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Simulation und Modellbildung im Marketing WS 2011/2012 Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 1 Übersicht 1. 2. 3. 4. 5. Simulation Modell Die Notwendigkeit von Simulationen im Marketing Simulationsanwendungen im Marketing Beispiele Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 2 Was ist Simulation? Herkunft des Wortes aus dem Lateinischen simulare = - ähnlich machen (lat. similis = ähnlich) - nachbilden - nachahmen und später mehr in der Bedeutung von - vortäuschen - sich den Anschein von etwas geben im Deutschen (16. Jhrdt.) - sich verstellen - eine Krankheit vortäuschen (Simulant) Etwa ab den 60iger Jahren des 20. Jhrts. neue Bedeutung in den Wissenschaften (OR, Mathematik, Informatik): - modellhaft nachahmen (zu Übngs bzw. Testzwecken) - wirklichkeitsgetreu in einem Modell etwas nachvollziehen Simulatoren = Geräte, Vorrichtungen, mit deren Hilfe wirklichkeitsgetreue Bedingungen hergestellt werden können (z.B. zum Testen von Fahrzeugen, Flugzeugen, Systemen oder Programmen) Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 3 Was ist ein Modell? Ein Modell ist ein tatsächlich existierendes oder in einer bestimmten Fachsprache formuliertes System, das in vereinfachter Weise die wesentlichen Merkmale eines Ausschnitts der Realität wiedergibt. Dabei wird gefordert, dass diese Wiedergabe bzw. Abbildung bestenfalls strukturgleich (isomorph), zumindest aber strukturähnlich (homomorph) erfolgen soll. Beispiele von Modellen in der BWL: •Das S-R-Modell des Verhaltens von Konsumenten •Das Matrix System der Organisation •Das Produktlebenszyklus-Modell Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 4 Die Notwendigkeit von Simulationen im Marketing Produktinnovationen beanspruchen enorme Kapazitäten (vor allem hinsichtlich finanzieller, zeitlicher und Knowhow-bezogener Art). Die solide Abschätzung bzw. Beurteilung des Erfolgspotentials von neu auf den Markt einzuführenden Produkten ist für Unternehmen von herausragender Bedeutung. Kaufentscheidungs- und Testmarktsimulationen von innovativen Produkten/Produktkonzepten liefern im Produktentwicklungsprozess frühzeitige Informationen über Produktdesign, -handling, -präferenzen, Preiseinschätzung etc. Simulationen mit Virtual Reality-Technologien schaffen realitätsnähere Test-Umgebungen für Testpersonen. Simulationen mit Virtual Reality-Technologien ersetzen die Herstellung von physischen Testprodukten (Prototypen, Dummies, Mockups), was insbesondere die Einsparung von Zeit und Kosten ermöglicht. Simulationen ermöglichen die Durchführung von Marketing-Mix-Variationen von etablierten Produkten (Preis-/Werbung-/Verpackungs-/Instore-Platzierungs-Variatio-nen) Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 5 Anwendungsbereiche der Simulation im Marketing Marktanalysen, Marktforschung: Ermittlung von Preis-Absatzfunktionen (Marktreaktionsfunktionen) Prognose von Absatzpotentialen (Marktanteile) Ermittlung von Kaufpräferenzen Produktpolitik Produktentwicklung: Produktkonzepttests in frühen Entwicklungsphasen Produktdesign-, Verpackungstests Preispolitik (in Verbindung mit den anderen Marketing-Mix-Elementen) Kommunikationspolitik Ermittlung von Effekten durch Gestaltungselemente (Bild, Text, Farbe, Ton,..) Ermittlung von Effekten durch Werbemittel (Plakate, Merchandising, Anzeigen, Spots) Distributions-/Vertriebspolitik Technologie für Verkaufspräsentationen (v.a. für Großprojekte wie Anlagen, Immobilien) Instore-Konzepte (Regalplatzoptimierung, Produktplatzierung) Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 6 Simulation einer Produktneueinführung (Bsp. Auto) 1. Modellierung der Inputfaktoren Wahrnehmung der konkurrierenden Produkte Präferenzen der Kaufentscheider Größe der Marktsegmente Größe und Entwicklung des Gesamtmarktes Wichtigkeit von