Mobbing/Bullying - Staatliche Schulberatung in Bayern

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Transcript Mobbing/Bullying - Staatliche Schulberatung in Bayern

Soziale Ausgrenzung und
Mobbing/Bullying Modephänomen oder ernste
Herausforderung?
Prof. Dr. Beate Schuster
LMU München
Aggression und soziale Ausgrenzung in der Gruppe –
Modeerscheinung?
-
Bibel: Josephsgeschichte
Tragödien des Sophokles: Philoktet
Märchen: Aschenputtel
Weltliteratur: Musil – Der Zögling Törleß
Kinderliteratur: Kästner - Das fliegende Klassenzimmer
-
Eigene Schulzeit
Tierreich
#2
Neu: Wissenschaftlicher Begriff
Historie:
Lorenz: Das so genannte Böse
Heinemann: Mobning
Olweus: Bullying
Leymann: Mobbing (am Arbeitsplatz)
Perry und viele weitere: Peer Victimization/Harassment
#3
Wissenschaftlicher Begriff: Definitionsmerkmale
-
Systematik (wiederholt, langandauernd)
Schädigungsabsicht
Stärkeungleichgewicht
Verschiedene Formen: verbal, physisch, relational
- Konzentration auf 1 bis 2 Personen
#4
Die besondere Bedeutung von Bullying/Mobbing
Glücksforschung: ein großes negatives Ereignis ist weniger schlimm als viele kleine
TherapeutInnen: Bürgerkriegsopfer weniger traumatisiert als Mobbing-Opfer
Todesstrafe bei „aborigines“ durch sozialen Ausschluss
Evolutionäre Perspektive: sozialer Tod gleich existentieller Tod
Gesellschaftliche Veränderungen: die relative Bedeutung der Klasse/Arbeitsgruppe
#5
Konsequenzen von Mobbing/Bullying, u.a.:
-
Gleiche Gehirnareale wie bei körperlichen Verletzungen
Neben internalisierenden auch externalisierende Reaktionen
Leistungseinbrüche – sogar experimentell induzierbar
Traumatisierung der Betroffenen mit langfristig erhöhtem Risiko, erneut
viktimisiert zu werden
- Stress auch bei „nur“ beobachtenden Gruppenmitgliedern
#6
Vor dem Hintergrund besorgniserregend:
In nahezu jeder Klasse 1-2 Opfer (Schuster, 1996)
Bei Szenarien mit „relationaler Aggression“ werden die geringfügigsten
Interventionsmöglichkeiten gewählt:
LehrerInnen: Yoon & Kerber, 2003
Lehramtsstudierende: Baumann & Del Rio, 2006
#7
Vor dem Hintergrund besorgniserregend (2):
Alltagspsychologie greift häufig zu kurz – Beispiele für problematische Reaktionen
-
Wenig Wissen über Eigenbeitrag, vgl. z.B. Studie zu Lehrersympathie
Zu viel Soziometrie im Schulkontext
Fundamentaler Attributionsfehler
Bevorzugte Reaktionen: Gespräche/Rollenspiele
#8
Was kann man tun? Führung wahrnehmen!
Classroom Management/Pädagogische Verhaltensmodifikation – Verbinden von Beziehungs- und
Lenkungskomponente (autoritativ)
(I)
(II)
(III)
(IV)
Angemessenes Verhalten belohnen > unangemessenes bestrafen
Prinzip der geringsten Intervention
Verhalten, nicht Person bestrafen!!!
Weitere Prinzipien:
(I)
Versteckte Verstärkeranalyse unter Beachtung des indiv. Wert eines Verstärkers
(II)
Unterminierung intrinsischer Motivation beachten
#9
Ansatzpunkt beim Umfeld/Täter: Classroom management
Voraussetzungen für „Pädagogische Verhaltensmodifikation“ schaffen: Legitimation für
Eingreifen bei psychischer Gewalt etablieren
- Regeln am Schuljahresanfang
- Elternabend
- Ideal: Schulpolitik (s. z.B. Trainingsraumkonzept; Kooperation mit anderen
Lehrkräften)
# 10
Ansatzpunkt beim Umfeld/Täter: Classroom management
Verhalten, nicht Person bestrafen: Nicht: „Du nervst“, sondern „Dein Verhalten XY ist
unangemessen“. -> Ist auch Modell für SchülerInnen! S. auch
Sozialisationsbedingungen von Childhood aggression
Besser als strafen: Angemessene Alternativen aufzeigen und belohnen (s. auch intr.
Motivation): Mit Blick registrieren! Danke! Lächeln!
# 11
Ansatzpunkt beim Umfeld/Täter: Classroom management
Wichtige Regeln beim Eingreifen:
- Prinzip der geringsten Intervention: Langsamer, leiser sprechen, näher gehen,
Blickkontakt; anerkennender Blick/Lächeln
- Individuellen Wert eines Verstärkers beachten/versteckte Verstärkeranalyse
(sekundärer Krankheitsgewinn)
- Am Anfang sofort und kontinuierlich, dann intermittierend
# 12
Ansatzpunkt beim Umfeld/Gruppe: Klassenklima mitgestalten
-
Umwelt gestalten: Stille/Bewegte Pause
-
Sitzordnung
-
Wechselnde Projektgruppen/koperatives Lernumfeld mit wechselseitiger Abhängigkeit (an Überlegungen zu
social misfit denken; aus Null-Summenspielen Win-Win-Situationen machen; kompetitive Vorgaben
rausnehmen durch u.a. Vorgeben/Vorleben einer „Lernziel“- statt „Leistungsziel“-Orientierung)
-
Power corrupts: Einzelne Kinder nicht zu mächtig werden lassen (ev. Klassenliste abhaken)
-
Modell für respektvollen Umgang
-
Überlegungen zu „Achtsamkeit und Anerkennung“
# 13
Ansatzpunkt beim Opfer:
Oberster Grundsatz: Fundamentalen Attributionsfehler beachten!!! (Ursache für
Viktimisierung ungleich Ansatzmöglichkeiten, Angriffe abzuwehren)
# 14
Ansatzpunkte beim Opfer („Merkmale bei Opfern“):
- Aussehen
- Körperliche Schwäche/Sportlichkeit; hierbei auch Intervention mit Jüngeren
berücksichtigen
- (Kontrollierbare) Andersartigkeit
- Psychische Schwäche: Depression, geringer Selbstwert, Stressphasen
(Arbeitslosigkeit, Scheidung, Krankheit, Tod)
- Fehlende Assertivität
# 15
Mobbing/Bullying – Modephänomen oder ernste Herausforderung?
- Großer Leidensdruck („normal“ ungleich „einfach“)
- Fülle von Möglichkeiten („mehr ist mehr, wenig ist mehr als nichts“)
-> Bitte vorbeugen/eingreifen!
Bei Interventionen bitte aber auch immer unerwünschte Effekte mit bedenken (z.B.
Rollenspiele zur Förderung der Empathie) und antizipierend Maßnahmen
entsprechend modifizieren!
# 16
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
[email protected]
# 17