Transcript Mentoring für Akademikerinnen. Individuelle Erfolge und strukturelle
Dr. Ulle Jäger Soziologin & Supervisorin Zentrum Gender Studies Universität Basel
LMU Mentoring
Individuelle Erfolge, strukturelle Herausforderungen und Chancen für die Zukunft
Das Besondere an LMU Mentoring
Stichwort Frauen
Nur Professorinnen in der Rolle der Mentorin, viele sind bereits von Anfang an dabei An Fakultäten ohne Professorin wurden zunächst fachfremde Mentorinnen gefunden Frauenspezifische Veranstaltungen finden großen Anklang bei den Mentees Angebot nur für Frauen stößt auch auf kritische Resonanz in den Fakultäten
Das Besondere an LMU Mentoring
Stichwort Männer
Einbeziehung von Männern als Mentees wird nur sehr vereinzelt thematisiert Stärkere Einbeziehung von Professoren in das Programm wird mehrfach gewünscht Dort, wo Professoren einbezogen werden, führt das zu einer höheren Akzeptanz des Programms
Das Besondere an LMU Mentoring
Stichwort Finanzen
Hohe finanzielle Autonomie der Mentorinnen Gelder für zeitliche Entlastung der Mentorinnen Mentees können Programm an ihrer Fakultät mitgestalten Das heißt: Engagement und Beteiligung der Mentees ist möglich, gefragt und gewünscht
Das Besondere an LMU Mentoring
Stichwort Vielfalt/Differenz
Zentrale Angebote, die allen offen stehen Verschiedene Angebote an den Fakultäten Selbstverwaltung der Budgets durch der Mentorinnen eröffnet Raum für Vielfalt Differenzen zwischen verschiedenen Fächern und Fakultäten und Mentorinnen Individuell angepasste Förderung der Mentees
Dimensionen der Wirksamkeit
Individuelle Erfolge
Mentees profitieren in verschiedenen Bereichen: Aufhebung der Vereinzelung/Vernetzung Weiterbildung/Soft Skills Besondere Beziehung zur Mentorin Habilitandinnen heben die positive Wirkung der zeitlichen Entlastung durch Hilfskräfte hervor Zu den individuellen Erfolgen gehören Berufungen, Preise, Auslandsaufenthalte und insgesamt:
Entscheidungen für eine akademische Laufbahn
Dimensionen der Wirksamkeit
Individuelles und Strukturelles
Mentoring fördert Frauen individuell. Die Unterrepräsentanz von Frauen in der Wissenschaft hat strukturelle Ursachen.
Wie sieht es also mit der Veränderung der Strukturen aus? (Wie) Wirkt Mentoring strukturell?
Dimensionen der Wirksamkeit
Dimensionen struktureller Wirkung
1.
Institutionelle Verankerung 2.
Sensibilisierung für geschlechtsspezifische Karrierefragen 3.
Infragestellen der Regeln des Wissenschaftsfeldes
Strukturelle Wirkung
Institutionelle Verankerung:
Verstetigung des Programms in 2012 Mentorin bzw. Mentoringbeauftragte an allen Fakultäten Alumnae-Netzwerke entstehen Mentees als Mentorinnen aktiv („Stufenmentoring“)
Strukturelle Wirkung
Sensibilisierung
Zunehmende Aufmerksamkeit für Gleichstellungsfragen bei Mentees Verweis auf Mangel an Professorinnen an den Fakultäten Identifikation der weiblichen High Potentials an den Fakultäten
Strukturelle Wirkung
Infragestellung der Spielregeln
Das Thema „Zeit“ wird mehrfach thematisiert: Mentorinnen klagen über hohe zeitliche Belastung Mentees nehmen an Veranstaltungen nicht teil, Workshops müssen abgesagt werden.
Zweitägige Veranstaltungen werden durch eintägige ersetzt
Aktuelle Herausforderungen
„Man muss dafür glühen“
„Die Unterrepräsentanz von Wissenschaftlerinnen in den Führungspositionen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen wird unter anderem auch dem allgemein postulierten Erfordernis einer 100-prozentigen Verfügbarkeit von Wissenschaft ler(inne)n zur Erfüllung ihrer Aufgabe zugeschrie ben. (...) Andererseits wachsen die Widerstände von Nachwuchswissenschaftler(inne)n, sich diesem Diktat zu unterwerfen.“ Jutta Dahlhoff, Leiterin CEWS, 2013
Aktuelle Herausforderungen
Berufliches ... und Privates!
