Renaissance und Reformation (XV

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Renaissance und Reformation
(XV-XVI Jhh.)
Vorlesung 2
Die frühneuhochdeutsche Literatur
(1350 - 1600)
a) Renaissance und Humanismus
b) historischer Hintergrund
c) literarische Formen
d) Vertreter
a) Renaissance und Humanismus
europäische Bewegung, besonders in Italien vertreten
 Gegenbewegung zur Scholastik und der damaligen
kirchlichen Autorität
 Früh- (1420-1500), Hoch- (1500-1533) und
Spätrenaissance (1533-1600)
 Wiedergeburt des Gedankenguts aus der Antike
(allseitig ausgebildete Menschlichkeit, individuelle
Persönlichkeitsentfaltung, »Der Mensch ist das Maß
aller Dinge«)

b) historischer Hintergrund
Entdeckung Amerikas (1492)
 frühkapitalistische Tendenzen (Fugger) um 1600
 durch den Humanismus bedingte neue astronomische
Erkenntnisse, Erfindungen, Weltbildveränderung
 erhebliche Kostenersparnisse bei der Buchherstellung
durch Gutenbergs Buchdruckmaschine mit
beweglichen Lettern (1445), Bücher erfahren eine
größere Verbreitung

c) literarische Formen






Meistersang (entstanden aus dem höfischen Minnesang),
Volkslied (entstanden aus der niederen Minne)
Helden-, Ritter-, Abenteuerromane
Fabeln, Novellen, Schwänke, Fazetien (gesammelt und gebündelt
herausgegeben)
Andachts-, Gebets-, Sterbebüchlein
Streitgespräche, Fastnachtspiele (Verspottung), Narrenliteratur
(Till Eulenspiegel)
Volksbücher (Historia von D. Johann Fausten, Die Schildbürger)
d) Vertreter
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
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
Sebastian Brant
Das Narrenschiff, löste Narrenliteraturflut aus
Erasmus von Rotterdam
bedeutendster Vertreter des Humanismus, Ständekritik, sehr feine Ironie, lehnte Luthers
religiöse Radikalisierung ab, Das Lob der Torheit
Johann Fischart
Johann Geiler von Kaisersberg
Ulrich von Hutten
Unterstützung Luthers, 2. Teil der Dunkelmännerbriefe
Johannes von Tepl
Der Ackermann aus Böhmen, Streit zw. Ackermann und Tod
Martin Luther
Reformator, 1517 Thesenveröffentlichung, Das Neue Testament Deutsch, Übersetzung der Bibel
um 1534 ins Deutsche in einer »allgemein verständlichen Sprache«, Flugschriften Von der Freiheit
eines Christenmenschen und An den christlichen Adel deutscher Nation
Hans Sachs
Der fahrende Schüler im Paradies, Das Kälberbrüten, Das heiße Eisen
Zum Stichwort
Humanismus
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

von lat. humanitas = Bildung,
Menschlichkeit
14. bis 16. Jahrhundert
Lebensanschauung, beeinflusst
von der idealisierten
klassischen und christlichen
Antike
ausgehend von Italien
wissenschaftlich-geistige Seite/Grundlage der Renaissance
Mensch als Mittelpunkt
Anerkennung der Individualität
des Mitmenschen allein deswegen, weil er Mensch ist.
Zum Stichwort
Humanismus


Griechisches Erbe:
Aristoteles (384-322 v.Chr.),
Menander (342-291 v.Chr.)
übernommen von den
römischen Humanisten der
Stoa: insbes. Cicero (106-43
v.Chr.), Seneca (1-64 n.Chr.)
Zum Stichwort
Humanismus

Wichtigste Vertreter

Frühhumanisten

Dante Alighieri (1265-1321)

Francesco Petrarca (1304-1374)

Giovanni Boccaccio (1313-1375)

Nikolaus von Kues (1401-1464)
Zum Stichwort
Humanismus

Wichtigste Vertreter

Humanisten der frühen Neuzeit

Johannes Reuchlin (1455-1522)

Erasmus von Rotterdam (14691536)

Albrecht Dürer (1471-1528)

Thomas Morus (1478-1535)

Ulrich von Hutten (1488-1523)

Philipp Melanchthon (1497-1560)
Zum Stichwort
Humanismus
Humanismus = fortschrittliches,
sich vom Mittelalter abwendendes
geistiges Klima
 Man unterscheidet zwischen der
Renaissance als dem
umfassenden kulturellen und
sozialen Wandel zwischen MA und
NZ und dem Humanismus als der
Bildungsbewegung, die ihm
zugrundeliegt.
 allmähliche Abkehr vom theozentrischen, jenseitsorientierten
Denken des Mittelalters. Im MA ist
für das öffentliche wie private Leben
der Willen Gottes Richtschnur.
 MA: Christentum als einende
Klammer der Völker. Bei Beginn
des 14. Jh. aber Säkularisierung
aller Verhältnisse (u.a. durch
Welthandel).

