Staatsrecht I Staatsorganisationsrecht WS 2004/2005 Privatdozent Dr. Jürgen Bröhmer Email: [email protected] Internet: www.jbroehmer.de BVerfG, 2 BvH 3/91 vom 21.7.2000 1.

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Transcript Staatsrecht I Staatsorganisationsrecht WS 2004/2005 Privatdozent Dr. Jürgen Bröhmer Email: [email protected] Internet: www.jbroehmer.de BVerfG, 2 BvH 3/91 vom 21.7.2000 1.

Staatsrecht I
Staatsorganisationsrecht
WS 2004/2005
Privatdozent Dr. Jürgen Bröhmer
Email:
[email protected]
Internet:
www.jbroehmer.de
BVerfG, 2 BvH 3/91 vom 21.7.2000
1. Der Landtag handelt innerhalb seines ihm verfassungsrechtlich
zustehenden Rechts zur Selbstorganisation und überschreitet nicht seinen
Gestaltungsspielraum, wenn er in seinem Binnenbereich die
Funktionsstellen für Fraktionsvorsitzende schafft und sie mit einer
zusätzlichen Abgeordnetenentschädigung bedenkt, die nicht von dem
Gedanken des Aufwendungsersatzes geleitet ist (im Ergebnis anders
insoweit BVerfGE 40, 296 <318>). Die Posten der
Fraktionsvorsitzenden sind in der Anzahl begrenzt und in ihrer
politischen Bedeutung in besonderem Maße herausgehoben.
2. Die Regelungen über ergänzende Entschädigungen für die
stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, für die parlamentarischen
Geschäftsführer der Fraktionen und für die Ausschussvorsitzenden sind
hingegen mit dem Verfassungsrecht unvereinbar. Sie verstoßen gegen
die Freiheit des Mandats und den Grundsatz der Gleichbehandlung
der Abgeordneten. Diese Funktionen sind nicht in gleicher Weise wie die
des Fraktionsvorsitzenden politisch herausgehoben und in ihrer Zahl
begrenzt.
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Verlust der Mitgliedschaft im BT,
§ 46 Abs. 1 BWahlG
(1) Ein Abgeordneter verliert die Mitgliedschaft im Deutschen
Bundestag bei
1. Ungültigkeit des Erwerbs der Mitgliedschaft,
2. Neufeststellung des Wahlergebnisses,
3. Wegfall einer Voraussetzung seiner jederzeitigen Wählbarkeit,
4. Verzicht,
5. Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Partei oder der
Teilorganisation einer Partei, der er angehört, durch das Bundesverfassungsgericht nach Artikel 21 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes.
Verlustgründe nach anderen gesetzlichen Vorschriften bleiben
unberührt.
 vgl. § 45 StGB: Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 1
Jahr wegen eines Verbrechens
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Verhaltensregeln für Abgeordnete
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vgl. Anlage 1 zur GOBT:
Beruf, Nebentätigkeiten, etc.
Sachverhalte, die potentiell auf die Mandatsausübung
Einfluss haben könnten;
ggf. Veröffentlichung im Handbuch des BT
Anzeige und Veröffentlichungspflichten für Spenden
Offenlegung von Interessensverknüpfungen im
Ausschuss
Sanktion: Veröffentlichung („Pranger“)
Vordruck „Angaben gemäß Verhaltensregeln“
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Der Bundesrat, Art. 50 ff. GG
• 3-6 Mitglieder pro Bundesland;
insgesamt: 69 Mitglieder
• Mitglieder der jeweiligen Landesregierung
• Kein freies Mandat, sondern Ländervertretung
• Stimmabgabe trotz persönlicher Mitgliedschaft nur
landeseinheitlich, Art. 51 Abs. 3 S. 2 GG (Weisungen
durch Landesregierungen im Innenverhältnis)
• Bundesratspräsident, Art. 52 Abs. 1 GG;
turnusmäßig Ministerpräsidenten (GewohnhR)
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Der Bundesrat
Aufgaben
• Mitwirkung an der Gesetzgebung des Bundes;
Einspruchs- oder Zustimmungsgesetz (s.u.)
