Definition von Kulturstandards

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Transcript Definition von Kulturstandards

Erfassung und
Handlungswirksamkeit
von Kulturstandards
Gliederung:
1. Kulturstandards als Bausteine
im kulturspezifischen
Orientierungssystem
2. Erhebung und Auswertung
„kritischer“
Interaktionssituationen
3. Identifikation von
Kulturstandards
Definition von Kulturstandards
1. Unter „Kulturstandards“ werden alle Arten des Wahrnehmens,
Denkens, Wertens und Handelns verstanden, die von der Mehrzahl
der Mitglieder einer bestimmten Kultur für sich persönlich und andere
als normal, selbstverständlich, typisch und verbindlich angesehen
werden.
2. Eigenes und fremdes Verhalten wird auf der Grundlage von Kulturstandards beurteilt und reguliert.
3. Kulturstandards wirken als Maßstäbe, Gradmesser, Bezugssysteme
und Orientierungsmerkmale.
4. Ein Kulturstandard besteht aus einer Norm und einem Toleranzbereich. Die Norm gibt den Idealwert an. Der Toleranzbereich umfasst
die noch akzeptierbaren Abweichungen vom Normwert.
5. Kulturstandards einer Kultur bilden ein in sich zusammenhängendes
Geflecht von Beziehungen.
6. Kulturstandards können auf verschiedenen Abstraktionsebenen definiert werden, von sehr allgemeinen Werten und Überzeugungen bis
hin zu konkreten Verhaltensvorschriften.
7. Kulturstandards, die in einer Kultur von zentraler Bedeutung sind,
können in einer anderen Kultur völlig fehlen. Unterschiedliche Kulturen
können aber auch ähnliche Kulturstandards aufweisen. Sie können
auf unterschiedlichen Hierarchiestufen angesiedelt sein und unterschiedliche Toleranzbereiche aufweisen.
8. Bei erfolgreich verlaufender Sozialisation (Enkulturation) werden Kulturstandards innerhalb der eigenen Kultur als Handlungsregulatoren
nicht mehr bewusst.
9. Kulturstandards werden in ihrer handlungsregulierenden Funktion im
interkulturellen Handeln in Form kritischer Interaktionen wirksam.
10. Wenn in interkulturellen Begegnungssituationen stark divergierende
Kulturstandards wirksam werden, kommt es zu konflikthaft verlaufenden Interaktionssituationen.
Kulturstandards als dynamisches Orientierungssystem
(Krewer, Eckensberger, Demorgon)
Verhaltensdimension:
Distanzmanagement
maximale
Distanzminimierung
Lateinamerikaner
maximale
Distanzdifferenzierung
USA
Deutsche
Kulturstandard nicht als allgemeingültiges Merkmal einer kulturellen Gruppe interpretieren.
Kulturstandard als dynamische Konstruktion spezifischer interkultureller Handlungssituationen auffassen.
Krewer (1995): „Kulturstandards sind spezifische Orientierungssysteme,
konstruiert werden um eigenes und fremdes Wahrnehmen, Denken, Fühlen
Handeln in spezifischen INTER-kulturellen Kontaktsituationen verständlich
kommunizierbar zu machen. Kulturstandards sind Mittel der SelbstFremdreflexion in interkulturellen Begegnungen“.
die
und
und
und
Das Ziel der Analyse und Intervention ist die wechselseitige Orientierung und
Verständigung in interkulturellen Kommunikations- und Kooperationssituationen.
In interkulturellen Begegnungen ist die Zuschreibung eigener und fremder
kultureller Standards eingebettet in Kontextfaktoren, die Einfluss darauf haben,
welche Problemsituationen kulturell attribuiert werden und welche kulturellen
Differenzen zu einem Problem werden.