•
•
•
Änderung des persönlichen
Ideals der Menschen: Nicht mehr
der Heilige, sondern die kraftvolle,
autonome, rücksichtslos ihre
Individualität auslebende
Persönlichkeit wurde ihr Ideal.
gesteigertes Empfinden für die
Schönheit der Sprache, die
Naturschönheit und für innere und
äußere Persönlichkeitsstruktur
neuer Typus des Gelehrten und des
Literaten. Er ist nicht mehr
vornehmlich Theologe, sondern
pflegt ein profanes
Menschheitsideal. Daher
„Humanist"
Zum Stichwort
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•
Humanismus
Humanismus in Italien
14. Jahrhundert
gesteigertes Nationalbewusstsein:
vermehrtes Interesse für die Geschichte für die Sprachen, in denen die Geschichtswerke geschrieben waren (klassisches Latein und
Griechisch).
Planmäßige, z.T. von den Päpsten
veranlasste
Forschungen
nach
Handschriften sichern das wichtigste Schrifttum der Römer, das in
großzügig angelegten Bibliotheken
gesammelt (Vaticana 1480) und
später von humanistischen Druckern herausgegeben wurde.
Reinigen und Erklären der Texte
führt zur Philologie. Als Muster und
Vorbild der klassischen Sprache gilt
Cicero (Petrarca).
•
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•
•
Enthusiasmus in der Verehrung der
Antike als Urbild.
neues Menschheitsideal, das
Bildungsziel der autonomen
Persönlichkeit
Der Uomo universale, der allseitig
gebildete und befähigte Mensch ist
neues Ideal
Antike bisher als Vorstufe und
Vorhalle des Christentums und als
Vorläufer der Gegenwart, nun Ideal. Erhält Absolutheit der Form und
teilweise auch des Inhalts zuerkannt. Nicht Fortbildung, sondern
Nachbildung der Antike ist das Ziel.
Vertreter der scholastischen Philosophie verdrängt durch Humanisten. Aristotelismus ersetzt durch
einen christlich verstandenen Platonismus
Zum Stichwort
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•
Humanismus in Deutschland und
Europa
Deutschland am Hof Karls IV.
verstärkt besonders durch die Reformkonzilien von Konstanz (1414/
18) und Basel (1431/49)
Gipfel Erasmus von Rotterdam.
Ulrich von Hutten bezeugt bereits die
Krise des Humanismus in der
Reformationszeit.
Besonders in Deutschland und
Frankreich: Einfluss des Humanismus auf Vorreformation und Reformation.
Reformatoren Zwingli, Melanchthon, Calvin stark beeinflusst durch
H.
Humanismus
•
Erbe des Humanismus in der
Pflege antiken Geistesgutes wurde
besonders die klassische Philologie.
Die abendländische Dichtung sah
lange Zeit die antike Poetik als
maßgebend an.
Till Eulenspiegel
• Der “Historische” Eulenspiegel lebte
ca. 1300-1350. Mündliche Überlieferung.
Woodcut by Hans Balding
Grien in the 1515 edition of
Eulenspiegel’s adventures.
• Geschichten zusammengefasst
(wahrscheinlich) von Hermann Bote
(1467-1520) in einem Volksbuch, “Ein
kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel”,
1515
• Grober Volkshumor und Satire
Till Eulenspiegel
• Tradition der Schwankbücher im
Mittelalter.
• Satire gegen die Arroganz der
Oberschichten
• Sein Name widerspiegelt seine Rolle als
Satiriker
• Eulenspiegel ist voller großer Widersprüche
und Paradoxa, gesprächig, vulgär, sympathisch
Erasmus von Rotterdam und das
Ideal der „bonae litterae“


