Strafen - Institut für Strafrecht und Kriminologie

Download Report

Transcript Strafen - Institut für Strafrecht und Kriminologie

Strafen des JStG
3. Kap., 3. Abschnitt JStG
Art. 21-35
A. Anwendung in der Praxis
Seit der Einführung des JStG können Strafen auch neben
Schutzmassnahmen angeordnet werden.
Zugeschnitten sind die Strafen jedoch auf die Fälle von
„normaler“ Jugendkriminalität, bei denen die persönlichen Voraussetzungen, die Anlass für eine Schutzmassnahme sind, nicht vorliegen. Strafen werden in der
Regel allein ausgesprochen, sie sind nach wie vor die
weitaus häufigsten Sanktionen.
Die richterliche Kompetenz liegt in der Deutschschweiz in
98% der Fälle bei den Jugendanwältinnen und Jugendanwälten, in der Westschweiz bei den Jugendrichtern
und Jugendrichterinnen, in beiden Modellen im Strafbefehlsverfahren.
Nur die (sehr seltenen) hohen Strafen, oder Verfahren, in
denen gegen einen Strafbefehl Einsprache erhoben
wurde, werden in beiden Modellen durch die Jugendstrafgerichte beurteilt.
Kriterien der Strafzumessung
Voraussetzung für jede Bestrafung ist das Vorliegen einer
Schuld, die als vorwerfbare Schwere der Tat umschrieben werden kann.
Davon unterschieden wird das «Verschulden» als Mass der
Strafzumessung. Ins Verschulden fliessen mit dem Vorleben und den persönlichen Verhältnissen weitere
Aspekte ein. Massgeblich für die Strafzumessung sind
aber nicht allein das Verschulden, sondern auch erzieherische, insbesondere spezialpräventive Gesichtspunkte.
Die beiden Massstäbe können sich widersprechen. Dabei
gilt, dass die dem Verschulden angemessene Höchststrafe aus erzieherischen Überlegungen nicht überschritten werden darf (Verschulden als Obergrenze),
wohl aber aus erzieherischen Überlegungen unterschritten werden kann.
Strafzumessung ist somit stärker individualisiert als im
Erwchsenenstrafrecht
Grenzen der Individualisierung
Nach BGE 94 IV 57 muss die Strafe vor allem dem Alter und der
gesamten Persönlichkeit des Jugendlichen angepasst sein, und
zwar so, dass sie sich auf seine Weiterentwicklung nicht hemmend
oder schädlich auswirke, sondern sie im Gegenteil günstig beeinflusse. Im Rahmen der erzieherischen Überlegungen spielt vor
allem die Strafempfindlichkeit eine Rolle, d.h. die mutmassliche
Wirkung der Strafe auf das Verhalten des Jugendlichen.
Allerdings muss im Hinblick auf Gleichbehandlung, Akzeptanz und
Glaubwürdigkeit, aber wohl auch mit Rücksicht auf die positive
Generalprävention eine gewisse Relation zu den begangenen
Straftaten gewahrt bleiben. Auf ein wirklich schweres Delikt kann
nicht mit einem Verweis reagiert werden, auch wenn das im
Einzelfall erzieherisch sinnvoll und vom Gesetz her möglich wäre.
Auch daran zeigt sich, dass das Jugendstrafrecht kein reines
Täterstrafrecht ist.
B. Strafbefreiung, Art.21
Art.21 sieht in Abs.1 sechs Fälle von Strafbefreiung vor.
Teilweise handelt es sich um Gründe, die auch im
Erwachsenen-Strafrecht vorgesehen sind, teilweise
wurden die bereits im frühern Jugendstrafrecht
enthaltenen Gründe sinngemäss übernommen.
Allerdings handelt es sich im Gegensatz zu den ehemaligen Art.88 und 98 aStGB nicht mehr um eine KannRegel, sondern um eine zwingende Bestimmung
(„Die urteilende Behörde sieht von einer Bestrafung ab“).
Dennoch besteht in allen sechs Fällen ein grosser
Ermessens-Spielraum, nämlich in der Frage, ob die
offen formulierten Voraussetzungen erfüllt sind oder
nicht. Art.21 verwendete viele unbestimmte Gesetzesbegriffe wie „geringe Schuld“, Wiedergutmachung „so
weit als möglich“, Strafe „unangemessen“, „genug
bestraft“, „verhältnismässig lange Zeit“.
Meist Verfahrenseinstellung
Der Art.21 Abs.1 ist als Entscheid der urteilenden Behörde
formuliert, kommt aber in diesem Bereich weniger oft zur
Anwendung, weil in den meisten Fällen, in denen diese
Gründe zutreffen, gemäss Art.5 Abs.1 lit.a JStPO (der
ausdrücklich auf Art.21 Abs.1 JStG Bezug nimmt) bereits
im Vorfeld der richterlichen Beurteilung die Strafuntersuchung eingestellt wird.
Das ist nicht nur verfahrensökonomisch vernünftig, sondern
in der Regel auch erzieherisch sinnvoll. Die Einstellung
oder die Strafbefreiung müssen gegenüber dem Jugendlichen allerdings so begründet werden, dass sie nicht als
Billigung oder Verharmlosung der begangenen Straftaten missverstanden werden können.
Nachfolgend werden die lit. a - f von Art.21 Abs.1 einzeln
behandelt.
lit.a. Gefährdung einer Massnahme
Gefährdung einer früher angeordneten oder im laufenden
Verfahren anzuordnenden Schutzmassnahme: Es sind
somit zwei Fälle möglich:
1. Die Befreiung zielt zunächst auf Jugendliche ab, die in
einem früheren Verfahren zu einer Massnahme
verurteilt worden sind und während deren Vollzug
erneut beurteilt werden. Sind mit der laufenden
Massnahme schon Erfolge erzielt worden, ist nach
Meinung des Gesetzgebers nicht auszuschliessen,
dass diese durch die Verhängung einer Strafe im
neuen Verfahren gefährdet werden könnten.
Auch von der aktuellen Bestrafung
kann abgesehen werden
2. Es kann auch von einer gleichzeitigen Bestrafung
abgesehen werden, wenn im gleichen Verfahren eine
Schutzmassnahme verhängt wird. Voraussetzung ist, dass
angenommen werden muss, die Strafe gefährde den Erfolg
der Massnahme, insbesondere weil eine negative Reaktion
des Jugendlichen zu erwarten ist.
Das könnte speziell dann der Fall sein, wenn eine einschneidende Massnahme auf Grund relativ leichter Delikte
angeordnet wird, z.B. eine stationäre Suchtbehandlung als
Reaktion auf die Übertretung Drogenkonsum.
lit.a auch bei drohender Sabotage
einer Unterbringung?
Noch nicht geklärt ist, ob Art.21 Abs.1 lit.a auch angewendet werden kann, wenn zu befürchten ist, ein Jugendlicher werde den Vollzug einer Unterbringungsmassnahme sabotieren, weil er sich ausrechnet, dass er nach
deren Abbruch und dem danach angeordneten Vollzug
des Freiheitsentzugs früher entlassen wird.
Vereinzelt wendet die Praxis die Bestimmung in diesem
Sinn an. Vom Wortlaut her scheint das durchaus möglich, doch spricht gegen diese Interpretation, dass der
Gesetzgeber ausschliesslich von einer Anwendung zu
Gunsten des Jugendlichen ausgegangen ist. Das Problem der drohenden Verweigerung wäre de lege ferenda
wohl eher dadurch zu lösen, dass die in der Schutzmassnahme verbrachte Zeit in solchen Fällen nicht
zwingend auf die Strafe anzurechnen wäre.
lit.b. Bagatellfälle
Wie im Erwachsenenstrafrecht (Art.52
StGB) wird in Bagatellfällen (geringe
Schuld und geringe Tatfolgen) von einer
Bestrafung abgesehen, weil kein Strafbedürfnis, und damit kein öffentliches
Interesse besteht.
Besonders in diesen Fällen sollte gestützt
aus das Opportunitätsprinzip bereits auf
das Strafverfahren verzichtet werden.
lit.c. Wiedergutmachung
Das Absehen wegen Wiedergutmachung, ehemals in Art.
88 und 98 aStGB geregelt, wurde präziser formuliert.
Wiedergutmachung ist auch im Erwachsenenstrafrecht als
Strafbefreiungsgrund vorgesehen (Art.53 StGB), dort
eingeschränkt auf Straftaten, welche die Voraussetzungen für eine bedingte Strafe erfüllen.
Durch die Wiedergutmachung soll der öffentliche Friede
wiederhergestellt werden, weil der zugrunde liegende
Konflikt zwischen Täter und Opfer privat gelöst wird.
Der Jugendliche muss entweder den Schaden „so weit
als möglich durch eigene Leistung“ wiedergutgemacht
haben (Zahlung durch die Eltern genügt nicht) oder
eine „besondere Anstrengung unternommen“ haben,
„um das von ihm begangene Unrecht auszugleichen“.
