Der Erzbischof von Köln, Karl Joseph Kardinal

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Transcript Der Erzbischof von Köln, Karl Joseph Kardinal

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Universität zu Köln
Interdisziplinäres Hauptseminar für
Historiker und katholische Theologen:
Kirchen im Nationalsozialismus
WS 2008/2009
Dozent: Prof. Dr. Dr. Harm Klueting

Referent: Peter Büssers
Fächer: Lehramt Gy/Ge Musik & kath. Theologie
4. Fachsemester
[email protected]
20. November 2008


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1. Überblick: Karl Joseph Kardinal Schulte
2. Situation in Köln: Das Erzbistum im
Nationalsozialismus
2.1. Zahlen und Wahlen
2.2. Schulkampf und Reichskonkordat
2.3. Hirtenbriefe und Mahnworte
2.4. Schulte und Hitler

3. Die Kölner Abwehrstelle
3.1. Katechismuswahrheiten
3.2. Studien zum ‚Mythus des 20. Jahrhunderts‘

4. Diskussion

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* 14. 9. 1871 im heutigen Lennestadt (Sauerland)
Umzug nach Essen in der Kinderzeit
1891 Abitur
Studium der Theologie in Bonn,
später in Münster und Paderborn
Karl Joseph Schulte als Mensch:
◦ Herkunftsbezug: Sauerland;
Heimatverbunden, Staatstreu, konservativ.
◦ Geselligkeit (Studentenverbindungen)

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Priesterweihe am 22. 3. 1895
Promotion am 3. 3. 1903 an der Universität Tübingen
über „Theodoret von Cyrus als Apologet“
Ernennung zum Professor für Apologetik und
Kirchenrecht 1905 in Paderborn
Bischofswahl in Paderborn
am 30. 11. 1909
Bischofsweihe in Paderborn
am 19. 3. 1910

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Wahl zum Erzbischof von Köln am 15. 1. 1920
Ernennung zum Kardinal durch Benedikt XV.
am 7. 3. 1921
Wahlspruch: „In obsequium Christi“
(2. Kor 10,5 „Zum gehorsamen Dienst an Christus“)
◦ Schultes Selbstverständnis ist von der
Seelsorge in Christi Dienst geprägt.

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Unterredung mit Hitler am 7. 2. 1934
Errichtung der Abwehrstelle gegen antichristliche
Propaganda im Erzbistum Köln im März 1934
◦ Oktober 1934 ‚Studien zum Mythus des XX. Jahrhunderts‘
◦ Aug./Sept. 1936‚Katechismuswahrheiten‘



Schulte erlag während eines
Fliegerangriffs einem langjährigen
Herzleiden und starb in der Nacht zum
11. 3. 1941.

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Köln als katholische Hochburg.
◦ Exemplarische Fakten rund um das Erzbistum
◦ Wahlergebnisse

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Katholiken im Erzbistum Köln
◦ 1930: 2 422 966
◦ 1942: 2 490 869



Kirchenbesuch und Zahl der
Osterkommunionen rückgängig,
verhältnismäßig viele Kirchenaustritte.

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2%

Wahlkreis Köln-Aachen
NSDAP
14%

DNVP

30%

Zentrum

12%

SPD
36%

30,1%

KPD
andere
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Wunsch nach Erhaltung der Bekenntnisschule wurde in Köln sehr laut.
Kircheninterne Wahlen von Schulte
◦ 86,5 % der erwachsenen Kirchenbesucher,
insgesamt 962 062 Katholiken, stimmten für die
Bekenntnisschule.



18. 4. 1939 Abschaffung der Bekenntnisschule, Einführung der ‚Deutschen Schule‘
◦ Schließung der Bekenntnisschulen ging in den
Feierlichkeiten um Hitlers 50. Geburtstag unter.