1466/69 – 1536
◦ Studium in Paris (1495-99), Italien
(1506-09), London (1509-14)
◦ ab 1516 in Basel und Freiburg
Werke:
◦ Adagia¹ 1500
◦ Encomium moriae², 1509/11
◦ NT – Ausgabe, 1516
◦ Colloquia familiaria³, 1518
◦ Kirchenväterausgaben, 1520ff
◦ De libero arbitrio,4 1523
Gemälde von Quentin Massys, 1517, 59
x 46,5, Öl auf Holz, Galleria Nazionale
d'Arte Antica (Palazzo Barbarini), Rom
16
die Neuausgabe des griechischen
Neuen Testaments
KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 Reform
17
Neues Testament
vollständig und sorgfältig von E r a s m u s v o n R o t t e r d a m
durchgesehen und verbessert, nicht nur an Hand der griechischen Sprache,
sondern auch nach der Überlieferung vieler Codices beider Sprachen, deren
Alter und Qualität feststeht, schließlich nach Zitaten, Verbesserungen und
Auslegungen, zuverlässigster Autoren, vor allem des Origenes,
Chrysostomos, Kyrill, der Vulgata, Hieronymus, Cyprian, Ambrosius, Hilarius, Augustinus,
zusammen mit Anmerkungen, die den
Leser unterrichten sollen, was aus
welchem Grund verändert wurde.
Wer auch immer
die wahre
Theologie
liebt, der lese,
verstehe, und urteile dann.
Sei nicht sofort beleidigt, wenn
dir eine Veränderung anstößig ist, sondern
erwäge, ob es nicht zum Besseren verändert worden ist.
das
Titelblatt
Bei dem in ganz Deutschland berühmten
Basler [Buchdrucker]
Mit dem Privileg
des erhabenen Kaisers Maximilian,
dass kein anderer im Bereich des heiligen
römischen Reichs, im Zeitraum von vier
Jahren [nach]druckt, oder von anderswoher
einen Druck einführt.
18
NT – zweite
Auflage, 1518
Motto:
Quisquis igitur amas veram
Theologiam, lege, cognosce,
ac deinde iudica. ... Nam
morbus est, non iudicium,
damnare quod non inspexeris.
Solltest Du die wahre Theologie
lieben, lies, überlege, und erst dann
urteile. ... Denn eine Krankheit, nicht
ein Urteil, ist es, das, was man nicht
untersucht hat, zu verwerfen.
19
humanistische Gelehrsamkeit und
Buchdruck
Johannes FROBEN, Buchdrucker in Basel, 1460 - 1527.





Studium der alten Sprachen in Basel
Korrektor bei Amerbach
1491 in eigener Druckerei: „Biblia integra“
1516 NT-Ausgabe seines Freundes Erasmus von Rotterdam
Väterausgaben:

Sein Sohn Hieronymus und sein Schwiegersohn Nikolaus
Episcopius und seine Enkel Ambrosius Aurelius F. setzten das
Geschäft fort.
weitere Väterausgaben:

◦ Hieronymus (s. d.)¹, Cyprian (s. d.)² und Rufinus (s.
d.)³, Tertullian (s. d.)4, Hilarius (s. d.)5 und Ambrosius
(s. d.)6
◦ Augustinus (s. d.), Basilius (s. d.)7 und Chrysostomus
(s. d.)8
20
1.6 humanistische Frömmigkeit:
Reform durch Lektüre der Quellen

Der ist mir ein wahrer Theologe, der nicht mit künstlich zusammen
gedrechselten Syllogismen, sondern mit Herzenswärme,... durch sein
persönliches Leben lehrt, dass man den Reichtum verachten müsse,
dass der Christ nicht auf den Schutz dieser Welt vertrauen solle; dass
man kein Unrecht vergelten dürfe,... Wenn einer dieses und ähnliches,
vom Geiste Christi angetrieben, predigt,... dazu ermahnt, einlädt und
ermuntert, der ist letzten Endes ein wahrer Theologe, und sei er auch
ein Ackersmann oder Tuchweber.
Desiderius Erasmus von Rotterdam, Paraclesis ad lectorem pium¹, Vorwort
zur Neuedition des griechischen Neuen Testaments (1516)
21
das Ideal des Humanismus:
Zusammenfassung

Humanismus - Bildungsbewegung in der Renaissance
 ausgerichtet auf das geistige Gut der wieder entdeckten antiken Autoren
(Motto: ad fontes - zurück zu den Quellen); Ziel: Reform durch Bildung und
Wissenschaft (Erasmus: 'bonae litterae'); Methode: eine an Cicero
ausgerichtete lebendige Sprache, die sich kritisch gegen Scholastik und
konservative Kleriker wendet

ad fontes - dt.: „zu den Quellen“, Begriffsprägung von Erasmus von Rotterdam
 unterstellt ist eine allgemeiner Niedergang von Sprache und Kultur im Verlaufe
des Mittelalters. Die Wiederentdeckung der antiken Autoren wird zur
Überwindung des geistigen und moralischen Verfalls führen

