SSES in der griechischen Forschung

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Transcript SSES in der griechischen Forschung

SLI in der griechischen
Forschung
Alkisti Foti
Universität Salzburg
13. Oktober 2007
Terminologie
Englisch: Specific Language Impairment (SLI)
(„specific disorder of language development“,
„developmental dysphasia“, „developmental
speech disorder syndrome“, „language
retardation“, developmental aphasia“)
Deutsch: Spezifische Sprachentwicklungsstörung
(SSES)
(„Sprachentwicklungsverzögerung“,
„umschriebene Sprachentwicklungsstörung“,
„Dysgrammatismus“, „Entwicklungsdysphasie“)
Definition
Verzögerungen und/oder Defizite beim
Prozess des Grammatikerwerbs
kein Verlust der Hör und/oder Sehfähigkeit
keine mentale Retardierung
kein motor-artikulatorisches Defizit
keine psycho-emotionale Schädigungen
(Tsimpli & Stavrakaki, 1999).
Van de Lely (1996):
Schwerpunkt Grammatik
Morphologie:
1. Probleme mit der Flexionsmorphologie
2. Probleme mit der Verb-Subjekt-Kongruenz
Syntax:
1. Probleme mit der -Rollen Zuordnung
2. Referenzzuordnung für Pronomina und
Reflexivpronomina in Sätzen
Radford (2006):
Zwei Typen von grammatischen Fehlern:
1) Auslassungsfehler (omission errors):
ein Element wird ausgelassen
2) Kommissionsfehler (commission
errors): ein Element wird in einer nicht
geeigneten Form oder Position benutzt
Streitpunkte:
Homogenität vs. Heterogenität
Globales Defizit vs.
selektives Defizit
Defizit vs. Verspätung
Das Minimalistische Programm
Chomsky (1995)
Interpretierbare und nicht
interpretierbare Merkmale:
Interpretierbare Merkmale:
haben einen semantischen Inhalt und beeinflussen die
Bedeutung der Sätze, z.B. Person, Numerus und Genus
Merkmale (φ-Merkmale) von Pronomina und das WMerkmal
Nichtinterpretierbare Merkmale:
haben keinen semantischen Inhalt und daher
beeinflussen die Bedeutung der Sätze nicht.
Rein grammatische Funktion; z.B. die Kasus
Merkmale von Nomina/Pronomina sowie die φ-Merkmale
von Verben
Bewegung (Movement)
A-Bewegung: Bewegung von einer Argumentposition
(A-Position) zu einer anderen A-Position.
 Bildung des Passivs.
A-bar Bewegung: Bewegung von einem Argument oder
einem Adjunkt zu einer A-bar Position.
A-bar Position: kann nicht nur ein Argument beinhalten
kann sondern auch ein Adjunkt.
 Bildung von Fragen (W-Bewegung) und die Bildung
von Relativsätzen.
θ-Rollen
Thematische/semantische Rollen: Rollen, die
ein Argument in Relation zu seinem Prädikat
spielt.
z.B. Hans küsst Maria
Das Prädikat küsst gibt Hans die Rolle AGENS
und Maria die Rolle THEMA.
-Kriterium: Jedes Argument hat nur eine
einzige -Rolle für ein bestimmtes Prädikat und
jede -Rolle, die von einem Prädikat ausgeht,
sollte einem einzigen Argument gegeben
werden.
Der Wahrnehmungsdefizit-Ansatz
(Perceptual Deficit Account)
von Leonard (1989)
aspects of the ambient language are not
adequately perceived (and thus hypothesized)
children are working with a systematically
distorted input
language characteristics are the result of the
interaction between this input and their
fundamentally normal language learning
mechanisms
(Leonard, 1989)
Der Merkmalblindheit-Ansatz
(Feature Blindness)
Gopnik (1990)
SLI = genetisches Problem
Haupthypothese:
SLI Kinder erwerben keine grammatische
Merkmale (features), wie Person, Genus,
Numerus, Zählbarkeit, Häufigkeit
(commonness), Zeit und Aspekt.
Globales Defizit
Der Regeldefizit-Ansatz
(Rule Deficit)
Gopnik & Crago (1991)
Ein Defizit, dass Kinder hindert
morphologische Regeln zu
bilden.
