Der kranke Arbeitnehmer im

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Arbeits- und sozialrechtliche Aspekte
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Rechtsanwälte Korth & Wortmann
Bergstraße 25, 01069 Dresden
Tel: 0351/4013712
Fax: 0351/4013713
E-Mail: [email protected]
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Rechtsanwältin Susanne Wortmann
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Was ist Krankheit?
Im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntgFG), das die Lohnfortzahlung
bei Krankheit regelt, wird darunter jeder regelwidrige Köper- oder
Geisteszustand verstanden, der einer Heilbehandlung bedarf. Also fallen auch
darunter physische oder psychische Abhängigkeiten, also Süchte, Drogen,
Nikotin, Alkohol; aber auch Unfruchtbarkeit oder Zeugungsunfähigkeit.
§ 3 EntgFG
Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
(1)
Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an
seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne daß ihn ein Verschulden trifft,
so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den
Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs
Wochen.
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Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, so
verliert er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den Anspruch nach Satz 1
für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nicht, wenn
1. er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs
Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig
war oder
2. seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben
Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.
(2)
Als unverschuldete Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Absatzes 1 gilt auch eine
Arbeitsverhinderung, die infolge einer nicht rechtswidrigen Sterilisation oder
eines nicht rechtswidrigen Abbruchs der Schwangerschaft eintritt.
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Dasselbe gilt für einen Abbruch der Schwangerschaft, wenn die
Schwangerschaft innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis
durch einen Arzt abgebrochen wird, die schwangere Frau den Abbruch
verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nachgewiesen hat,
daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff von einer
anerkannten Beratungsstelle hat beraten lassen.
(3)
Der Anspruch nach Absatz 1 entsteht nach vierwöchiger
ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses.
Beachte:
Das Entgeltfortzahlungsgesetz regelt aber nicht nur die
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sondern auch an Feiertagen, vgl. §
2 EntgFG.
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§ 2 Entgeltzahlung an Feiertagen
(1)
Für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages ausfällt, hat
der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das
er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte.
(2)
Die Arbeitszeit, die an einem gesetzlichen Feiertag gleichzeitig infolge
von Kurzarbeit ausfällt und für die an anderen Tagen als an
gesetzlichen Feiertagen Kurzarbeitergeld geleistet wird, gilt als infolge
eines gesetzlichen Feiertages nach Absatz 1 ausgefallen.
(3)
Arbeitnehmer, die am letzten Arbeitstag vor oder am ersten Arbeitstag
nach Feiertagen unentschuldigt der Arbeit fernbleiben, haben keinen
Anspruch auf Bezahlung für diese Feiertage.
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1. Exkurs:
Entgeltfortzahlung an Feiertagen
Es gilt nur an gesetzlichen Feiertagen, an denen die Arbeit ausfällt.
Nicht an kirchlichen Feiertagen, Beispiel: heute = Fronleichnam.
Beachte:
Neben den bundesweiten Feiertagen gibt es in den Ländern weitere
gesetzliche Feiertage.
Der Feiertag muss die alleinige Ursache des Arbeitsausfalls sein. Wenn
der Arbeitnehmer also ohnehin frei gehabt hätte an dem Feiertag und
damit auch kein Entgelt bezogen hätte, bekommt er auch keine
Feiertagsvergütung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz.
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2. Exkurs:
Gibt es nur bei Krankheit oder Feiertagen nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz
eine Lohnfortzahlung?
Nein, vgl. bei Schwangerschaft: Mutterschutzgesetz, bzw. bei Pflege:
Pflegezeitgesetz.
Aber auch bei personenbedingter tatsächlicher Verhinderung an der
Arbeitsleistung nach § 616 BGB.
§ 616 Vorübergehende Verhinderung
Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung
nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit
durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der
Dienstleistung verhindert wird. Er muss sich jedoch den Betrag anrechnen
lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund
gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung
zukommt.
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Ein solches subjektives, persönliches Leistungshindernis
kommt vor allem in folgenden Fällen in Betracht: kirchliche
und standesamtliche Eheschließung, außerordentliche
Vorkommnisse in der Familie (Todesfälle, Begräbnisse,
Geburten, Goldene Hochzeit der Eltern, Kommunion und
Konfirmation der Kinder, schwere Erkrankung naher
Angehöriger insbesondere Kindern, gesundheitspolizeiliche
Untersuchungen in Lebensmittelbetrieben,
Beschäftigungsverbote nach § 42 IfSG
(Infektionsschutzgesetz), Einberufung als Laienrichter,
Ladung zu Behörden oder gerichtlichen Terminen,
Ausübung politischer, öffentlicher und religiöser Pflichten,
Wahrnehmung von Ämtern bei der Freiwilligen Feuerwehr
und auch Ablegung von Prüfungen (darunter zählt auch die
Fahrprüfung).
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Achtung:
Arztbesuche: Außerhalb der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des
§ 3 EntgFG liegt nur dann ein Vergütungsanspruch des
Arbeitnehmers vor, wenn die ärztliche Versorgung während
der Arbeitszeit medizinisch erforderlich ist, z. B. bei
Blutabnahme im nüchternen Zustand oder die
Sprechstunden des Arztes durchweg in der Arbeitszeit des
Arbeitnehmers liegen und ein Termin außerhalb der
Arbeitszeiten nicht vereinbart werden kann.
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Das Muster einer Bescheinigung des behandelnden Arztes über diese
Arztbesuche sieht etwa so aus:
Frau/Herr …… war heute in der Zeit von …… Uhr bis …… Uhr in meiner Praxis
in Behandlung.
Sofern die Behandlung innerhalb der Arbeitszeit lag, war dies notwendig, weil
• die Behandlung wegen eines Arbeitsunfalls erfolgte ……,
• eine akut aufgetretene Erkrankung zu behandeln war,
• der Arztbesuch amtsärztlich vorgeschrieben war,
• eine Untersuchung vorgenommen wurde, die nur zu dieser Zeit in der
Praxis möglich ist.
……, den ……
Unterschrift des Arztes
Praxisstempel
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Ganz praxisbedeutsam: Pflege erkrankter Kinder in § 45 SGB V geregelt.
§ 45 Krankengeld bei Erkrankung des Kindes
(1)
Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn es nach ärztlichem
Zeugnis erforderlich ist, dass sie zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege
ihres erkrankten und versicherten Kindes der Arbeit fernbleiben, eine andere
in ihrem Haushalt lebende Person das Kind nicht beaufsichtigen, betreuen
oder pflegen kann und das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet
hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist. § 10 Abs. 4 und § 44 Absatz
2 gelten.
(2)
Anspruch auf Krankengeld nach Absatz 1 besteht in jedem Kalenderjahr für
jedes Kind längstens für 10 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte
längstens für 20 Arbeitstage. Der Anspruch nach Satz 1 besteht für
Versicherte für nicht mehr als 25 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte
für nicht mehr als 50 Arbeitstage je Kalenderjahr.
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(3)
Versicherte mit Anspruch auf Krankengeld nach Absatz 1 haben für die Dauer
dieses Anspruchs gegen ihren Arbeitgeber Anspruch auf unbezahlte
Freistellung von der Arbeitsleistung, soweit nicht aus dem gleichen Grund
Anspruch auf bezahlte Freistellung besteht. Wird der Freistellungsanspruch
nach Satz 1 geltend gemacht, bevor die Krankenkasse ihre
Leistungsverpflichtung nach Absatz 1 anerkannt hat, und sind die
Voraussetzungen dafür nicht erfüllt, ist der Arbeitgeber berechtigt, die
gewährte Freistellung von der Arbeitsleistung auf einen späteren
Freistellungsanspruch zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines
erkrankten Kindes anzurechnen. Der Freistellungsanspruch nach Satz 1 kann
nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden.
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(4)
Versicherte haben ferner Anspruch auf Krankengeld, wenn sie zur Beaufsichtigung,
Betreuung oder Pflege ihres erkrankten und versicherten Kindes der Arbeit
fernbleiben, sofern das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder
behindert und auf Hilfe angewiesen ist und nach ärztlichem Zeugnis an einer
Erkrankung leidet,
a) die progredient verläuft und bereits ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht hat,
b) bei der eine Heilung ausgeschlossen und eine palliativmedizinische Behandlung
notwendig oder von einem Elternteil erwünscht ist und
c) die lediglich eine begrenzte Lebenserwartung von Wochen oder wenigen Monaten
erwarten lässt.
Der Anspruch besteht nur für ein Elternteil. Absatz 1 Satz 2 und Absatz 3 gelten
entsprechend.
(5)
Anspruch auf unbezahlte Freistellung nach den Absätzen 3 und 4 haben auch
Arbeitnehmer, die nicht Versicherte mit Anspruch auf Krankengeld nach Absatz 1 sind.
