Was ist muskelkrank? - Schweizerische Gesellschaft für

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Was ist muskelkrank?
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Was ist muskelkrank?
Kleinhirn
Kleinhirnbahnen
Friedreich Ataxie (FA)
Thymusdrüse
Muskel (neuromuskuläre / motorische Endplatte)
Myasthenia Gravis (MG)
Rückenmark
Vorderhorn (motorisch)
Spinale Muskelatrophien (SMA)
1. und 2. Motoneuron
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
Peripherie (Nervenfasern)
Sensible Nerven (Spürsinn = sensorisch)
Neuropathien
Motorische Nerven (Bewegung = motorisch)
Neurale Muskelatrophien (HMSN/CMT)
(oft motorisch-sensorisch kombiniert)
Muskel
Muskelzellen
Myopathien (eigentl. Muskelkrankheiten)
Myositis (entzündlich)
Ausschnitte einer Vergrösserung
Unter Muskelkrankheiten versteht man alle neuromuskulären
Erkrankungen. Nach einer Klassifikation von Walton gibt es
Eine Broschüre der Schweizerischen Muskelgesellschaft
Copyright 4. Auflage (08/2011)
In dieser Broschüre verwenden wir aufgrund der Komplexität des Inhaltes
durchgehend die männliche grammatische Form, um den Lesefluss zu
erleichtern. Weibliche Personen sind gleichermassen angesprochen.
Schema: nach einer Idee von fm und ebj
800 Formen. Der Volksmund nennt sie Muskelschwund und
beschreibt damit ein wesentliches Krankheitszeichen, das bei
diesen sehr unterschiedlich verlaufenden Erkrankungen auftritt. Dieses Symptom kann auf wenige Muskelgruppen begrenzt
bleiben, oder auch, je nach Erkrankungsform, die gesamte
Muskulatur erfassen. Eine Reihe von Muskelerkrankungen
kann sowohl im (früheren) Kindesalter als auch im (späteren)
Erwachsenenalter auftreten.
Muskelgesellschaft
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Einführung
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Kriterien zur Klassifizierung von Muskelkrankheiten:
Muskelkrankheiten sind im Volksmund bekannt unter dem Be-
--die Symptome (Muskelatrophie, Spastiken, Lähmungen)
griff «Muskelschwund», in der Fachsprache werden sie den
--der Erkrankungsbeginn (Kindesalter oder Erwachsenenalter)
neuromuskulären Krankheiten zugeordnet. Es gibt verschie-
--die Ursachen, erworbene (z.B. entzündliche Erkrankungen,
dene Formen; die Mehrzahl ist fortschreitend und viele dieser
Autoimmunerkrankungen) oder vererbte, geneitsch bedingte
Krankheiten sind nicht heilbar. Dies führt zur Abnahme der
Muskelkrankheiten
Muskelmasse, zu Muskelschwäche, Lähmungen und/oder Muskelkrämpfen.
Die häufigsten bekannten Ursachen sind:
--Veränderungen der Erbsubstanz
--Störungen des Immunsystems (Abwehrsystem)
Neuromuskuläre Erkrankungen können sowohl im Kindesalter
als auch im Erwachsenenalter auftreten. Viele Betroffene sind
auf einen Rollstuhl und/oder andere Hilfsmittel angewiesen
oder haben eine verkürzte Lebensdauer.
Da es praktisch keine heilenden Behandlungsmöglichkeiten
gibt, liegt der Schwerpunkt der Behandlung von Menschen
mit neuromuskulären Erkrankungen im körperlich-therapeutischen, aber auch im psycho-sozialen Bereich. So wird insbesondere dafür gesorgt, die schwierigen Lebensumstände zu
erleichtern und die Lebensqualität so lange wie möglich zu erhalten.
Oft werden fälschlicherweise die Multiple Sklerose (MS) und
Muskelkrankeiten verwechselt. Es handelt sich jedoch um zwei
völlig unterschiedliche Erkrankungen: MS ist eine primär entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, bzw. der
Nervenzellen. Weil die Schutzhülle der Nervenzellen zerstört
wird, fehlt die Übertragung von Signalen und führt auf diese
Weise ebenfalls zu Schwäche und Lähmungen der Muskulatur.
Da die Entzündungen auf- und wieder abklingen, verläuft die MS
in Schüben und nicht progressiv, wie die Muskelkrankheiten.
--die Art der genetischen Vererbung (siehe Seite 7)
Im Folgenden werden kurz die Themen Diagnosestellung,
Vererbung sowie Erkennung und Perspektive eingeführt. Eine
Übersicht über die häufigsten Muskelkrankheiten gemäss dem
Schema folgen auf Seite 12.
