Die Schuldenkrise der EWU

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Transcript Die Schuldenkrise der EWU

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Die Schuldenkrise der EWU
Prof. Dr. Rainer Maure
-1-
Die Schuldenkrise der EWU 2010
Die Ursachen der Krise
➤ Die Krise kann auf das Zusammenspiel zweier Faktoren
zurückgeführt werden:
Ein Zinssatz für alle 17 Mitgliedsländer!
■
Wie in Makroökonomik, Kapitel 6.2.3. gesehen, können sich
die Geschäftsbanken aller Mitgliedsländer bei der EZB zu
einem Zinssatz refinanzieren, der immer nahe beim
Mindestbietungssatz liegt.
■
Eine Differenzierung des Hauptrefinanzierungssatzes nach
Ländern findet nicht statt.
■
Das hat zur Folge, dass die Zinssätze für Bankkredite
(insbes. Hypotheken- und Unternehmenskredite) in allen
Mitgliedsländern der EWU sich angeglichen haben
(„interest-rate-pass-through“).
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Die Schuldenkrise der EWU 2010
Die Ursachen der Krise
2.
Unterschiedliche Inflationsraten in den 17 Mitgliedsländer!
GDP Price Deflator Relative to Germany
Indices Relative to Germany (1999 = 100%)
130%
125%
120%
115%
110%
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105%
Euro area (16 countries)
Source: EU Commission, AMECO, Own Calculations
Prof. Dr. Rainer Maure
Ireland
Greece
Spain
2009
2008
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
100%
Portugal
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Die Schuldenkrise der EWU 2010
Die Ursachen der Krise
➤ Bei gleichen Nominalzinsen und unterschiedlichen
Inflationsraten divergieren die Realzinsen:
Realzins  Nominalzins  Inflation
ri

i

i
=> Länder mit hohen Inflationsraten haben niedrige Realzinsen!
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Länder mit niedrigen Inflationsraten haben hohe Realzinsen!
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Die Schuldenkrise der EWU 2010
Die Ursachen der Krise
➤ Konvergenz der Nominalzinsen & Divergenz der Realzinsen
am Beispiel der Zinssätze für 10jährige Staatsanleihen:
Variance Coefficients across the 12 EMU Founding Member States
1,5%
1,3%
1,1%
0,9%
0,7%
0,5%
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0,3%
0,1%
Jan. 97
-0,1%
Jan. 98
Prof.
Dr. Rainer
Maure
Source:
Eurostat,
Jan. 99
Own Calculations
Jan. 00
Jan. 01
Jan. 02
Jan. 03
Jan. 04
Jan. 05
Jan. 06
Jan. 07
Jan. 08
Nominal Interest Rates for 10-Year Government Bonds
Inflation Rates (HCPI)
Real Interest Rates for 10-Year Government Bonds
Jan. 09
Jan. 10
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Die Schuldenkrise der EWU 2010
Die Ursachen der Krise
➤ Divergenz der Realzinsen am Beispiel der Zinssätze für
10jährige Staatsanleihen:
Real Interest Rates for 10 Years Government Bonds (based on BIP-Deflator)
9,0%
8,0%
7,0%
6,0%
5,0%
4,0%
3,0%
2,0%
1,0%
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0,0%
Jan. 97 Jan. 98
-1,0%
Jan. 99 Jan. 00 Jan. 01
Jan. 02 Jan. 03 Jan. 04
Jan. 05 Jan. 06 Jan. 07 Jan. 08
Jan. 09 Jan. 10
-2,0%
-3,0%
-4,0%
Germany
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Maure
Source:
Eurostat,
Own Calculations
Spain
Greece
Ireland
Portugal
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Gleichgewichtszinsniveau,
in allen Ländern
Die Schuldenkrise
der EWUwenn
2010
gleiche Inflationsrate herrschen würde
Die die
Ursachen
der Krise
➤ Welche Folgen haben die unterschiedlichen Realzinsen für
den Kapitalmarkt:
r = Realzins
S(Y)
r = Realzins
S(Y)
Überschussangebot
an Krediten
rL *
r*
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rH*
I(Y)
S, I
Niedriginflationsland:
rL* = i*- πL
I(Y)
Überschussnachfrage
nach Krediten
S, I
Hochinflationsland:
rH* = i*- πH
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Der EMU Gesamtkapitalmarkt
ist im Gleichgewicht,
Die Schuldenkrise
der EWUwährend
2010 in den
Einzelländern ein Ungleichgewicht herrscht!