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Beachte:
Voraussetzung ist aber, dass eine andere in ihrem Haushalt lebende
Person das Kind nicht beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann und
das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Hier wird
Krankengeld gezahlt. Jedoch längstens für zehn Arbeitstage, bei
alleinerziehenden Versicherten längstens 20 Arbeitstage. Bei drei oder
mehr Kindern aber für nicht mehr als 25 Arbeitstage. Bei
Berufstätigkeit beider Elternteile kann nur einer nach Wahl den
Anspruch geltend machen.
Beachte:
Wenn sie bei demselben Arbeitgeber beschäftigt sind, müssen die
Interessen des Arbeitgebers berücksichtigt werden. Der Anspruch kann
im Übrigen auch im Falle der Erkrankung anderer naher Angehöriger
bestehen. Wenn sie auf Pflege des Arbeitnehmers angewiesen sind
und eine anderweitige Versorgung nicht möglich ist.
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Das alles sind subjektive persönliche Leistungshindernisse,
die über das Entgeltfortzahlungsgesetz hinaus einen Anspruch
auf Vergütung des Arbeitnehmers regeln. Dieser
Vergütungsanspruch besteht aber nicht, wenn der
Hinderungsgrund weder mit der Person des Arbeitnehmers zu
tun hat, noch aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammt,
sondern er nur ganz allgemein der Erbringung der
Arbeitsleistung entgegensteht. Dann scheidet der
Vergütungsanspruch nach § 616 BGB aus.
Damit besteht kein Vergütungsanspruch nach der
Rechtsprechung bei allgemeinen Verkehrssperren, dem
Zusammenbruch des öffentlichen Personennahverkehrs,
Verkehrseinstellung wegen SMOG-Alarm, Straßensperrungen
wegen Verkehrsunfall, Überschwemmung, Erdrutsch, Schnee
und Glatteis und Ausfall einer Straßenbahn oder ähnlichem.
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Wenn allerdings das Auto des Arbeitnehmers versagt
oder er einen Unfall selbst erleidet, liegt ein
persönliches Leistungshindernis vor, das einen
Lohnanspruch nach § 616 BGB begründet, es sei denn,
der Arbeitnehmer hat diesen Verhinderungsgrund
verschuldet.
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Jetzt aber:
Der kranke Arbeitnehmer
I.
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
1. Wann ist ein Arbeitnehmer überhaupt arbeitsunfähig?
Dies ist er dann, wenn die Krankheit es dem Arbeitnehmer unmöglich
macht, die nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages geschuldete Leistung
zu erbringen oder aber bei einer Fortsetzung der Arbeit die Gefahr
besteht, dass sich der Gesundheitszustand in absehbarer Zeit
verschlechtert. Damit ist also, ob eine Krankheit zur Arbeitsunfähigkeit
führt, davon abhängig, was für eine Arbeitsleistung zu erbringen ist. So
kann ein Arbeitnehmer mit einer Fußverletzung arbeitsunfähig sein,
wenn er bei der Arbeit gehen oder stehen muss. Dagegen besteht bei
einer ausschließlich sitzenden Beschäftigung nicht ohne Weiteres eine
Arbeitsunfähigkeit.
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Auch kann der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts den
Inhalt der geschuldeten Arbeit festlegen und ihm, zumindest soweit
das zulässig ist, eine andere Arbeitsaufgabe zuweisen. Das hat auch
der Arzt bei der Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu
beachten.
Aber: Andere als vertraglich geschuldete Arbeiten, die innerhalb des
Direktionsrechts liegen, dürfen nicht zugewiesen werden.
2.
Eine Arbeitsunfähigkeit liegt aber z. B. dann nicht vor, wenn eine
Schönheitsoperation zur Arbeitsunfähigkeit, z. B. Beseitigung einer
Tätowierung geführt hat.
Auch ist ein ambulanter Arztbesuch nicht entgeltzahlungspflichtig,
sondern nur die Erkrankung, die Anlass des Arztbesuches ist.
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Eine Arbeitsunfähigkeit ist auch dann nicht gegeben, wenn die Krankheit den
Arbeitnehmer nicht an der Arbeitsleistung, sondern nur an der Zurücklegung
des Arbeitsweges hindert. Denn das Wegerisiko darf dem Arbeitgeber nicht
übertragen werden.
3. Erkrankung während des Urlaubs
Hier werden gemäß § 9 Urlaubsgesetz:
§ 9 Erkrankung während des Urlaubs
Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch
ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den
Jahresurlaub nicht angerechnet.
die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit
nicht auf den Urlaub angerechnet. Der Urlaub ist also kraft Gesetzes
unterbrochen. Dies gilt auch bei Bildungsurlaub, nicht allerdings bei
unbezahltem Sonderurlaub.
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4.
Wenn der Arbeitnehmer zum Abbau von Überstunden bezahlt von der
Arbeit freigestellt wurde, besteht kein
Vergütungsfortzahlungsanspruch. Der Arbeitnehmer behält sein
Entgelt aus der Freistellungsvereinbarung.
5.
Wenn ein gesetzlicher Feiertag in den Entgeltfortzahlungszeitraum
fällt, hat der Arbeitnehmer für den Feiertag Anspruch auf
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
6. Ausschluss des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung
Kein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht, wenn den Arbeitnehmer
ein Verschulden an der Arbeitsunfähigkeit trifft.
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a) Unfall
Hier sind regelmäßig Unfälle verschuldet, die auf Alkoholmissbrauch
zurückzuführen sind sowohl Verkehrs- als auch Freizeitunfälle.
Voraussetzung ist ein vorsätzliches oder durch einen gröblichen
Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen zu erwartende
Verhalten herbeigeführte Ereignis. Dies kann sich in der Freizeit, bei
Nachbarschaftshilfe oder auch einer Nebentätigkeit ereignet haben.
b) Arbeitsunfall, § 7 – 9 SGB VII
Ein Arbeitsunfall ist verschuldet, wenn er auf einem groben Verstoß
gegen ein Verbot des Arbeitgebers oder gegen
Unfallverhütungsvorschriften oder auf besonders leichtfertigem oder
unbedachten Verhalten beruht oder aber der Arbeitnehmer die vom
Arbeitgeber bereitgestellte Sicherheitskleidung nicht getragen hat.
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c) Verkehrsunfall
Diese sind dann verschuldet, wenn eine vorsätzliche oder grob
fahrlässige Verletzung der Verkehrsregeln vorliegt, wie z. B. Überholen
an unübersichtlicher Stelle, mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit,
unachtsames Überqueren einer belebten Straße, Telefonieren
während der Fahrt ohne Freisprecheinrichtung oder aber wenn sie auf
Trunkenheit oder Tabletteneinnahme zurückzuführen sind.
Sportunfall: Diese sind dann verschuldet, wenn der Arbeitnehmer an
einer besonders gefährlichen Sportart teilnimmt oder wenn sich der
Arbeitnehmer in einer seine Kräfte deutlich übersteigenden Art
sportlich betätigt oder er in besonders grober Weise und leichtsinnig
gegen anerkannte Regeln des Sports verstößt.
Wann ist eine Sportart besonders gefährlich? Nach höchstrichterlicher
Rechtsprechung dann, wenn das Verletzungsrisiko auch durch einen
gut trainierten Sportler nicht auszuschließen ist. Bislang gibt es aber
dazu keinen vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall. Also auch
das Amatuerboxen, das Drachenfliegen, das Fingerhakeln, das
Motoradfahren aber auch das Kickboxen sollen nicht gefährlich sein.
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7.
Weitere Fälle, gegebenenfalls Schlägereien, wenn der Arbeitnehmer
provoziert hat, aber auch wenn der Arbeitnehmer während der
Arbeitsunfähigkeit einer Nebentätigkeit nachgeht und dadurch die
Arbeitsunfähigkeit verlängert wird. Dann ist die Verlängerung der
Arbeitsunfähigkeit verschuldet.
Beachte:
Wenn der Arbeitnehmer während der unerlaubten Nebentätigkeit einen
unverschuldeten Unfall erleidet, so besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch.
Ein Verschulden und damit kein Entgeltfortzahlungsanspruch kann aber
vorliegen, wenn der Arbeitnehmer mit der ausgeübten Nebentätigkeit die
zeitlichen Beschränkungen des § 3 Arbeitszeitgesetz überschritten hat.
Überschreitung bei mehr als zehnstündiger Arbeitszeit bzw. des
Ausgleichszeitraums für diese zehnstündige Arbeitszeit. In der Regel darf nur
acht Stunden gearbeitet werden.
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Auch genesungswidriges Verhalten kann ein Verschulden sein, da
der Arbeitnehmer alles zu unterlassen hat, was seine Genesung
verzögern kann. So dürfte z. B. die Teilnahme an einer OutdoorVeranstaltung mit einer Lungenentzündung darunter fallen.