Im Gegensatz zu der Studie von
1990: selektives Defizit
Der Kongruenzdefizit-Ansatz
(Agreement Deficit)
Clahsen et al. (1997)
Selektives Defizit
Probleme mit der Markierung von
Kongruenz und nicht von Zeit
Grund: Nichtinterpretierbarkeit
hauptsächlich der φ-Merkmale von Verben
Tsimpli & Stavrakaki (1999): Kinder mit
SLI haben Schwierigkeiten mit allen
nichtinterpretierbaren Merkmalen
Der Ansatz
der Auslassung von Kongruenz und
Tempus (Agreement-and-TenseOmission (ATOM))
Wexler et al. (1998)
Zeit und Kongruenz werden
ausgelassen
Markierung von Subjekten abhängig von
Kongruenz
Verzögerung und nicht Defizit
Optional Infinitives Stage
Für SLI: Extended Optional
Infinitives Stage
Der Abhängigkeitsdefizitansatz
(Dependency Deficit-RDDR) von
van der Lely & Battell (2003)
Probleme im syntaktischen
Derivationsystem
Bewegung:
die Regel Bewege ist optional bei SLI
Schwierigkeiten mit
strukturabhängigen Operationen
Defizit und nicht Verzögerung
Syntaktische Konstruktionen im
Griechischen
Holton, Mackridge, PhilippakiWharburton (2004)
Veränderungen der Wortstellung
(1) O skylos dagose ton Michali.
Der Hund (Nom) biss (Verg/ 3. Pers) den
Michael (Akk)
(2) Ton Michali dagose o skylos.
Den Michael (Akk) dagose (Verg/ 3. Pers) der
Hund (Nom)
(3) Ton Michali o skylos ton dagose.
Den Michael (Akk) der Hund (Nom) den (AkkKl) biss (Verg/ 3. Pers)
Klitika
Akkusativ
Starke Pronomina
Akkusativ
Schwache Pronomina
(Klitika)
Genitiv
Singular
Singular
Singular
Emena- mich
Esena- dich
Aftos, -i, -o - ihn, sie, es
Plural
Emas- uns
Esas - euch, Sie
Afti, -es, -a (m,w,s)- sie
Me- mich
Se- dich
Ton ,tin, to- ihn, sie, es
Plural
Mas- uns
Sas- euch, Sie
Tus, tis, ta (m,w,s)- sie
Mu- mein
Su- dein
Tu, tis, tu- sein, ihr, sein
Plural
Mas- unser
Sas- euer, Ihr
tus- ihr
Fokussierung und Topikalisierung
(1) to vivlio, to agorase i Maria
Das Buch (Akk), es (Akk) hat gekauft
(Verg/ 3. Pers) die Maria (Nom)
Das Buch, Maria hat es gekauft.
(2) TO VIVLIO agorase i Maria
Das Buch (Akk) hat gekauft (Verg/ 3.
Pers) die Maria (Nom)
DAS BUCH hat Maria gekauft.
W-Fragen und Relativsätze
Wichtig: W-Bewegung
W- Wörter : pjos-pja-pjo (wer, welcher) und
ti (was)
Relativsätze: beginnend mit dem
komplementierer pu (steht für männlich,
weiblich, sächlich- der, die, das)
Passiv
A-Bewegung, Kasusänderungen
Kategorie A: háno (ich verliere) und hánome (ich werde
verloren oder ich verliere mich im Sinne von ich verlaufe
mich)
Kategorie B -Typ A: agapáo/agapó (ich liebe) und
agapiéme (ich werde geliebt oder ich liebe mich)
Kategorie B- Typ B: Theoró (ich halte etwas als)Theorúme
(ich werde gehalten als)
Tsimpli & Stavrakaki (1999)
Eva: griechisches Mädchen mit SLI (5;5)
Kategorie D: bestimmte Artikeln, Klitika im
Akkusativ, Fragen
Kategorie D: nichtinterpretierbare
Merkmale
Schwierigkeiten mit der Kategorie D 
Schwierigkeiten mit den nicht
interpretierbaren Merkmalen
Petinou & Terzi (2002)
Griechisch zypriotische Kinder: 5 mit SLI
und 5 normal entwickelnde
Deplatzierung des Klitikums (clitic
misplacement)
Deplatzierung als clinical marker (s.
