Kulturvergleichende Psychologie

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Transcript Kulturvergleichende Psychologie

Theoretische Grundlagen
interkulturellen Handelns
Gliederung:
1. Theorie: Was? Wozu?
2. Kulturpsychologie, Kulturvergleichende
Psychologie, Interkulturelle Psychologie
3. Interkulturelles Handeln
- Das Kulturstandardkonzept -
Nichts ist so praktisch
wie eine gute Theorie.
K. Lewin
Prof. Dr. Siegfried Stumpf
Prof. Dr. Siegfried Stumpf
Prof. Dr. Siegfried Stumpf
Psychologische Forschungen
zum Thema “Kultur”
Cross-Cultural
Psychology
Völkerpsychologie
Kulturvergleichende
Psychologie
Kulturpsychologie
Kultur
Interkulturelle
Psychologie
Kulturvergleichende Psychologie
Kulturvergleichende Psychologie ist der Zweig der nomothetisch-positivistisch angesiedelten Allgemeinen Psychologie, der zu prüfen versucht,
ob die gefundenen Gesetzmäßigkeiten psychischer Prozesse des Menschen universelle oder kulturspezifische Gültigkeit besitzen.
Die Kulturvergleichende Psychologie definiert sich vorrangig als eine
methodische Strategie zur Analyse kultureller Einflüsse auf psychische
Prozesse, Entwicklungen und Manifestationen (Differenzierungsstudien).
Sie versucht, Universalien hinter den kulturbedingten Oberflächenvariationen psychischer Strukturen und Funktionen aufzuspüren (Generalisierungsstudien).
Sie sucht nach den universellen Wurzeln und dem gemeinsamen Kern
kulturspezifischer Orientierungssysteme.
Beispiel: Ist das räumliche Sehen (Tiefensehen, dreidimensionale Vorstellungswelt, optische Raumtäuschungen) bei Wüstenbewohnern genau so organisiert wie bei Urwaldbewohnern?
Forscher
Kultur 2
Kultur 1
Gibt es universelle psychische
Prozesse / Funktionen?
- Sprache
- Religion
- Rechtswesen
- Wissenschaften:
Medizin
Jura
Psychologie
- Leistungsmotivation (McClelland)
Ausprägungen
- Intelligenzentwicklung (Piaget)
- Moralentwicklung (Kohlberg)
- Tiefen- / Bewegungswahrnehmung
- Sprache
- Religion
- Rechtswesen
- Wissenschaften:
Medizin
Jura
Psychologie
Experimentelle Methode
Messen
Vergleichen
Identifizieren von Gesetzmäßigkeiten
Ausprägungen
Kulturpsychologie
Kulturpsychologie ist eine Teildisziplin der Psychologie, die sich interpretativ-hermeneutisch mit dem Menschen als Natur- und Kulturwesen befasst.
Sie analysiert das handelnde Individuum einerseits in seiner
Interaktion mit und in einem bedeutungsvollen Kontext und andererseits bei seiner Konstruktion und Rekonstruktion kontextbezogener
kognitiver und affektiver Schematisierungen.
Die Kulturpsychologie versucht, menschliches Verhalten und Erleben
sowie deren Resultate als psychologische Korrelate des kulturspezifischen Orientierungssystems zu verstehen.
Dies geschieht auf vier verschiedenen Ebenen:
1. Phylogenetische Entwicklungsebene:
Hier stellt sich die Frage nach der wechselseitigen Bedingung kultureller
Errungenschaften wie Sprache, Schrift, Werkzeuggebrauch usw. und
struktureller Veränderungen der menschlichen Anpassungsfähigkeit im
psychischen Bereich, z.B. Nomaden-, Land-, Stadtbevölkerung.
2. Aktualgenetische Ebene:
Hier stellt sich die Frage nach der situativen Einbettung von Zielbildungsprozessen, Mittelauswahl, Handlungsregulation und der Verarbeitung von
Handlungsergebnissen.
3. Ontogenetische Ebene:
Hier stellt sich die Frage, wie die kognitive und affektive Schematisierung
von Handlungserfahrungen als Grundlage der Entwicklung individueller
Handlungsfähigkeit im Verlauf der Ontogenese konstruiert wird, z.B.
Mutter-Kind-Bindungsverhalten.
4. Historiogenetische Ebene:
Hier stellt sich die Frage nach der Wechselbeziehung zwischen psychischer Entwicklung und kulturellem Wandel, z.B. Wertewandel, Wandel von
Menschen- und Weltbildern über längere Zeiträume.
Kulturpsychologie
Kultur 1
Kultur 2
Forschungsfragen:
 Arbeitsmotivation
 Geschlechterrollenverhalten
 Familienhierarchie
Verstehen
 Krankheit
Hermeneutik
 Sprache / Kommunikation
Interkulturelle Psychologie
Die Interkulturelle Psychologie befasst sich mit der Analyse psychischer Prozesse,
ihren Bedingungen, Vollzügen und Resultaten beim Aufeinandertreffen von Menschen
aus verschiedenen Kulturen. Sie fasst Kultur auf als ein Bedeutungs- und Symbolsystem, das einen sinnhaft strukturierten Bereich des „Eigenen“ ausbildet, aus dem
der Handelnde Orientierung gewinnen kann. Daraus bildet sich aber gleichzeitig auch
ein Bereich des „Fremden“ aus, insbesondere in der Begegnung mit Menschen aus
anderen Kulturen, was Desorientierung auslösen kann.