Inhalt der Wiedergutmachung
Entscheidend ist, dass der Jugendliche die Tat aufarbeitet
und den Ausgleich mit dem Geschädigten aktiv anstrebt.
Die Ausgleichsleistung kann in der Rückgabe einer gestohlenen Sache, einem Schadenersatz, einem Geschenk oder einer Arbeitsleistung bestehen. Bei Jugendlichen kann auch eine symbolische Wiedergutmachungsleistung in Frage kommen.
Entscheidend ist nicht der Wert der Rückleistung, sonst
wären wohlhabende Täter bevorzugt. Vielmehr kommt
es auf die Motive des Jugendlichen an, weiter darauf, ob
die Schwere der Tat und der Umfang der Wiedergutmachungsleistung in einem angemessenen Verhältnis
stehen, und ob die Leistung für das Opfer objektiv
glaubwürdig sein kann.
Interessen der Öffentlichkeit
Bei den in Art.21, Abs.1 lit.c vorbehaltenen Interessen der Öffentlichkeit kann es sich um solche
der Generalprävention oder der Gewaltprophylaxe handeln.
So dürfte bei ehemals tabuisierten Delikten (häusliche Gewalt, sexuelle Übergriffe im Nahbereich,
Gewalt gegen Kinder) ein Absehen von Strafe in
der Regel dem öffentlichen Interesse widersprechen. Denn ein solches Vorgehen würde
der kriminalpolitischen Zielsetzung zuwider
laufen, diese Verhaltensweisen nicht mehr wie
früher als Privatangelegenheit zu behandeln.
Interessen der Geschädigten
Im Rahmen der in Art.21 Abs.1 lit.c ebenfalls
vorbehaltenen Interessen der Geschädigten kann
es nicht auf deren subjektive Meinungsäusserung
ankommen, sondern auf rechtliche geschützte
Interessen, die nach objektiven Überlegungen zu
bestimmen sind.
Ein schützenswertes Interesse kann z.B. darin
liegen, dass die Wahrung von Schadenersatzansprüchen vom Ausgang des Strafverfahrens
abhängt.
lit.d. Eigene Betroffenheit
Wie im Erwachsenenstrafrecht (Art.54
StGB) wird von einer Bestrafung abgesehen, wenn der Jugendliche durch die
Folgen der Tat schwer betroffen ist.
Das kann z.B. zutreffen, wenn der Jugendliche bei dem von ihm verschuldeten
Verkehrsunfall selbst schwer verletzt
worden ist oder eine ihm nahe stehende
Person verloren hat.
lit.e. Bereits erfolgte Bestrafung
Wie im alten Jugendstrafrecht (Art.88 und 98 aStGB) wird auf eine
Ahndung verzichtet, wenn der Jugendliche durch ErziehungsPersonen (Eltern, Schule etc.) „schon genug bestraft worden ist“.
In der Beurteilung, was „genug“ ist, liegt ein weiter Ermessensspielraum.
Als Kriterien für die Beurteilung können folgende Gesichtspunkte eine
Rolle spielen: Sind dem Jugendlichen klar Grenzen aufgezeigt
worden? Hat eine Auseinandersetzung über sein Verhalten statt
gefunden, aus der er Lehren gezogen hat? War die Sanktion dem
Fehlverhalten angemessen, so dass sie von allen Beteiligten als
Bestrafung objektiv akzeptiert werden konnte? Hat die Auseinandersetzung zu einer Einsicht geführt, worauf das strafbare
Verhalten nicht mehr aufgetreten ist?
Vermutlich kann die vom Bundesgericht zum Fristablauf (lit.f.) entwickelte Formel, wonach das Verhalten seit der Bestrafung „auf
eine innere Umkehr schliessen“ lassen müsse (BGE 100 IV 20),
auch hier angewendet werden.
lit.f. Zeitablauf
Keine Bestrafung erfolgt, wenn „seit der Tat verhältnismässig lange Zeit
verstrichen ist“. Im Gegensatz zu früher (Art.88 aStGB: drei
Monate für Kinder, und Art.98 aStGB: ein Jahr für Jugendliche)
sind keine Fristen mehr festgelegt.
Anhaltspunkte ergeben sich aus den kurzen Verjährungsfristen gemäss
Art.36. Danach kann angenommen werden, dass die Zeit in
jedem Fall „verhältnismässig lang“ ist, wenn zwei Drittel der
jeweiligen Verjährungsfrist vergangen sind[1]. Wie weit schon
vorher von einer verhältnismässig langen Zeit gesprochen werden
kann, hängt vom Alter, aber auch von der Schwere des Delikts
und der Betroffenheit des Opfers ab.
Bei Kindern, die den Zusammenhang mit der Tat nach einiger Zeit nicht
mehr herstellen können, ist die Strafbefreiung früher gerechtfertigt
als bei älteren Jahrgängen. Von einer Strafe kann sodann umso
eher abgesehen werden je länger die seither verstrichene Zeit
und je leichter die Straftat sind : Das lässt sich dadurch rechtfertigen, dass bei schwereren Delikten auch die Erinnerung länger
haften bleibt.
Der Jugendliche muss sich seither wohl verhalten haben. Das BGer hat
das in die Formel gefasst, das Verhalten seit der Tat müsse „auf
eine innere Umkehr schliessen lassen“, BGE 100 IV 20.
[1] Stratenwerth, AT II, § 6, N 103
Strafbefreiung wegen Mediation
Art.21, Abs.3 aJStG, der in der ursprünglichen
Gesetzesfassung die Möglichkeit der Mediation
im gerichtlichen Verfahren vorsah, ist mit der
Einführung der JStPO genauso wie Art.8 aJStG,
der die Mediation im Untersuchungsverfahren
ermöglichte, aufgehoben worden.
Dass eine Mediation aber nach wie vor in allen
Verfahren durchgeführt werden kann und im
Erfolgsfall zu einer Einstellung des Verfahrens
führt und deshalb einen weitern Strafbefreiungsgrund darstellt, ergibt sich aus Art.17 JStPO.
C. Verweis, Art.22 Abs.1
Die urteilende Behörde spricht den Jugendlichen schuldig
und erteilt ihm einen Verweis, wenn dies voraussichtlich
genügt, um den Jugendlichen von weitern Straftaten
abzuhalten. Der Verweis besteht in einer förmlichen
Missbilligung der Tat.
Der Verweis ist die erste der im Gesetz in aufsteigender
Reihenfolge geregelten Strafen.
Der Verweis ist ein Tadel, er appelliert an den guten Willen
und an das Verantwortungsgefühl des Jugendlichen.
Damit er in diesem Sinne wirkt, sollte er dem Jugendlichen eigentlich persönlich eröffnet und begründet und
nicht bloss, wie das im Rahmen des Strafbefehlsverfahrens meist geschieht, schriftlich mitgeteilt werden.
Verweis ist eigenständige Strafe
Der Verweis hat zwar Verwarnungscharakter, er ist
aber mehr als eine „gelbe Karte“. Er ist eine eigenständige Strafe des Jugendstrafrechts. Der symbolische Charakter einer Grenzen setzenden
Sanktion kommt darin am klarsten zum Ausdruck.
Während im Erwachsenenstrafrecht der Verweis,
dort „Verwarnung“ genannt, nur in Spezialgesetzen vorgesehen ist, stellt er im Jugendstrafrecht nach der persönlichen Leistung die am
zweithäufigsten angewendete Sanktion dar.
Voraussetzungen
Der Verweis setzt eine günstige Legalprognose voraus: Er
muss voraussichtlich genügen, “um den Jugendlichen
von weiteren Straftaten abzuhalten“. Die Anwendung
des Verweises erfordert, dass der Jugendliche sich auf
eine solche Warnstrafe ansprechen lässt.
Aus der gesetzlichen Formulierung könnte geschlossen
werden, dass der Verweis unabhängig von der Schwere
des Delikts in allen Fällen anzuwenden wäre, wo eine
günstige Prognose gegeben ist. Danach könnte ein
Schwerverbrechen, bei dem keine Wiederholungsgefahr
besteht, mit einem Verweis bestraft werden. Eine solche
Auslegung stünde aber im Widerspruch zum übergeordneten Schuldprinzip.
Obwohl im Gesetz nicht eingeschränkt, kommt der Verweis
als mildeste Strafart nur für leichtere Straftaten und in
der Regel nur bei der ersten Verurteilung in Betracht.
Alternative: Verweis mit Probezeit
Art.22 Abs.2: Die urteilende Behörde kann dem Jugendlichen zusätzlich eine Probezeit von sechs Monaten bis zu zwei Jahren und
damit verbundene Weisungen auferlegen. Begeht der Jugendliche
während der Probezeit schuldhaft eine mit Strafe bedrohte Tat oder
missachtet er die Weisungen, so kann die urteilende Behörde eine
andere Strafe als einen Verweis verhängen.
