Transcript PF02

Publikumsforschung
Vorlesung 2:
Mediennutzung: Kontakt, Rezeption,
Aneignung
16.04.2010
Prof. Dr. Hans-Jörg Stiehler
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Gliederung Vorlesung 2
1. Mediennutzung: Begriff und Komponenten
2. Medienselektion
3. Prozessmodell der Mediennutzung
16.04.2010
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Ergänzende Literaturhinweise
Charlton, Michael/Schneider, Sylvia: Rezeptionsforschung.
Theorien und Untersuchungen zum Umgang mit
Massenmedien. Opladen 1997
Rössler, Patrick u.a. (Hrsg.): Theoretische Perspektiven der
Rezeptionsforschung. München 2001
Rössler, Patrick u.a. (Hrsg.): Empirische Perspektiven der
Rezeptionsforschung. München 2002
Früh, Werner: Unterhaltung durch das Fernsehen. Eine molare
Theorie. Konstanz 2002
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1. Mediennutzung- Begriff und Komponenten
Sammelbegriff für Formen des Umgang mit den Medien
eine Form sozialen Handelns, d.h.
o folgt Intensionen/Zielen
o Erfordert/beinhaltet verschiedene Aktivitäten
o weist interne Steuerung mit hierarchischer Struktur auf
o ist koorientiert mit anderen Menschen (direkt oder
vermittel über das Medienangebot)
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1. Mediennutzung- Begriff und Komponenten
Grade/Stufen der Mediennutzung
o
o
o
Kontakt: Erreicht - Werden
Rezeption: Wahrnehmung und Verstehen;
Sinnkonstruktion
Aneignung: Übernahme und Gebrauch
Rahmen: Lebensweise und Kommunikationsverhältnisse
Medien als Geschichtenerzähler/Medienrealität
o
o
soziale Lagen, Kommunikationsmärkte
Kommunikationsmodelle und -modalitäten, Sprache
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1. Mediennutzung- Begriff und Komponenten
Aktivität
o
o
Routinen, Rituale
Unterschiedliche Niveaus
o Persönlichkeitsmerkmal
o Involvement
Selektivität
o Überfluss
o Komplexität
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1. Mediennutzung- Begriff und Komponenten: U & G
Zentrale Annahmen (Katz/Blumler/Gurevitch 1974):
o
Das Publikum ist aktiv, besitzt Eigeninitiative und
Zielstrebigkeit.
o
Menschen nutzen Medien, um bestimmte Bedürfnisse zu
befriedigen (P. als souveräner Marktteilnehmer). Wirkung der
Rezeption = Bedürfnisbefriedigung (und Medienbewertung)
o
Die Massenmedien konkurrieren mit anderen Quellen der
Bedürfnisbefriedigung. Das Publikum hat die Wahl.
o
o
o
funktionale Alternativen
Mediennutzung folgt funktionalem Kalkül
Rezipienten sind fähig, ihre Ziele und Motive anzugeben, die
sie veranlassen, die Medien zu nutzen.
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1. Mediennutzung- Begriff und Komponenten: U & G
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1. Mediennutzung- Begriff und Komponenten: U & G
o
klassische Studie:
Katz, E./Gurevitch, M.: The Secularization of Leisure. Culture and
Communication in Israel. London 1976
Fragestellungen:
1) Welche Bedürfnisse werden von den verschiedenen sozialen Gruppen
als für sie wichtig empfunden (und wie)?
2) In welcher Weise befriedigen die verschiedenen Medien - TV, Radio,
Bücher, Zeitungen, Kino - die unterschiedlichen Bedürfnisse?
3) Wie wird der Beitrag der Massenmedien im Vergleich zur
interpersonalen Kommunikation bezüglich der Bedürfnisbefriedigung
bewertet?
Stichprobe: n=1.500
Methode: Befragung
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1. Mediennutzung- Begriff und Komponenten: U & G
Hauptergebnisse
o
Gespräche (Familie, Peer Groups etc.) im Vergleich zu Medien für
alle Bedürfnisse am stärksten funktional
o
unter den Medien boten Zeitungen die meisten Gratifikationen, vor
allem bezüglich kognitiver Bedürfnisse, Integration, Interaktion
o
steigende Bildung: TZ erhält (noch) erhöhte Funktionalität
o
Fernsehen und Radio schwache Werte (Zeitpunkt der Studie!)