Diagnosestellung
Zuständig für die Diagnose einer Muskelkrankheit sind bei Kindern die Neuropädiater, bei Erwachsenen die Neurologen, unter
Beibezug der Hausärzte.
Zunächst wird eine ausführliche körperliche Untersuchung
durchgeführt und dabei der internistische und neurologische
Befund erhoben. Das ist wichtig, damit eine Krankheit, die einer Muskelkrankheit ähnelt, aber in Wirklichkeit nichts mit ihr
zu tun hat, nicht übersehen wird. Insbesondere wird die Muskulatur angeschaut und die Muskelkraft beurteilt. Es wird die
Funktion der Gelenke geprüft, die Stellung der Wirbelsäule betrachtet, und nach Kontrakturen gesucht.
Eine notwendige Zusatzuntersuchung ist die Bestimmung des
Muskelenzyms Kreatinkinase (CK) im Blut, welches bei erhöhter
Konzentration auf eine Muskelschädigung hinweist.
Mit Hilfe der Elektromyografie (EMG), bei der eine Nadelelektrode in den Muskel eingeführt wird, werden die elektrischen
Eigenschaften der Muskelfasern überprüft. Damit kann auch
in äusserlich noch gesund erscheinenden Muskeln eine beginnende Erkrankung festgestellt werden.
Muskelgesellschaft
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Oft wird dem Muskel auch eine Gewebeprobe entnommen (Mus-
In jedem dieser 23 Paare wird ein Chromosom vom Vater, das
kelbiopsie). Erst die Betrachtung der Muskelfasern mit dem
andere von der Mutter vererbt. Die Gene sind auf den Chromo-
Licht- oder dem Elektronenmikroskop erlaubt eine genaue Be-
somen jedes Paares in entsprechender Positionsfolge ange-
stimmung der vorliegenden Krankheit. Dabei werden auch hi-
ordnet. Die einander entsprechenden Gene nennt man Allele
stochemische Methoden (spezielle Färbetechniken) angewendet.
(griech., gegenseitig, zueinander gehörig): diese bestimmen
Eine Muskelbiopsie ist dann unerlässlich, wenn klinisch keine
miteinander die charakteristischen Erbmerkmale eines Men-
spezifische Zuordnung zu einer Muskelkrankheit erfolgen kann
schen. Eines der Allele kann oft einen grösseren Einfluss auf
und andere Krankheiten, ausgeschlossen werden müssen, ins-
sein Erbmerkmal ausüben als sein entsprechendes Allel. In
besondere bei Entzündungen (Polymyositis) und Stoffwechseler-
diesem Fall nennt man das Gen mit dem grösseren Einfluss
krankungen der Muskulatur (Speicherkrankheiten).
dominant, das andere rezessiv.
Ultraschall- und Röntgenuntersuchungen gestatten ausserdem
Wenn ein rezessives Gen sich bei der Vererbung durchsetzen
das Ausmass des Befalls eines Muskels zu beurteilen. Sie wer-
soll, ist es notwendig, dass auch das andere Gen in gleicher
den neuerdings auch zur Bestimmung der verschiedenen Sub-
Weise verändert ist. Dieses Gesetz gilt für alle Merkmale, die
formen der Muskeldystrophien eingesetzt.
durch eines der 22 von 23 Chromosomenpaaren übertragen
Falls der Verdacht auf eine Mitbetroffenheit des Herzens be-
werden. Sie werden Autosomen genannt.
steht, ist auch ein Ultraschall des Herzens (Echokardiogramm)
Bei dem genetischen Paar, welches auch das Geschlecht eines
und ein Elektrokardiogramm (EKG) nötig. Röntgenaufnahmen
Individuums festlegt, ist die Situation anders, weil hier die Chro-
der Lunge und des Skeletts sind ebenfalls aufschlussreich.
mosomen unterschiedlich gross sind. Die Chromosomen dieses
ungleichen Paares werden mit den Symbolen X (weiblich) und
Vererbung
Y (männlich) gekennzeichnet.
