Gedicht 1 (ohne Titel) Ich hatte einst ein schönes Vaterland. Der Eichenbaum Wuchs dort so hoch, die Veilchen nickten sanft. Es war ein Traum. Das küßte.

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Transcript Gedicht 1 (ohne Titel) Ich hatte einst ein schönes Vaterland. Der Eichenbaum Wuchs dort so hoch, die Veilchen nickten sanft. Es war ein Traum. Das küßte.

Gedicht 1
(ohne Titel)
Ich hatte einst ein schönes Vaterland.
Der Eichenbaum
Wuchs dort so hoch, die Veilchen nickten sanft.
Es war ein Traum.
Das küßte mich auf deutsch und sprach auf deutsch
(Man glaubt es kaum
Wie gut es klang) das Wort: “Ich liebe dich!”
Es war ein Traum.
Gedicht 2
DAHEIM
Ein Weg durch Korn und roten Klee,
darüber der Lerche Singen,
das stille Dorf, der helle See,
süßes Wehen, frohes Klingen.
Es wogt das Korn im Sonnenbrand
darüber die Glocken schallen.
Sei mir gegrüßt, mein deutsches Land
Du schönstes Land vor allen!
Gedicht 3
HEIMAT
Ich hab’ es lange nicht gewußt,
Was Heimat sei und Vaterland.
Sprach’s einer mit durchglühter Brust,
winkt’ ich nur spöttisch mit der Hand.
Von meiner Tage Not gewürgt,
Sprach ich mit halbverzerrtem Mund:
Nicht einmal hat für mich gebürgt
Der Heimat hochgepriesner Grund
Da kam des Krieges rote Flut –
ich hörte, wie die Erde schrie:
“Du bist mein Fleisch, du bist mein Blut!
Steh auf, steh auf und banne sie!”
Auf einmal ward es mir bewußt,
Was Heimat heißt und Vaterland.
Gedicht 4
EIGEN LAND
Es blinkt ein Pflug im Thüringer Land,
den führt eine feste, fröhliche Hand
durch meine, meine Erde!
Und mein ist der Pflug und mein das Gespann,
die silbernen Birken, der kupferne Tann
Und mein am Walde die Herde!
Was ist in der Welt ein köstlicher Ding
als diese, das ich von den Ahnen empfing!
Ich steige im Frühdunst zu Pferde,
die Güter der Gasse schiebt fort meine Hand:
Es blinkt ein Pflug im Thüringer Land,
der geht durch meine Erde!
Gedicht 5
Der Radwechsel
Ich sitze am Straßenhang
Der Fahrer wechselt das Rad.
Ich bin nicht gern, wo ich herkomme.
Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre.
Warum sehe ich den Radwechsel
Mit Ungeduld?
Gedicht 6
HEIMWEH, WONACH?
Wenn ich “Heimweh” sage, sag ich “Traum”.
Denn die alte Heimat gibt es kaum.
Wenn ich Heimweh sage, mein ich viel:
Was uns lange drückte im Exil.
Fremde sind wir nun im Heimatort.
Nur das “Weh”, es blieb.
Das “Heim” ist fort.
Gedicht 7
Fremde sind wir auf der Erde alle
Tötet euch mit Dämpfen und mit Messern,
Schleudert Schrecken, hohe Heimatworte,
Werft dahin um Erde euer Leben!
Die Geliebte ist euch nicht gegeben.
Alle Lande werden zu Gewässern,
Unterm Fluß zerrinnen euch die Orte.
Gedicht 8
Ausgeschickte Taube
Aber das Herz
ist eine ausgeschickte Taube,
gezeichnet mit dem Ring
an den Füßen,
und muss heim,
muss den Weg finden
auch mit zerfetzten Flügeln
und blinden Augen,
muss heim, heim,
wieder heim zu
sich selbst
Gedichte “Heimat” – Schlüssel
1 Heinrich Heine 1844
2 Emil Prinz zu Schönaich-Carolath, spätes 19. Jahrhundert
3 Alfons Petzold , erster Weltkrieg
4 Börries v. Münchhausen, um 1900
5 Bertolt Brecht 1953
6 Mascha Kaleko, in Israel nach 1966
7 Franz Werfel, nach 1945
8 Max Bolliger 1956