8.
Bei bereits geleisteter Vergütungsfortzahlung kann der
Arbeitgeber die erbrachten Zahlungen zurückverlangen.
Aber wie immer: Den Arbeitgeber trifft die Darlegungs- und
Beweislast.
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II.
Beginn und Ende der Entgeltfortzahlung
Gesetz: § 3 Abs. 3 EntgFG (siehe oben)
1.
Nach § 3 Abs. 3 EntgFG entsteht der Anspruch nach vierwöchiger
ununterbrochener Dauer des Arbeitsverhältnisses.
Beachte:
Die Wartezeit gilt auch, wenn der Arbeitnehmer im Zusammenhang
mit einem Arbeitsunfall erkrankt.
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Norm: § 3 Abs. 1 EntgFG (siehe oben)
2. Dauer des Anspruchs:
Grundsätzlich 6 Wochen, also 42 Kalendertage, zu denen auch alle
arbeitsfreien Tage wie Sonn- und Feiertage etc. zählen.
- Erkrankung vor Arbeitsbeginn = erster Tag bei der Berechnung des
6-Wochen-Zeitraums.
- Erkrankung während der Arbeitszeit, Tag wird bei der Bemessung
des 6-Wochen-Zeitraums nicht eingerechnet
- Ende des Anspruchs mit Ablauf der 6-Wochen-Frist oder
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
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3. Wiederholte Erkrankung und Fortsetzungserkrankung
a)
Eine Fortsetzungserkrankung liegt dann vor, wenn die
Krankheit, auf der die frühere Arbeitsunfähigkeit beruhte in
der Zeit zwischen dem Ende der vorausgegangenen und dem
Beginn der neuen Arbeitsunfähigkeit medizinisch nicht
vollständig ausgeheilt war, sondern als Grundleiden latent
weiterbestanden hat. Die neue Erkrankung ist also nur eine
Fortsetzung der früheren Erkrankung.
Die wiederholte Arbeitsunfähigkeit muss auf demselben, nicht
behobenen Grundleiden beruhen.
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Beispiel1:
Ein Epileptiker verletzt sich bei verschiedenen, zeitlich
auseinanderliegenden Anfällen und erleidet dabei zunächst einen
Armbruch, dann eine Bisswunde an der Zunge, später einen Beinbruch.
Hier handelt sich bei den verschiedenen Krankheitserscheinungen
jeweils um Fortsetzungserkrankungen, da sie auf demselben
Grundleiden beruhen.
Aber: Eine Vorerkrankung wird nicht als Teil einer späteren
Fortsetzungserkrankung angesehen, falls sie zu einer bereits
bestehenden krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit hinzugetreten
ist, ohne einen eigenen Anspruch auf Entgeltfortzahlung auszulösen.
Das gilt aber nur, wenn die ursprüngliche und die hinzugetretene
Erkrankung zeitgleich enden.
1
folgende Beispiele aus Tschöpe, Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, 6. Auflage, Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln
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Beispiel:
Ein Arbeitnehmer ist sechs Wochen lang auf Grund einer Rippenfraktur
arbeitsunfähig. In den letzten zwei Wochen tritt ein Hautekzem dazu.
Beide Erkrankungen enden gleichzeitig. Zwei Wochen später wird der
Arbeitnehmer in Folge des Hautekzems erneut für sechs Wochen
arbeitsunfähig. Zwischen beiden Hauterkrankungen besteht kein
Fortsetzungszusammenhang, da die erste Erkrankung an dem Ekzem
keine eigene Entgeltfortzahlung ausgelöst hat, so dass bei der zweiten
Erkrankung ein neuer und zwar voller Entgeltfortzahlungsanspruch
entsteht.
Wenn die hinzugetretene Krankheit aber über das Ende der
ursprünglichen Erkrankung hinaus andauert, so ist die für die Zeit, in
der sie alleinige Ursache der Arbeitsunfähigkeit war, als ein Teil der
späteren Fortsetzungserkrankung zu werten.
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Beispiel:
Wieder das Rippenbruch-Beispiel. Dabei endet die hinzugetretene
Hauterkrankung eine Woche nach dem Rippenbruch. Die erste
Arbeitsunfähigkeit dauert also insgesamt sieben Wochen. Zwei Monate
später wird der Arbeitnehmer wegen der Hauterkrankung nochmals für
sechs Wochen arbeitsunfähig.
In diesem Fall ist Entgeltfortzahlung für sechs Wochen zu leisten. Für
die siebte Woche dagegen nicht, denn eine hinzugetretene Erkrankung
verlängert den 6-Wochen-Zeitraum nicht.
Beachte:
Tritt die andere Krankheit während bestehender Arbeitsunfähigkeit
hinzu, führt dies nicht zu einer Verlängerung der 6-Wochen-Frist.
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Aber: Um zwei selbstständige Verhinderungsfälle handelt es sich, wenn
der Arbeitnehmer zwischen zwei Erkrankungen wieder arbeitsfähig
war.
Zum Beispiel zurück:
Für die zweite Arbeitsunfähigkeit von sechs Wochen ist dann noch für
fünf Wochen Entgeltfortzahlung zu leisten, da eine Woche bereits
verbraucht ist.
Wie immer: der Arbeitgeber trägt die Beweislast für das Vorliegen
einer wiederholten Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit, also
einer Fortsetzungskrankheit. Das dürfte für den Arbeitgeber sehr
schwierig sein, da er in der Regel die Ursachen der Arbeitsunfähigkeit
nicht kennt. Wenn also der Arbeitnehmer länger als sechs Wochen
arbeitsunfähig ist, dann muss er darlegen, dass keine
Fortsetzungserkrankung vorliegt, indem er z. B. eine entsprechende
ärztliche Bescheinigung vorlegt.
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Wenn dann der Arbeitgeber das Vorliegen einer neuen Krankheit
bestreitet, muss der Arbeitnehmer alles darlegen, was die
Schlussfolgerung erlaubt, es habe keine Fortsetzungserkrankung
vorgelegen. Dazu muss er den Arzt von der Schweigepflicht entbinden.
Die Krankenkasse ist aber auch gemäß § 69 Abs. 4 SGB X befugt, den
Arbeitgebern hierüber Mitteilung zu geben.
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Muster:
An die
Krankenkasse ……
…… (Anschrift)
Ihr Mitglied ……
Sehr geehrte Damen und Herren,
Herr/Frau …… steht zu uns in einem Arbeitsverhältnis als …… Er/Sie ist bei
Ihnen krankenversichert.
Vom …… bis …… war Herr/Frau …… arbeitsunfähig krank. Wir gehen davon
aus, dass die Erkrankung in ursächlichem Zusammenhang mit einer früheren
Erkrankung steht.
Wir bitten eine Befragung des Arztes vorzunehmen, ob es sich um eine
Fortsetzungserkrankung handelt.
Mit freundlichen Grüßen
Arbeitgeber
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b) Oft nicht bekannt: der Zwölf-Monats-Zeitraum
Wenn ein Arbeitnehmer innerhalb von zwölf Monaten in Folge
derselben Krankheit wiederholt arbeitsunfähig war, hat er innerhalb
dieses Zwölf-Monats-Zeitraums für längstens sechs Wochen Anspruch
auf Entgeltfortzahlung, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 EntgFG:
Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut
arbeitsunfähig, so verliert er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit
den Anspruch nach Satz 1 für einen weiteren Zeitraum von höchstens
sechs Wochen nicht, wenn
1. er vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate
nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder
2. seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit
eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.
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Also:
Der Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht bei erneuter Arbeitsunfähigkeit
wegen derselben Krankheit nach Ablauf des Zwölf-Monats-Zeitraums neu.
Diese Sperre fällt also nach zwölf Monaten weg.
c) der Sechs-Monats-Zeitraum
Aber: Von der Zwölf-Monats-Regelung unabhängig hat der Arbeitnehmer bei
wiederholter Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit einen erneuten
Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er sechs Monate lang infolge
derselben Erkrankung nicht arbeitsunfähig war. Dann ist die spätere
Arbeitsunfähigkeit erste Arbeitsunfähigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 2
Nr. 2 EntgFG. D. h. also unabhängig von der Zwölf-Monats-Regelung hat der
Arbeitnehmer bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit
einen erneuten Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er, das ist
Voraussetzung, sechs Monate lang infolge derselben Erkrankung nicht
arbeitsunfähig war und zwar wiederum für die Dauer bis zu insgesamt sechs
Wochen, § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EntgFG.
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Dazu Berechnungsbeispiele:
Ein Arbeitnehmer war wegen derselben Krankheit arbeitsunfähig vom 11.06.
bis 22.06.2007 (12 Kalendertage), vom 15.10.2007 bis 10.06.2008, am
22.06.2008 und sodann ab 11.08.2008 längerfristig.