Im Unterschied zum früheren Jugendstrafrecht ist vorgesehen, dass
der Verweis mit einer Probezeit und mit Weisungen verbunden
werden kann. Mit diesem Instrument ist der „Aufschub des Entscheids“, der im früheren Jugendstrafrecht in Art.97 aStGB vorgesehen war, ersetzt worden. Wenn der Jugendliche die Probezeit
nicht besteht, oder wenn er die Weisungen nicht befolgt, kann die
urteilende Behörde eine andere Strafe (für die ursprünglichen
Delikte) verhängen. Im Gegensatz zu früher ist die nachträgliche
Anordnung einer Massnahme allerdings nicht mehr möglich.
Problematik des Verweises mit
Probezeit
Der Verweis mit Probezeit ist im Hinblick auf die
ne-bis-in-idem-Problematik nicht unbedenklich,
weil nicht wie bei der bedingten Strafe nur der
Vollzug aufgeschoben wird. Der Verweis ist mit
dem Aussprechen bereits vollzogen.
Eine Lösung dieses dogmatischen Problems kann
in der Interpretation gesucht werden, wonach
nicht der endgültige Strafentscheid aufgeschoben wird, sondern das Absehen von der eigentlich von Anfang an gerechtfertigten härteren
Strafe (eine Art bedingt aufgeschobene Strafbefreiung).
Nutzen des Verweises mit
Probezeit
Trotz der Problematik ist der Verweis mit Probezeit
vom Erziehungsgedanken her eine sinnvolle
Neuerung. Denn damit kann die Warnfunktion
des Verweises konkretisiert und seine präventive Wirkung verstärkt werden.
Dem Jugendlichen wird signalisiert, dass sein weiteres Verhalten entscheidend ist und beobachtet
wird. Die kriminologische Erkenntnis, wonach
die meisten Jugenddelikte Episode bleiben,
rechtfertigt dieses Vorgehen.
Im Ergebnis wird mit dem Verweis mit Probezeit
eine ähnliches Ergebnis erzielt, wie es im angloamerikanischen Bereich mit dem Instrument der
Probation angestrebt wird.
D.Persönliche Leistung Art.23
1. Arbeitsleistung, Art.23 Abs.1
Der Jugendliche kann zu einer persönlichen Leistung zu
Gunsten von sozialen Einrichtungen, von Werken im
öffentlichen Interesse, von hilfsbedürftigen Personen
oder des Geschädigten mit deren Zustimmung verpflichtet werden. Die Leistung hat dem Alter und den
Fähigkeiten des Jugendlichen zu entsprechen. Sie wird
nicht entschädigt.
Diese Variante der persönlichen Leistung führt die frühere
Arbeitsleistung (Art.87 aStGB und Art.95 aStGB) weiter,
die schon damals die häufigste Strafart war.
Neben Arbeitsleistungen können neuerdings auch andere
Leistungen, insbesondere die Teilnahme an Kursen oder
Freizeitprogrammen angeordnet werden (folgt unter 2.).
Inhalt der persönlichen Leistung
In den weitaus meisten Fällen besteht die Leistung
somit auch unter der neuen Bezeichnung in
einem Arbeitseinsatz zu Gunsten von sozialen
Einrichtungen oder Werken des öffentlichen
Dienstes, ausnahmsweise zu Gunsten der
genannten Privatpersonen.
Zum Wesen der Arbeitsstrafe gehört, dass sie
unentgeltlich geleistet wird.
Als Arbeiten kommen vor allem Einsätze in öffentlichen oder gemeinnützigen Betrieben in Frage,
in einer Stadtgärtnerei, in einem Werkhof, bei
der Feuerwehr, in Museen, auf Sportplätzen, in
Schulhäusern, bei Verkehrsbetrieben, auf RobiSpielplätzen, in Spitälern oder Altersheimen
(allerdings nicht im Pflegebereich).
Bedeutung der Arbeitsstrafe
Die Arbeitsleistung ist eine pädagogisch speziell
sinnvolle Sanktion, weil sie sich nicht im passiven Erdulden eines Übels erschöpft, sondern
einen aktiven Einsatz erfordert. Entscheidend ist
allerdings, dass sie behutsam ausgesucht und
auf das Alter sowie die Fähigkeiten und Bedürfnisse des Jugendlichen abgestimmt wird.
Wenn eine Arbeitsleistung als blosse Schikane
oder als sinnlose Beschäftigung ausgestaltet ist,
verliert sie ihre erzieherische Funktion.
Deshalb müssen auch die „Arbeitgeber“ und Veranstalter sorgfältig ausgewählt, eingeführt und
begleitet werden.
Unterschiedliche Anwendung
Die Persönliche Leistung wird in den Kantonen
unterschiedlich häufig angewendet.
Während sie 2008 in der ganzen Schweiz in 46%
aller Urteile angeordnet wurde, waren es im Kt.
Bern 57%, im Kanton Glarus dagegen nur 13%.
Die Unterschiede hängen damit zusammen, wie
viel geeignete Arbeitsplätze zur Verfügung stehen.
Das zeigt, wie wichtig die Anstrengungen der Vollzugsbehörden sind, gute Angebote zu finden und
zu pflegen.
Einverständnis?
Im Gegensatz zur Gemeinnützigen Arbeit im
Erwachsenenstrafrecht (Art.37 StGB) ist keine
ausdrückliche Zustimmung des Verurteilten
erforderlich. Im Lichte der in den internationalen
Standards festgehaltenen Zwangsarbeitsverbote[1] ist das nicht unbedenklich.
Allerdings macht die Anordnung einer Arbeitsleistung auch gar keinen Sinn, wenn der Jugendliche nicht bereit ist, die Leistung zu erbringen. Eine faktische Akzeptanz ist deshalb
immer erforderlich, auch wenn die Zustimmung
nicht ausdrücklich erklärt werden muss.
[1] Insbesondere Art.4, Abs.2 EMRK
Arbeitseinsätze in Lagern
Von Caritas und andern Anbietern werden Lager
organisiert, wo Arbeiten für Bergbauern, für die
Umwelt oder für den Unterhalt von Wanderwegen geleistet werden.
Im regelmässig in der Nähe von Thun stattfindenden einwöchigen Gwatt-Lager wird am Vormittag gearbeitet, am Nachmittag werden
Freizeitgruppen und am Abend geleitete Gespräche durchgeführt.
Arbeiten zu Gunsten von Geschädigten
Als Alternative sieht Art. 23 Abs.1 vor, dass
Arbeiten zu Gunsten der Geschädigten mit deren
Zustimmung angeordnet werden können. Mit
solchen Leistungen lässt sich ausnahmsweise
eine Wiedergutmachung im engeren Sinne anstreben.
Allerdings bedürfen diese Einsätze einer speziell
sorgfältigen Vorbereitung und Betreuung. Denkbar
ist z.B. die Anordnung, dass ein verunreinigtes
Gelände zu säubern ist, oder dass für ein betagtes
Opfer einfache Hilfsdienste zu leisten sind.
Weitere Arbeitseinsätze
Schliesslich können gemäss Art.23 Abs.1 auch
Leistungen für „hilfsbedürftige Personen“
angeordnet werden. Am ehesten ist dabei an
Einsätze zu denken, die von Organisationen der
Behinderten- oder Altershilfe organisiert werden,
ausnahmsweise können auch Personen aus
dem individuellen Umfeld des Jugendlichen in
Betracht kommen.
Ausgeschlossen sind Leistungen für andere Privatpersonen oder für gewinnorientierte Unternehmen, hier wäre das Ausbeutungsrisiko zu gross.
Persönliche Leistung: Kurse o.ä.
2. Teilnahme an Kursen oder ähnlichen Veranstaltungen, Art.23 Abs.2
Als persönliche Leistung kann auch die Teilnahme an
Kursen oder ähnlichen Veranstaltungen angeordnet
werden.
Die „Kurse oder ähnliche Veranstaltungen“ können offene,
nicht nur für Straftäter bestimmte Veranstaltungen sein,
z.B. Sozialkompetenz-Trainings, Verkehrsunterricht,
Gesundheitskurse oder Angebote im Zusammenhang
mit Freizeitaktivitäten, Sexualerziehung, Alkohol oder
Drogen (Suchtpräventionskurse, Kifferkurse).
Es kann sich aber auch um gezielte Täterprogramme
handeln, z.B. soziale Trainingskurse für gewaltbereite
Täter, Sexualdelinquenten oder Strassenverkehrstäter.
Riedo (Jugendstrafrecht 149) will solche Programme nur
im Rahmen von ambulanten Behandlungen zulassen,
verkennt aber wohl deren pädagogischen Charakter.
Beispiele für gezielte Programme
Besonders aktuell sind in diesem Zusammenhang AntiAggressivitäts-Trainings (AAT, Stopp-Gewalt, CoolnessTraining, an verschiedenen Orten angeboten) sowie
Multisystemische Anti-Aggressivitäts-Programme
(MAAP, vor allem im Kanton Bern).