Wie bereits in der Einführung erwähnt, sind nicht alle neuro-
Beim weiblichen Geschlecht enthält jeder Zellkern zwei X-
muskulären Erkrankungen genetisch bedingt. Einige Krank-
Chromosomen, eines vererbt von der Mutter und das andere
heiten werden entzündlich ausgelöst oder treten sporadisch,
vom Vater. Beim männlichen Geschlecht enthält jeder Zellkern
bzw. isoliert auf. Aufgrund der Komplexität des Vererbungssche-
nur ein X-Chromosom, vererbt von der Mutter, und ein kürzeres
mas und auch der Vielfältigkeit der genetischen Muskelkrank-
Y-Chromosom, vererbt vom Vater. Daraus resultieren insgesamt
heiten wird im Folgenden ein kurzer Überblick geliefert.
drei verschiedene Vererbungstypen bei Muskelkrankheiten, die
Im Kern jeder einzelnen menschlichen Zelle (mit Ausnahme
im Folgenden kurz aufgelistet werden.
der Keimzellen) gibt es 23 Chromosomenpaare, also 46 Chromosomen insgesamt, davon sind zwei die Gonosomen: XY beim
Mann und XX bei der Frau. Als Autosomen wird die Teilmenge
der Chromosomen bezeichnet, die nicht zu den Gonosomen, den
Geschlechtschromosomen gehören. D.h. die restlichen 44 Chromosomen sind Autosomen.
Der X-chomosomale Typ
Bei der X-chromosomalen Vererbung liegt das betroffene Gen
also auf einem Geschlechtschromosom. X-chromosomale Vererbungen können demnach ausschliesslich Jungen betreffen,
weil das ergänzende Y-Chromosom keine Dominanzfunktion
aufweist. Ein defektes X-Chromosom muss ausserdem von der
Muskelgesellschaft
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Mutter stammen, weil vom Vater das Y-Chromosom stammt.
nutzt werden können (siehe folgender Abschnitt). Eine genaue
Die Mütter sind also Trägerinnen dieser mutierten Gene. Ein
Diagnosestellung ist meist nur in den Regionalen Neuromus-
Beispiel für diesen Vererbungstypus ist die Muskeldystrophie
kulären Zentren möglich, wie sie in den letzten Jahren an den
Duchenne.
schweizerischen Universitätskliniken Basel, Bern, St. Gallen,
Der autosomal rezessive Typ
Als «autosomal» werden entsprechend Vererbungen oder Erbgänge bezeichnet, bei denen das betroffene Gen oder die Genregion auf einem Autosom liegt. Beim autosomal rezessiven
Zürich, Tessin, Lausanne und Genf aufgebaut wurden, um durch
ein interdisziplinäres Netz von Fachpersonen optimale Betreuung und Behandlung von muskelkranken Menschen zu gewährleisten.
Typ kommt es nur dann zur Erkrankung, wenn das Gen auf dem
Behandlung von neuromuskulären Erkrankungen
vom Vater und auf dem von der Mutter vererbten Chromosom
Erfolgversprechende medikamentöse Behandlungen gibt es le-
mutiert ist. Diese Krankheiten können sowohl Männer als auch
diglich bei den Myositiden, der Myasthenia Gravis und den en-
Frauen betreffen. Ein Beispiel für diesen Vererbungstypus ist die
dokrinen Myopathien. Bei den restlichen Muskelerkrankungen
Friedreich-Ataxie.
ist eine ursächliche Behandlung derzeit noch nicht möglich, weil
Der autosomal dominante Typ
Es kommt schon dann zur Erkrankung, wenn das Gen von nur
einem der Elternteile, entweder dem Vater oder der Mutter, vererbten Chromosom mutiert ist. Ein Beispiel für diesen Vererbungstypus sind einige Formen der Spinalen Muskelatrophien.
die Ursachen noch nicht bekannt sind. Alle Erwartungen für die
Zukunft richten sich an die Gentherapie.
Ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung neuromuskulärer
Erkrankungen ist eine konsequente symptomatische Behandlung. Diese behinhaltet unter anderem Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie, teilweise auch in Kombination mit ortho-
Genetische Beratung
pädischen Massnahmen.
Die genetische Beratung ist in den Fällen besonders wichtig,
Das Ziel einer solchen Behandlung ist es, die Selbständigkeit
aber auch sehr schwierig, in denen sich eine dominant erbliche
und den Aktionsradius der Kranken so lange und so gut wie
Muskelkrankheit erst lange Zeit nach Erreichen des Fortpflan-
möglich zu erhalten. Die noch vorhandene Muskelkraft soll ge-
zungsalters bemerkbar macht. Hier kann nur eine sorgfältige
stärkt werden um gleichzeitig mit entsprechenden Bewegungen
Analyse des Familienstammbaumes über mehrere Genera-
die betroffenen Muskelpartien zu schonen und Schmerzen zu
tionen Aufklärung bringen. Oft ist auch eine eingehende neu-
lindern. Übungen im Bewegungsbad sind für viele Menschen mit
rologische Untersuchung bei mehreren Familienangehörigen
einer neuromuskulären Erkrankung wohltuend. Sie stärken den
notwendig.