• Beteiligung an Regierung und Verwaltung
• Zustimmungsbedürftigkeit von RVO,
Art. 80 Abs. 2 GG
• Zustimmungsbedürftigkeit von VerwVorschriften,
Art. 84 Abs. 2, 85 Abs., 2 S. 1 GG
• Mitwirkung in Angelegenheiten der EU,
Art. 23 Abs. 4 - 6 GG
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Bundesrat – Zustimmungsgesetze
BVerfGE 55, 274 (326 f.), Rn. 132
Zustimmungsbedürftig ist nicht die einzelne Vorschrift, die das
Erfordernis der Zustimmungsbedürftigkeit begründet. Der Ausdruck
"Bundesgesetz" am Ende von Art. 84 Abs. 1 GG meint nicht, wie
etwa Art. 100 Abs. 1 GG, das Gesetz im Sinne einer einzelnen
Norm, sondern das Gesetz als gesetzgebungstechnische Einheit.
Das folgt vor allem aus Art. 78 GG. Danach kommt ein vom
Bundestag beschlossenes Gesetz zustande, wenn der Bundesrat
zustimmt, den Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht stellt,
innerhalb der Frist des Art. 77 Abs. 3 GG keinen Einspruch einlegt,
ihn zurücknimmt, oder wenn der Einspruch vom Bundestag
überstimmt wird. Die Formulierung: "Ein vom Bundestag
beschlossenes Gesetz" kann hier nur einheitlich verstanden
werden. Sie meint das durch einen Gesetzesbeschluß des
Bundestags zu einer Einheit zusammengefaßte Gesetz. Dieses
kommt in den vom Grundgesetz vorgesehenen Fällen der
Zustimmungsbedürftigkeit, mithin auch im Falle des Art. 84 Abs. 1
GG, nur zustande, wenn der Bundesrat zustimmt.
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Bundesrat - Zuwanderungsgesetz
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BVerfG 2. Senat, Urteil vom 18. Dezember 2002, Az: 2 BvF 1/02:
Der Bundesrat ist ein kollegiales Verfassungsorgan des Bundes, das aus
Mitgliedern
der Landesregierungen besteht.
Die Länder wirken durch den Bundesrat nicht unmittelbar an der Gesetzgebung
und
der Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mit,
sondern die Länder werden jeweils durch ihre anwesenden Bundesratsmitglieder
vertreten.
Die Stimmen eines Landes im Bundesrat werden durch seine
Bundesratsmitglieder abgegeben. Das Grundgesetz erwartet die einheitliche
Stimmenabgabe. Das GG respektiert die Praxis der landesautonom bestimmten
Stimmführer. Der Abgabe der Stimmen durch einen Stimmführer kann jederzeit
durch ein anderes Bundesratsmitglied desselben Landes widersprochen werden;
damit entfallen die Voraussetzungen der Stimmführerschaft.
Der die Abstimmung leitende Bundesratspräsident ist grundsätzlich berechtigt,
bei Unklarheiten im Abstimmungsverlauf mit geeigneten Maßnahmen eine
Klärung herbeizuführen und auf eine wirksame Abstimmung des Landes
hinzuwirken. Das insoweit bestehende Recht zur Nachfrage entfällt allerdings,
wenn ein einheitlicher Landeswille erkennbar nicht besteht und nach den
gesamten Umständen nicht zu erwarten ist, dass ein solcher noch während der
Abstimmung zustande kommen werde.
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Gesetzgebungsverfahren
Art. 76 Abs. 1 GG:
(1) Gesetzesvorlagen werden beim Bundestage durch die
Bundesregierung, aus der Mitte des Bundestages oder
durch den Bundesrat eingebracht.