Bei Delikten, die in Gruppen begangen wurden, können die
Beteiligten verpflichtet werden, einen destruktiven Gruppenprozess mit einer Fachperson aufzuarbeiten (sog.
Gruppenworkshops).
Bei der sozialkognitiven Methode „Denkzeit“ arbeitet ein
ausgebildeter Trainer über ca. 40 Sitzungen einzeln mit
einem Jugendlichen.
In der Ostschweiz bietet das Forensische Institut forio verschiedene Gruppenprogramme an.
Ein Programm, das mit Freizeit- und Arbeitseinsätzen eine
Tagesstruktur für „herumhängende“ Jugendliche zu
vermitteln sucht, organisiert im Kanton Basel-Land das
Projekt „Take-off“.
Massnahmen-ähnlicher Charakter
Die Teilnahme an Kursen oder ähnlichen Veranstaltungen
hat in der Praxis einen Massnahmen-ähnlichen
Charakter. Tatsächlich können solche Veranstaltungen
auch im Rahmen von ambulanten Schutzmassnahmen
durchgeführt werden. Das Strafmass im Rahmen der
Persönlichen Leistung kann deshalb nur teilweise nach
dem Verschulden festgelegt werden. Es macht keinen
Sinn, einen halben Kurs zu besuchen, nur weil das
Verschulden geringer ist.
Doch können Verschuldensunterschiede dadurch ausgeglichen werden, dass im Gegensatz zu den Arbeitsleistungen nach Abs.1 die Teilnahme an Kursen oder
ähnlichen Veranstaltungen gemäss Art.33 zusätzlich mit
einer Busse verbunden werden kann.
Die Busse kann auch dazu dienen, den Strafcharakter zu
betonen, wenn ein bestimmter Kurs zu wenig als Strafe
empfunden wird.
Dauer der persönlichen Leistung
Art.23 Abs.3
Die persönliche Leistung dauert höchstens zehn
Tage. Für Jugendliche, die zur Zeit der Tat das
15. Altersjahr vollendet und ein Verbrechen oder
ein Vergehen begangen haben, kann die
persönliche Leistung bis zu einer Dauer von drei
Monaten angeordnet und mit der Verpflichtung
verbunden werden, sich an einem bestimmten
Ort aufzuhalten.
Umfang der persönlichen Leistung
Im Gegensatz zum früheren Jugendstrafrecht, wo die
Einzelheiten der Arbeitsstrafe nicht geregelt waren,
finden sich im Art.23, Abs.3-6, Präzisierungen zur
möglichen Dauer und zu den Konsequenzen, falls die
Leistung nicht erbracht wird.
Persönliche Leistungen können gegenüber jüngeren
Jugendlichen (unter 15 Jahren) zwischen einem und
höchstens 10 Tagen angeordnet werden.
Für Jugendliche, die das 15. Altersjahr vollendet haben,
kann die persönliche Leistung bis zu einer Dauer von 3
Monaten angesetzt und mit der Verpflichtung verbunden
werden, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten, z.B.
an einem Lager-Ort.
Tagespensum nicht geregelt
Nicht geregelt ist die Dauer der einzelnen Einheit,
doch können die 4 Stunden, die bei den Erwachsenen als Tagessatz gelten, wohl eine
Richtlinie sein.
Allerdings gibt es Kantone, die eine Tagesleistung
von 8 Stunden anwenden, mit der Begründung,
Jugendliche verfügten über mehr Zeit. Doch
können auch Jugendliche berufstätig sein, oder
sie sind in einen Schulbetrieb eingespannt. Es
lässt sich deshalb kaum rechtfertigen, dass die
gleiche Strafart für Jugendliche viel härter gehandhabt wird als für Erwachsene.
Vollzug der persönlichen Leistung
Art.23 Abs.4-6
4 Wird die Leistung nicht fristgemäss oder mangelhaft
erbracht, so ermahnt die vollziehende Behörde den
Jugendlichen unter Ansetzung einer letzten Frist.
5 Bleibt die Mahnung ohne Erfolg und hat der
Jugendliche zur Zeit der Tat das 15. Altersjahr nicht
vollendet, so kann er verpflichtet werden, die Leistung
unter unmittelbarer Aufsicht der vollziehenden Behörde
oder einer von ihr bestimmten Person zu erbringen.
6 Bleibt die Mahnung ohne Erfolg und hat der
Jugendliche zur Zeit der Tat das 15. Altersjahr vollendet,
so erkennt die urteilende Behörde:
a. an Stelle einer Leistung bis zu zehn Tagen auf Busse;
b. an Stelle einer Leistung über zehn Tagen auf Busse
oder Freiheitsentzug; der Freiheitsentzug darf die Dauer
der umgewandelten Leistung nicht übersteigen.
1. Vollzug der Leistung bei Kindern
Was geschieht, wenn nicht geleistet wird?
Wird die Leistung nicht fristgemäss, oder wird sie mangelhaft erbracht, erfolgt zuerst eine Ermahnung. Wenn
diese nichts fruchtet, unterscheiden sich die Folgen je
nach dem Alter: Unter 15-Jährige können dazu angehalten werden, die Leistung unter unmittelbarer Aufsicht zu
erbringen, eine Ersatzstrafe ist hier nicht vorgesehen.
Die Praxis behilft sich in diesen seltenen Fällen teilweise
damit, dass sie die Arbeitsleistung in einem geschlossenen Bereich eines Erziehungsheims erbringen lässt.
Riedo (Jugendstrafrecht 151) möchte die Verpflichtung zur
Arbeitsleistung in diesen Fällen mit einer Strafdrohung
gemäss Art.292 StGB verbinden. Doch wäre danach
wieder nur ein Verweis oder eine Arbeitsleistung bis zu
10 Tagen als Sanktion möglich.
2. Vollzug bei Über-15-Jährigen
Anders verhält es sich im Falle der Nicht-Leistung trotz
Ermahnung bei den Über-15-Jährigen: Für sie sind
Ersatzstrafen ausdrücklich vorgesehen: An Stelle der
nicht erbrachten Leistung von bis zu 10 Tagen können
sie zu einer Busse, an Stelle einer höheren Leistung zu
Busse oder zu Freiheitsentzug (höchstens mit gleicher
Dauer wie die Leistung) verurteilt werden.
Im Gegensatz zu Art.39 StGB gibt es hier keinen festen
Umrechnungssatz für die Höhe der Ersatzstrafe. Orientierungspunkt dürfte die Strafe sein, die angemessen
gewesen wäre, wenn von Anfang an eine der andern
Strafen angeordnet worden wäre.
Bedingter Vollzug der persönlichen Leistung
Neu ist die Möglichkeit des bedingten Vollzugs: Nach
Art.35 kann die persönliche Leistung mit bedingtem oder
teilbedingtem Vollzug angeordnet werden. Der voll
bedingte Vollzug ist hier kaum sinnvoll, da es sich bei
der persönlichen Leistung im Gegensatz zum Freiheitsentzug nicht um eine potenziell schädliche Sanktion
handelt. Dass Jugendliche zum Ausgleich eines begangenen Unrechts eine Leistung erbringen, ist pädagogisch
begründbar und für sie selbst einsehbar.
Das Absehen vom bedingten Strafvollzug ist deshalb möglich, weil Art.35, Abs.1 die unbedingte Strafe zulässt,
wenn sie notwendig erscheint, „um den Jugendlichen vor
der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten“. Bei Strafarten, die als blosse Androhung gar nicht spürbar sind,
kann aus erzieherischen Überlegungen angenommen
werden, dass diese Voraussetzung zutrifft. Im Gegensatz zu dem im Erwachsenenstrafrecht geltenden Art.42,
Abs.1 StGB ist der bedingte Vollzug im Jugendstrafrecht
nicht als „Regel“ vorgeschrieben.
Mindestens Teilvollzug
Im Zweifel über die Höhe der Leistung sollte
diese eher geringer bemessen und dafür
wirklich erbracht werden; das dürfte
wirksamer sein als eine höhere Leistung,
die dann bedingt aufgeschoben wird.
Das Anliegen, dass zumindest ein Teil der
Leistung tatsächlich erbracht werden
muss, lässt sich allenfalls mit dem teilbedingten Vollzug erreichen.
E. Busse, Art.24
Der Jugendliche, der zur Zeit der Tat das 15.
Altersjahr vollendet hat, kann mit Busse bestraft
werden. Diese beträgt höchstens 2000 Franken.
Sie ist unter Berücksichtigung der persönlichen
Verhältnisse des Jugendlichen festzulegen.
Geldbussen waren schon im alten Jugendstrafrecht ab 15 Jahren vorgesehen, und sie
konnten ebenfalls mit bedingtem Vollzug
angeordnet werden (Art.96 aStGB). Sie spielen
im Jugendstrafrecht vor allem bei Strassenverkehrs-Delikten eine wichtige Rolle.