Muskelapparat und ermöglichen mit dem Eintauchen ins Wasser Bewegungsabläufe, die im Trockenen nicht mehr ausführbar
Erkennung und Perspektive
sind. Die dadurch gefühlte Leichtigkeit hat auch psychisch posi-
Wichtig ist, dass bei jedem Verdacht auf eine neuromuskuläre
tive Auswirkungen. So kann die Lebensqualität von Betroffenen
Erkrankung alle diagnostischen Möglichkeiten ausgeschöpft
erheblich gesteigert werden.
werden, damit bestehende Behandlungsmöglichkeiten ge-
Zur interdisziplinären Betreuung von Patienten mit einer neuro-
Muskelgesellschaft
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muskulären Erkrankung gehören viele verschiedene Therapie-,
Die ersten Anzeichen der Krankheit sind in der Regel Gang- und
Pflege- und Beratungsmöglichkeiten, die für jedes Krankheits-
Gleichgewichtsstörungen sowie Koordinationsschwierigkeiten
bild und für jeden Patienten spezifisch zur optimalen Behand-
der Arme und Hände. Sie bewirkt eine Degeneration der an der
lung ausgearbeitet werden müssen. Diese medizinische Be-
Gleichgewichtskontrolle beteiligten Nervenfasern, Störungen
treuung erfolgt durch eine Reihe verschiedener Fachdisziplinen
der Tiefensensibilität sowie verschiedene andere Symptome.
wie der Neurologie, der Neuropädiatrie, der Orthopädie und der
Die Krankheit beeinträchtigt jedoch nicht die intellektuellen
inneren Medizin.
Fähigkeiten. Wie bei allen degenerativen Krankheiten kann der
Bei ausgeprägten Kontrakturen wird ein Spezialist prüfen müs-
Verlauf je nach Person langsamer oder schneller sein.
sen, ob operative Eingriffe notwendig sind. Im fortgeschrittenen
Stadium muss überlegt werden, ob und welche Hilfsmittel für
Myasthenia Gravis
den Betroffenen in Betracht gezogen werden müssen (wie z.B.
Die Myasthenia Gravis ist eine Erkrankung des Abwehrsystems.
orthopädisches Schuhwerk, Schienen, Sitzschale, Korsett, Roll-
Medizinisch spricht man von einer Autoimmunerkrankung, d.h.
stuhl, Toiletten- und Badehilfen, ein Treppenlift usf.).
eine Erkrankung, bei der sich das körpereigene Immunsystem
Für muskelkranke Menschen und ihre Angehörigen ist es aus-
gegen Eiweisse des eigenen Körpers wendet.
serdem oft wichtig über ihre Probleme, Sorgen und Ängste mit
Der Ort der Schädigung ist die motorische Endplatte, an wel-
den behandelnden Ärzten und Physiotherapeuten zu sprechen.
cher der Nervenimpuls auf die Muskelfasern übertragen wird.
Dadurch kommt es zu einer belastungsabhängigen Blockade
Übersicht der Muskelkrankheiten
der Impulsübertragung mit meist sehr wechselnden, ermü-
Im Folgenden werden die häufigsten Muskelkrankheiten ge-
dungsabhängigen Symptomen. In der Mehrzahl der Fälle ist das
mäss dem Schema auf Seite drei kurz erläutert. Das Schema ist
erste Symptom das Sehen von Doppelbildern oder eine Schwä-
chronologisch strukturiert nach den Ursachen, die die Krankheit
che der Augenlider (Ptose). Initiale Sprech- oder Schluckstö-
auslösen.
rungen kommen auch vor. Bei den meisten Patienten findet sich
eine Vergrösserung der Thymusdrüse, die jedoch in den meisten
Friedreich Ataxie
Fällen gutartig ist.
Unter einer «Ataxie» versteht man eine nicht durch Muskel-
Die Erkrankung kann heute bei rechtzeitigem Behandlungsbe-
schwäche verursachte Koordinationsstörung der willkürlichen
ginn in über 90 Prozent der Fälle so weit verbessert werden,
Bewegungen. Die Ataxie wird gewöhnlich durch eine Schädigung des Kleinhirnbereichs hervorgerufen. Die Symptome der
Friedreich-Ataxie betreffen sowohl Kleinhirn- als auch Rückenmarkfunktionen, bzw. die Nervenfasern, welche Informationen
über das Rückenmark (spinocerebelläre Bahn) weiterleiten. Die
Friedreich-Ataxie ist eine autosomal rezessive Erbkrankheit, sie
betrifft sowohl Frauen als auch Männer.