o
Kino – affektive Bedürfnisse
o
Buch – Wissenserwerb und Eskapismus
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1. Mediennutzung- Begriff und Komponenten: U & G
Bilanz/Probleme
o
spielt in vielen Untersuchungen zur Mediennutzung eine Rolle,
zumindest als „Hintergrundtheorie“ (z.B. Studie MK)
o
Weiterentwicklungen
o
o
gesuchte – gefundene Gratifikationen / feedback-Schleife
funktionalistischer Ansatz
o
o
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Gefahr von Zirkelschlüssen (Nutzung = Bedürfnis)
Probleme bei der Erklärung von Routinen und Ritualen in der Mediennutzung
(urspr. Anlass ist „verloren“ gegangen) bzw. mit situativen Varianzen der
Mediennutzung
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2. Medienselektion
Prozessmodell (nach McQuail 1997)
Publikum
Person
(1 & 2) Soziokulturelles Umfeld
(5) Verfügbarkeit
(3) Mediale Bedürfnisse
(4) Geschmäcke und Vorlieben
(6) AuswahlBewusstsein
Allgemeine
Inhaltspräferenzen
plus
Spezifische
Auswahl
(7) Kontext
MEDIEN
NUTZUNG
E. Timing/Präsentation
B. Bereitstellungsstruktur
D. Bekanntheit
C. Verfügbare Möglichkeiten
A. Mediensystem
Medien
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2. Medienselektion
Kommunikative Bedürfnisse (McQuail 1983)
Information
Orientierung in der Umwelt
Ratsuche
Neugier
Lernen
Sicherheit durch Wissen
Integration und Interaktion
Empathie
Zugehörigkeit
Gesprächsthemen, Kontakt
Geselligkeitsersatz
Rollenhilfe
Persönliche Identität
Bestärkung persönlicher Werte
Suche nach Verhaltensmodellen
Identifikation mit anderen
Selbstfindung
Unterhaltung
Wirklichkeitsflucht
Entspannung
Erbauung
Füllen von Zeit
Stimmungskontrolle
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3. Prozessmodell der Mediennutzung
Übersicht (nach Levy/Windahl 1985)
Kommunikationssequenz
PublikumsOrientierung
präkommunikativ
kommunikativ
postkommunikativ
Selektivität
selektive
Zuwendung
selektive
Wahrnehmung
selektives
Erinnern
Involvement
(Beteiligung)
Antizipation der
Zuwendung
Aufmerksamkeit
Interpretation
parasoziale
Interaktion
Identifikation
LangzeitIdentifikation
Phantasieren
Nutzen
Antizipation von
Gratifikationen
Gestaltung der
Nutzungssituation
erhaltene
Gratifikationen
sozialer Nutzen
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3. Prozessmodell der Mediennutzung
Präkommunikative Phase:
Selektion, „Vorbereitung“
Kommunikative Phase:
o
o
o
Wahrnehmung von Zeichen: Aufnahme,
Identifizierung
Dekodieren von Zeichen: Gewinnung von
Bedeutungen
Interpretation/Verarbeitung
„Aktualisierung von Bedeutungen zu eigenen Lesarten“
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3. Prozessmodell der Mediennutzung
Wahrnehmungsaufgaben in der kommunikativen Phase
Aktualisierung von Genrekonventionen (Medienwissen, Intensionen)
Wahl der Wahrnehmungsmodus
ökologisch vs. kommunikativ
Einbringung des Bedeutungsvorrats: Schemata (Welt- und Medienwissen)
a) hypothesengesteuert
b) Mikro-/Makroebene; Emotionen - Kognitionen
Makroebene: Unterhaltungserleben, Informiertheit
Mikroebene: Wahrnehmung und Bewertung von Sequenzen
Transformation von Mikro- zur Makroebene
c) „Oszillieren“ zwischen bottom up und top down – Prozessen
bottom up: von „cues“ (Hinweisreizen) zu Schemata
top down: vom Schema zum Detail
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3. Prozessmodell der Mediennutzung
Mikro-/Makroeben der Rezeption (Früh 2003)
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3. Prozessmodell der Mediennutzung
Wahrnehmungsaufgaben in der kommunikativen Phase
Steuerung der Rezeption
o
o
permanente Bewertung
„Fitting“ von Person, Angebot und Situation
Rezeptionsstile
o Aufmerksamkeit
o Involvement
o Parasoziale Interaktion
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3. Prozessmodell der Mediennutzung
postkommunikative Phase
o
Weiterführung der Auseinandersetzung mit Inhalten
und Form
o
interpersonale Kommunikation über Gehörtes,
Gesehenes, Gelesenes
o
Bewertung der Medienrezeption
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Übungsfragen
1. Was bedeutet Selektivität der Mediennutzung?
2. Erläutern Sie McQuails Schema an einem Beispiel!
3. Welche sind die wichtigsten Prozesse in den drei
Phasen der Rezeption?
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