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Grußadresse von den
westdt. Bischöfen
schon Ende März
beschlossen.
Datum: 3. 4. 1939
Mitgestaltung des
Geburtstags
Als Ausdruck des
Wunsches zur
Erhaltung der
Bekenntnisschule?!
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Diskussion

Schließung der
Bekenntnisschulen
kam überraschend.
„Schlag ins Gesicht.“
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Umgehende Reaktion Schultes: Hirtenbrief
vom 21. 4. 1939
18. 4. 1939 als „Tag der Trauer“
Schließung der Bekenntnisschule als Unrecht,
Verweis auf Artikel 23 (RK)
Betonung von Staatstreue, die „auf den
unveränderlichen Grundsätzen
unseres hl. Glaubens“ beruht
Festhalten am Recht auf die Bekenntnisschule
als „heilige Pflicht“
Grundskepsis Schultes gegenüber dem
Konkordat mit einer Revolutionsregierung.
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Kardinal Schulte wandte sich überwiegend durch
Hirtenbriefe und Mahnworte an die Gemeinde
◦ Eingabepolitik (vgl. Kardinal Bertram)






Exemplarisch: zwei Herausgaben von 1931
Gemeinsame Stellungnahme der dt. Bischöfe kam
nicht zustande
Frühzeitige Erkennung der Gefahr, die durch den
Nationalsozialismus ausgeht.

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5. 3. 1931: Stellungnahme der „Bischöfe der Kölner
Kirchenprovinz zur nationalsozialistischen Bewegung“
◦ Veröffentlichung im Kirchlichen Anzeiger
◦ allgemein gehaltene Warnung vor den weltanschaulichen
Irrtümern des Nationalsozialismus
◦ Festigung durch Bibelzitate und klare Distanzierung von der
Rassenlehre

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„Wir Bischöfe der Kölner Kirchenprovinz
haben
unserer
Hirtenpflicht
eingedenk
durch eine eigene gemeinsame Kundgebung am
8. Januar 1919 nachdrücklich und freimütig
vor dem katholikenfeindlichen Sozialismus
und damit auch vor dem aus ihm hervorgegangenen Kommunismus gewarnt und warnen
heute mit unverändertem Nachdruck. Ebenso
pflichtbewußt handeln wir jetzt, wenn wir
unsere Diözesanen auf die mit der nationalsozialistischen Bewegung für katholisches Denken und Leben entstandene Gefahr aufmerksam machen und mahnend unsere
Stimme erheben.“
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„In Übereinstimmung mit einem Worte
der bayrischen Oberhirten warnen wir
mit tiefem Ernst vor dem Nationalsozialismus, ‚so lange und so weit er
kulturpolitische
Auffassungen
kundgibt, die mit der katholischen Lehre
nicht vereinbar sind.‘“

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„Wir
katholischen
Christen
kennen
keine
Rassenreligion,
sondern
nur
Christi
weltbeherrschende
Offenbarung,
die
für
alle
Völker
den
gleichen Glaubensschatz, die gleichen
Gebote und Heilseinrichtungen gebracht
hat.“

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3. 3. 1931: „Pastorale Winke betreffend Stellung zum
Nationalsozialismus“ wird von Kardinal Schulte
vertraulich an den Kölner Klerus übersandt.
◦ Ursprünglich verfasst von Kardinal Bertram
◦ klare Pastorale Richtlinien für den Umgang mit dem
Nationalsozialismus

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(1)
(2)
(3)

(4)
(5)

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Aufklärung über die Irrlehren des Nationalsozialismus.
Mitarbeitsverbot für katholische Geistliche an der nationalsozialistischen Bewegung.
Teilnahmeverbot für uniformierte nationalsozialistische Gruppierungen an
Gottesdiensten.
Ob Nationalsozialisten Sakramente empfangen dürfen ist im Einzelfall zu entscheiden.
Es gelten die gleichen pastorale Grundsätze, wie sie für den Liberalismus und
Sozialismus aufgestellt worden sind.
„Sollte sich der Nationalsozialismus zu den Methoden des Bolschewismus entwickeln“
dann kann „eine bona fides nicht mehr angenommen werden“.