Wexler et al., 1998: EOI Stadium)
Verzögerung kein Defizit
Ida se.
(Standard Griechisch: Se ida)
Sah (Verg/1. Pers. SG) dich (Akk)
Ich sah dich
Den to efaga.
(Standard Griechisch: Den to efaga)
NEG es (Akk/ 3. Person Sing.) aß
(Verg./1.Person Sing).
Ich habe es nicht gegessen.
SLI (griechisch-zypriotisch): Den efaga to
Stavrakaki (2001)
Verständnis:
 Unterscheidung zwischen A- und A-bar
Bewegung besonders wichtig.
Einfache Strukturen mit und ohne Klitikon
koordinierte Strukturen mit und ohne Klitikon
Clefts
Relativsätze
Fragesätze
Passivstrukturen
Qualitative Unterschiede in:
1. Theta- Theorie
2. Klitika
3. Kasus: morphologischer VS. syntaktischer
Kasus
4. Bewegung
Stavrakaki (2001)
Produktion:
1)
Abwesenheit der Flexibilität der Wortfolge
2)
Bevorzugen der vollen NP statt des Klitikons
3)
Bevorzugen der in situ Fokusierung
4) kein Erfolg der Produktion von Strukturen mit A- bar
Bewegung wie W-Fragen und Relativsätze und ABewegung wie Passivsätze
Präferenz Prinzipien:
1. produziere möglichst einfache Konstruktionen
2. bevorzuge referentielle Repräsentationen
Vermeidungsprinzipien:
1. Vermeide A und A-bar Bewegung auf jeden Fall
2. Basiere keine Repräsentationen auf formelle
Eigenschaften
Stavrakaki (2004)
Probanden: Kinder mit WBS, Kinder mit
SLI, normal entwickelnde Kinder
W-Fragen
Kinder mit WBS, NE Kinder: keine
Probleme
SLI Kinder: Schwierigkeiten!
SLI: Defizit
Mastropavlou (2007)
Tempus
Keine besonderen Probleme mit
Regelbildung.
Schwierigkeiten mit der Regelbildung in
Kombination mit niedriger Deutlichkeit.
Phonologie: eine kompensatorische Rolle
im Erwerbsprozess der nicht
interpretierbaren Merkmale
Verzögerung und kein Defizit
Das Profil eines griechischen Kindes
mit SLI
Schwierigkeiten mit Klitika
Schwierigkeiten mit dem bestimmten Artikel
Probleme mit der Zuordnung von θ-Rollen
Probleme mit der Bildung der Vergangenheit
Schwierigkeiten mit W-Fragen
Schwierigkeiten mit Relativsätzen
Verwendung von möglichst einfachen Strukturen
Können die Ansätze zur Erklärung
von SLI dieses Profil erklären?
Leonard (1989) : eher nicht.
Gopnik (1990) und Gopnik & Crago (1991):
wichtig in Bezug auf die Morphologie.
Beide können Übergeneralisierungen und
Probleme mit der Syntax und den komplexen
syntaktischen Operationen zu erklären
Clahsen et al. (1997): interpretierbaren und
nicht interpretierbaren Merkmalen
Griechische Kinder mit SLI haben aber Probleme
mit dem Klitikum also eher mit der Verb-ObjektKongruenz als mit der Verb-Subjekt-Kongruenz.
Wexler et al. (1998) :korreliert eher nicht mit der
griechischen Sprache
Deplatzierung der Klitika im Vergleich zu EOI.
Lelly & Battell (2003): Syntax
Bewegung: freie Wahl?
Stavrakaki (2001):
Schwierigkeiten mit den nicht
interpretierbaren Merkmalen. In der
Morphologie sind diese Merkmale jedoch
erlernbar, in der Syntax jedoch nicht.
Daher werden diese Kinder erhebliche
Schwierigkeiten mit der Syntax haben.
Verzögerung oder Defizit?
Dieses Dilemma wird hier nicht beantwortet
Tsimpli; Tsimpli & Stavrakaki;
Stavrakaki
 Defizit
Petinou & Terzi; Mastropavlou
Verzögerung
Stavrakaki (2001):
morphologische Verzögerung
Vs. syntaktisches Defizit?
Danke für die Aufmerksamkeit!