Ausprägung grundlegender
Verhaltensorientierungen bei
Deutschen, Franzosen und Chinesen1
Sach-/
Aufgabenorientierung
D
F
C
Person-/
Beziehungsorientierung
Expliziter
Kommunikationsstil
Impliziter
Kommunikationsstil
Internalisierte
Autorität / Regel
Externale
Autorität / Regel
Konsekutivität
Simultanität
Monochronie
Polychronie
Abgrenzung
Privat / Beruf
Öffnung
Privat / Beruf
1 Empirisch
gesicherte Befunde. Darstellung nach dem Konzept der adaptiven Achsen von
Demorgon (1996).
Kulturstandard
Konfrontation mit Fremdheit Interkulturalität erfahren: Das interkulturelle Interview
Interkulturelles Erfahrungslernen in der Fremde





Kulturunterschiede
Bedeutsamkeit der Fremdkultur
Persönliche Betroffenheit
Akkulturationszwang: Tourist
Expatriate
Psychische Funktionen: Kognitionen, Emotionen, Verhalten
Interkulturelles Erfahrungslernen zu Hause
Arten der indirekten Vermittelung:

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
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
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
Literatur
Film
Erzählung
Diskussion
Bericht
Massenmedien
Das Interview it ausländischen Mitbürgern
Arten der direkten Vermittelung:
 Zusammenarbeit mit ausländischen Kommilitonen
 Das Interview mit ausländischen Mitbürgern
 Zusammenleben mit ausländischem/n (Mitbürger(n)
Restaurant, Hotel, Freundschaft, Partnerschaft)
Forschungsprozess zur Identifizierung von
Kulturstandards
Erhebung kulturkritischer Interaktionssituationen (KI)
(Interviews mit Auslandsmitarbeitern, Studenten, Dozenten etc.)
Erhebung subjektiver Interpretationen des fremden Verhaltens
(aus der Sicht der interviewten Person)
Auswahl und sprachliche Überarbeitung der Situationsschilderung
Prototypische Situationsschilderungen / sprachliche Glättung
(durch den Bearbeiter)
Analyse der kritischen Interaktionssituationen durch bikulturelle
Experten:
1.Erklärungen für das fremdkulturelle Verhalten (?)
2.Empfehlung für kulturadäquate Reaktion (?)
3.Kulturspezifische Grundlagen für das fremdkulturelle Verhalten?
4.Themenspezifische Literaturhinweise (?)
(Interview / Fragebogen)
Inhaltsanalytische Bearbeitung der Expertenerklärungen
(nach Mayring, 1997
(durch den Bearbeiter)
Identifizierung und Benennung der Kulturstandards (KS)
Name / kurze Erläuterungen
(durch den Bearbeiter)
Erstellung einer Zusammenhangsstruktur der Kulturstandards
(durch den Bearbeiter)
Kulturhistorische Verankerung der Kulturstandards
(durch den Bearbeiter auf Basis der Experteninformationen)
Bericht eines Interviewers über den
Interviewverlauf bei der Erhebung
interkultureller Erfahrungen
Insgesamt war die Bereitschaft, an den Interviews
teilzunehmen, sehr groß. Die Firmenmitarbeiter
waren gerne bereit, über ihre Erfahrungen und die
damit verbundenen Probleme in der Zusammenarbeit mit ihren fremdkulturellen Partnern zu
sprechen. Es erwies sich allerdings als immer
wieder schwierig, direkt auf kritische Interaktionssituationen zu kommen. Viel lieber wurden nur
sehr allgemeine Beispiele und Aussagen getroffen.
Das Interesse der Firmenmitarbeiter zielte in
erster Linie darauf, die Zusammenarbeit mit
bulgarischen Subunternehmern und Joint Venture
Partnern in Zukunft zu verbessern. Das Interesse
an einem interkulturellen Handlungstraining ist
demgegenüber eher zweitrangig.