bonae litterae – dt.: „gute Literatur“, Begriffsprägung von Erasmus von Rotterdam
 der Begriff drückt die Überzeugung aus, dass eine gute Sprache und eine an
den antiken Autoren geschulte Bildung den Menschen sittlich und geistig
bessern werden
22
Sebastian Brant “Das Narrenschiff”
Das Narrenschiff
Sebastian Brant veröffentlichte diese schön
illustrierte Satire 1494. Zum Teil beruht auf
Wortspielen, z.B. Lat. Nave ist gleichzeitig eine
übertragene Bezeichnung für das Kirchenschiff.,
wo sich die Laien während des Gottesdienstes
befinden.
 Das “Narrenschiff” ist eine Satire gegen die
Umstände in der Kirche, es enthält 114 kurze
Verse über eibe erfundene Pilgerreise nach
Narragonia, einer Insel der Narren.
 Kritik des Verhaltens und der Ideen der Mehrheit
seiner Gesellschaft und der katholischen Kirche.

Hieronimus Bosch “Das
Narrenschiff” (1490-1500)
Lebenslauf von Martin Luther
10. Nov. 1483 geboren in Eisleben
1505 Gewittererlebnis bei
Stotternheim; danach Eintritt
ins Augustinerkloster Erfurt
1507 Priesterweihe
1510 Romreise
31. Okt. 1517 Thesenanschlag an
der Wittenberger Schlosskirche
1518 Luther vor dem päpstlichen
Gesandten Cajetan in Augsburg
1519 Disputation in Leipzig
1521 Wormser Edikt: Karl V.
verhängt die Reichsacht über
Martin Luther
1521 als Junker Jörg auf der
Wartburg
1521 Übersetzung des Neuen
Testaments
1523 Schrift: „Von weltlicher
Obrigkeit“
1525 Schrift: „Wider die
räuberischen und mörderischen
Rotten der Bauern
1525 Heirat mit Katharina von Bora
1534 Übersetzung der Hebräischen
Bibel fertiggestellt
1546 gestorben in Eisleben
3.1.4 der Buchdruck – die
Lutherbibel
KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 Einführung II
28
die Reformschriften Martin Luthers
aus dem Jahre 1520

An den christlichen Adel von des christlichen Standes
Besserung
 Allgemeines Priestertum aller Getauften

Von der Babylonischen Gefangenschaft der Kirche
◦ De captivitate Babylonica ecclesiae. Praeludium
 die Messe ist kein Opfer und kein gutes Werk

Von der Freiheit eines Christenmenschen
◦ De libertate christiana
 über evangelische Freiheit und evangelischen Dienst
29

An den christlichen Adel
2.1.1 die
Reformschriften
Martin Luthers
aus dem Jahre
1520:
Adelsschrift
Alle Christen sind durch die Taufe
gleichen Standes.
Die Trennung zwischen Geistliche und
Laien ist bloße Menschensatzung.
Alle Christen, insbesondere die von Gott
mit einem politischen Amt betrauten
Christen, sind aufgerufen, für eine
Reform der kirchlichen Missstände Sorge
zu tragen.
KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 Reform
30
Reformschrifte
n des Jahres
1520: De
captivitate

De captivitate babylonica ecclesiae praeludium
Ein Vorspiel von der Babylonischen
Gefangenschaft der Kirche
• Es gibt nur zwei Sakramente¹
• Die Messe ist kein Opfer und kein
gutes Werk, sondern Verkündigung
• Alles, was durch die Heilige Schrift
nicht abgedeckt ist, ist
Menschensatzung
KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 Reform
31
n des Jahres
1520:Von der
Freiheit eines
Christenmensc
hen

lat.: Tractatus de libertate Christiana
• Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und
niemand untertan.
• Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und
jedermann untertan.Diese zwei Lehrsätze sind klar:
• Paulus, 1Kor 9,19: «Ich bin frei von jedermann und habe mich
eines jedermanns Knecht gemacht».
• Ebenso Röm 13,8: «Seid niemand etwas schuldig, außer dass ihr
euch untereinander liebet.» Liebe aber, die ist dienstbar und
KG der Frühen Neuzeit - WS 2006/07 untertan dem, was sie lieb hat.
Reform
32
Reform im Volksmund, eine
Flugschrift von 1521
Fritz: Was sagt man Gutes zu Tübingen? Wie verhält sich die Hohe
Schule gegenüber dem Luther? –
Kunz: Es ist gleich wie anderswo: Welcher viele Pfründen hat, der ist
dem Luther feind, und sie schelten ihn einen Ketzer, aber die arme
Rotte hat ihn lieb. –
Fritz: Sie sind allein dem Luther feind, daß er aus den heiligen Lehren
Pauli und Christi ihnen ihre verdammte Weise, Schalkheit und
Büberei anzeigt. Er bringt nichts Neues hervor, er bringt sie aber in
Zorn, daß er ihnen die Wahrheit sagt. Denn was meinst du, was die
dekretischen Doctores¹ und der ganze babylonische Hof zu Rom
mit ihren kurtisanischen Zuständen gelten werden, wenn man die
Decretales, Dekret-Copisterei und dergleichen Lügenschulen und
päpstliche Träume abschafft?
33
Ulrich Zwingli
1. Jan. 1484 Geboren in Wildhaus
Theologiestudium in Wien und
Basel
1506-16 Pfarrer in Glarus
1515 Bekanntschaft mit Erasmus
von Rotterdam
1522 Schrift gegen das Fastengebot
1523 Entwicklung und Durchsetzung
eines kirchliches
Reformprogramms unabhängig
von Luther: alles was sich nicht
mit der Bibel begründen lässt wird
abgeschafft (Heiligenbilder,
Klöster, Prozessionen, Orgelspiel,
Gemeindegesang, Firmung, Letzte
Ölung usw.)
11. Okt. 1531 Gefallen bei Kappel
am Albis
Huldrych Zwingli – der Reformator
von Zürich