Die Ursachen der Krise
Der durchschnittliche Zinssatz entspricht dem Gleichgewichtszins:
(rL* + rH*) /2 = r*
r = Realzins
S(Y)
r = Realzins
S(Y)
Überschussangebot
an Krediten
rL *
r*
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rH*
I(Y)
S, I
Niedriginflationsland:
rL* = i*- πL
I(Y)
Überschussnachfrage
nach Krediten
S, I
Hochinflationsland:
rH* = i*- πH
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Die Schuldenkrise der EWU 2010
Die Ursachen der Krise
➤ Konsequenz der divergierenden Realzinsen:
➤
■
Das Hochinflationsland erhält durch niedrigeren Realzins
einen Anreiz, sich bei dem Niedriginflationsland zu
verschulden.
■
Das Niedriginflationsland erhält durch den höheren Realzins
einen Anreiz, Kredite an das Hochinflationsland zu vergeben.
Wenn diese Konstellation über mehrere Jahre anhält, verschuldet
sich das Hochinflationsland immer stärker bei dem
Niedriginflationsland.
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Akkumulierte Schuld  Summe der jährl.Kreditüberschussnachfrage
■

T
D
t 0
t
Dass ein solcher Mechanismus in der EWU über lange Zeit so
gewirkt hat, zeigt das folgende Schaubild:
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Die Schuldenkrise der EWU 2010
Die Ursachen der Krise
Bis April 2010 aufgelaufene Nettoauslandsverschuldung in Prozent des BIP und
durchschnittlicher Realzins von Januar 1999 bis Dezember 2009
120%
Nettoauslandsverschuldung
in % des BIP
100%
Je niedriger der Realzins, desto
höher die aufgelaufene
Nettoauslandsverschuldung
Portugal
Spain
Greece
80%
60%
Ireland
40%
Italy
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20%
0%
1,4%
-20%
France
Austria
Finland
1,9%
2,4%
Realzins
2,9%
Netherlands
Belgium
Germany
-40%
Quelle: Eurostat, Eigene Berechnungen
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Die Schuldenkrise der EWU 2010
Die Ursachen der Krise
Bis Dezember 2009 aufgelaufene Nettoauslandsverschuldung in Prozent des BIP und
durchschnittliche HVPI Inflationsrate von Januar 1999 bis Dezember 2009
120%
Nettoauslandsverschuldung in % des BIP
100%
80%
60%
Portugal
Je höher die Inflationsrate
(desto niedriger der Realzins),
desto höher die aufgelaufene
Nettoauslandsverschuldung
Spain
Greece
Ireland
40%
Italy
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20%
0%
1,4%
France
Finland
Austria
1,6%
1,8%
Inflationsrate
2,0%
2,2%
2,4%
2,6%
2,8%
3,0%
3,2%
Netherlands
-20%
Germany
Belgium
-40%
Quelle: Eurostat, Eigene Berechnungen
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Die Schuldenkrise der EWU 2010
Die Ursachen der Krise
International Net Debt Position of Eurozone Debtor and Creditor Countries
1500
Bn. Euro
1000
500
0
Jan. 98
Jan. 99
Jan. 00
Jan. 01
Jan. 02
Jan. 03
Jan. 04
Jan. 05
Jan. 06
Jan. 07
Jan. 08
Jan. 09
Jan. 10
-500
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-1000
-1500
Die Zunahme der Verschuldung der Hochinflationsländer ging mit dem
Aufbau einer Gläubigerposition in den Niedriginflationsländern einher.
Sum of Net International Debt Position of Spain, Greece, Ireland, Portugal
Sum of Net International Debt Position of Germany, Belgium, Luxembourg, Netherlands
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Source: Eurostat, Own Calculations
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Die Schuldenkrise der EWU 2010
Die Ursachen der Krise
➤
Wie war es möglich, dass dieser Verschuldungsprozess über
10 Jahre angehalten hat?
■ Der beschriebene Verschuldungsprozess kann zu einer sich
selbst verstärkenden Verschuldungsspirale (positiver
Rückkopplungseffekt) führen:
◆
◆
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◆
Prof. Dr. Rainer Maure
◆
Aus dem Niedriginflationsland fließen Kredite in das
Hochinflationsland.