Muskelgesellschaft
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dass keine nennenswerten Symptome bestehen bleiben.
Typ IV
adulte SMA
--Erkrankungsbeginn
>30 Jahre
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autosomal
dominant ca.
Spinale Muskelatrophien (SMA)
--unterschiedlicher Verlauf
70%; autoso-
Die genetische Ursache der spinalen Muskelatrophien ist nach
--normale Lebenserwartung
mal rezessiv
heutiger Kenntnis am Chromosom fünf lokalisiert. Die Erkran-
--sehr mild
ca. 30%
kung wird meist autosomal rezessiv vererbt; es kommen jedoch
auch autosomal dominante und X-chromosomale Vererbungen
Eine seltenere Form bildet der X-chromosomal rezessiv ver-
vor. Man unterscheidet fünf Schweregrade/Typen, die im Fol-
erbte Typ der SMA. Der Typ «Kennedy», wie er auch gennant
genden tabellarisch dargestellt werden:
wird, zieht eine Muskelschwäche der proximalen Beinmusku-
Gliederung nach Typen, Symptomatik und Genetik der SMA
Typ 0
Neonatale
SMA
Typ I
Werdnig-Hoffmann; akute
infantile SMA;
floppy infant
Typ II
chronisch infantile SMA;
intermediäre
SMA
--bereits nach der Geburt
latur mit sich, später auch distal. Der Krankheitsbeginn liegt
meistens bei über 30 Jahren. Aufgrund der Vererbung, aber
autosomal
--Hypotonie, Muskelschwäche, rezessiv
Ateminsuffisienz
auch der Seltenheit des Auftretens, bildet der Typ Kennedy ein
--Sitzen ist nie möglich
In der Forschung wird an dem in den motorischen Zellen feh-
--Erkrankungsbeginn innerhalb der ersten 6 Monate
autosomal
rezessiv
--Erkrankungsbeginn im
lenden SMN-Protein gearbeitet.
Die Amyotrophe Lateralsklerose ist eine sehr ernste Erkrankung
halb 18 Monate
ohne Hilfe nie möglich
Eine ursächliche Therapie der SMA ist bis heute nicht bekannt.
Amyotrophe Lateralsklerose ALS
--Tod in >90% der Fälle inner-
--freies Sitzen möglich, Gehen
Aussenseiter der neuralen Muskelatrophien.
des zentralen und peripheren Nervensystems. Sie ist seit über
autosomal
100 Jahren bekannt und tritt weltweit auf.
rezessiv
Die, in der Mehrzahl der Fälle sporadische (und nur in ca. 10%
erblich auftretende), Erkrankung wird definiert als Systemer-
1. Lebensjahr
krankung sowohl des zentralen (Gehirn, Hirnstamm und Rü-
--Überlebensrate >90% nach
ckenmark) als auch des peripheren motorischen Systems (Vor-
10 Jahren
derhornzellen bzw. Motoneurone). Die Erkrankung der Vorder-
Typ III
--freier Gang, Stand möglich
meist autoso-
hornzellen, die im Rückenmark liegen und deren Fortsätze zur
Kugelberg-
--III a: Beginn <30 Jahre
mal rezessiv;
Muskulatur verlaufen, führt zu Muskelschwund (Atrophie) und
Welander;
--III b: Beginn >30 Jahre
autosomal
zu Muskelschwäche (Faszikulation). Ausserdem führt die Er-
juvenile SMA
--milder Verlauf
dominant und
krankung des motorischen Systems sowohl zu einer Schwäche
--Lebenserwartung nicht
X-chromosomal
als auch zu einer Erhöhung des Muskeltonus. Man unterschei-
kommen auch
det anhand des Symptombeginns zwei Formen der ALS: die spi-
vor
nale und die bulbäre Verlaufsform.
deutlich reduziert
--überwiegend Männer
Muskelgesellschaft
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Sind die im Hirnstamm liegenden motorischen Nervenzellen betroffen, werden zuerst die Sprach-, Kau- und Schluckmuskeln
geschwächt. Diese bulbäre Form machen ca. 20-30% aller ALSFälle aus. Bei der spinalen Form sind zuerst die im Rückenmark
liegenden Vorderhornzellen betroffen, dann entwickelt sich
Muskelschwund vorerst in den Armen und Beinen und schreitet
so weiter fort.