Die sechswöchige Entgeltfortzahlung endete am 13.11.2007. Der Lauf der
Zwölf-Monats-Frist begann am 11.06.2007, endete also am 10.06.2008. Ab
22.06.2008 bestand somit erneut ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für
sechs Wochen, nämlich für den 22.06.2008 (1. Kalendertag) sowie ab 11.08.
bis 20.09.2008 (41 Kalendertag), dies sind insgesamt 42 Kalendertage.
Verkürzt man die zweite Arbeitsunfähigkeit auf die Zeit 15.10. bis 05.12.2007,
hat der Arbeitnehmer ebenfalls ab 22.06.2008 erneut Anspruch auf die
sechswöchige Entgeltfortzahlung, denn er war zwischen der zweiten und
dritten Erkrankung für mindestens sechs Monate arbeitsfähig (Beginn des
Sechsmonatszeitraums: 06.12.2007, Ende: 05.05.2008).
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Höhe der Entgeltfortzahlung
a)
Es gilt § 4 Abs. 1 Satz 1 EntgFG und unter Beachtung § 4 Abs. 1 a Satz 1 EntgFG,
also das, was er in der für ihn maßgeblich regelmäßigen Arbeitszeit an
Arbeitsentgelt erhalten hätte, also nicht Überstundenentgelt; vgl.
§ 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 1 a Satz 1 EntgFG:
(1)
Für den in § 3 Abs. 1 oder in § 3a Absatz 1 bezeichneten Zeitraum ist dem
Arbeitnehmer das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit
zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen.
(1a)
Zum Arbeitsentgelt nach Absatz 1 gehören nicht das zusätzlich für Überstunden
gezahlte Arbeitsentgelt und Leistungen für Aufwendungen des Arbeitnehmers,
soweit der Anspruch auf sie im Falle der Arbeitsfähigkeit davon abhängig ist, dass
dem Arbeitnehmer entsprechende Aufwendungen tatsächlich entstanden sind,
und dem Arbeitnehmer solche Aufwendungen während der Arbeitsunfähigkeit
nicht entstehen.
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Bei der regelmäßigen Arbeitszeit ist bei Schwankungen der Arbeitszeit der
einzelnen Arbeitnehmer die regelmäßige Arbeitszeit vergangenheitsbezogen zu
ermitteln, d. h. die vergangenen zwölf Monate sind heranzuziehen. Wenn also die
Arbeitszeit und damit auch die Entgelthöhe unregelmäßig schwankt, muss als
Referenzzeitraum festgelegt werden, das die durchschnittliche Arbeitslänge
maßgebend ist für die Berechnung.
b) Einmalige Zuwendungen/Sondervergütungen
§ 4 a EntgFG bestimmt, dass krankheitsbedingte Fehlzeiten bei der Bemessung
von Sondervergütungen in einem bestimmten Umfang berücksichtigt werden
können. Sondervergütung nach § 4 a EntgFG ist jede Leistung, die zusätzlich zum
laufenden Arbeitsgelt erbracht wird.
§ 4a Kürzung von Sondervergütungen
Eine Vereinbarung über die Kürzung von Leistungen, die der Arbeitgeber
zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt (Sondervergütungen), ist auch
für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zulässig. Die Kürzung darf für
jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein Viertel des Arbeitsentgelts,
das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten.
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Hier ist es möglich, bei Fehltagen die in demselben Zeitraum liegen wie die
Zahlung der Sondervergütung, also Beispiel Weihnachtsgeld 01.12.,
bedeutet also Zeitraum ein Jahr davor bis zum 30.11., kann eine Kürzung
entweder einzelvertraglich oder durch eine Betriebsvereinbarung, wenn kein
Tarifvertrag Anwendung findet, vereinbart werden. Danach ist aber eine
Kürzung der Sondervergütung für jeden krankheitsbedingten Fehltag nur um
bis zu ¼ des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag
entfällt, zulässig.
Beispiel:
Eine Regelung sieht für den 01.12. die Zahlung einer Sondervergütung in Höhe
von 2.000,00 EUR vor. Das Arbeitsentgelt aus der Zeit 01.12. des Vorjahres bis
zum 30.11. des laufenden Jahres beträgt unter Einbeziehung der
Sondervergütung 26.400,00 EUR. Unterstellt, es gab 220 Arbeitstage, ergibt
sich somit ein jahresdurchschnittliches Entgelt von 120,00 EUR je Arbeitstag
(26.400,00 EUR / 220 Tage). Dann darf die Sondervergütung für jeden
krankheitsbedingten Fehltag um bis zu 30,00 EUR gekürzt werden
(120,00 EUR / 4 = 30,00 EUR).
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Formulierungsvorschlag für eine Kürzungsregelung:
Das Urlaubs- und Weihnachtsgeld zuzüglich sonstiger
Sondervergütungen wird für jeden krankheitsbedingten Fehltag um ein
Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen
Arbeitstag entfällt, gekürzt.
4. Anzeige- und Nachweispflichten
a)
Der Arbeitnehmer hat die Arbeitsunfähigkeit und deren
voraussichtliche Dauer dem Arbeitgeber unverzüglich anzuzeigen. Das
gilt auch während der vierwöchigen Wartezeit zu Beginn des
Arbeitsverhältnisses.
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§ 5 Abs. 1 EntgFG lautet:
(1)
1 Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die
Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich
mitzuteilen. 2 Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei
Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über
das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche
Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. 3 Der
Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung
früher zu verlangen. 4 Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der
Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine
neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen. 5 Ist der Arbeitnehmer
Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, muss die ärztliche
Bescheinigung einen Vermerk des behandelnden Arztes darüber
enthalten, dass der Krankenkasse unverzüglich eine Bescheinigung
über die Arbeitsunfähigkeit mit Angaben über den Befund und die
voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit übersandt wird.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
42
Es ist die Verpflichtung des Arbeitnehmers, sicherzustellen, dass der
Arbeitgeber am ersten Tag der Erkrankung unterrichtet wird. D. h. es
genügt nicht, wenn er an diesem Tag eine briefliche Mitteilung
abschickt. Es muss die voraussichtlich Dauer mitgeteilt werden. Die
Unterrichtung kann auch eine andere Person übernehmen.
Nachgewiesen werden muss die Arbeitsunfähigkeit spätestens dann,
wenn sie länger als drei Kalendertage dauert, vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2
EntgFG:
Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der
Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der
Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an
dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
43
Dieser Nachweis wird durch Vorlage der Bescheinigung eines Arztes
über die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtlicher Dauer
geführt. Das gilt auch während der vierwöchigen Wartezeit nach § 3
Abs. 3 EntgFG und auch, wenn ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung
nicht oder nicht mehr besteht, also nach Ablauf des
Entgeltfortzahlungszeitraums.
Hier ist in der Praxis oft zu beobachten, dass Arbeitnehmer, die aus der
Entgeltfortzahlung beim Arbeitgeber herausgekommen sind und
Krankengeld beziehen, dieser Pflicht nicht genügen. Dann hat der
Arbeitgeber die Berechtigung, den Arbeitnehmer zur Vorlage einer
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aufzufordern.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
44
Nachfolgend Muster:
1.
Anzeige einer Arbeitsunfähigkeit:
An die
…… GmbH
…… (Anschrift)
Sehr geehrte Damen und Herren,
aufgrund einer Erkrankung kann ich heute bis voraussichtlich zum ……
nicht zur Arbeit erscheinen. Eine ärztliche
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reiche ich fristgemäß nach.
Mit freundlichen Grüßen
Arbeitnehmer
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
45
2. Aufforderung zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
An
Frau/Herrn ……
…… (Anschrift)
Sehr geehrte(r) Frau/Herr ……,
nach § 5 Abs. 1 EFZG sind Sie gehalten, eine ärztliche Bescheinigung über das
Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorzulegen,
wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage andauert. Die Vorlage
hat spätestens am darauffolgenden Werktag zu erfolgen.
Wir fordern Sie hiermit auf, dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen.
Mit freundlichen Grüßen
Arbeitgeber
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
46
3. Aufforderung zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits am
ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit
An
Frau/Herrn ……
…… (Anschrift)
Sehr geehrte(r) Frau/Herr ……,
nach § 5 Abs. 1 EFZG sind Sie gehalten, eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der
Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorzulegen, wenn die
Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage andauert. Die Vorlage hat spätestens am
darauffolgenden Werktag zu erfolgen. Nach § 5 Abs. 1 S. 3 EFZG ist der Arbeitgeber
berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Von dieser
Möglichkeit machen wir hiermit Gebrauch. Wir bitten Sie, im Falle der Erkrankung bereits
am ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen.
Mit freundlichen Grüßen
Arbeitgeber
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
47
Der Arbeitgeber kann auch arbeitsvertraglich regeln, das der
Arbeitnehmer verpflichtet ist, bereits am ersten Tag einer
Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen und
deren voraussichtliche Dauer vorzulegen.