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3. 3. 1931: „Pastorale Winke“ für den Klerus
5. 3. 1931: Allgemein gehaltenes Mahnwort im
Kirchlichen Anzeiger.

Beurteilung:





Gefahr durch die nationalsozialistische Bewegung. Mitteilung in
aller Deutlichkeit zunächst an den Klerus.
Vermeidung von politischer Konfrontation.
Seelsorgliche Bedenken und weltanschauliche
Auseinandersetzung standen für Schulte im Vordergrund.

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Unterredung mit Hitler am 7. 2. 1934
◦ Warum Schulte?
◦ Schulte als Kölner Erzbischof, nicht Sprecher des deutschen
Episkopats



Thema: Rosenbergs ‚Mythus‘
◦ Aktualität: Bestätigung Rosenbergs am 24. 1. 1934 durch die
Ernennung zum „Beauftragten des Führers für
die Überwachung der gesamten geistigen und
weltanschaulichen Schulung und Erziehung
der NSDAP“

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Ansprache des Themas durch Schulte

◦ Hoher Stellenwert
◦ Hitler schiebt den Bischöfen die Schuld an Rosenbergs Buch zu
und distanziert sich vom ‚Mythus‘ (Privatwerk Rosenbergs).



Eindruck Hitlers auf Schulte

◦ „Hitler ist eine Sphinx, ein unheimlicher Mann“,
von dem man „noch furchtbare Dinge“ zu
erleben hätte.
◦ Schulte war „tief beeindruckt“, so,
„daß er von diesem Manne nichts Gutes
erwartete, sondern nur schlimmstes Unheil
für Deutschland und für die katholische
Kirche befürchtete“
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16. 3. 1934: Errichtung einer Abwehrstelle gegen
antichristliche Propaganda.

◦ Leitung: Berufung des Kölner Kaplans Joseph Teusch als
Domvikar.
◦ Aufgabe: systematische Sichtung und Auswertung der
antichristlichen Propaganda
◦ Produktion und Herausgabe von kleinen
aufklärenden Broschüren.
◦ Es entstanden viele kleine Kampfbroschüren
zu gegebenen Anlässen, insgesamt gingen
schätzungsweise 17 Millionen solcher
Broschüren von der Abwehrstelle aus.

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August 1936: Kardinal Schulte ließ in 35 einprägsamen
Fragen und Antworten die sog. ‚Katechismuswahrheiten‘ von Joseph Teusch verfassen.
15. 9. 1936: Druck und Verteilung in ganz Deutschland
Auflage von ca. 5-7 Millionen.
Beschlagnahmung im September 1937.
Predigt- und Unterrichtsgegenstand.

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9.

Welches ist der Hauptunterschied
zwischen einem Mythus und dem
katholischen Christentum?

Ein Mythus ist eine Religion, die der Mensch
sich selbst erfunden hat; das katholische
Christentum ist die Religion, die Gott den
Menschen gegeben hat. „Es kommt eine Zeit, da
man die gesunde Lehre unerträglich findet und
sich nach eigenem Sinne Lehrer über Lehrer
sucht… Von der Wahrheit wird man das Ohr
abwenden und sich Fabeleien zuwenden.“ (2 Tim.
4,3.4)


Antwort an Rosenberg
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17. Welches war die größte Ehre des
jüdischen Volkes?

Die größte Ehre des jüdischen Volkes
war, daß aus ihm der Erlöser
hervorging. In d i e s e m Sinne sagt
Christus: „Das Heil kommt aus den
Juden.“ (Joh.4,22b)


Ehre des jüdischen Volkes
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18. Welches war die größte Sünde des
jüdischen Volkes?

Die größte Sünde des jüdischen Volkes
war, daß es den Erlöser und seine
Lehre verwarf. Das Christentum ist
also niemals die dem jüdischen Volke
eigene Religion gewesen.