Die Ursache der sporadischen ALS ist bis heute unbekannt. Sie
kann in jedem Alter auftreten, häufig jedoch zwischen dem 50.
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--durch Hormon- und Stoffwechselstörungen verursachte
Polyneuropathien, wie z.B. Diabetes, Niereninsuffizienz, oder
Vitamin-Mangel
Die häufigsten Ursachen für eine Polyneuropathie bilden die
Gruppen drei und vier mit jeweils ca. 30% der Diabetes mellitus und der Alkoholmissbrauch. Die Behandlungsmöglichkeiten
richten sich nach der Ursache, z.B. Blutaustausch (Plasmaspherese), intravenös verabreichtes Immunglobulin oder eine
Behandlung durch Kortison.
und dem 70. Lebensjahr. Von Ausnahmen abgesehen, ist die Erkrankung rasch progredient und die Lebensdauer ist drastisch
Neurale Muskelatrophien HMSN/CMT
verkürzt. Da die Ursache nicht bekannt ist, gibt es auch keine
Neurale Muskelatrophien sind neuromuskuläre Erkrankungen,
ursächliche Heilung.
bei denen die peripheren Nerven langsam fortschreitend degenerieren. Dabei sind die für die Steuerung der Bewegung
Neuropathien
verantwortlichen motorischen Nervenfasern meist wesentlich
Unter Neuropathien versteht man Erkrankungen, die die peri-
stärker betroffen als die für die Vermittlung von Empfindungen
pheren Nerven, meist distal (weiter vom Rumpf entfernt), be-
(Berührung, Schmerz, Temperatur, Gelenkstellung) zustän-
treffen. Da die peripheren Nerven motorische, sensible und ve-
digen sensorischen Fasern. Allen Formen haben gemeinsam,
getative Nervenfasern enthalten kommt es unter anderem zu
dass sich zunächst an den Füssen Muskelschwund und damit
Lähmungen, Empfindungsstörungen und vegetativen Störungen.
verbunden Muskelschwäche entwickeln.
Grundsätzlich kann man sie aufgrund der Ursachengruppen in
Aufgrund der strukturellen Veränderung an den peripheren
vier grosse Gruppen zusammenfassen:
Nerven ergeben sich zwei Hauptformen, die sich durch die Ver-
--entzündliche Polyneuropathien (Polyneuritiden) werden ent-
erbung in weitere Untertypen gliedern lassen.
weder durch virale (z.B. Aids) oder bakterielle Infektionen
(z.B. Neuro Borreliose) sowie durch Auto-immunmechanismen (z.B. Guillain-Barré-Syndrom) verursacht
--genetisch bedingte Polyneuropathien
--durch Medikamente, Alkohol oder Umweltgifte verursachte
Polyneuropathien (z.B. bestimmte Zystotika, Metalle, organische Phosphorverbindungen)
Die hypertrophische Form
Es kommt zu einer Funktionsstörung der Nervenscheiden mit
nachfolgender Störung der Nervenfasern:
--Der HMSN-Typ I wird autosomal dominant vererbt. Die
Krankheit bringt zwischen dem 5. und 10. Lebensjahr aus.
--Der HMSN-Typ III (auch Dejerine-Sottas Syndrom) wird
sowohl autosomal dominant als auch rezessiv vererbt.
--Die X-chromosomalen Erbgänge bei der hypertrophischen
Form treten nur selten auf.
Muskelgesellschaft
16
Die neuronale Form
Bei der neuronalen Form geht ein Grossteil der Nervenfasern
primär zugrunde (gegenüber der hypertrophischen Form):
--Der HMSN-Typ II wird autosomal dominant vererbt oder tritt
erstmalig auf. Er zeichnet sich durch einen etwas späteren
Krankheitsbeginn aus; im Durchschnitt liegt er im 3. oder 4.
Lebensjahrzehnt.
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in der Dermatomyositis erkranken Frauen häufiger als Männer.
Einschlusskörpermyositis
Die Einschlusskörpermyositis leitet sich ab von den typischen
lichtmikroskopischen und elektronenmikroskopischen Einschlüssen in den erkrankten Muskelfasern. Sie betrifft mehr
Männer, vorwiegend im mittleren bis höheren Lebensalter. Sie
ist die beständigste Form einer immunogenen Myositis und ver-
Die Symptome sind bei der rezessiven erblichen Variante stärker
läuft im Gegensatz zu den beiden anderen Formen sehr asym-
ausgeprägt als bei der Erkrankung mit autosomal dominantem
metrisch, weshalb sie oft verkannt wird.