Busse sollte selbst bezahlt werden
Das JStG hat keine grundsätzliche Änderung gebracht. Die Altersgrenze von 15 Jahren gilt nach
wie vor, sie wird damit begründet, dass Jugendliche nach Art.30 des Arbeitsgesetzes erst von
diesem Alter an als Arbeitnehmer beschäftigt
werden dürfen.
Damit ist auch angesprochen, dass die Geldstrafe
nur dann eine pädagogische Wirkung hat, wenn
der Jugendliche aus eigenen Mitteln dafür aufkommen muss. Wird die Busse von den Eltern
bezahlt, verliert sie ihren Sinn. Auf jeden Fall
sollten höhere Bussen nur gegenüber Jugendlichen eingesetzt werden, die ein eigenes Einkommen haben.
Bedingter Vollzug der Busse
Die Möglichkeit des bedingten Vollzugs besteht auch weiterhin. Bedingter Vollzug bedeutet, dass die Busse nicht
bezahlt werden muss, falls sich der Jugendliche in der
Probezeit bewährt. Der bedingte Vollzug ist in Art.35
ergänzt worden durch die Option teilbedingter Vollzug,
die wie bei der persönlichen Leistung auch hier eher
Sinn macht als der voll bedingte Vollzug.
Der voll bedingte Vollzug beinhaltet die Gefahr, dass die
finanziellen Verhältnisse zu wenig abgeklärt werden und
die Busse zu hoch angesetzt wird. Der zu hohen Busse
wird dann durch die Gewährung des bedingten Vollzugs
die Spitze gebrochen.
Im Zweifel ist es pädagogisch sinnvoller und präventiv wirksamer, eine weniger hohe Busse festzulegen und diese
ganz (oder teilweise) bezahlen zu lassen.
Bemessung der Busse
Neu ist eine Höchstgrenze von 2000 Franken festgelegt
worden. Früher wurde für die Obergrenze auf das
Erwachsenen-Strafrecht verwiesen. Dass jetzt eine
eigene, wesentlich tiefere Grenze gilt, ist an sich zu
begrüssen. Doch stösst die Busse in den seltenen
Fällen, wo Jugendliche bereits über ein echtes Einkommen verfügen, mit der niedrigeren Limite schnell an
Wirksamkeits-Grenzen.
Die Bemessung der Bussen ist schwierig. Die finanziellen
Situationen von Jugendlichen sind nicht nur sehr unterschiedlich, sie können sich auch rasch ändern. Dem
tragen mehrere Regelungen Rechnung: Es können
Erstreckungen und Ratenzahlungen gewährt werden.
Auf Gesuch hin kann die Busse in eine persönliche
Leistung umgewandelt werden. Und wenn sich die
Einkommensverhältnisse ohne Verschulden des
Jugendlichen verschlechtert haben, kann die urteilende
Behörde die Busse herabsetzen, Art.24, Abs.2-4.
Vollstreckung
Falls die Busse innert der gesetzten Frist nicht bezahlt
wird. ist kein Umrechnungs-Schlüssel festgelegt. Doch
ergibt sich eine Orientierungshilfe aus dem Maximalbetrag der Busse (2000 Franken) und der Höchstdauer
der Ersatz-Freiheitsstrafe (30 Tage). Danach wäre als
grober Durchschnittswert anzunehmen, dass etwa 70
Franken einem Tag Freiheitsentzug entsprechen dürften.
Die individuelle Festlegung muss jedoch nach dem Verschulden beurteilt werden.
Gemäss Art.1 Abs.2 lit.d sind die Art. 69 bis 73 StGB des
Erwachsenenstrafrechts betreffend Einziehung und Verwendung zu Gunsten des Geschädigten im Jugendstrafrecht sinngemäss anwendbar. Das hat zur Folge,
dass eine vom Jugendlichen zu bezahlende Busse auf
Verlangen des Geschädigten diesem zugesprochen werden kann, soweit sein Schaden weder durch eine Versicherung noch vom Täter gedeckt wird.
Unterschiedliche Anwendung
Gesamtschweizerisch wurden 2009 in 19,8% der
Jugendstrafurteile Bussen ausgesprochen.
Im Kanton Bern waren es 25,47%, im Kanton
Zürich 13,65%, im Kanton Genf 0,56%.
Die durchschnittliche Höhe einer unbedingten
Busse belief sich im Kanton Bern auf 173
Franken, im Kanton Zürich auf 297 Franken.
(Quelle: Masterarbeit von Elmar Wohlhauser)
F. Der reguläre Freiheitsentzug
Art.25 Abs.1
Der Jugendliche, der nach Vollendung des 15.
Altersjahres ein Verbrechen oder Vergehen
begangen hat, kann mit Freiheitsentzug von
einem Tag bis zu einem Jahr bestraft werden.
Die Freiheitsstrafe ist wegen ihrer potenziell
schädlichen Wirkungen eine problematische und
zudem teure Strafe. Das JStG ist deshalb bestrebt, den Anwendungsbereich einzugrenzen
und negative Wirkungen durch einen jugendgerechten Vollzug zu minimieren.
Anwendungsbereich
Mit Freiheitsentzug können nur Jugendliche bestraft
werden, die nach Vollendung des 15. Altersjahrs ein
Verbrechen oder ein Vergehen begangen haben. Nach
Art.10 StGB sind das Straftaten, die im Erwachsenenstrafrecht mit Geld- oder mit Freiheitsstrafe bedroht sind.
Nicht mit Freiheitsstrafen geahndet werden können somit
Übertretungen, d.h. leichte Straftaten, die mit Busse als
Höchststrafe bedroht sind (Art. 103 StGB); Hebeisen
bedauert dies ausdrücklich[1], weil der Freiheitsentzug
bei geringfügigen Vermögensdelikten angeblich eine
gute Wirkung zeigen könne. Die in Deutschland mit dem
dort praktizierten Jugendarrest gemachten Erfahrungen
bestätigen diese Annahme allerdings nicht: Jehle u.a.,
Legalbewährung nach strafrechtlichen Sanktionen,
Godesberg 2010; Goeckenjan, Der Vollzug des Jugendarrests, ZJJ 1/2013, S.68.
[1] Hebeisen in Bänziger/Hubschmid/Sollberger, S.157
Bemessung des Freiheitsentzugs
Die Dauer der Freiheitsstrafe kann von einem Tag bis zu
einem Jahr fest gelegt werden. Das Fehlen von Voraussetzungen für die Anwendung von Freiheitsstrafen
und von speziellen Kriterien für deren Bemessung
(abgesehen vom Verschulden) ist deshalb bedenklich,
weil die Freiheitsstrafe, wie aus den Materialien hervorgeht[1], eigentlich nur als ultima ratio eingesetzt
werden sollte. Dennoch hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, solche Regeln ausdrücklich vorzusehen.
Eine Zurückhaltung in der Anwendung des Freiheitsentzugs ist nicht nur aus kriminalpolitischen Überlegungen
und aus Kostengründen geboten, sie wird auch durch
die internationalen Standards nahe gelegt.
[1] Botschaft S.272
Praktische Anwendung
Im Jahr 2013 wurden in 13’073 Urteilen 509 voll
bedingte (4%) und 463 unbedingte oder teilbedingte Freiheitsentzüge (3.5%) angeordnet.
Die Dauer der un- oder teilbedingten Freiheitsentzüge verteilte sich wie folgt:
Bis 1 Monat
365
>1 - 3 Mte.
62
>3 - 6 Mte.
14
>6 – 12 Mte.
19
>12 Mte.
3
G. Der Freiheitsentzug bis zu vier Jahren,
Art.25, Abs.2
Der Jugendliche, der zur Zeit der Tat das 16. Altersjahr
vollendet hat, wird mit Freiheitsentzug bis zu vier
Jahren bestraft, wenn er
a. Ein Verbrechen begangen hat, das nach dem für
Erwachsene anwendbaren Recht mit Freiheitsstrafe
nicht unter drei Jahren bedroht ist;
b. Eine Tat nach den Artikeln 122, 140 Ziffer 3 oder
184 StGB begangen und dabei besonders skrupellos
gehandelt hat, namentlich wenn der Beweggrund des
Jugendlichen, der Zweck der Tat oder die Art der
Ausführung eine besonders verwerfliche Gesinnung
offenbaren.
Eng umschriebene Voraussetzungen
Die grundlegendste durch das JStG eingeführte Neuerung
im schweizerischen Jugendstrafrecht stellt der nach
Art.25, Abs.2 besonders geregelte Freiheitsentzug bis zu
vier Jahren dar.
Jugendliche (erst) vom 16. Altersjahr an (massgeblich ist
immer das Deliktsalter) werden mit diesem erweiterten
Freiheitsentzug bestraft, sofern sie eines der abschliessend geregelten schweren Verbrechen begangen haben.