Entscheidungskriterien Expertenschätzung SimulationsModell Teilnutzenwerte (über Conjoint Analyse) Output: Marktanteile Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 7 Simulation einer Produktneueinführung (Bsp. Auto) 2. Modellierung der Outputfaktoren Marktanteile ermittelt aus Verknüpfung von Teilnutzenwerten und Gesamtnutzenwert Simulation im Marketing Individuelle Kaufwahrscheinlichkeit abgeleitet aus Gesamtnutzenwert Prof. Dr. Richard Roth Beziehung zwischen Kaufwahrscheinlichkeit und Marktanteil 8 Evoked Set Das Evoked Set eines Konsumenten ist die Menge von Marken oder Produkten, die ein Konsument bei einer Kaufentscheidung in Betracht zieht. Dieses Evoked Set ist auf eine Produktkategorie bezogen (z. B. Auto, Fruchtjoghurt, TV-LCD-Bildschirm, Handy...). Es besteht meist aus Produkten/Marken, mit denen der Konsument entweder bereits positive Handlungserfahrungen gemacht hat oder durch bzw. über die Werbung mediale Erfahrungen gewonnen hat „Second Life“-Erfahrung. Das Evoked Set umfasst bei täglichen Verbrauchsgütern meist zwischen 3 und 6 Marken. Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 9 Conjoint Analyse Die Conjoint Analyse (auch Conjoint Measurement) ist eine multivariate Datenanalysemethode. Mit Hilfe der CA kann man untersuchen, wie einzelne Produktmerkmale (Preis, Qualität, Design, Verpackung...) zum Gesamtnutzen eines Produktes für den Kunden beitragen. Damit wird ermöglicht herauszufinden, wie sich die Präferenzen von Kunden verändern, wenn einzelne Produktmerkmale verändert werden. Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 10 Produktpolitische Anwendungen Diffusionsmodelle Rogers Testmarktanwendung: Simulation von Produktneueinführungen TESI (GfK) BASES Kaufverhaltensmodellierung Virtual Shopper Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 11 Diffusionsmodell Quelle: Rogers (1962), S.247, zitiert nach Homburg/Krohmer, 2006, S. 599 Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 12 Was sind neue Produkte? Neuheitsgrade: Max. Charakteristik/ Beispiel: Echte Innovation (Breakthrough-Product) Verbesserungsinnovation (New improved Product, Next generation Product) Produktdifferenzierung (Line-Extension) erstmalig auf dem Markt z.B. Papierwindel, Weichspüler, CD, PDA, MP3-Player, LCD-TV - Full HD - LCD-TV - Weichspüler-Konzentrat Modellvarianten bei - TV (Bildschirmgrößen) - Auto (Motoren-/Ausstattungslinien) - Haarshampoos (trockenes, fettiges, strapaziertes Haar) - Bier-Mix-Getränke (Bitburger) 3-R Produkte Veränderte Wahrnehmung durch Nachfrager - neue Verpackung (Drehverschluss statt Zipp-Verschluss) - Repackaging - Repositioning Min. - Recycling Durch Kommunikationsveränderungen ein Produkt auf einem neuen Markt platzieren - Kräuterlikör auf jugendlichem Mix-Markt „Jäger on Ice“ Mit Hilfe neuer Technologien ein bewährtes Produkt neu einführen - Gel-Schreiber, Tintenroller Lamy Quelle: in Anlehnung an Hall (1991) und Booz-Allen u. Hamilton (1982) Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 13 Simulierter Testmarkt Phase Erläuterung Ziel Haupt-interview Erhebung von Markenbekanntheit, Kaufverhalten, Präferenzen, Einstellungen zu Produkt und Markt, soziodemographischen Daten der Probanden Kalibrierung eines Modells zur Abbildung des Marktes Werbesimulation Werbevorführung der wichtigsten Konkurrenzprodukte und des neuen Produktes Erste Wahrnehmung des neuen Produkts im Wettbewerbsumfeld Kaufsimulation Einkauf in einem nachgebildeten Verkaufsraum (mit ausgehändigtem Geld) Schätzung der Erstkaufrate (Penetration) Home-UsePhase Probanden erhalten Testprodukt zum Ausprobieren in realen Bedingungen User-Erfahrungen gewinnen Nachinterview Wiederholung von Präferenz- und Einstellungsmessung, Verwendungserfahrungen, Likes/ Dislikes Prognose der Wiederkaufrate, Diagnose von Stärken und Schwächen Quelle: nach Erichson, 