Erbgang.
Myopathien
Myositis
«Myopathie» bildet der Überbegriff für verschiedene Muskel-
Myositis ist der Überbegriff verschiedener entzündlicher Mus-
dystrophien. Die Progressiven Muskeldystrophien beinhalten
kelerkrankungen. Nach heutiger Erkenntnis gehört die Myositis
wiederum eine Gruppe sehr verschiedener, chronisch verlau-
zu den Autoimmunerkrankungen. Das Immunsystem produziert
fender Krankheiten der Skelettmuskulatur, die mit einem fort-
eine überschiessende Reaktion und attackiert damit das eigene
schreitenden Verlust an funktionstüchtiger Muskelsubstanz ein-
Gewebe. Dadurch kommt es zu schweren Entzündungsreakti-
hergehen. Daher werden Myopathien auch oft als die «eigent-
onen, die Patienten erleiden bei diesen Krankheiten Muskel-
lichen Muskelkrankheiten» bezeichnet.
schwächen (Lähmungen) im Bereich des Becken- und auch des
Ursache für den Muskelschwund bei allen diesen Krankheiten
Schultergürtels. Die Muskeln können schmerz- und druckemp-
ist eine bis heute nicht behandelbare Schädigung der Muskel-
findlich sein, in schweren Fällen kommen zusätzlich Schluck-
zellen, die bis zur vollständigen Zerstörung der betroffenen
störungen oder sogar Atemschwächen hinzu. Bei der Dermato-
Muskeln fortschreiten kann. Für die meisten dieser Formen der
myositis werden die Muskelsymptome von einem Hautausschlag
Schädigung ist mittlerweile der Genort, für die meisten auch
begleitet. Im Folgenden werden die Typen kurz aufgelistet:
das Genprodukt, bekannt. Meist handelt es sich um Defekte im
Polymyositis
Die Polymyositis tritt meist erst nach dem 18. Lebensjahr auf
und betrifft praktisch ausschliesslich die Muskulatur. Es gibt
akute oder auch primär chronische Verläufe.
so genannten Zytoskelett, wobei bestimmte, natürlicherweise
die Muskelfaser stabilisierende Eiweissstoffe ganz fehlen oder
nur sehr gering vorhanden sind und demgemäss Muskelfasern
zunehmend degenerieren. In einem Teil der Fälle ist im Verlauf
auch der Herzmuskel beziehungsweise die Atemhilfsmuskula-
Dermatomyositis
tur beteiligt. Eine ursächliche Behandlung ist bisher weltweit
Die Dermatomyositis bedeutet wörtlich Entzündung von Haut
noch nicht verfügbar.
und Muskel. Sie tritt in jedem Lebensalter auf und ist meist die
Entscheidende Bedeutung hat gegenwärtig die symptomatische
am akutesten auftretende Form. Sowohl in der Poly- wie auch
Behandlung, wobei physiotherapeutische und orthopädische
Muskelgesellschaft
nicht bekannt
m/w
spätes
Erwachsennenalter
Augenlider und Unterarme; manchmal
auch Schluckmuskeln
AugenmuskelForm
dominant
nicht bekannt
dominant/
Chromosom 19
m/w
alle
Lebensalter
Gesicht, Hände, Unterarme,
Unterschenkel
Myotone
Dystrophie
Proteinmangel
der Muskelzelle
m/w
1–40 Jahre
Schultermuskulatur, Beckengürtel
Gliedergürtel
Fiorm
rezessiv/
versch. Formen
m/w
2–55 Jahre
Gesicht (Augenlider, Lippen), Schultergürtel, Oberarme, später zum Teil auch Beine
Fazio-skapulohumerale Form
nicht bekannt
m
6–19 Jahre
Beckengürtel, später Schultergürtel,
Herzbeteiligung möglich (Teildefekt)
Becker-Kiener
dominant/
Chromosom 4
m
2– 5Jahre
Muskeln des Beckens und der Oberschenkel, Herz, Hypertrophie der Waden
Duchenne
X-chromosomal Dystrophinmangel
m/w
Erste
Symptome
Betroffene Muskeln
X-chromosomal Dystrophinmangel
19
Massnahmen den höchsten Stellenwert einnehmen. Schon die
wichtigsten Formen der progressiven Muskeldystrophien verlaufen ganz unterschiedlich schwer. Darüber hinaus gibt es weitere
seltene Formen.