Die Anwendung des erhöhten Strafrahmens ist in diesem Fall zwingend, ausser wenn Milderungsgründe nach
Art.48 StGB oder eine verminderte Zurechnungsfähigkeit
nach Art.19, Abs.2 StGB vorliegen.
Unter die erhöhte Strafdrohung fallen zwei Gruppen von
Straftaten:
1.Generell unterstellte Tatbestände
Nach Art.25, Abs.2 lit.a wird der Freiheitsentzug bis zu vier
Jahren auf alle Verbrechen angewendet, die im StGB für
Erwachsene mit einer Mindeststrafe von drei Jahren
bedroht sind.
Es sind dies die folgenden Tatbestände: Vorsätzliche
Tötung (Art.111 StGB), Mord (Art.112 StGB), Raub
verbunden mit Lebensgefahr, schwerer Körperverletzung oder grausamer Behandlung (Art.140, Z.4
StGB), Geiselnahme verbunden mit grausamen
Drohungen (Art.185, Z.2 StGB), sexuelle Nötigung
verbunden mit grausamem Vorgehen (Art.189, Abs.3
StGB), Vergewaltigung verbunden mit grausamem
Vorgehen (Art.190, Abs.3 StGB), Brandstiftung verbunden mit Lebensgefahr (Art.221, Abs.2 StGB).
Theoretisch kennen auch der Völkermord (Art.264 StGB)
und der qualifizierte politische Landesverrat (Art.266, Z.2
StGB) eine solche Strafdrohung, doch dürften diese
Delikte kaum je von Jugendlichen begangen werden.
2. Verbunden mit Skrupellosigkeit
unterstellte Tatbestände
Zusätzlich sind nach Art.25, Abs.2 lit.b drei weitere
Verbrechen, die im StGB nicht mit einer Mindeststrafe
von drei Jahren bedroht sind, Anlass zu einer Bestrafung
bis zu vier Jahren, sofern sie „besonders skrupellos“
begangen wurden, namentlich wenn der Beweggrund,
der Zweck der Tat oder die Art ihrer Ausführung eine
besonders verwerfliche Gesinnung offenbaren.
Die drei ausdrücklich erwähnten StGB-Artikel sind:
Art.122 (Schwere Körperverletzung), Art.140, Z.3 (bandenmässiger oder besonders gefährlicher Raub) und Art.184
(qualifizierte Freiheitsberaubung und Entführung).
Was bedeutet skrupellos?
Die Umschreibung der Skrupellosigkeit knüpft an die Tatbestandsmerkmale
des Mords in Art.112 StGB an, deckt sich aber insofern nicht völlig, als im
Art.112 StGB der Beweggrund, der Zweck der Tat oder die Art der Ausführung als solche „besonders verwerflich“ sein müssen, während die
gleichen Merkmale im Art.25, Abs.2 lit.b JStG „eine besonders verwerfliche
Gesinnung offenbaren“ müssen.
Daraus könnte man schliessen, die „Skrupellosigkeit“ bedeute im Jugendstrafrecht etwas Anderes als im Erwachsenenstrafrecht. Auch der Tatbestand des Mordes sprach früher von einer besonders verwerflichen
Gesinnung, doch wurde diese dort fallen gelassen, um zu verdeutlichen,
dass nicht Charaktereigenschaften des Täters, sondern Merkmale der Tat
den Ausschlag geben.
Sicher gilt auch im Jugendstrafrecht, dass die verschuldensrelevanten Merkmale sich in der Tat ausgedrückt haben müssen, sonst verkommt das
täterbezogene Strafrecht zum Gesinnungsstrafrecht. Die besondere
Skrupellosigkeit bedeutet in Art.25, Abs.2 lit.b deshalb das Gleiche wie in
Art.112 StGB.
Die drei Beispiele für die Skrupellosigkeit sind nicht abschliessend zu verstehen, die Skrupellosigkeit kann sich auch aus andern Merkmalen oder
aus einer Kombination der drei genannten Voraussetzungen ergeben. In
Frage kommen als Motive beispielsweise Habgier, Sadismus oder Rache,
als Tatmerkmale etwa Heimtücke, Kaltblütigkeit oder Grausamkeit.
Knapper Katalog von Tatbeständen
Nicht aufgenommen in die abschliessende Liste der in Frage kommenden Straftaten, und damit kein Grund für eine mehrjährige
Freiheitsstrafe, sind z.B. Totschlag, Drogenhandel, Erpressung,
Schändung sowie die Grundtatbestände (d.h. die nicht qualifizierten
Fälle) von schwerer Körperverletzung, Vergewaltigung, Raub,
Geiselnahme und Brandstiftung. Das Fehlen des Drogenhandels
und der einfachen Vergewaltigung wurde von Hebeisen[1] als
gesetzgeberische Fehlleistung kritisiert.
Die Frage ist berechtigt, ob die Liste der unterstellten Tatbestände nicht
zu eng begrenzt ist. Während der Gesetzgeber im Erwachsenenstrafrecht diejenigen Delikte, die nach Art.64 StGB Grund für eine
Verwahrung sein können, zu weit umschrieben hat (weil die dort
vorgesehenen 5 Jahre Höchststrafe z.B. auch Vermögensdelikte
einschliessen), hat er hier eine extrem enge Umschreibung gewählt.
Möglicherweise könnte eine Limite von 10 Jahren Höchststrafe in
beiden Fällen eine angemessenere Grenze abgeben, um den
Bedürfnissen der positiven Generalprävention und der öffentlichen
Sicherheit Rechnung zu tragen.
[1] Hebeisen in Bänziger/Hubschmid/Sollberger, S.157
Seltene Anwendung
Dass trotz den Forderungen aus der Öffentlichkeit
nicht weitere Straftaten unterstellt wurden,
macht deutlich, wie sehr der Gesetzgeber
bemüht war, die erhöhten Strafdrohungen nur
bei den aller schwersten Straftaten, die bei
Erwachsenen mit vieljährigen Freiheitsstrafen
geahndet werden, zur Anwendung zu bringen.
Tatsächlich werden unbedingte Strafen von mehr
als einem Jahr nur sehr selten ausgesprochen,
2011 in 4 Verurteilungen, 2012 und 2013 in je 3
Fällen.
Generalpräventive Problematik
Die erweiterte Freiheitsstrafe sprengt den Rahmen eines
Erziehungsstrafrechts. Spezialpräventiv ist sie wenig
wirksam, wie Untersuchungen aus Deutschland,
Frankreich und Finnland zeigen. In diesen Ländern
werden Rückfallraten nach längern Freiheitsstrafen
zwischen 66 und 90% verzeichnet (Evaluation S.164).
Der Grund für die Einführung lag generalpräventiv in der
Kluft zwischen Jugend- und Erwachsenen-Strafrecht.
Im alten Jugendstrafrecht lag die Höchstgrenze der „Einschliessung“ bei einem Jahr. Das wurde in den Fällen
als stossend empfunden, wo ein Täter kurz vor dem
Erreichen der Altersgrenze stand, besonders wenn z.B.
zwei praktisch Gleichaltrige gemeinsam ein schweres
Verbrechen begangen hatten: Während der eine, der
soeben 18 Jahre alt geworden war, mit einer Strafe von
bis zu 20 Jahren bedroht war, konnte der andere, der
noch nicht 18 war, höchstens mit 1 Jahr bestraft werden.
Frühere Lösung Art.91 Ziff.2 aStGB
Die Praxis wich früher meistens auf die mindestens zweijährige Heimeinweisung gemäss Art.91 Ziff.2 aStGB aus
(selbst wenn keine zwingende Massnahmenbedürftigkeit
vorlag), weil dies eine längere Unterbringung (notfalls bis
zum 25.Alterjahr) ermöglichte.
Auch Art.91 Ziff.2 aStGB war somit eine Durchbrechung
des Erziehungsgedankens und ein Einbruch von
generalpräventivem Denken, aber systemwidrig im
Massnahmenbereich.
Im Vergleich dazu ist es ehrlicher, die aus generalpräventiven Gründen erforderliche längere Inhaftierung als
Strafe auszugestalten, wie das heute der Fall ist.
Langstrafen oft kombiniert mit Unterbringung
Lange Freiheitsstrafen werden in der Regel zusammen mit
stationären Schutzmassnahmen ausgesprochen, da die
Begehung derart schwerer Straftaten meistens auf
offensichtliche Erziehungs- und/oder Behandlungsbedürfnisse hinweist. Der Vollzug der Massnahme hat
dann Vorrang.
Sofern die Massnahme erfolgreich abgeschlossen werden
kann, wird der Freiheitsentzug nicht vollzogen (Art.32).
In der Praxis werden deshalb viele längere Freiheitsstrafen
durch Schutzmassnahmen ersetzt und nicht in einer
Jugendstrafeinrichtung gemäss Art.27 vollzogen. Für die
verurteilten Jugendlichen bleibt aber im Vollzug der
Massnahme die Drohung im Hintergrund, dass sie in die
Jugendstrafeinrichtung versetzt werden können, falls sie
nicht kooperieren.