2000, S.404 Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 14 Typen von Testkaufsimulationen Testkaufsimulation monadischer Test hypothetische Kaufbereitschaft (zu best. Preisen) Simulation im Marketing kompetitiver Test Kaufintention (Ratingskala) hypothetische Kaufbereitschaft Prof. Dr. Richard Roth „Echt“-Kauf mit Geld oder Gutschein 15 TESI Grundstruktur Phase 1 Phase 2 Erhebungsmethoden Hauptinterview Simulation Erstkaufverhalten Nachinterview Simulation Wiederkaufverhalten Analysemethoden Prognose des Erstkaufverhaltens Modellkalibrierung für Wiederkaufverhalten Prognose des Wiederkaufverhaltens Analyse der Produktpositionierung Quelle: (leicht modifiziert) Erichson, (Marketing ZFP), 1981, S.202 Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 16 Berechnungsgrundlage im TESIModell (1) Marktanteilsberechnung des neuen Produkts ( Mz ) Erstkaufratenberechnung des neue Produkts ( Rz ) Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 17 Berechnungsgrundlage im TESIModell (2) Widerkaufratenberechnung des neue Produkts ( Wz ) Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 18 Komponenten des TESI-Modells Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 19 BASES-Modell Absatzvolumen = Erstkaufvolumen + Wiederkaufvolumen (AV) (EV) (WV) EV = Zielgruppenumfang x Erstkaufrate (%) x Ø Erstkaufmenge WV = Anzahl der Erstkäufer x Wiederkaufrate (%) x Anzahl Wiederkaufgelegenheiten x Ø Wiederkaufmenge Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 20 Virtuelle Shopper Simulationen Entwicklung: seit ca. 1995 Modellierungs-Basis: ‚Virtual Reality‘ Vorläufer: Virtuelle Simulations-Systeme Piloten- und Mediziner-Ausbildung Architektur, Gross-Technik (Schiffsbau, Kern-Reaktoren) Automobil-Entwicklung („Virtual Car Clinics“) Aktuelle Haupt-Anwendungen: Produkt-Entwicklung Category Management Space Optimierung Laden-Gestaltung Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 21 Virtuelle Shopper Simulationen Die Hauptmerkmale: Stimulus-Präsentation Reaktions-Messung • Stellt Einzelprodukte fotorealistisch dar • Shopper-Verhalten wird im Sekundentakt aufgezeichnet • Erlaubt Manipulation einzelner Produkte („Herausgreifen / Drehen und Wenden / Näher Betrachten etc“) • Haupt-Indikatoren: • • Modelliert alltägliche POSSzenarien als begehbare 3DUmgebungen (z.B. „Supermarkt“) Ermöglicht eigenständiges interaktives Navigieren durch POS-Umgebung Simulation im Marketing – Fusswege – Verweildauer in Kategorie – Produkt-Kontakte – • • Dauer • Art • Sequenz Abkäufe / Nicht-Abkäufe Verknüpfbarkeit mit anderen Person-Daten Prof. Dr. Richard Roth 22 Virtuelle Shopper Systeme Unterschiede der AnalyseEbene: vom Einzelprodukt zum kompletten EinkaufsCenter Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 23 Virtuelle Shopper Systeme Unterschiede in der System-Interaktion • Standard-Desktop • Screen-Projektion • VR ‚Datenhelm‘ Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 24 VR-Einsatz im Verkauf Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 25 Kaufsimulation mit virtuellen Testmärkten 1 Vorteile: Fotorealistische 3D-Animation von verschiedenen Szenarien des PoS Supermarkt Shoppingmall Convenience Shop Apotheke Drogeriemarkt Fast-Food-Restaurant Schnelle Auf- und Umbaumöglichkeiten von neuen PoSSzenarien Ganzer Shop Regalreihen Einzelprodukte mit Regalausschnitt Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 26 Kaufsimulation mit virtuellen Testmärkten 2 Virtuelle 3D-Gestaltung von Testobjekten (ohne umständlichen und auch teuren Spezial- oder Prototypenbau) Displays Regale Produkte Lückenloses Tracking von Laufwegen, Produktkontakten und Kaufentscheidungen jedes Shoppers im Zeitverlauf Möglichkeit von web-basierten Shopper-Tests: Per Mausklick Tests von Packungs-, Produkt- und Display-Varianten Simulation im Marketing Prof. Dr. Richard Roth 27