Unterschiedliche Regelungen bei Arbeitnehmern sind möglich. Ebenso
wie die Aufforderung einzelner Arbeitnehmer, wenn der Verdacht
besteht, dass die Drei-Tages-Frist missbraucht wird; vgl. Muster 3.
Das kann bedeutsam werden für eine Arbeitsunfähigkeit, die länger
dauert, als in der ärztlichen Bescheinigung angegeben. Dann gilt nach
§ 5 Abs. 1 Satz 4 EntgFG: „Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in
der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine
neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
48
Allerdings beginnt hier wieder die Vorlagefrist mit dem Ende der
zunächst bescheinigten Arbeitsunfähigkeit zu laufen.
Beispiel:
Wenn also in der Bescheinigung als letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit
der 15.08. angegeben ist und die Arbeitsunfähigkeit darüber hinaus
fortbesteht, muss spätestens am 19.08. (vierter Krankheitstag) eine
neue Bescheinigung vorgelegt werden.
b) Was gilt bei Verletzung der Pflicht?
Die Mitteilungspflicht ist eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht, deren
Verletzung in aller Regel keinen außerordentlichen Kündigungsgrund
darstellt. Ausnahme: es liegt eine beharrliche Nichtbeachtung dieser
Pflichten vor.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
49
Aber: Der Arbeitgeber kann bei Nichtvorlage der ärztlichen Bescheinigung die
Entgeltfortzahlung verweigern, vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 EntgFG:
§ 7 Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers
(1)
Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu verweigern,
1.
solange der Arbeitnehmer die von ihm nach § 5 Abs. 1 vorzulegende ärztliche
Bescheinigung nicht vorlegt oder den ihm nach § 5 Abs. 2 obliegenden
Verpflichtungen nicht nachkommt.
Heilung tritt aber sofort ein, wenn der Arbeitnehmer die ärztliche
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, sei es auch verspätet oder anderweitig erbringt und
nachweist, dass er arbeitsunfähig krank ist. Das ist besonders praxisbedeutsam in den
Fällen, in denen der Arbeitnehmer keine ärztliche Bescheinigung beibringen kann, weil
er keinen Arzt aufgesucht hat.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
50
Verletzt der Arbeitnehmer die Nachweispflicht, § 5 Abs. 1 Satz 2
EntgFG (siehe oben), besteht dieses Leistungsverweigerungsrecht und
im Wiederholungsfall nach vorheriger Abmahnung das Recht zur
ordentlichen Kündigung.
Bei Verletzung der Anzeigepflicht gemäß § 5 Abs. 1 EntgFG steht dem
Arbeitgeber kein Leistungsverweigerungsrecht zu. Hier kann nach
Schuldfaktor und wiederholter Nichtbeachtung dieser Pflicht und
Ausspruch vergeblicher Abmahnung auch eine verhaltensbedingte
ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt sein.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
51
V. Was ist bei bestehenden Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
des Arbeitnehmers?
Grundsätzlich gilt: Die ordnungsgemäß ausgestellte ärztliche
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat die Vermutung der Richtigkeit.
Wenn allerdings Umstände vorliegen, die ernsthafte und begründete
Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit entstehen lassen, so muss der
Arbeitgeber den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
erschüttern.
Dies kann im Einzelfall sehr schwer sein.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
52
Beispiele:
Angekündigte Arbeitsunfähigkeit, nämlich Drohung im Falle der
Nichterteilung von Urlaub, Verrichtung von Schwarzarbeit, ganztägig
Bauen auf einer Eigenheimbaustelle, schichtweise Nachgehen einer
Nebenbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber o. ä.
Beachte: § 275 SGB V
Danach ist es dem Arbeitgeber möglich, bei Zweifeln an der
Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers die Krankenkasse einzuschalten,
die verpflichtet ist, vom medizinischen Dienst unverzüglich eine
Begutachtung einzuholen.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
53
Zweifel haben die Krankenkassen bei auffallend häufigen bzw.
auffallend häufig für kurze Dauer arbeitsunfähig erkrankten
Arbeitnehmern bzw. den Arbeitnehmern, deren Beginn der
Arbeitsunfähigkeit auf einen Arbeitstag am Beginn oder Ende einer
Woche fällt. So liegt eine auffallende Häufigkeit nach allgemeiner
Lebenserfahrung bei Arbeitnehmern vor, die gegenüber dem
Durchschnitt um 50 % erhöhte Krankheitswerte aufweisen.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
54
Muster zur Aufforderung zur Untersuchung durch den medizinischen Dienst für diese
Fälle:
An die
Krankenkasse ……
…… (Anschrift)
Sehr geehrte Damen und Herren,
unser Arbeitnehmer, Herr ……, ist seit dem …… arbeitsunfähig krank. Er hat eine
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des/der Herrn/Frau Dr. …… vorgelegt. In letzter Zeit
ist unser Arbeitnehmer wiederholt von Arbeitskollegen gesehen worden. Diese haben
mitgeteilt, dass der Arbeitnehmer folgende Arbeiten verrichtet hat: ……
Wir haben daher Zweifel, ob die Arbeitsunfähigkeit zutreffend diagnostiziert worden
ist, und bitten, eine gutachterliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes zur
Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einzuholen.
Mit freundlichen Grüßen
Arbeitgeber
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
55
VI. Kostenausgleich in Kleinbetrieben
Nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz können Arbeitgeber in
Kleinbetrieben die Entgeltfortzahlungskosten für ihre Arbeitnehmer
über ein Sondervermögen erstattet verlangen, welches durch Umlagen
gebildet wird. Ein Kleinbetrieb darf nicht mehr als 30 Arbeitnehmer,
Arbeiter und/oder Angestellte beschäftigen, § 1 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs.
1, Satz 2 AAG. Auszubildende, Aushilfskräfte, Schwerbehinderte, Wehrund Zivildienstleistende etc. sind nicht mitzuzählen.
Das Umlageverfahren wird durch die Krankenkassen durchgeführt.
Erstattungsfähig sind die Aufwendungen für die gesetzlichen
Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall für alle Arbeitnehmer und auch
für Auszubildende.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
56
Im AAG wird auch der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 14 Abs.
1 MuSchG geregelt sowie die Entgeltfortzahlung bei
Beschäftigungsverboten nach § 11 MuSchG.
Die Aufwendungen für die Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfall
werden in Höhe von 80 %, für das Mutterschaftsgeld und den
Mutterschutzlohn in voller Höhe ersetzt. Allerdings erfolgt eine
Erstattung erst, nachdem der Arbeitgeber die Beträge bereits erbracht
hat, § 2 Abs. 2 Satz 2 AAG.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
57
VII. Krankheitsbedingte Kündigung
Die krankheitsbedingte Kündigung ist eine sogenannte
personenbedingte Kündigung.
Anlass kann entweder sein:
- dauerhafte Arbeitsunfähigkeit,
- eine lang andauernde Erkrankung,
- häufige Kurzerkrankung oder
- krankheitsbedingte Minderleistung.
Auch die krankheitsbedingte Kündigung muss sozial gerechtfertigt sein.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
58
Ob sie das ist , ist in drei Stufen zu prüfen, welche sind:
- Zunächst muss eine Negativprognose hinsichtlich des
voraussichtlichen Gesundheitszustandes vorliegen.
- Sowohl die bisherigen als auch die nach der Prognose zu
erwartenden Auswirkungen des Gesundheitszustandes des
Arbeitnehmers müssen weiter zu einer erheblichen
Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Dies
können etwa durch Störungen im Betriebsablauf oder
wirtschaftliche Belastungen hervorgerufen werden.
- Dritte Stufe ist die Interessenabwägung, bei der geprüft
werden muss, ob die erheblichen betrieblichen
Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr
hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führt.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
59
Ganz verkürzt kann man ein Prüfungsschema bei einer krankheitsbedingten
Kündigung aus den vier verschiedenen genannten Gründen folgendermaßen
darstellen:
Grund
Dauerhafte AU
oder Wiedereinstellung völlig
Ungewiss
Lang anhaltende
Erkrankung
Häufige Kurzerkrankungen
Krankheitsbedingte
Minderleistung
1.
Negative Gesundheitsprognose (Zeitpunkt: KündigungsZugang
gegeben
AU auf nicht
absehbare Zeit
Fehlquoten
Minderleistung
2.
Beeinträchtigung
betrieblicher
Interessen
gegeben
wirtschaftliche Belastung Überbrückungsmaßnahmen
nicht mehr möglich
oder zumutbar
Ablaufstörungen
sonstige Kosten (z.