Initiativrecht
• Bundesregierung (praktisch am häufigsten)
• Aus der „Mitte des Bundestages“
• Bundesrat (selten)
Zum Vergleich: Europäische Union
• Initiativmonopol der Kommission
• Kein Initiativrecht des Ministerrates oder des EP
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Gesetzgebungsverfahren
Drei Beratungen („Lesungen“)
1. Lesung: selten Aussprache, idR. Weiterleitung an Ausschüsse
durch Beschluss; § 80 GOBT
2. Lesung: Grundlage sind Ausschussempfehlungen;
Änderungsanträge; § 81 ff. GOBT
3. Lesung; abschließende Abstimmung über Gesetzentwurf; §§ 84,
86 GOBT
Anders: Völkerrechtliche Verträge: keine Änderungen durch
Ausschüsse möglich
Beschluss durch Mehrheit der abgegebenen Stimmen im BT
==> Art. 42 Abs. 2 GG
Beschlussfähigkeit des BT:
Grds.: Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder, § 45
Abs. 1 GOBT; ABER: Beschlussunfähigkeit muss in gesondertem
Verfahren festgestellt werden, § 45 Abs. 2 GOBT, sonst Fiktion der
Beschlussfähigkeit
anschließend Weiterleitung an Bundesrat, Art.77 II 2 GG
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Gesetzgebungsverfahren - Übersicht
Bundesregierung
Bundestag
Gesetzesvorlage
Bundesrat
Gesetzesvorlage
Bundesrat
Bundestag
Stellungnahme
1., 2., 3. Lesung
Gesetzesvorlage
Bundesregierung
Stellungnahme
Einfache Gesetze
Zustimmungsgesetze
Bundesrat
Billigung des Gesetzes
Zustimmung
Anrufung
Ohne Änderung
Bundesrat
Billigung
Änderung
Aufhebung
Einspruch
Bundestag
Einspruch wird
überstimmt
Vermittlungsausschuss
Antrag auf
Beratung
Bundestag
Ohne Änderung
Bundesrat
Bundestag
Nicht
überstimmt
Bundesregierung
Keine Zustimmung
Vorlage
Zustimmung
gescheitert
Bundesregierung
Gesetz
Ausfertigung
Verkündung
Bundespräsident
Ausfertigung
Verkündung
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Gesetz
Die Bundesregierung
• Art. 62 GG: BReg = Bundeskanzler + Bundesminister (Bundeskabinett)
• Geschäftsordnung der Bundesregierung
• Kanzlerprinzip, Art. 65 S. 1 GG
– Richtlinienkompetenz: Kanzler bestimmt die Richtlinien der Politik
Richtlinien = grundsätzliche Politikentscheidungen
– Kabinettsbildungsrecht, Art. 64 Abs. 1 GG (auch Zahl der Ministerien)
Geschäftsleitung des Bundeskabinetts, Einberufung u. Leitung v.
Sitzungen; Tagesordnung; unterstützend: Staatsminister im BKamt
– BuPrä muss Ernennen, grds. kein Prüfungsrecht;
• Ressortprinzip, Art. 65 S. 2 GG
– Eigenverantwortliche Leitung der jew. Geschäftsbereiche
– Organisations- u. Personalgewalt innerhalb Ministerien
• Kabinetts-/Kollegialprinzip, Art. 65 S. 3 GG
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Gesetzentwürfe, Art. 76 Abs. 1 GG, Vermittlungsausschuss, Art. 77 GG
Aufsicht, Art. 84, 85 GG, Rechtsverordnungen, Art. 80 GG
Haushaltsrecht, Art. 110 ff. GG
Bundeszwang, Art. 37 GG
Anrufung BVerfG, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2-4 GG
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Die Wahl des Bundeskanzlers, Art. 63 GG
(1) Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom
Bundestage ohne Aussprache gewählt.
(2) Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des
Bundestages auf sich vereinigt. Der Gewählte ist vom
Bundespräsidenten zu ernennen.
(3) Wird der Vorgeschlagene nicht gewählt, so kann der Bundestag
binnen vierzehn Tagen nach dem Wahlgange mit mehr als der Hälfte
seiner Mitglieder einen Bundeskanzler wählen.
(4) Kommt eine Wahl innerhalb dieser Frist nicht zustande, so findet
unverzüglich ein neuer Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die
meisten Stimmen erhält. Vereinigt der Gewählte die Stimmen der
Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich, so muß der
Bundespräsident ihn binnen sieben Tagen nach der Wahl ernennen.
Erreicht der Gewählte diese Mehrheit nicht, so hat der
Bundespräsident binnen sieben Tagen entweder ihn zu ernennen oder
den Bundestag aufzulösen.
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Konstruktives Mißtrauensvotum, Art. 67 GG
• BT entzieht Kanzler das Vertrauen
• Initiative 1/4 der BT-Mitglieder, § 97 GOBT
• konstruktiv = BT muss gleichzeitig einen neuen BK wählen
(Gegensatz: destruktives M.Votum)
• Kein Misstrauensvotum gegen einzelne Minister!
• Der neugewählte Kanzler besitzt die gleiche demokratische
Legitimation wie der Vorgänger,
==> vgl. BVerfGE 62, 1 (43), Rn. 159:
“Nach dem Grundgesetz bedeutet verfassungsmäßige
Legalität zugleich demokratische Legitimität“
• BuPrä muss bisherigen BK entlassen und neuen ernennen
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