Im Hochinflationsland werden diese Kredite für den Kauf von
Gütern verwendet. Die Nachfrage nach Gütern im
Hochinflationsland steigt also über das Produktionspotential
dieses Landes.
Wenn die nachgefragten Güter dann nicht handelbar sind - was
z.B. bei Immobilien oder bei vielen Dienstleistungen der Fall ist –
entsteht Überschussnachfrage nach Gütern im
Hochinflationsland.
Diese Überschussnachfrage erzeugt dann wiederum zu Inflation!
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Die Schuldenkrise der EWU 2010
Die Ursachen der Krise
◆
◆
◆
Im Niedriginflationsland kommt es durch die Kreditvergabe zu
einem Kaufkraftabfluss in das Hochinflationsland.
Wenn es dann nicht in Höhe des Kreditvolumens zu einer
Exportnachfrage aus dem Hochinflationsland kommt, resultiert im
Niedriginflationsland Überschussangebot.
Dieses Überschussangebot führt dann wiederum zu einer
niedrigeren Inflationsrate im Niedriginflationsland.
■ Wenn also, die mit den Krediten im Hochinflationsland
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nachgefragten Güter nicht perfekt handelbar sind, kommt es
zum Fortbestand der Inflationsdifferenzen!
■ Die folgende Kreislaufdarstellung verdeutlicht nochmals den
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Zusammenhang:
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Die Schuldenkrise der EWU 2010
Die Ursachen der Krise
➤ Sich selbst verstärkende Verschuldungsspirale:
Niedriger
(hoher)
Realzins im
HIL (NIL).
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Hohe
(niedrige)
Inflation im
HIL (NIL).
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Nachfrage
nach Gütern
sinkt im NIL.
Verschuldung
(Ersparnisbildung) im HIL
(NIL).
Nachfrage nach
nichthandelbaren Gütern
steigt im HIL.
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Die Schuldenkrise der EWU 2010
Die Ursachen der Krise
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➤ Wann kommt die Verschuldungsspirale zu Stillstand?
■ Mit der steigenden Verschuldung des Hochinflationslandes
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kommt es zu einer steigenden Wahrscheinlichkeit von
Kreditausfällen.
■ Sobald die Kapitalmärkte sich dessen bewusst werden,
steigen die Risikoprämien und damit die Realzinsen, die
das Hochinflationsland zahlen muss.
■ Dann resultiert also eine Anreiz für das Hochinflationsland,
seine Verschuldung zurückzufahren.
■ Wie die Erfahrungen in der EWU mit Griechenland,
Portugal, Irland und Spanien zeigen, kann es aber sehr
lange dauern, bis die Kapitalmärkte in dieser Form auf die
steigenden Ausfallrisiken reagieren. Mangelnde
Kapitalmarkteffizienz?
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Die Schuldenkrise der EWU 2010
Die Ursachen der Krise
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➤ Die Schuldenkrise der EWU ist also keine Staatsverschuldungskrise sondern eine Verschuldungskrise des
privaten Sektors der betroffenen Länder.