B. Mehrarbeit)
nicht mehr im
Leistungslohn
einsetzbar
Für vollen Zeitlohn
keine adäquate
Leistung
unzumutbare
Belastung des
Arbeitsverh.
unzumutbare
Belastung des
Arbeitsverh.
unzumutbare
Belastung des
Arbeitsverh.
Prüfungsstufen
3.
InteressenabWägung
grundsätzlich
entbehrlich
Entgeltfortzahlung
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
60
Beachte:
Da der Arbeitgeber häufig die Krankheitsursache des Arbeitnehmers nicht im
Einzelnen kennt, hat er das Problem, dass er über sein Personal disponieren möchte,
aber nicht weiß, ob und wenn ja wann der Arbeitnehmer wieder kommt. Der
Arbeitgeber müsste daher versuchen, den Arbeitnehmer anzuschreiben um
herauszufinden, ob eine Beschäftigung überhaupt und gegebenenfalls unter welchen
Voraussetzungen möglich ist. Ein solches Schreiben könnte daher wie folgt aussehen:
Sehr geehrte(r) Frau/Herr ……,
wir haben in den letzten Jahren bei Ihnen erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten
feststellen müssen. Diese betrugen im Einzelnen:
…… (Hier sollten die Fehlzeiten des Arbeitnehmers aufgeschlüsselt wiedergegeben
werden.) ……
Diese Fehlzeiten waren mit erheblichen Entgeltfortzahlungskosten verbunden. Diese
betrugen im Einzelnen:
…… (Hier sollten die Entgeltfortzahlungskosten aufgeschlüsselt wiedergegeben
werden.) ……
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
61
Wir haben damit insgesamt zwei Probleme, die Ihre hohen Fehlzeiten und die
damit verbundenen Entgeltfortzahlungskosten mit sich bringen: Zum einen eine
erhebliche wirtschaftliche Belastung des Unternehmens, zum anderen aber auch
das Problem der Planbarkeit Ihres Einsatzes.
Um abzuklären, ob und wann wir mit Ihrem Einsatz wieder rechnen können,
würden wir Sie bitten, uns Ihre Krankheitsursachen mitzuteilen und/oder die Sie
behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Wir müssen dann
gemeinsam sehen, ob ein Einsatz Ihrerseits in unserem Hause und ggf. auf
welcher Position in Frage kommt bzw. was wir tun können, damit Ihr Einsatz ohne
Fehlzeiten im bisherigen Umfang in Zukunft möglich ist.
Sollten Sie zwischenzeitlich selbst zu dem Ergebnis gekommen sein, dass eine
Beschäftigung tatsächlich nicht mehr möglich ist, steht es Ihnen jederzeit frei, sich
bei der Personalabteilung, dort bei Herrn/Frau ……, zu melden. Man wird dann
gemeinsam klären müssen, ob ggf. eine einvernehmliche Beendigungslösung in
Betracht kommt.
Mit freundlichen Grüßen
Arbeitgeber
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
62
Beachte:
Soll eine krankheitsbedingte Kündigung seitens des Unternehmens beabsichtigt
sein, so ist darauf hinzuweisen, dass nach § 84 Abs. 2 SGB IX ein betriebliches
Eingliederungsmanagement (BEM) durchgeführt werden muss, wenn der
Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig
erkrankt ist.
§ 84 Abs. 2 SGB IX:
Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen
oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen
Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen
außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und
Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit
möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter
Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann
(betriebliches Eingliederungsmanagement). Soweit erforderlich wird der Werksoder Betriebsarzt hinzugezogen.
(Fortsetzung nächste Seite)
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
63
Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfe im
Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die örtlichen
gemeinsamen Servicestellen oder bei schwerbehinderten
Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen. Diese wirken darauf
hin, dass die erforderlichen Leistungen oder Hilfen unverzüglich
beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 erbracht
werden. Die zuständige Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei
schwerbehinderten Menschen außerdem die
Schwerbehindertenvertretung, können die Klärung verlangen. Sie
wachen darüber, dass der Arbeitgeber die ihm nach dieser Vorschrift
obliegenden Verpflichtungen erfüllt.
Nach der Rechtsprechung wirkt sich ein unterlassenes BEM für den
Arbeitgeber nachteilig aus, wenn er in einem Kündigungsrechtsstreit
nach einer krankheitsbedingten Kündigung darlegen und beweisen
muss, dass auf Grund der lang andauernden Erkrankung eine
sogenannte negative Prognose gestellt werden kann, dass der
Arbeitnehmer die Arbeit nicht mehr aufnehmen wird.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
64
Im Übrigen kann die Weigerung des Arbeitgebers ein BEM
durchzuführen sogar zu Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers
gemäß §§ 280 BGB, 823 Abs. 2 i. V. m. § 84 Abs. 2 SGB IX führen, so
LAG Hamm vom 04.07.2011 – Az. 8 Sa 726/11 -.
Es ist dem Arbeitgeber daher nur zu raten, ein solches betriebliches
Eingliederungsmanagement durchzuführen und die beteiligten Stellen,
gegebenenfalls Betriebsrat oder aber beim schwerbehinderten
Arbeitnehmer den Schwerbehindertenvertreter und auf jeden Fall das
Integrationsamt mit einzubeziehen.
Zur Vorbereitung auf die Durchführung dieses betrieblichen
Wiedereingliederungsmanagements und gegebenenfalls zur
Erleichterung der Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen dieses
Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber folgendes Anschreiben
verwenden:
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
65
Muster:
Sehr geehrte(r) Frau/Herr ……,
in diesem Jahr liegen Ihre Fehlzeiten über dem Entgeltfortzahlungszeitraum von
sechs Wochen. Ihre Fehlzeiten betrugen im Einzelnen:
…… (Hier sollten die Fehlzeiten aufgeschlüsselt werden.) ……
Die Fehlzeiten haben zu nicht unerheblichen Kosten in unserem Unternehmen
geführt. Diese betrugen für den oben aufgeführten Zeitraum insgesamt …… EUR
brutto.
Der Gesetzgeber sieht in § 84 Abs. 2 SGB IX vor, dass die Möglichkeiten erörtert
werden sollen, wie Ihre Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und
mit welchen Leistungen oder Hilfen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt
und der Arbeitsplatz erhalten werden kann.
Aufgrund Ihrer Erkrankungen zählen Sie zu dem Personenkreis, mit dem wir als
Arbeitgeber verpflichtet sind, ein so genanntes betriebliches
Eingliederungsmanagement durchzuführen.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
66
Wenn Sie mit der Durchführung eines solchen betrieblichen
Eingliederungsmanagements einverstanden sind, bitten wir Sie, uns dies auf
anliegender Durchschrift dieses Schreibens zu bestätigen. Unsere
Personalabteilung würde anschließend auf Sie zukommen, um einen
Gesprächstermin zu vereinbaren. Gegenstand dieses Gesprächstermins ist,
dass wir Sie zunächst über die Ziele des betrieblichen
Eingliederungsmanagements informieren wollen. Wir wollen Sie ferner
darüber informieren, dass und welche Informationen wir benötigen, damit
geprüft werden kann, ob überhaupt und wenn ja, unter welchen
Voraussetzungen, eine Weiterbeschäftigung ggf. auf welchem Arbeitsplatz
tatsächlich und rechtlich möglich ist.
Wenn Sie mit der Durchführung des betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements einverstanden sind, teilen Sie uns das bitte mit.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
67
Gegebenenfalls:
Eine Ablichtung dieses Schreibens sowie des vereinbarten
Gesprächstermins leiten wir an … (gegebenenfalls Integrationsamt) …
weiter.
Bei Betriebsrat gegebenenfalls:
Ob ein Vertreter des Betriebsrats an dem Gesprächstermin teilnimmt, obliegt
Ihnen. Wir wären Ihnen daher für eine Mitteilung verbunden, ob ein Vertreter
des Betriebsrats an dem Gespräch teilnehmen soll oder nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Arbeitgeber
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
68
2. Muster ausführlicher:
An Frau/Herr ……
…… (Anschrift)
Gespräch zur Gesundheitsvorsorge
Sehr geehrte(r) Frau/Herr ……,
Ihre Gesundheit und Ihre Arbeitsfähigkeit sind uns wichtig!
In den vergangenen Monaten waren Sie bereits mehrfach
arbeitsunfähig erkrankt. So ergibt sich für die vergangenen 12 Monate
(…) eine Fehlzeit in Höhe von …… Arbeitstagen (Krankheit,
Rehabilitation und Wiedereingliederung). Das letzte mit Ihnen in
diesem Zusammenhang geführte Krankenrückkehrgespräch durch
Ihren ……,……, fand am …… statt.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
69
Für die letzten Jahre errechnen sich darüber hinaus folgende Fehlzeiten:
Jahre
……
= Fehltage (Arbeitstage)
……
Wir bedauern dies sehr und wünschen Ihnen eine baldige Genesung.