H. Vollzug der kürzeren
Freiheitsentzüge, Art.26 und 27 Abs.1
Art.26 und 27 regeln insgesamt den Vollzug
aller vollziehbaren Freiheitsentzüge (der
bedingte oder teilbedingte Vollzug folgt
später in Art.35).
Zunächst werden in den Art.26 und 27,Abs.1
alternative Vollzugsarten bei der Durchführung kürzerer Freiheitsstrafen ermöglicht:
Umwandlung in persönliche Leistung
Nach Art.26 können Freiheitsentzüge bis zu 3 Monaten auf
Gesuch hin in eine persönliche Leistung von gleicher
Dauer umgewandelt werden. Das steht im Widerspruch
zur Regel, wonach die persönliche Leistung wenn immer
möglich an Stelle der Freiheitsstrafe angeordnet werden
soll. Danach hätte in Fällen, in denen eine persönliche
Leistung Sinn macht, schon die urteilende Behörde eine
solche vorsehen sollen. Wenn sie im Einzelfall dennoch
eine Freiheitsstrafe ausgesprochen hat, muss angenommen werden, sie habe die persönliche Leistung als
ungenügend oder nicht vollziehbar eingeschätzt. Die
nachträgliche Umwandlung macht in diesen Fällen
meistens keinen Sinn.
Die Umwandlung kann deshalb vor allem gegenüber Verurteilten zur Anwendung kommen, wo sich die Verhältnisse oder ihre Einstellung seit der richterlichen Beurteilung grundlegend geändert haben.
Halbgefangenschaft und
tageweiser Vollzug
Für den unbedingten Freiheitsentzug bis zu einem Jahr ist
wie bei den Erwachsenen (Art.77b StGB) Halbgefangenschaft vorgesehen. Halbgefangenschaft bedeutet,
dass der Jugendliche nur die Nacht und die Wochenenden in einer Einrichtung verbringt, die zudem keinen
Gefängnischarakter haben muss (z.B. Klosterfiechten
BS, Halbgefangenschaft für Jugendliche Thun BE,
Halbgefangenschaft Winterthur, Abteilung Halbgefangenschaft Kalchrain TG).
Unter der Woche kann der Jugendliche ohne Unterbruch
die Schule besuchen oder seiner Arbeit nachgehen.
Zudem kann ein Freiheitsentzug bis 1 Monat tageweise
vollzogen werden. Dabei wird die Strafe in mehrere Abschnitte unterteilt und „in Raten“ verbüsst. Diese können
auf Wochenenden oder Ferientage gelegt werden.
Halbgefangenschaft als Regel
Im Gegensatz zu Art.26 (Umwandlung in persönliche
Leistung) ist weder bei der Halbgefangenschaft noch
beim tageweisen Vollzug ein Gesuch erforderlich. Die
Vollzugsbehörde hat von sich aus zu prüfen, ob diese
Vollzugsformen in Frage kommen.
Der Vollzug in Halbgefangenschaft muss folglich die Regel
sein, sofern nicht klare Gründe (z.B. Fluchtgefahr, Deliktsgefahr, fehlende Tagesstruktur oder ungenügende
Selbstdisziplin) dagegen sprechen oder ausnahmsweise der Wochenendvollzug sinnvoller ist.
Electronic Monitoring
Besonders sinnvoll ist im jugendstrafrechtlichen Bereich
auch das Electronic Monitoring (elektronisch gesicherter
Hausarrest). Das Electronic Montoring ist bisher für
Erwachsene in 7 Kantonen eingeführt worden. Die dazu
durchgeführten und wissenschaftlich ausgewerteten
Modellversuche sind sehr erfolgreich verlaufen.
Der Bund hat die Bewilligungen für die 7 Kantone verlängert und sieht vor, dass das Electronic Monitoring
künftig in allen Kantone im ordentlichen Vollzugsrecht
geregelt wird.
Im Zusammenhang mit Tätigkeits-, Kontakt- und Rayonverboten besteht seit 2015 im Jugendbereich eine
gesetzliche Grundlage, Art.16a JStG).
Anwendung im Jugendbereich
Die Erfahrungen aus England zeigen Folgendes: Electronic
Monitoring kann mit der entsprechenden Betreuung auch
pädagogisch sinnvoll eingesetzt werden, insbesondere
bei Jugendlichen, die sich von den Eltern nichts mehr
sagen lassen oder in den Tag (resp. die Nacht) hinein
leben.
Als einziger Kanton hatte schon früh Basel-Landschaft das
Electronic Monitoring im Jugendbereich eingesetzt, auch
hier mit sehr positiven Resultaten: Bisher sei es weder
zu einem Rückfall noch zu einem Abbruch wegen Nichteinhaltens der Regeln gekommen. Erfreuliche Nebeneffekte hätten sich darin gezeigt, dass sich der Kontakt
mit den Angehörigen verbessert habe und die Jugendlichen ihre Zimmer aufgeräumt und wieder Zeit zum
Lernen gefunden hätten.
Neu haben auch die Kantone Bern, Zug, St.Gallen und
Zürich Projekte mit EM im Jugendbereich gestartet.
J.Vollzug längerer Freiheitsentzüge
Vollzug längerer Freiheitsentzüge, Art. 27, Abs.2 bis 5
2 Der Freiheitsentzug ist in einer Einrichtung für Jugendliche zu vollziehen, in der jeder Jugendliche entsprechend seiner Persönlichkeit erzieherisch betreut und
insbesondere auf die soziale Eingliederung nach der
Entlassung vorbereitet wird.
3 Die Einrichtung muss geeignet sein, die Persönlichkeitsentwicklung des Jugendlichen zu fördern. Ist ein Schulbesuch, eine Lehre oder eine Erwerbstätigkeit ausserhalb der Einrichtung nicht möglich, so ist dem Jugendlichen in der Einrichtung selbst der Beginn, die Fortsetzung und der Abschluss einer Ausbildung oder eine
Erwerbstätigkeit zu ermöglichen.
4 Eine therapeutische Behandlung ist sicherzustellen,
sofern der Jugendliche ihrer bedarf und für sie zugänglich ist.
Neue spezielle Einrichtungen
Freiheitsentzüge, die nicht in einer alternativen Vollzugsform durchgeführt werden können, sind künftig in einer
speziellen Einrichtung für Jugendliche zu vollziehen.
Diese muss über eine Infrastruktur verfügen, die es
erlaubt, die Insassen erzieherisch zu betreuen und sie
auf die soziale Eingliederung vorzubereiten.
Derartige Einrichtungen bestanden in der Schweiz bisher
nicht. Die neu zu schaffenden Einrichtungen sollen über
ein qualifiziertes sozialpädagogisches und sogar therapeutisches Instrumentarium verfügen. Sie müssen zudem Schulbesuch, Berufsausbildung und Erwerbstätigkeit ermöglichen, bevorzugt ausserhalb der Einrichtung.
Wenn eine externe Lösung aus Gründen, die mit dem
Jugendlichen zusammenhängen, nicht möglich ist, müssen Schulbesuch, Lehre oder Erwerbstätigkeit intern
angeboten werden, und dies auch dann, wenn die Haftzeit nicht für einen Abschluss ausreicht.
Abgrenzungsproblematik
Von der Ausstattung werden sich diese neuen
Einrichtungen von denjenigen, in denen nach
Art.15, Abs.2, die geschlossene Unterbringung
vollzogen wird, nicht grundsätzlich unterscheiden.
Die widersprüchliche Konsequenz ist, dass sich
Straf- und Massnahmenvollzug in diesem Fall fast
nur noch danach unterscheiden, dass der eine
(Strafvollzug) zeitlich begrenzt ist, der andere
(Massnahmenvollzug) hingegen nicht.
Stand der Planung
Die Praxis geht davon aus, dass 4-5 Einrichtungen sinnvoll sind. Ins Auge gefasst
wurden je eine Einrichtung für die Ostschweiz, für die Zentral- und Nordwestschweiz sowie 2 für die Westschweiz und
eine Sonderlösung für den Kanton Tessin.
Die Planung erfolgt im Rahmen der Strafvollzugskonkordate, die früher für den
Jugendvollzug nicht zuständig waren.
Regionale Planung
In der Ostschweiz wird die neue Einrichtung in das
Massnahmenzentrum Uitikon ZH integriert und im
Rahmen der ohnehin erforderlichen Gesamtsanierung
erstellt. Die Eröffnung ist für das Jahr 2015 vorgesehen.
In der Zentral- und Nordwestschweiz wurde eine Lösung
auf dem Gelände des Massnahmenzentrums Arxhof BL
angestrebt, doch konnten sich die Kantone über die
Finanzierung erst nach jahrelangen Diskussionen verständigen. Neuerdings ist das Projekt wegen angeblich
fehlenden Bedarfs wieder in Frage gestellt.