Volle berufliche Verfügbarkeit basiert auf voller privater Entlastung. Daraus folgt:
Private Geschlechterarrangements waren und sind von Bedeutung für berufliche Karrieren.
Das wird in aktuellen Untersuchungen zu Wissenschaft und Geschlecht zunehmend thematisiert.
Aktuelle Herausforderungen
Unterschiede zwischen den Geschlechtern
Wissenschaftler Haben häufiger Familie (abnehmende Tendenz) Stellen Karriere öfter an erste Stelle Leben öfter nach dem tradierten Modell Wissenschaftlerinnen Verzichten häufiger auf Karriere zugunsten von Kindern – oder umgekehrt Sind häufiger Teilzeit angestellt Leben häufiger in DCC-Konstellationen Leben häufiger mit Wissenschaftlern Verrichten mehr Hausarbeit
Aktuelle Herausforderungen
Verschränkung von Beruflichem und Privatem
Tradierte Arbeitsteilung „Mann Berufliches/Frau Privates“ macht Verschränkung unsichtbar verliert immer mehr an Bedeutung Egalitäre Arbeitsteilung „beide beides“ macht Verschränkung sichtbar hat hohe Bedeutung im Wissenschaftsfeld (hoher Anteil von DCCs)
Aktuelle Herausforderungen
Wandel als Herausforderung
Anteil von Frauen in der Wissenschaft und Anteil egalitärer Geschlechterarrangements steigen.
Wenn gewünscht ist, dass beide Geschlechter beides machen, ist eine Veränderung an beiden Polen notwendig, im Privaten und im Beruflichen.
Daraus folgt: Maßnahmen, die nur auf den beruflichen Erfolg zielen und die Maßstäbe des beruflichen Erfolges unangetastet lassen, greifen zu kurz.
Chancen für die Zukunft
Beruf und Familie
Berufliche Einschränkungen durch Elternschaft werden von Frauen selten thematisiert - außer von denen, die aussteigen.
Daher ein Beispiel von einem Mann Prof. Toni Tholen: Familienmännlichkeit und
künstlerisch-literarische Arbeit
Temporäre Einschränkung akzeptieren Begriff von „Arbeit“ verändern kleine, kürzere Texte statt großes Werk
Chancen für die Zukunft
Berufsbild Wissenschaft
Was könnte das übertragen auf das Berufsfeld Wissenschaft heißen?
Kritische Reflexion: der Anforderung unbegrenzter zeitlicher Verfügbarkeit der damit verbundenen Kriterien der Exzellenz, Internationalität, Mobilität neue/andere Standards für die Beurteilung wissenschaftlicher Arbeit
Chancen für die Zukunft
„Gut genug”!
Statt Selbstoptimierung in allen Bereichen
„Wie kann ich berufliche Karriere und Elternschaft
optimal vereinbaren?“ die Frage nach dem
„Was ist gut genug?”
Raum für Familie/Kinder, aber auch für Pflege, Politik, Soziales, Hobbies, Nichtstun, kurz: das Andere schaffen.
Ziel: Neue Selbstverständnisse von Wissenschaftler_in sein, die sich (explizit) zwischen exzellent und gut genug bewegen (dürfen/können).
Literatur
Dahlhoff, Jutta 2012. Мan mu ß daf ü r gl ü hen. Rahmenbedingungen wissenschaftlicher Arbeit unter Gleichstellungsaspekten.
Die Politische Meinung
Nr. 519, M ä rz/April 2013, S. 70-74.
J ä ger, Ulle 2011. Individuell Erlebtes strukturell betrachtet: Mentoring f ü r Akademikerinnen an Schweizer Universit ä ten. Femina Politica. Zeitschrift f ü r feministische Politikwissenschaft 2/2011: 122-126.
J ä ger, Ulle 2010. Do Little Strokes Fell Big Oakes? Mentoring within the Federal Program for Gender Equality at Swiss Universities and Its Impact on Academic Structures. S. 423-436 in: Gender Change in Academia: Remapping the Fields of Work, Knowledge, and Politics from a Gender Perspective, hrsg. von Birgit Riegraf, Brigitte Aulenbacher, Edith-Kirsch-Auw ä rter und Ursula M ü ller. Wiesbaden: VS-Verlag.
Tholen, Toni 2011. Familienm ä nnlichkeit und k ü nstlerisch-literarische Arbeit. Weimarer Beitr ä ge. Zeitschrift f ü r Literaturwissenschaft, Ä sthetik und Kulturwissenschaft 57/2011, S. 253-268.
Winnicott, D.W. 1971. Dt: Vom Spiel zur Kreativit ä t. Stuttgart: Klett-Cotta, 1985.