34. Die sogenannte geistliche Gewalt hat für ihre Pracht keinen
Grund in der Lehre Christi; 35. aber die weltliche Gewalt hat Kraft
und Begründung in der Lehre und Tat Christi [Mt 22,21]. 36. Alle
Gerichtsbarkeit, welche sich die sogenannte geistliche Gewalt
anmaßt, kommt der weltlichen Gewalt zu [Lk 12,13f], sofern diese
christlich sein will. 37. Der weltlichen Gewalt sind auch alle
Christen, niemand ausgenommen, Gehorsam schuldig [Röm 13,1f],
38. insofern sie nichts gebietet, was wider Gott ist [Apg 5,29]
Die 67 Schlussreden (1523)
35
Johannes Calvin
10. Juli 1509 Geboren in
Noyon/Oise
Studium der
Rechtswissenschaft
1536 Schrift „Christianae
Religionis Institutio“
seit 1536 evang. Prediger in Genf
1559 Gründung der Genfer
Akademie für die Ausbildung
von Predigern der reformierten
Kirche
27. Mai 1564 Gestorben in Genf
Calvin – der Reformator von Genf
... noch niemand hat uns bewiesen, dass wir etwas geändert hätten, was Gott befohlen hat,
...
im Gegenteil ist es eine bekannte Tatsache, dass wir unsere Kirche reformiert haben nach
der reinen Lehre Gottes, die allein Richtschnur ist, die Kirche recht instand zu setzen und
zu erhalten. Die Ordnung aber, die uns unser Herz eingegeben hat, muss auf ewig
unverletzlich bleiben. ...
Die Hauptsache im Christentum ist doch die rechte Anbetung Gottes. Nun haben wir
erkannt, daß die Form der Anbetung, die wir früher brauchten, falsch und verkehrt war.
Denn sie geschah nicht in Geist und Wahrheit (Joh. 4), sondern in äußerlichen Zeremonien,
ja sogar abergläubischen Handlungen. Dazu beten sie [die Papisten] noch nicht einmal Gott
allein an, sondern an seiner Statt Holz und Stein, Gemälde, Totenschreine und ähnliche
Dinge
Jean Calvin,
Brief an François de Mandallaz (September
1543)
37
Thomas Müntzer
Um 1490 Geboren in Stolberg/Harz
1519 Begegnung mit Martin Luther
und Anschluss an die Reformation
1520 Prediger in Zwickau; hier
Kontakt mit sozialrevolutionären
Tuchmachergesellen (Zwickauer
Propheten)
zunehmende Entfremdung von
Luther und Hinwendung zu
gesellschaftspolitisch radikalen
Vorstellungen
1521 Flucht aus Zwickau
1521 verfasst das „Prager Manifest“
(unmittelbares Wirken des
göttliches Wortes durch den Hl.
Geist)
seit 1523 Pfarrer in Allstedt;
Einführung des Gottesdienstes
in deutscher Sprache
1524 Vertreibung aus Allstedt,
Flucht über Mühlhausen und
Nürnberg
Verbindung zu den
aufständischen Bauern in
Oberdeutschland
1525 Pfarrer in Mühlhausen
geistiger Anführer eines
Bauernheeres
Niederlage und Gefangennahme
in der Schlacht bei
Frankenhausen
27. Mai 1525 Hingerichtet bei
Mühlhausen/Thüringen
Johannes Brenz
24. Juni 1499 Geboren in Weil der
Stadt
1514-22 Theologiestudium in
Heidelberg
1518 Erste Begegnung mit Luther;
Brenz schließt sich der
Reformation an
1522-48 Leben und Wirken als
Prediger in Schwäbisch Hall
1530 Heirat mit Margarete Gräter;
aus der Ehe gehen sechs Kinder
hervor
1548 Karl V. verbietet die evang.
Lehre; Brenz protestiert dagegen
und kann sich seiner Verhaftung
nur durch Flucht entziehen.
1548-52 Brenz wird von Herzog
Ulrich von Württemberg an
verschiedenen Orten verborgen
gehalten
1550 Nach dem Tod seiner ersten
Frau heiratet Brenz Katharina
Eisenmenger; aus dieser Ehe
gehen zwölf Kinder hervor
1552-70 Wirken als Stiftsprobst in
Stuttgart
11. Sept. 1570 Johannes Brenz
stirbt in Stuttgart und wird
unter der Kanzel der Stiftskirche
bestattet
Philipp Melanchthon
16. Feb. 1497 Geboren in Bretten als
Philipp Schwartzerdt
15. März 1509 Humanistentaufe durch
seinen Großonkel Johannes Reuchlin
d.h. Schwartzerdt = schwarze Erde =
Melanchton
1509 immatrikuliert er sich an der
Universität Heidelberg
1514 Promotion zum Magister
27. November 1520 Hochzeit mit Katharina
Krapp
1523 Rektor der Universität Wittenberg
1529 Religionsgespräch mit Luther, Zwingli
u.a. in Marburg
1539 Religionsgespräch in Leipzig
1540 Melanchton liegt todkrank in Weimar
6. November 1546 Flucht aus Wittenberg
19. April 1560 Gestorben in Wittenberg
1545 HANS SACHSN ALTER 51 IAR
Holzschnitt des Michael Ostendorfer
(1490-1559)
41
Hans Sachs (5.11.1494-19.1.1576)
- Lateinschule Nürnberg;
- Schuhmachergeselle: Wanderschaft in Deutschland;
- Meistergesang: Einführung durch den Weber Lienhard
Nunnenbeck.- Tritt als Meistersinger in mehreren
Städten auf.
- 1516 Rückkehr nach Nbg.,
- Heiratet 1519 Kunigunde Kreutzer (+ 1560); und
1561 die 27 jähr. Witwe Barbara Harscher.
 Werk: rd. 200 „Dramen“, 1800 Spruchgedichte, 4275
Meisterlieder
 Summa all meiner gedicht (der Zeit: 1514-67)
 Sammelausgabe in Folio: „Sehr herrliche, schöne und
warhafft gedicht“ 5 Bde. 1558-1579
 Werkausgabe: Keller/Goetze 26 Bde. 1870-1908.
42
Hans Sachs, Tristan-Meisterlieder