Die mehr grundlagenwissenschaftlich orientierte Interkulturelle Psychologie analysiert
die psychischen Bedingungen, Verlaufsprozesse und Wirkungen des Aufeinandertreffens kulturspezifischer Orientierungssysteme in der interpersonalen Begegnung.
Die mehr anwendungswissenschaftlich orientierte Interkulturelle Psychologie konzentriert sich auf die Analyse der Schwierigkeiten, die an der Schnittstelle zwischen
Eigenem und Fremdem in der Interaktion zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen entstehen sowie die Entwicklung und Überprüfung geeigneter Problemlösungsmethoden.
Sie unterstellt dabei, dass in kulturellen Überschneidungssituationen über den Prozess
der Selbstreflexivität eigenkulturelle Werte, Normen und Kulturstandards bewusst werden, fremdkulturelle erkannt werden und über eine gegenseitige Wertschätzung
kultureller Unterschiede eine Synthese oder sogar Formen von Synergie zwischen den
Kulturen entwickelt werden können
Interkulturelle Psychologie
Kultur 1
soziale
Kontexte
sozialer
Kontext
Verstehen
Optimieren
Kultur 2
Person 1
Person 2
Gruppe 1
Gruppe 2
Forscher 1
- Akkulturation
- kulturelle Identität
- Kommunikation
- Verstehen
Forscher 2
soziale
Kontexte
sozialer
Kontext
Definition von Kulturstandards
1. Kulturstandards sind Arten des Wahrnehmens, Denkens, Wertens und
Handelns, die von der Mehrzahl der Mitglieder einer bestimmten Kultur für
sich und andere als normal, typisch und verbindlich angesehen werden.
2. Eigenes und fremdes Verhalten wird aufgrund dieser zentralen Kulturstandards beurteilt und reguliert.
3. Zentrale Kulturstandards regulieren weite Bereiche des Denkens, Wertens
und Handelns, wohingegen periphere Kulturstandards nur für bestimmte
Situationen bzw. Personengruppen Regelfunktion besitzen.
4. Die individuelle und gruppenspezifische Art und Weise des Umgangs mit
zentralen Kulturstandards zur Verhaltensregulation kann innerhalb eines
gewissen Toleranzbereichs variieren.
5. Verhaltensweisen, die sich außerhalb der bereichsspezifischen Grenzen
bewegen, werden von der sozialen Umwelt abgelehnt und sanktioniert.
6. Zentrale Kulturstandards wandeln sich unter veränderten Lebensbedingungen nur sehr langsam. Periphere Kulturstandards unterliegen einem
schnelleren Wandel.
Deutsche Kulturstandards
1. Sachorientierung
2. Regelorientierung
3. Direktheit / Wahrhaftigkeit
4. Interpersonale Distanzdifferenzierung
5. Internalisierte Kontrolle
6. Zeitplanung
Chinesische Kulturstandards
aus deutscher Sicht
1. Soziale Harmonie
2. Gesicht
3. Guanxi (Soziales Beziehungsnetz)
4. Etikette
5. Danwei (Lebens- und Arbeitseinheit)
6. Hierarchie
7. Bürokratie
8. List, Taktieren
U.S.-amerikanische Kulturstandards aus dt. Sicht
1. Individualismus
2. Leistungsorientierung
3. Chancengleichheit
4. Handlungsorientierung
5. Interpersonale Zugänglichkeit
6. Intrapersonale Reserviertheit
7. Soziale Anerkennung
8. Gelassenheit
9. Zukunftsorientierung
10. Funktionales Besitzverständnis
11. Zwischengeschlechtliches Begegnungsritual („dating“)
12. Naturbeherrschung
13. Mobilität
14. Patriotismus
In dem Buch von Sylvia Schroll-Machl & Ivan Novy mit dem bezeichnenden
Titel "Perfekt geplant oder genial improvisiert?: Kulturunterschiede in der
deutsch-tschechischen Zusammenarbeit" werden folgende Kulturstandardpaare vergleichend betrachtet:
CZ
D
1. Personbezug
Sachbezug
2. Abwertung von Strukturen
Aufwertung von Strukturen
3. Simultanität
Konsekutivität
4. Personorientierte Kontrolle
Regelorientierte Kontrolle
5. Diffusion von Persönlichkeits- und
Lebensbereichen
Trennung von Persönlichkeits- und
Lebensbereichen
6. Starker Kontext
Schwacher Kontext
7. Konfliktvermeidung
Konfliktkonfrontation
8. Schwankende Selbstsicherheit
Stabile Selbstsicherheit