann für eine ordnungsgemäße
Geschäftsführung benötigt.
Dazu gehören z.B. kaufmännische Buchführung, Inventarund Bilanzerrichtung, Lohnbuchhaltung, Aufbewahrung der
Geschäftskorrespondenz, also das, was notwendig ist, um
einen Betrieb übersichtlich und zuverlässig abwickeln zu
können.
Entscheidend ist allein, ob derartige Einrichtungen
erforderlich, nicht ob sie tatsächlich vorhanden sind.
Andernfalls könnte der Unternehmer dieses
Tatbestandsmerkmal beliebig herbeiführen oder
beseitigen.
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aa) Umfang
Bei der Bäckerei des B handelt es sich dem
Umfang nach um einen einfach strukturierten
Familienbetrieb. Die Betriebsräume sind im
Wohnhaus des B und neben zwei Lehrlingen
sind nur die Ehefrau und Tochter beschäftigt.
Der Umsatz in Höhe von 200.000 Euro ist
jedoch erheblich und erfordert regelmäßig
kaufmännische Einrichtungen. (maßgebliche
Umsatzschwelle spätestens ab 250. 000
Euro)
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bb) Art
 Ein Gewerbetreibender ist aber bereits dann kein Kaufmann,
wenn sein Betrieb entweder nur der Art oder aber nur dem
Umfang nach eine kaufmännische Einrichtung nicht erfordert. So
reicht ein hoher Umsatz allein nicht, wenn die Art des
Geschäftsbetriebs einfach ist.
 B ist also dennoch kein Kaufmann, wenn der Betrieb seiner Art
nach keine kaufmännischen Einrichtungen erfordert. Da der B
die Waren nur von einem Lieferanten bezieht und sie i.d.R.
sofort aus eigenen oder aus Mitteln eines eingeräumten Kredits
bezahlt, ist die Buchführung insoweit einfach und durchsichtig.
Die Weiterveräußerung erfolgt überwiegend gegen Barzahlung,
so dass eine einfache Gewinn- und Verlustrechnung einen
hinreichenden Überblick über die finanzielle Lage des Betriebs
gewährt. Zudem ist bei der Anzahl der Beschäftigten keine
umfangreiche Lohnbuchhaltung geboten.
Bei Würdigung des Gesamtbildes des Geschäftsablaufes ist
demnach kein kaufmännisch eingerichteter Geschäftsbetrieb
erforderlich.
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2. Zwischenergebnis:
 Da der Bäckereibetrieb des B keinen kaufmännisch
eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, ist B kein
Kaufmann (§ 1 Abs. 2 HGB). Die Voraussetzungen
des § 349 HGB sind nicht erfüllt.
 § 349 und 350 HGB setzen voraus, dass derjenige,
der das Bürgschaftsversprechen abgibt, Kaufmann
ist und dass das Bürgschaftsversprechen für ihn ein
Handelsgeschäft ist. Vgl. §§ 343, 344 HGB.
IV. Ergebnis:
 Da § 349 HGB nicht eingreift, kann sich B wie jeder
„normale“ Bürge auf die Einrede der Vorausklage
berufen. Es besteht kein Anspruch aus § 765 Abs. 1
BGB, solange der Gläubiger nicht eine
Zwangsvollstreckung gegen den D versucht hat.
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Kriterien für die Erforderlichkeit eines kaufmännischen Geschäftsbetriebes:
Art:
 Vielfalt des Geschäftsgegenstandes
 Schwierigkeit der Geschäftsvorgänge
 Inanspruchnahme von Kredit- und Teilzahlungen
 Erhebliche Teilnahme am Wechsel- und Scheckverkehr
 Bilanzierung
 Umfang der Geschäftskorrespondenz
 Art und Weise der betrieblichen Organisation
Umfang:
 Umsatz
 Höhe des Kapitalvermögens
 Anzahl der Betriebsstätten und deren Größe
 Anzahl der Beschäftigten
 Lohnsummen
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Fall 2:
K betreibt eine Baustofffirma im großen Stil
und lässt sich im Handelsregister als
Kaufmann eintragen. Mit der Zeit wendet
sich K jedoch immer mehr den schönen
Dingen des Lebens zu, entlässt einen
Großteil seiner Mitarbeiter und verkauft nur
noch in viel geringerem Umfang. Da auch in
seiner Handelsbilanz nicht mehr viel
passiert, fragt sich K, ob er ein solche
überhaupt noch aufstellen muss.