In des poppen langen thon.Tristrant der liebHabent, Anno
salutis1551 am 4. tag decembris (Minnetrank, Liebe,
Baumgarten).
In dem senften thon Nachtigals. Her Tristrant im wald.
Anno salutis am 5 tag decembris (Kapellensprung,
Waldleben).
In der kelber weis Hanns Heiden. Her tristrancz kampf
mit morholt. Anno salutis am 7 tag decembris.
In dem vergessen thon Frawenlobs Herr tristrant mit dem
trachen. Anno salutis 1551 am 7 tag decembris.
In dem plaben (‚blauen‘) thon Regenpogen. Her dristrant
in dem narren klaid. (11. Dez. 1551)
In dem gülden thon Canzclers. Das ent Herr Tristrancz.
Anno salutis am 13 tag marci.
43
Andreas Herneisen malt Hans Sachs im Alter von 81 Jahren (1576) – Wolfenbüttel, HAB
44
Autographes Bücherverzeichnis des
Hans Sachs von 1562
(Ratsschularchiv Zwickau)
Enthält u.a.
A
-Apuleius mit dem goldenen Esel
-Alten weissen Exempel puech
-Antomey puech (Anatomie)
B
-Bibel das erst dail witenberger druck
-Bibel das ander dail …
-Bibel das new testament
-Brandanus was er auf dem mer fur
wunder erfarn.
C
- Cronica der Nürnberger gros
Koberger (H. Schedels Weltchronik)
-Cento Novella Johanis Bocacij
(Boccaccio, Decamerone)
D
- Das erst gesamelt puch der sermon vnd
Tractetlen 40 stüeck
(Reformationsschriften)
45
Hans Sachs und die Nürnberger
Handwerkerbühne