Reaktionen auf eine
„kritische Interaktionssituation“
Interkulturelle Begegnung verläuft:
1. erwartungsgemäß
-
Ähnlichkeit
Gleichheit
Bestätigung
konsistente Gefühlslage
konsonante Kognitionen
Sicherheit
Orientierungsklarheit
Fortsetzung der Beziehung
2. erwartungswidrig
-
Erstaunen
Nachdenklichkeit
Verunsicherung
Unzufriedenheit
Verärgerung
Missachtung
Hintergangenwerden
Abneigung
Enttäuschung
Wut
Aggressivität
Abbruch der Beziehung
Fiedler et al. (1971) entwickelten folgende
Kriterien für eine KI:
• Eine gute KI sollte eine alltägliche, authentische
Begegnungssituation mindestens zweier Personen unterschiedlicher kultureller Herkunft beschreiben.
• Diese sollte von den Beteiligten als konflikthaft
oder unverständlich erlebt werden und
• bei ausreichenden Kenntnissen über die
Zielkultur eindeutig interpretierbar sein, d.h. der
dargestellte Konflikt begründet sich in
kulturellen Unterschieden.
• Die Situation sollte kurz beschreibbar, nicht zu
komplex sein und sich auf einen bestimmten
Bereich beschränken.
• Es sollte ausreichende Hintergrundinformation
für das Verständnis der Situation gegeben werden.
• Die Situation muss typisch und plausibel sein.
Das interkulturelle Interview
1. Vorbereitung des Interviews
-
Inhalte
Befragungsmethode
Protokollierung
Information an die Ip
2. Akquisition der Ip
-
Wer?
Wie?
Womit?
individuell / Gruppe
mündlich / schriftlich
3. Durchführung des Interviews
-
Einzelinterview - Gruppeninterview
Aufwärmphase
Hinführungsphase zum Thema
Interviewführung
Motivierung
verbales Feedback
Protokollierung
verbale Validierung
Interview als:
Leistungstest
Lernprozess
Gespräch
4. Datensicht / -auswertung
- Texttranskription
Auswahl
komplett
5. Konsequenz / Nachhaltige Wirkungen
- Was habe ich erfahren?
- Was habe ich gelernt?
- Was ist mir unklar geblieben
6. Berichterstattung: - schriftlich
- mündlich
7. Ausformulierung von kritischen Interaktionssituationen
8. Funktionen des Interviews
- Interview als Informationsquelle
- Interview als interkulturelles Handeln
Ablaufplan des Kategorisierungsprozesses zur
Ermittlung der Kulturstandards
Das Interview als problematische
interkulturelle Kommunikationssituation
Ein deutscher Interviewer befragt einen chinesischen Manager, der in Deutschland
studiert und promoviert hat und der für eine deutsche Firma in Shanghai arbeitet, über
seine Erfahrungen und Beobachtungen unterschiedlichen Verhaltens zwischen Deutschen und Chinesen. Erfragt werden sollen Verhaltensweisen deutscher Manager in
China, die für Chinesen unerwartet, ungewohnt und unverständlich sind. Die chinesischen Manager, die in deutsch-chinesischen Joint Venture tätig sind oder die einen
Arbeitsaufenthalt in Deutschland planen, sollten später auf die Bewältigung solcher
Situationen vorbereitet werden. Dabei entwickelt sich das Interview selbst allmählich
zu einer kulturell bedingt problematischen Interaktionssituation.
(Die wörtlichen Zitate stammen aus der Interviewmitschrift.)
Verhalten
Kognition
(Frage- und Antwortverhalten)
(Intentionen, Attributionen etc.)
Deutscher: „Mich interessieren Ihre eigenen Erlebnisse oder Beobachtungen im
Umgang mit Deutschen, bei denen sich die
Deutschen anders verhielten als sie es
erwarteten, und was für sie völlig unverständlich und nicht nachvollziehbar war.“
Deutscher: Ich spreche ihn als Experten
für interkulturelle Probleme an. Er muss sie
kennen, er wird sie mir schildern können.
Chinese: „In der Tat, es gibt da einen
großen Unterschied zwischen der deutschen Mentalität und der chinesischen
Mentalität.“
Chinese: Probleme zwischen Deutschen
und Chinesen auszubreiten, schickt sich
nicht, ist unhöflich. Mich als so unwissend
darzustellen, dass ich deutsches Verhalten
nicht verstehe, will ich nicht und ist eine
Zumutung. Eine allgemein gehaltene Zustimmung, dass es Unterschiede gibt, wird
den Frager wohl schon zufrieden stellen,
und das heikle Thema ist so erledigt.