Die häufigste Muskeldystrophieform des Kindesalters ist die
Muskeldystrophie Duchenne, nach seinem Erstbeschreiber be-
Form
Erbgang
Ursachen
18
nannt. Die häufigste Form des Erwachsenenalters ist die Myotone Dystrophie. Weitere Dystrophien sehen Sie in der Tabelle
auf Seite 21 aufgelistet.
Weitere Broschüren der Muskelgesellschaft
-- Die Schweizerische Muskelgesellschaft
-- 35 Jahre Schweizerische Muskelgesellschaft
-- Regionale Neuromuskuläre Zentren & Myosuisse (D/I)
-- Friedreich-Ataxie
-- Myasthenia Gravis
-- Spinale Muskelatrophien
-- Amyotrophe Lateralsklerose ALS
-- ALS (Amyotrophe Lateralsklersoe) Selbsthilfegruppen
-- Polyneuropathien
-- Neurale Muskelatrophien (CMT/HMSN)
-- Myositis
-- Die progressiven Muskeldystrophien
-- Dystrophinopathien Duchenne/Becker
-- Myotone Dystrophie
-- Morbus Pompe
-- Atemstörungen und häusliche Beatmung
20
21
Die Muskelgesellschaft
Das Ziel der Muskelgesellschaft
ZEWO-Gütesiegel
Die Muskelgesellschaft strebt eine Zukunft an, in der alle Men-
Die Schweizerische Muskelgesellschaft ist ZEWO-zertifiziert.
schen mit einer Muskelkrankheit bestmöglich leben können –
Die Stiftung ZEWO ist die schweizerische Fachstelle für gemein-
selbstbestimmt und gleichgestellt. Sie setzt sich mit Blick auf
nützige, Spenden sammelnde Organisationen. Das Gütesiegel
diese Zukunft überall dort ein, wo die Bedürfnisse von Men-
wird nur an Organisationen verliehen, welche gewisse Stan-
schen mit einer Muskelkrankheit und die ihrer Angehörigen
dards erfüllen und gilt damit als Qualitätsausweis.
nicht oder nur ungenügend abgedeckt sind.
Kernaufgaben
Kontakt
--Anlaufstelle, Erstberatung und Information für Menschen mit
einer Muskelkrankheit und ihre Angehörigen
Die Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle sind während der
üblichen Bürozeiten für Sie da.
--Vermittlung und Sicherstellung benötigter Dienstleistungen
--Initiierung und Unterstützung von Kontakt- und Selbsthilfegruppen
--Organisation von Ferien- und Freizeitangeboten für Kinder,
Jugendliche und Erwachsene mit einer Muskelkrankheit
--Unterstützung von Initiativen und Projekten mit Blick auf ein
selbstbestimmtes Leben
--Rasche und unbürokratische Sachhilfe in Notfällen
--Informations- und Weiterbildungsangebote für Institutionen
und Fachpersonen zu spezifischen Themenbereichen
in der Pflege und Betreuung von Menschen mit einer
Muskelkrankheit
--Unterstützung von Forschungsprojekten, die sich primär auf
die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen mit
einer Muskelkrankheit auswirken
--Aufklärung und Information der Öffentlichkeit über Muskelkrankheiten und die Anliegen Betroffener
--Politische Aktivitäten zur Umsetzung der Gleichstellung
und Selbstbestimmung
Schweizerische Muskelgesellschaft
Kanzleistrasse 80
CH-8004 Zürich
Telefon + 41 44 245 80 30
Fax
+ 41 44 245 80 31
[email protected]
www.muskelgesellschaft.ch
PC-Konto 80-29554-4
Die Muskelgesellschaft
ist von der ZEWO als
gemeinnützig anerkannt.
*Unter Muskelkrankheiten versteht man alle neuromuskulären Erkrankungen
Einen Einzahlungsschein – PC-Konto 80-29554-4
Bitte senden Sie mir:
Ich bin nicht muskelkrank* und trete der Muskelgesellschaft als Gönnermitglied bei (Jahresbeitrag CHF 50.-)
Verwandtschaftsverhältnis
Name des / der Betroffenen
Ich bin Angehörige /r einer muskelkranken* Person
(Jahresbeitrag CHF 35.-)
Ich bin selbst muskelkrank* (Jahresbeitrag CHF 35.-)
Schweizerische Muskelgesellschaft, Kanzleistrasse 80, 8004 Zürich
Telefon 044 245 80 30, Fax 044 245 80 31, [email protected]. Herzlichen Dank für Ihr Interesse!
IV-/AHV-Nummer
des Betroffenen
Diagnose
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