➤ Das machen auch die folgenden Schaubilder deutlich:
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Die Schuldenkrise der EWU 2010
Die Ursachen der Krise
Spanien
Verschuldungsquoten in Prozent des BIP und Entwicklung der Realzinsen
130%
Prozent des BIP
100%
120%
90%
110%
100%
80%
Je
90%
70%
80%
60%
70%
50%
60%
50%
40%
40%
30%
30%
20%
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20%
10%
10%
0%
Jan. 99
0%
Jan. 00
Jan. 01
Jan. 02
Jan. 03
Jan. 04
Nettogesamtverschuldungsquote des Landes
Quelle: Eurostat, Europäische Zentralbank, Eigene Berechnungen
Prof. Dr. Rainer Maure
Jan. 05
Jan. 06
Jan. 07
Jan. 08
Jan. 09
Schuldenstandsquote des Staates
Jan. 10
Reihe1
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Die Schuldenkrise der EWU 2010
Die Ursachen der Krise
Irland
Verschuldungsquoten in Prozent des BIP
Prozent des BIP
130%
80%
120%
70%
110%
60%
100%
50%
Je
40%
90%
30%
80%
20%
70%
10%
60%
0%
50%
-10%
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40%
-20%
30%
-30%
20%
-40%
10%
-50%
0%
-60%
Jan. 99
Jan. 00
Jan. 01
Jan. 02
Jan. 03
Jan. 04
Nettogesamtverschuldungsquote des Landes
Quelle:
Eurostat,
Europäische Zentralbank, Eigene Berechnungen
Prof. Dr. Rainer
Maure
Jan. 05
Jan. 06
Jan. 07
Jan. 08
Schuldenstandsquote des Staates
Jan. 09
Reihe1
Jan. 10
Reihe6
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Die Schuldenkrise der EWU 2010
Die Ursachen der Krise
Griechenland
Verschuldungsquoten in Prozent des BIP und Entwicklung der Realzinsen
130%
Prozent des BIP
130%
120%
120%
110%
110%
100%
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90%
100%
Je
90%
80%
80%
70%
70%
60%
60%
50%
50%
40%
40%
30%
30%
20%
20%
10%
10%
0%
0%
Jan. 99
Jan. 00
Jan. 01
Jan. 02
Jan. 03
Nettogesamtverschuldungsquote des Landes
Reihe1
Quelle: Eurostat, Europäische Zentralbank, Eigene Berechnungen
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Jan. 04
Jan. 05
Jan. 06
Jan. 07
Jan. 08
Jan. 09
Jan. 10
Schuldenstandsquote des Staates
Reihe2
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Die Schuldenkrise der EWU 2010
Die Ursachen der Krise
Portugal
Verschuldungsquoten in Prozent des BIP
130%
Prozent des BIP
130%
120%
120%
110%
110%
100%
90%
100%
Je
90%
80%
80%
70%
70%
60%
60%
50%
50%
40%
30%
40%
20%
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30%
10%
20%
0%
10%
-10%
0%
-20%
Jan. 99
Jan. 00
Jan. 01
Jan. 02
Jan. 03
Nettogesamtverschuldungsquote des Landes
Quelle: Eurostat, Europäische Zentralbank, Eigene Berechnungen
Prof. Dr. Rainer Maure
Jan. 04
Jan. 05
Jan. 06
Jan. 07
Jan. 08
Schuldenstandsquote des Staates
Jan. 09
Jan. 10
Reihe1
Reihe6
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Die Schuldenkrise der EWU 2010
4.2.6.2. Auswege aus der Krise
➤ Kurzfristig: Welche Maßnahmen zur Überwindung der Krise
sind möglich?
■ Die Regierungen der überschuldeten Länder haben die durch
Forderungsausfälle überschuldeten Banken übernommen.
Dadurch ist die Staatsschuld der Länder gestiegen.
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◆
Prof. Dr. Rainer Maure
Schuldenschnitt (=„Haircut“=Teilbankrott) => Problem:
Forderungsausfall bei kreditgewährenden Banken gefährdet
Finanzsektor („Lehman Brothers“-Effekt, „Banken Domino“)
◆ Restrukturierung durch „European Monetary Fund“ => Können
Länder wie Griechenland und Portugal eine IMF-mäßige
Sanierungskur verkraften? Politische Stabilität gewährleistet?
◆ Einführung von Euro-Bonds: Bis 40% oder 60% ihres BIPs
können die Länder ihre Staatsanleihen in einen einheitlichen EBond umschulden, für dessen Rückzahlung die Gemeinschaft
haftet. => Höhere Zinsbelastung für Deutschland? Anreiz zu
weiterer Staatsverschuldung?
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Die Schuldenkrise der EWU 2010
4.2.6.2. Auswege aus der Krise
➤ Langfristig braucht die EWU einen Mechanismus, der
Verschuldungsspiralen verhindert.
■ Für das Entstehen von Verschuldungsspiralen sind
Inflationsdifferenzen verantwortlich. Wie können diese
innerhalb einer Währungsunion verhindert werden?
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◆ Makrokoordination der Wirtschaftspolitik, „Europäische
Prof. Dr. Rainer Maure
Wirtschaftsregierung“ ? Leistungsbilanzquoten?
◆ Länderspezifische Geldpolitik der EZB: Unterschiedliche
Refinanzierungssätze (Banken in HIL zahlen mehr für EZBKredite)? Unterschiedliche Mindestreservesätze (Banken in
HIL müssen höhere Reserven halten)? Unterschiedliche
Eigenkapitalanforderungen (Basel III)? Besteuerung der
nationalen Kreditvergabe durch die EZB?
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