Chinese: Also, ich soll ihm von meinen
Problemen mit Deutschen erzählen.
Deutscher: Er ist für mich der richtige
Interviewpartner, nun geht er in die Details.
Deutscher: „Fällt Ihnen da eine konkrete
Situation ein? Irgendetwas, was Sie
selbst erlebt oder beobachtet haben?“
Deutscher: Jetzt geht es los!
Chinese: „Im Moment nicht, nur generell
so.“
Chinese: Das ist doch wohl deutlich genug, aber nicht unhöflich.
Chinese: Was soll die Frage? Der hat
noch nicht verstanden, dass ich darauf im
Detail nicht eingehen will und kann.
Deutscher: Der hat noch immer nicht
richtig verstanden, auf was ich hinaus will.
Da muss ich etwas deutlicher werden.
Deutscher: „Wenn Sie vielleicht an Verhandlungen oder Besprechungen denken
oder solche Bereiche.“
Chinese: Dem muss ich jetzt klar machen,
dass ich keine Probleme mit den Deutschen habe, damit er mich positiv einschätzt und mit der persönlichen Fragerei
aufhört. Aber ich muss ihn auch höflich
behandeln.
Chinese: „Ja, für mich ist das natürlich
er-sichtlich, weil ich 12 Jahre in
Deutschland gewesen bin und die
deutsche Mentalität ein wenig kenne, und
ich bin selbst Chi-nese und kenne auch
die Chinesen. Für mich ist das
offensichtlich, aber für manche Chinesen,
die noch nie in Deutschland ge-wesen
sind und sich nur über die Sprache mit
den Deutschen verständigen können,
aber nichts von dem sozialen Hintergrund
wissen, da gibt es in der Tat Probleme.“
Deutscher: Also er kann doch von anderen etwas berichten, wenn er selbst keine
Probleme hat. Jetzt nachfassen!
Deutscher: „Haben Ihnen andere schon
mal von solchen Problemen berichtet,
oder was wäre für Sie eine Situation, wo
es für Sie ersichtlich wäre, und für
jemand, der die Deutschen nicht so gut
kennt, schwierig zu verstehen?“
Chinese: Der Deutsche will einfach nicht
verstehen. Jetzt wühlt er schon wieder in
Problemen.
Chinese: „Ich kann Ihnen momentan kein
konkretes Beispiel nennen. Das fällt mir
jetzt nicht ein. Es sind auch Kleinigkeiten,
die im Alltag öfter passieren, das fällt auch
nicht weiter auf. Denn was ist schon
Missverständnis, ein Missverständnis ist
der Schmierstoff des Lebens. Damit kann
man durchaus leben.“
Deutscher: Der weicht mir wieder aus;
aber so einfach kommst Du mir nicht
davon!
Deutscher: „Aber es kann ja auch zu ernsthaften Missstimmungen kommen, wenn
man etwas falsch versteht.“
Deutscher: Ich verstehe nicht, warum er
meine konkreten Fragen nicht beantwortet.
Warum weicht er immer aus? Versteht er
immer noch nicht, worum es hier geht, will
er es nicht verstehen, oder will er nicht mit
der Sprache heraus? Das ganze Drumherumgerede bringt nichts mehr. Ich werde
das Interview wohl beenden müssen.
Chinese: „Mit Chinesen ist das nicht so
leicht.“
Chinese: Wenn er schon nicht von der
peinlichen und primitiven Fragerei lassen
will, dann wäre es erträglicher, wenn die
Probleme deutscher Manager im Umgang
mit Chinesen angesprochen werden könnten.
Das Interviewthema verlagert sich nun mehr und mehr auf die
möglichen Probleme deutscher Manager, mit der Lebens- und
Arbeitssituation in China zurechtzukommen.