Damit der Arbeitgeber durch ein frühzeitiges Zugehen auf erkrankte Arbeitnehmer
die Möglichkeit hat, schnellstmöglich eventuellen gesundheitlichen Gefährdungen
am Arbeitsplatz entgegenzuwirken und um eine erfolgreiche Eingliederung zu
unterstützen, sieht das SGB IX in § 84 Abs. 2 (beigefügt als Anlage 1) ein sog.
betriebliches Eingliederungsmanagement vor.
Hierbei geht es darum, betrieblich beeinflussbare Faktoren zur Unterstützung Ihrer
Rückkehr an den Arbeitsplatz und Ihrer Gesundung auszumachen und so bestenfalls
einen Beitrag zur dauerhaften Stabilisierung Ihrer Gesundheit leisten zu können.
Ziel des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist es also, Sie dabei zu
unterstützen, Ihre Gesundheit zu stabilisieren oder zu verbessern und individuell
auf Sie abgestimmte Maßnahmen zu finden, damit Sie Ihre Arbeit wieder
aufnehmen können und Ihnen die Arbeitsausführung erleichtert wird.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
70
Da die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Arbeitnehmer für
uns ein wichtiges und ernst zunehmendes Thema darstellt, möchten
wir Ihnen unsere Hilfe anbieten. Wenn Sie damit einverstanden sind,
würden wir gerne ein Gespräch darüber führen, an dem auch die
Personalabteilung, der Betriebsrat und der Betriebsarzt beteiligt
werden können. In diesem Gespräch soll gemeinsam erörtert werden,
welche betrieblichen Bedingungen in Ihrem Fall im Hinblick auf Ihre
Gesundung und Gesunderhaltung verändert und welche geeigneten
Maßnahmen vor oder bei Wiederaufnahme Ihrer Arbeit vereinbart
werden können, um einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen.
Wir laden Sie daher zu einem Beratungsgespräch am ……, um …… Uhr,
im …… ein. Von Unternehmensseite werden anwesend sein…
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
71
Gegebenenfalls bei Betriebsratsbeteiligung:
Sofern Sie es wünschen, werden wir auch einen Vertreter des
Betriebsrats zu diesem Gespräch einladen. Bitte senden Sie uns zur
Bestätigung des Termins die als Anlage 2 beigefügte „Rückantwort zur
Einladung zum Beratungsgespräch“ ausgefüllt im beigefügtem
Rückumschlag zurück.
Die vorformulierten für den Arbeitnehmer beigefügten Schreiben
können daher so aussehen:
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
72
Muster 1 Antwortschreiben:
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements
bin ich nicht einverstanden.
bin ich einverstanden.
(Zutreffendes bitte ankreuzen.)
Bei dem zu vereinbarenden Gespräch möchte ich, dass
Herr/Frau …… als Vertreter des Betriebsrats
Herr/Frau …… als Vertreter der Schwerbehindertenvertretung teilnimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Arbeitnehmer
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
73
Muster 2, ausführliche Form, Antwortschreiben:
An die
…… GmbH
…… (Anschrift)
Rückantwort zur Einladung zum Beratungsgespräch (Betriebliches Eingliederungsmanagement)
Name, Vorname
Personalnummer
Gesprächstermin
……
……
……
Geburtsdatum
……
Mit einem Beratungsgespräch im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements bin ich
einverstanden.
Der Gesprächstermin ist für mich passend.
An diesem Gespräch soll ein Vertreter des Betriebsrats teilnehmen.
An diesem Gespräch soll ein Vertreter der Schwerbehindertenvertretung teilnehmen.
Den Gesprächstermin kann ich leider nicht einhalten. Als alternativer Termin würde bei mir passen ……
(Datum/Uhrzeit).
……, den ……
Arbeitnehmer
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
74
Zusätzlich beifügen:
Name, Vorname ……
Personalnummer ……
Geburtsdatum
……
Ich wurde über die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements
aufgeklärt.
Des Weiteren bin ich darüber informiert worden, dass die Teilnahme am
betrieblichen Eingliederungsmanagement freiwillig ist und von mir jederzeit ohne
Angabe von Gründen beendet werden kann.
Ich bin mit der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements
einverstanden. Über die Einhaltung des Datenschutzes wird eine gesonderte
Vereinbarung geschlossen.
Ich bin mit der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht
einverstanden. Mir ist bekannt, dass ich mich im Falle einer Kündigung des
Arbeitsverhältnisses auf ein nicht durchgeführtes betriebliches
Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX nicht berufen kann.
……, den ……
Arbeitnehmer
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
75
Erklärung zur Entbindung von der Schweigepflicht:
Name, Vorname ……
Personalnummer ……
Geburtsdatum
……
Ich bin darüber informiert worden, dass Frau/Herr …… als Beauftragte(r) für
das betriebliche Eingliederungsmanagement die Aufgabe hat, mir dabei zu
helfen, meine Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen, erneuter
Arbeitsunfähigkeit vorzubeugen sowie meinen Arbeitsplatz zu erhalten.
Um die dazu erforderlichen Maßnahmen ergreifen zu können, benötigt sie/er
Informationen über meine Person, meinen Gesundheitszustand, meinen
Arbeitsplatz sowie den bisherigen Verlauf meines Arbeitsverhältnisses
(nachfolgend personenbezogene Daten). Ich habe zugestimmt, dass eine
elektronische Speicherung und Verarbeitung derartiger personenbezogener
Daten ausschließlich zum Zweck der Dokumentation und zur Erbringung von
gesundheitsbezogenen Maßnahmen und Hilfen vorgenommen wird.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
76
Diese Erklärung erfolgte freiwillig und kann jederzeit von mir widerrufen werden.
Mir wurde versichert, dass meine personenbezogenen Daten ohne mein
ausdrückliches Einverständnis weder an meinen Arbeitgeber noch an Dritte
weitergeleitet werden.
Daher entbinde ich
• die mich behandelnden Ärzte/Ärztinnen ……
• die mich betreuende(n) Person(en) ……
• meine Krankenkasse ……
• den Unfallversicherungsträger ……
• den Rentenversicherungsträger ……
• die Agentur für Arbeit ……
• sonstige Sozialversicherungsträger, nämlich ……
• andere, nämlich ……
• von der Schweigepflicht gegenüber Herrn/Frau ……
……, den ……
Arbeitnehmer
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
77
Und zum Schluss noch die Datenschutzerklärung:
Name, Vorname
Personalnummer
Anschrift
……
Führungskraft ……
das Unternehmen
und Frau/Herr ……
……
……
Geburtsdatum ……
……
schließen folgende Vereinbarung über den Schutz persönlicher Daten
im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements:
Frau/Herr …… ist damit einverstanden, dass zum Zweck ihrer/seiner
Eingliederung die Angaben, die im Rahmen des betrieblichen
Eingliederungsmanagements erhoben werden, den am Prozess
Beteiligten bekannt gemacht werden. Ärztliche Angaben zu
Krankheitsdiagnosen werden nicht zur Personalakte genommen.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
78
Sie/Er ist darüber informiert, dass die am Prozess Beteiligten zur Wahrung des
Datengeheimnisses verpflichtet sind.
Im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements werden u. a.
folgende Informationen erhoben und genutzt:
• Personal- und Sozialdaten
• Fehlzeitenübersicht
• Aufstellung über die beim Arbeitgeber angefallenen
Entgeltfortzahlungskosten
• Gesundheitsdaten, Krankheitsdiagnosen, ärztliche Atteste und
Gesundheitszeugnisse
• Abschrift der Personalakte
• Dokumentationen über Verläufe und Ergebnisse von Arbeitsversuchen
• Dokumentationen über Verläufe und Ergebnisse von Maßnahmen zur
stufenweisen Wiedereingliederung
• Dokumentation über innerbetriebliche Umbesetzung
• Anpassung des Arbeitsplatzes
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
79
Daten, die im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements
erhoben wurden, dürfen nur nach vorheriger Zustimmung des
Arbeitnehmers an Dritte (z.B Rehabilitationsträger) weitergegeben
werden.
Frau/Herr …… wurde über die Erfassung, Veränderung und Nutzung
der erhobenen Daten umfassend informiert. Auch ist darauf
hingewiesen worden, dass die Angaben freiwillig sind und sie/er alle
ihre/seine Person betreffenden Dokumente einsehen kann.
Frau/Herr …… ist mit der Durchführung eines betrieblichen
Eingliederungsmanagements einverstanden.
……, den ……
Arbeitnehmer
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
80
Die Kündigung:
Beachte:
Eine Kündigung geht auch selbstverständlich einem kranken
Arbeitnehmer zu, es sei denn sie wird zur Unzeit ausgesprochen.