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I. Bestehen einer Bilanzierungspflicht nach § 238
Abs. 1 S. 1 HGB
Gem. § 238 Abs. 1 S. 1 HGB unterliegen alle
Kaufleute der Bilanzierungspflicht. Anzuknüpfen
ist danach an die Regelungen der §§ 1 ff. HGB.
Nach herrschender Meinung gilt § 238 HGB
nicht für Kaufleute kraft Eintragung iSd § 5
HGB, da es sich bei der Bilanzierungspflicht um
eine öffentlich-rechtliche Pflicht handelt und § 5
HGB lediglich dem Schutz des
rechtsgeschäftlichen Verkehrs dient. Also
besteht eine Bilanzierungspflicht des K nur
dann, wenn er Kaufmann iSd §§ 1 oder 2 HGB
ist.
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1. Kaufmann gem. § 1 Abs. 1 HGB
Zwar ist weiterhin von einem Gewerbetrieb
auszugehen, da der Vertrieb der Holzlatten
in einem gewissen Rahmen fortgeführt
wird, jedoch hat die Baustofffirma des K an
Umfang stark eingebüßt und macht einen
in kaufmännischer Weise eingerichteten
Geschäftsbetrieb nicht mehr erforderlich.
Das ehemalige Handelsgewerbe ist zum
Kleingewerbebetrieb herabgesunken. Eine
Eigenschaft als Ist-Kaufmannschaft gem. §
1 Abs. 1 HGB scheidet somit aus.
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2. Kaufmann gem. § 2 HGB
Möglicherweise ist K als Kann-Kaufmann iSd § 2 HGB
anzusehen. Nach § 2 S. 1 HGB gilt ein Gewerbetrieb, der
nicht schon Handelsgewerbe nach § 1 Abs. 2 HGB ist, als
Handelsgewerbe, wenn er im Handelsregister eingetragen
ist.
§ 2 HGB eröffnet dem sog. Kleingewerbetreibenden die
Wahlmöglichkeit, sich zu entscheiden, ob er sich – mit
konstitutiver Wirkung – ins Handelsregister eintragen lässt
und ab dann Kaufmann ist, oder er dies unterlässt und
diejenigen Vorschriften, die die Kaufmannseigenschaft
voraussetzen, auf ihn nicht anwendbar sind.
Hintergrund dieser Vorschrift ist, dass die
handelsrechtlichen Regelungen nicht nur Vorteile, sondern
auch eine Reihe Nachteile mit sich bringen und der
Kleingewerbetreibende daher durch das Wahlrecht
geschützt werden soll.
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3. Herabsinken auf Kleingewerbe
K ist im Handelsregister eingetragen und
betreibt ein Gewerbe. Problematisch
erscheint allerdings, ob § 2 HGB auf den Fall
anzuwenden ist, dass ein Ist-Kaufmann auf
den Status eines Kleingewerbetreibenden
herabsinkt. In diesem Fall ist zweifelhaft, ob
von der Ausübung des Wahlrechts nach § 2
HGB gesprochen werden kann. Dieses
bestand im Zeitpunkt der Eintragung
jedenfalls nicht, da K zu diesem Zeitpunkt
nach § 29 HGB zur Eintragung verpflichtet
war.
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→ Argumente für die Anwendung des § 2 HGB
 in der Eintragung nach § 29 HGB könnte bereits
ein konkludenter Antrag nach § 2 HGB für den
Fall des Herabsinkens gesehen werden.
 das Unterlassen der Abmeldung in dem Zeitpunkt,
in dem die Ist-Kaufmannschafteigenschaft durch
das Herabsinken wegfällt, könnte einen Antrag iSd
§ 2 HGB darstellen.
 Wesensgleichheit aller Registeranmeldungen
 Danach wäre K Kaufmann gem. § 2 und somit
bilanzierungspflichtig gem. § 238 Abs. 1 S. 1 HGB.