Sachs bearbeitet zahlreiche Stoffe der Antike, des
Mittelalters und der Renaissance, zu denen er
deutsche Übersetzungen bekommen konnte, in
deutscher Sprache.
Sachs besaß eine umfangreiche Bibliothek
übersetzter Texte; sein Bücherverzeichnis weist aber
keine Tristrant-Ausgabe nach.
Gattungen: Spruchgedicht, Meistergesang,
Fastnachtspiel, Histori, Tragedi, Comedi.
Aufführung stets intendiert.
Sachs veranstaltet eine Folio-Ausgabe seiner Werke
(mit Ausnahme der Meisterlieder), die offenbar auch
zum Lesen bestimmt war.
46
‚Tristrant und Ysalde‘ von
Hans Sachs
Der Prosaroman von 1484 als Vorlage für
Meisterlieder und eine ‚Tragedi‘
47
Hans Sachs und Tristan

Insges. sechs Meisterlieder, autograph erhalten im 12. und 13.
Meistergesangbuch (heute im Ratsarchiv Zwickau).von
1551/53 (Texte: SOBEL, ELI, The Tristan Romance in the Meisterlieder of Hans
Sachs. University of Califormia Press. Berkeley, Los Angeles 1963. - Text hier S. 257268).
Dazu: Tragedia mit 23 Personen, von der strengen lieb herr
Tristrant mit der schönen königin Isalden, unnd hat 7 actus.Verfasst am 7. Febr. 1553
 Dazu: Herr Tristrant. Eine Wunderbarliche vnd fast lustige Histori
von Herr Tristrant / vnd der schönen Isalden / des Königs von
Irland Tochter / mit was freuden / auch not vnd gefahr si ir lieb
volbracht / vnd wie traurigklich sie die selben geendet haben / so
wol einer schönen Tragedi ist zu vergleichen / Auß Französischer
Sprach verteutschet und mit schönen figuren gezieret /fremd vnd
kurtzweilig zu lesen vnd zu hören.
 In der Bibliothek des Sachs ist gem. seinem 1562 angelegten
Verzeichnis keine Tristan-Ausgabe genannt.

48
Hans Sachs, Tragedi
(Text: Hans Sachs, hg. v. Keller/Goetze, Bd. 12, S. 142-186)
Tragedia mit 23 personen, von der strengen lieb herr
Tristrant mit der schönen königin Isalden, und hat 7
actus. Anno salutis 1553, am 7. tag Februarii.
1. Akt
 Das Reich des König Marx ist Irland tributpflichtig.
Der starke Morholt soll den Tribut eintreiben. Keiner
ist in der Lage, mit ihm zu kämpfen außer Tristrant
 Morholt tritt ein; Kampfreden. - Kampf. - Tr. wird
verwundet, er erschlägt Morholt.- Tr.s Verletzung von
vergifften waffen (147, 17)
 Zwei Irländer und Isalde treten auf, finden Morholt
und bringen ihn nach Irlant. Isalde entdeckt den
Schwertsplitter in Morholts Haupt.