Die unterschiedlichen krankheitsbedingten Kündigungsgründe:
1. Dauerhafte Arbeitsunfähigkeit
a) Sichere Arbeitsunfähigkeit auf Dauer
In der Regel ist bei unstreitig auf Dauer gegebener Unmöglichkeit die
vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, eine soziale
Rechtfertigung der Kündigung gegeben.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
81
Es sei denn:
Der Arbeitnehmer kann auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz
weiterbeschäftigt werden, der gleichwertig zumutbar und frei ist und der
Arbeitnehmer geeignet ist, die dortige Arbeit zu verrichten. Das kann auch ein
geringwertiger, nicht aber ein höherwertiger Arbeitsplatz sein. Wenn also ein
Mitarbeiter versetzt werden kann im Rahmen des Direktionsrechts ist der
Arbeitsplatz frei.
b) Ungewissheit der Wiedergenesung
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts:
BAG vom 21.05.1992, 2 AZR 399/91; hiernach muss eine längere
arbeitsunfähige Erkrankung, im entschiedenen Fall 1,5 Jahre vorliegen.
Darüber hinaus muss im Zeitpunkt der Kündigung die Wiederherstellung der
Arbeitsfähigkeit noch völlig ungewiss sein. Diese Ungewissheit der
Wiederherstellung der Arbeitsunfähigkeit steht dann einer
krankheitsbedingten dauernden Leistungsfähigkeit gleich, wenn in den
nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden
kann.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
82
2. Lang andauernde Erkrankung
Die Kündigung ist dann sozial gerechtfertigt, wenn bei
Kündigungszugang auf Grund der objektiven Umstände eine
Arbeitsunfähigkeit in nicht absehbarer Zeit anzunehmen ist und genau
diese Ungewissheit zu unzumutbaren betrieblichen oder aber
wirtschaftlichen Belastungen des Arbeitgebers führt. Diese
Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen muss dargelegt werden.
Dabei hat der Arbeitgeber auch Überbrückungsmaßnahmen in
Erwägung zu ziehen, wie etwa die Einstellung einer Aushilfskraft auf
unbestimmte Zeit. Gegebenenfalls muss der Arbeitgeber genau
darlegen, warum die Einstellung einer Aushilfskraft nicht möglich oder
auch nicht zumutbar für ihn ist.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
83
3. Häufige Kurzerkrankungen
a) negative Gesundheitsprognose
Hier wird die negative Gesundheitsprognose durch häufige
Kurzerkrankungen in der Vergangenheit angenommen.
Beachte:
Es gibt keine festen Anhaltspunkte dafür, wann diese häufigen
Fehlzeiten vorhanden sind.
So kann bereits bei einem 15 Monate andauernden
Beschäftigungsverhältnis und einer Fehlquote von ca. 50 % eine
Kündigung, da Negativprognose vorliegt, gerechtfertigt sein nach BAG
vom 19.05.1993, 2 AZR 598/92.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
84
Allgemein gilt aber, dass diese häufigen Kurzerkrankungen in der
Vergangenheit ein Indiz für die weiteren Fehlzeiten in der Zukunft sind und
auch im Falle eines Rechtsstreits vorzutragen sind. Der Arbeitnehmer kann in
einem etwaigen Prozess die Behauptung des Arbeitgebers bestreiten und die
Ärzte von der Schweigepflicht entbinden. Wenn diese dann den Inhalt hat,
dass die künftige gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt wurde, liegt
die negative Gesundheitsprognose nicht vor. Allerdings reicht die vom
Arbeitnehmer vorgetragene Behauptung, das Leiden hätte sich gebessert,
nicht aus.
Letztendlich entscheidend ist aber die negative Gesundheitsprognose für die
der Arbeitgeber die Beweislast trägt. Dabei ist maßgeblich die objektive
Prognose eines sachverständigen Dritten, in der Regel eines Arztes. Wenn sich
aus den Auskünften der behandelnden Ärzte Zweifel an der Negativprognose
ergeben, ist das nicht ausreichend. Ausreichend ist aber, wenn die Ärzte
Auskunft insoweit erteilen, das Leiden des Arbeitnehmers habe sich nicht
verschlimmert.
Rechtsanwältin Susanne Wortmann
85
b) erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen
Dazu kommt noch, dass die Fehlzeiten des Arbeitnehmers zu einer
erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen geführt haben. Hierbei
sind zu beachten Betriebsablaufstörungen, also wirtschaftliche Belastungen,
grundsätzlich zählen dazu auch Entgeltfortzahlungskosten. Dabei können die
betrieblichen und wirtschaftlichen Beeinträchtigungen alternativ aber auch
kumulativ vorliegen.
aa) Betriebsablaufstörungen
Das sind Organisationsschwierigkeiten, Schwierigkeiten Ersatzkräfte zu
beschaffen etc.
Beachte:
Wenn der Arbeitgeber einen häufig erkrankten Arbeitnehmer schon aus
betriebsbedingten Gründen ohnehin nicht mehr beschäftigen kann, fehlt es
allerdings an kündigungsrelevanten Betriebsablaufstörungen. Dann unter
Umständen betriebsbedingte Kündigung notwendig.
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Überbrückungsmaßnahmen, die der Arbeitgeber ergreifen kann, sind
immer zu beachten.
Beachte:
Gerade bei sehr hohen krankheitsbedingten Fehlquoten kann der
Arbeitgeber den Nachweis für solche erheblichen betrieblichen
Auswirkungen so gut wie gar nicht führen. Hier kommt eine erhebliche
Störung des Betriebsablaufs nur dann in Betracht, wenn der
Arbeitnehmer in Folge seiner Erkrankung gar nicht mehr einplanbar ist
und deshalb auch diese Überbrückungsmaßnahmen unmöglich
werden. Der pauschale Vortrag, andere Arbeitnehmer müssen
Überstunden leisten, reicht zum Beispiel nicht aus.
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bb) erhebliche wirtschaftliche Belastungen
Das sind insbesondere die Entgeltfortzahlungskosten, Kosten für
Überstundenzuschläge, Kosten für einzustellende Ersatzkräfte aber
auch Produktionsausfallkosten. Diese allein stellen schon betriebliche
Beeinträchtigungen dar. Der Arbeitgeber muss nicht zusätzlich noch
Betriebsablaufstörungen darlegen und auch kein Personalreserve
vorhalten.
Bei der durchzuführenden Interessenabwägung ist der Belastungsgrad
des Arbeitgebers zu prüfen. Dabei ist nicht auf die Gesamtbelastung
des Arbeitgebers mit Entgeltfortzahlungen abzustellen, sondern auf
die Kosten des Arbeitsverhältnisses des gekündigten Arbeitnehmers.
Daher beurteilt sich die Zumutbarkeit auch in Abhängigkeit von der
Dauer des ungestörten Bestandes des Arbeitsverhältnisses sowie der
Ursache der Erkrankung und ob die Fehlzeiten des gekündigten
Arbeitnehmers deutlich höher sind als die der Arbeitnehmer mit
vergleichbaren Tätigkeiten.
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So sind etwa nach einer Entscheidung des BAG vom 05.07.1990, 2 AZR
154/90 Entgeltfortzahlungskosten, die den Sechs-Wochen-Zeitraum
um das doppelte Überschreiten außergewöhnlich hoch und können die
weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers unzumutbar machen.
Schließlich noch:
4. Krankheitsbedingte Minderleistung
Auch die Minderleistung eines Arbeitnehmers kann ihre Ursache
entweder in krankheitsbedingten persönlichen Umständen haben aber
auch auf einer Pflichtverletzung beruhen. Wenn die Minderleistung auf
einem Nachlassen der körperlichen oder geistigen Kräfte beruht, dann
ist sie personenbedingt. Hier ist wieder das oben in der Darstellung
angeführte Prüfungsschema zu beachten.
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Bitte noch beachten:
Urlaubsabgeltung bei langer Krankheit:
Problematisch waren bisher immer die so genannten Langzeiterkrankten, die
bereits aus der Entgeltfortzahlung heraus und bei den
Sozialversicherungsträgern abgemeldet waren, also nicht mehr auf der
Gehaltsliste standen, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wurde und noch
Urlaubsansprüche geltend gemacht wurden. Insoweit war bislang eine
Geltendmachung seitens des Arbeitnehmers innerhalb der geltenden
Verjährungsfristen, das sind drei Jahre, möglich. Nach mehreren
Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, die nach der so genannten
Schultz-Hoff-Entscheidung des EuGH ergangen sind, wird jetzt von der
höchstrichterlichen Rechtsprechung überwiegend bei einem ruhenden
Arbeitsverhältnis ein automatischer Verfall der Urlaubsabgeltungsansprüche
bei lang andauernder Erkrankung nach 15 Monaten angesehen; vgl. z. B. LAG
Baden-Württemberg vom 21.12.2011 – 10 Sa 19/11 -.
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Danke für Ihre Aufmerksamkeit
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