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→ Argumente gegen die Anwendung des § 2 HGB, also für
die Anwendung des § 5
 Der Annahme, dass in der Anmeldung nach § 29 HGB ein
konkludenter Antrag iSd § 2 HGB liege, ist jedoch
entgegenzuhalten, dass es sich bei Ersterer um eine
materiellrechtlich folgenlose Rechtspflichtausübung
handelt, Letztere hingegen die Wahrnehmung eines
Wahlrechts manifestiert.
 Gleiches gilt für die Annahme, das bloße Unterlassen des
Löschungsantrags stelle einen Antrag gem. § 2 HGB dar.
Normzweck des § 2 HGB ist es, den
Kleingewerbetreibenden zu schützen. Dieser soll sich der
Konsequenzen einer konstitutiven Eintragung bewusst
werden. Daher setzt § 2 HGB die bewusste Ausübung
des Wahlrechts voraus.

Folgt man dieser Ansicht, ist K lediglich nach § 5 HGB als
Kaufmann anzusehen. Er wäre danach nicht zur
Buchführung verpflichtet.
40



Die beiden Meinungen gelangen zu unterschiedlichen
Ergebnissen, so dass der Meinungsstreit zu entscheiden
ist.
In den Fällen des Herabsinkens kann nicht von der
Ausübung des Wahlrechts gesprochen werden. Mangels
Ausübung des Wahlrechts des § 2 HGB und mit Hinblick
auf den Schutzzweck des § 5 HGB werden die Fälle des
Herabsinkens auf kleingewerbliches Niveau regelmäßig
von § 5 HGB erfasst (a. A. mit entsprechender
Argumentation vertretbar).
Ks Kaufmannschaftseigenschaft wird somit über § 5 HGB
fingiert. Diese Fiktion schützt den rechtsgeschäftlichen
Verkehr, entfaltet jedoch keine Wirkung bezüglich
öffentlich–rechtlicher Rechtsverhältnisse.
II. Ergebnis:
K ist nicht mehr bilanzierungspflichtig gem. § 238 Abs. 1
HGB.
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Fall 3:

Architekt A verwendet er auf seinen
Geschäftsbriefen das Kürzel e.K.. Muss sich
A bei seinen Geschäften mit Baulöwe B wie
ein Kaufmann behandeln lassen?
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I. Kaufmannseigenschaft des A
1. Angehörige freier Berufe
Angehörige freier Berufe können kein
Gewerbe betreiben. Die Nichteinbeziehung
der freien Berufe in die gewerbliche Tätigkeit
entspreche nicht deren historisch
gewachsenen Berufsbild. Dogmatisch wurde
hierbei immer an das Merkmal der
Gewinnerzielungsabsicht angeknüpft. Für
Freiberufler stünde deren berufliche Tätigkeit
und nicht die Gewinnerzielung im
Vordergrund. Als Architekt und somit
Angehöriger eines freien Berufes fällt eine
Eigenschaft nach §§ 1, 2 oder § 5 HGB aus.
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2. Lehre vom Rechtsscheinkaufmann
Möglicherweise greift jedoch die Lehre vom
Scheinkaufmann. Dann müsste A den Rechtsschein,
Kaufmann zu sein, zurechenbar gesetzt haben. Dies
könnte er dadurch gemacht haben, dass er auf
Geschäftsbriefen das Kürzel „e.K.“ verwendete.
Fraglich ist allerdings, ob die den Rechtsschein
erzeugende Erklärung auch schlüssig sein muss.
Nimmt man dies an, wäre A auch nach der Lehre vom
Scheinkaufmann nicht wie ein Kaufmann zu behandeln.
Als Angehöriger eines freien Berufs würde es an der
Schlüssigkeit seiner Erklärung fehlen. Mangelnde
Rechtskenntnis des Dritten kann jedoch nicht für die
Frage, ob ein hinreichender Rechtsschein besteht, von
Relevanz sein. A hat somit einen hinreichenden
Rechtsschein zurechenbar gesetzt.
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B hatte keine positive Kenntnis von der
wahren Rechtslage und hat hierauf
vertraut (konkrete Kausalität).
Dogmatisch kann dies entweder auf
eine Analogie zu § 5 HGB oder auf eine
Anwendung des § 242 BGB unter dem
Gesichtspunkt des venire contra factum
proprium gestützt werden.
Folglich muss A sich wie ein Kaufmann
behandeln lassen.
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