49
2. Akt
 Tristrant ist todkrank; will sich auf ein Schiff begeben und in andere
Länder fahren um dort Heilung zu finden. 1. Irlandfahrt gerafft und
erzählt (149,22ff.)
 Marx will heiraten – Schwalbenhaar – Tr. als Brautwerber. Ankunft in Irland (151).- Drachenkampf: Tr. nimmt das
Drachenhaupt und legt sich nieder, um sich zu erholen. Wird von Is.
und Brangel gefunden.
 Tr. wird gesalbt – Entdeckung der Schwertscharte (153).Versöhnung
3. Akt (154,30ff.)
 Kg. Wilhelm aus Irland: Tr. bringt das Drachenhaupt.- Isalde soll für
Marke bestimmt sein. Wilhelm schlägt die Feindschaft zw. Irland und
Marke nieder.
 Königin Hildgart mit dem Minnetrank.- Abfahrt.- Tr. und Is. trinken
den Trank (157, 24ff.).- Entdeckung des Tranks und seiner Folgen.Sorgen vor Entdeckung.
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4. Akt (159, 33ff.)
 Kg. Marx: ein „Postbot“ bringt die Meldung von der Ankunft Trs. und
der Isalde.
 Hochzeit – Krönung (kurz)
 Argwohn der Barone, bes. Hz. Auctrat, Rudolff und Wolf
 Anschuldigung der Liebenden vor Marx
 Ratschlag der drei Barone (164, 25ff.).- Auctrat befragt die Gestirne.
 Baumgartenszene (166, 1ff.).- Tr. geht zu König Artus nach Britannia,
Marx will den Verleumder Auctrat erstechen.
5. Akt (168, 1ff.)
 Erneuter Hinterhalt der Barone.- Tr. wird gefangen, ebenso Isalde:
beide sollen hingerichtet werden.
 Tr. befreit sich und Isalde (170, 30ff.).- Waldleben (172, 11ff.)
 Jagd des Kg. Marx – Entdeckung
 Beichte der Liebenden beim Einsiedler Ugrim (13,4ff.); dieser bringt
Isalde wieder zu Marx zurück.
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6. Akt (174, 20ff.)
 Tr. findet eine neue Isalde (gerafft 174, 25ff.). Mit Curnefal besucht er die blonde Isalde, Gattin des Marx.Wiedererkennen anhand des Rings. Tr. und Curnefal kommen;
gehen aber bald wieder in Verkleidung von zwei Jacobsbrüdern
(Pilgern).
 Zweiter Besuch Tristrants bei Isalde in Gestalt eines Narren (176,
35ff., bes. 177, 10ff.).
 Wiedererkennen anhand des Rings.
 Die Barone greifen ihn an – Kampf – Tr. entflieht.
7. Akt (181,1ff.)
 Zusammen mit Cainis, seinem Schwager bricht Tr. auf zur Gattin des
Kg. Nampeconis, dessen Gattin Cainis liebt. Bericht von Kampf. - Tr.
ist schwer verletzt, Cainis tot.
 Tr. schickt den Knecht zu Isalde (weißes – schwarzes Segel)
 Tr.s Gattin Isalde täuscht Tr. hinsichtlich der Farbe. Tod.
 Moral am Schluss.
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Die Sage von Doktor
Faust
 Frühneuhochdeutsche
Periode in
Deutschland (1350-1600) – Anstoss zu
vielen Sagen
 Ihre Helden sind Volkshelden, keine Ritter.
Gesellschaftliche Veränderungen.
 Beispiele:
Till Eulenspiegel
Johann Faust
Die Legende von
Faust
• Der historische Georg Faust ist eine zwielichtige
Person, möglicherweise 1480 – 1538.
• Er ist ein Zeitgenosse von Martin Luther.
• Historische Dokumente erwähnen Faust in Heidelberg,
Knittlingen, Wittenberg usw., aber viele meinen
unterschiedliche Menschen.
• Faust scheint Astrologe und Alchemiker von
schlechtem Ruf gewesen zu sein – nicht unüblich!
Die Faust-Legende
 Faust
war ein Mensch der Renaissance,
aktiv in allen Bereichen der Wissenschaften.
 Viele ähnliche Charaktere der Zeit:





Theophrastus Bombastus von Hohenheim (Paracelsus)
Leonardo da Vinci and Galileo Galilei (Italian)
Cornelius Agrippa (German)
John Dee (English)
Copernicus (Czech)
 Faust
ist aber kein echter Wissenschaftler,
sondern ein Schwindler gewesen.
Die Faust-Legende
• Vereinigung der Charaktere:
• Merlin the Magician
• Simon Magus
• Theophilus
• Die Faust-Legende – etwa 70 Jahre später
– als eine lose Sammlung von Geschichten
in Verbindung mit Faust. Mündliche
Überlieferung.
Die Sage von Faust
• Die erste Fassung des Faust wurde 1587 in Frankfurt von Johann
Spies veröffentlicht:
Historia von
D. Johann Fausten
dem weitbeschreyten Zauberer und Schwarzkünstler
• Es gibt auch ein Manuskript in Nürnberg, das etwas älter sein
dürfte.
• Spies präsentiert ein moralisches Märchen vom
Protestantenaugenwinkel.
Die Faust-Legende
• Vertrag mit dem Teufel.
• Eine alte Idee, vorhanden in vielen klassischen
und mittelalterlichen Werken
• Faust faszinierte das Publikum der Renaissance,
weil sein Vertrag die wichtigsten Vorteile seiner
Zeit ansprach – Humanismus, Wissenschaft,
Kunst und Philosophie.
Typische Szenen
der Überlieferung
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Fausts Laufbahn als Gelehrter und Astronom
Sein Frust wegen der Beschränktheit des menschlichen Wissens
Seine Hinwendung zur Zauberei, um sein Wissen zu vermehren
Sein Vertrag mit dem Teufel (Mephostophilis)
Kosmologische Besprechungen der Hölle und des Paradieses
Besuche verschiedener Dämonen und Geister zur Unterhaltung
Reisen durch europäische Länder und Hauptstädte
Streiche mit verschiedenen Leuten (Pferdehändlern, Bauern usw.)
Wüstes Leben mit seinen Studenten – Sauferei usw.
Heirat mit Helena von Troya
Fausts Verzweiflung, wenn die Zeit der Vergeltung kommt
Fausts schrecklicher Tod als Warnung für andere
VIELEN DANK!