Distanzierung zum Judentum
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31. Worin sind alle Menschen gleich?
Alle Menschen sind darin gleich, daß
sie nach Gottes Ebenbild erschaffen,
durch Christi Blut erlöst und zur
ewigen Seligkeit berufen sind. „Gott
will, daß alle Menschen selig werden.“
(1. Tim. 2,4)


Gleichheit aller Menschen
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Wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Buch
Rosenbergs aus katholischer Perspektive.
Initiative von Generalvikar Emmerich David und dem
Bonner Kirchenhistoriker Wilhelm Neuss.
Diskussion des Buches von
Rosenberg und Aufdeckung von
Unwahrheiten .
Nachweis Rosenbergs
unwissenschaftlicher Arbeitsweise.
Beschäftigungsaspekte: biblisch,
mystisch, kirchengeschichtlich und
moraltheologisch.
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Entstehung und Veröffentlichung: Herbst 1934

◦ als Beilage zum Kirchlichen Anzeiger (Konkordatsschutz) um einer
Beschlagnahmung vorzubeugen.
◦ Unterschied: ‚Studien‘ als wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem
‚Mythus‘ Rosenbergs (keine Kampfschrift)
◦ Schulte verweigert die Veröffentlichung
im Kölner Kirchlichen Anzeiger „weil er
negative Auswirkungen für Amtsblatt und
Konkordatsverhandlungen befürchtete“
◦ Veröffentlichung in Münster durch
von Galen.
◦ Deutschlands Bistümer folgen.
◦ Gesamtauflage: 200.000 Stück.

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Bewertung und Verständnis von Kardinal Schultes Handeln
◦ Veröffentlichung der ‚Studien‘ (vgl von Galen)
◦ Feierlichkeiten um Hitlers 50. Geburtstag.
◦ Eingabepolitischer Kurs (wie Kardinal Bertram, vgl. von Galen).



Allgemeine Fragen . . .

CORSTEN, WILHELM (Hg.), Kölner Aktenstücke zur Lage der kath. Kirche in Deutschland, Köln 1949.
HEHL, ULRICH VON, Katholische Kirche und Nationalsozialismus im Erzbistum Köln 1933-1945, Mainz 1977.
HEHL, ULRICH VON, Karl Joseph Kardinal Schulte, in: Rheinische Lebensbilder Bd. 9, Köln 1982, 261-274.
IN OBSEQUIUM CHRISTI, Gedenkausstellung des Historischen Archivs des Erzbistums Köln zum 50. Todestag von Karl Joseph Kardinal Schulte am
10. März 1991, Katalog, Köln 1991.
NEUSS, WILHELM, Kampf gegen den Mythus des 20. Jahrhunderts. Ein Gedenkblatt an Clemens August Kardinal Graf Galen, Köln 1947.
STASIEWSKI, BERNHARD, Die Stellung Karl Joseph Kardinal Schultes zum Nationalsozialismus. Ein Beitrag zur Verteidigung der Ämter und Stände
der Kirche im Erzbistum Köln, in: WILHELM CORSTEN / AUGUSTINUS FROTZ / PETER LINDEN (Hg.), Die Kirche und ihre Ämter und Stände. Festschrift
für Kardinal Frings, Köln 1960, 570-599.
STASIEWSKI, BERNHARD, Zur Auseinandersetzung der katholischen Kirche mit dem ‚Mythos des 20. Jahrhunderts‘ von Alfred Rosenberg, in: KARL
DELAHAYE / ERWIN GATZ / HANS JORISSEN (Hg.), Bestellt zum Zeugnis. Festgabe für Bischof Dr. Johannes Pohlschneider zur Vollendung des 75.
Lebensjahres und zur Feier des 50jährigen Priesterjubiläums, Aachen 1974, 379-400.

Kontakt: [email protected]
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