Auf der Grundlage eines speziellen Konkordats plant die
Lateinische Schweiz. Eine Einrichtung für männliche
Jugendliche soll im Kanton Waadt in Les Palézieux
(südlich von Oron) demnächst eröffnet werden („Aux
Léchaires“), eine für weibliche Jugendliche ist im Kanton
Neuenburg beabsichtigt. Eine provisorische Lösung
steht in Pramont im Kanton Wallis zur Verfügung.
Frist läuft 2016 ab
Die Kantone haben für die Errichtung seit dem 1.1.2007
zehn Jahre Zeit (Art.48). In der Zwischenzeit müssen
verurteilte Jugendliche zum Teil in ungeeigneten Einrichtungen untergebracht werden, insbesondere in
Gefängnissen für Erwachsene.
Es ist zu hoffen, dass die Kantone ihre Hausaufgaben
erledigen und die speziellen Einrichtungen bald bereitstellen. Sonst könnte es so gehen wie mit dem früheren
Verbot der Unterbringung von Jugendlichen in Strafanstalten[1]: Dieses Verbot war 1974 in Kraft getreten,
doch wurde die Übergangsfrist, welche die Versetzung in
Strafanstalten zeitlich begrenzt noch gestattete, bis zur
Inkraftsetzung des JStG (2007) immer wieder um 10
Jahre verlängert, weil die entsprechenden Einrichtungen
nicht zur Verfügung standen[2].
[1] Art.95, Z.3 aStGB
[2] ehemals geregelt in Art.7 der Verordnung (1) zum aStGB
Trennung von Erwachsenen
Die Verpflichtung, Jugendliche von Erwachsenen zu
trennen und deshalb besondere „Einrichtungen für
Jugendliche“ zu errichten (Art.27, Abs.2), steht im
Zusammenhang mit der entsprechenden Bestimmung
(Art.28 JStPO), die eine Trennung auch in der Untersuchungshaft vorsieht. Gestützt auf diese Vorschriften
wird die Schweiz den bei der Unterzeichnung der UNKinderrechte-Konvention formulierten Vorbehalt zu
Art.37c der KRK widerrufen.
Dieser Art. 37c KRK enthält das Gebot, alle minderjährigen
Personen in allen Freiheitsentzugsarten von Erwachsenen zu trennen, es sei denn, man verzichte in ihrem
eigenen Interesse darauf. Ein solches Interesse könnte
theoretisch darin liegen, dass ein Jugendlicher andernfalls in Einzelhaft inhaftiert werden müsste.
Trennung Strafe-Massnahme
Die Trennung von Jugendlichen und Erwachsenen
ist das eine Anliegen, die Trennung von Strafe und
Massnahme innerhalb der Jugendeinrichtungen
das andere.
Im Gegensatz zum früheren Jugendstrafrecht, das
den Vollzug längerer Freiheitsstrafen in Erziehungsheimen ermöglichte (Art.95 Z.3 aStGB), soll
es keine Vermischung bezüglich UnterbringungsOrt zwischen Strafe und Massnahme mehr geben.
Vertrauensperson, Art.27 Abs.5
Dauert der Freiheitsentzug länger als ein Monat, so begleitet eine geeignete, von der Einrichtung unabhängige
Person den Jugendlichen und hilft ihm, seine Interessen
wahrzunehmen.
Ein neues Institut ist die in Art.27 Abs.5 vorgesehene
Vertrauensperson, auch „Ombudsperson“ genannt.
Das Angebot gibt den betroffenen Jugendlichen die Möglichkeit, mit einer Person Kontakt zu haben, die sie nicht
nur aus einer fachlichen oder institutionellen Perspektive
wahrnimmt. Es kann als Klagemauer genutzt werden,
aber auch zur Versachlichung und zur Rückenstärkung
beitragen. Die Vertrauensperson soll notfalls intervenieren und gegenüber der Einrichtung berechtigte Anliegen
des Jugendlichen vertreten.
Nach einer bedingten Entlassung des Jugendlichen kann
die gleiche Person auch als Begleitperson im Sinne von
Art.29 Abs.3 mit dem Auftrag eingesetzt werden, den
Jugendlichen durch die Probezeit zu begleiten. Auf diese
Art kann eine durchgehende Betreuung erreicht werden.
K. Bedingte Entlassung, Art.28-31
Art.28
Abs.1 Hat der Jugendliche die Hälfte, mindestens aber 2
Wochen des Freiheitsentzugs verbüsst, so kann ihn die
Vollzugsbehörde bedingt entlassen, wenn nicht
anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder
Vergehen begehen.
Der Anwendungsbereich der bedingten Entlassung ist
gegenüber dem früheren Jugendstrafrecht und gegenüber dem Erwachsenenstrafrecht erweitert worden. Die
bedingte Entlassung ist nicht erst nach zwei Dritteln,
sondern bereits nach der Hälfte der Strafverbüssung
möglich, wobei mindestens zwei Wochen (früher ein
Monat) verbüsst sein müssen. Bei Strafen bis zwei
Wochen gibt es deshalb keine vorzeitige Entlassung.
Voraussetzungen der bed. Entlassung
Voraussetzung für bedingte Entlassung ist eine nicht
ungünstige Legalprognose, weil die Bedingung
neuerdings negativ formuliert ist: „wenn nicht
anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder
Vergehen begehen“, Art.28 Abs.1. Damit wird zum
Ausdruck gebracht, dass die bedingte Entlassung die
Regel sein soll, von der nur abgewichen werden darf,
wenn ausnahmsweise klare und begründungspflichtige
Indizien eine günstige Prognose ausschliessen.
Eine bloss zweifelhafte Prognose ist im Gegensatz zur
früheren Gesetzesfassung, die eine günstige Prognose
voraussetzte, kein Ausschlussgrund mehr. Falls die
Anforderung für die Gewährung der bedingten Entlassung zunächst nicht gegeben ist, aber später doch
noch zutrifft, kann diese auch zu einem andern Zeitpunkt, z.B. nach zwei Dritteln oder drei Vierteln der
Strafverbüssung bewilligt werden.
Prüfung von Amtes wegen
Der Gesetzgeber hat die prinzipielle Wünschbarkeit der bedingten Entlassung dadurch
zusätzlich unterstrichen, dass die Behörde von
Amtes wegen (und nicht bloss auf Gesuch hin)
prüfen muss, ob der Jugendliche bedingt entlassen werden kann, Art.28 Abs.2.
Die Prüfung muss so rechtzeitig durchgeführt
werden, dass die Entlassung, falls die Voraussetzungen vorliegen, auf den frühestmöglichen
Zeitpunkt erfolgen kann.
Wenn die Entlassung abgelehnt wird, muss
spätestens nach einem halben Jahr erneut eine
Prüfung stattfinden, Art.28 Abs.4.
Bedingte Entlassung bei langen
Freiheitsentzügen, Art.28 Abs.3
Ist der Freiheitsentzug nach Artikel 25 Absatz 2 verhängt
worden, so entscheidet die Vollzugsbehörde nach
Anhörung einer Kommission nach Artikel 62d Absatz 2
StGB.
Sofern der Freiheitsentzug nach Art.25 Abs.2 (Strafen bis
vier Jahre für besonders schwere Verbrechen) verhängt
worden ist, muss vor der Entlassung eine dem Erwachsenen-Strafrecht entsprechende Fachkommission zur
Beurteilung der Gemeingefährlichkeit konsultiert werden.
Das JStG verweist dabei auf Art.62d, Abs.2 StGB, wo im
Zusammenhang mit der Entlassung aus ErwachsenenMassnahmen eine Kommissionsbeurteilung vorgeschrieben ist, sofern der erwachsene Verurteilte Straftaten im Sinn von Art.64 Abs.1 StGB begangen hat.
Beurteilung durch die Fachkommission
Die Fachkommissionen bestehen aus Vertretern der
Strafverfolgungs-Behörden, der Vollzugsbehörden und
der Psychiatrie. Sie werden im Rahmen der Strafvollzugs-Konkordate gewählt, wobei für die Beurteilung im
Jugendstrafrecht spezialisierte Kommissionen eingesetzt
wurden.
Die Fachkommission nimmt mit Prognosemethoden eine
Beurteilung der Gefährlichkeit vor und gibt zu Handen
der Vollzugsbehörde eine Empfehlung ab. Den Entscheid trifft nicht die Kommission, sondern die Vollzugsbehörde, doch folgt diese fast immer den Empfehlungen
der Kommission. Im Ergebnis bedeutet das: Ein Jugendlicher wird nicht bedingt entlassen, so lange ihn die
Fachkommission als gefährlich einschätzt.
Problematik des Verfahrens
Die Beurteilung wird durch die Fachkommission
auf Grund der Akten, d.h. ohne persönliche Anhörung vorgenommen.
Dieses Vorgehen ist schon im Erwachsenenstrafrecht nicht unproblematisch, im Jugendstrafrecht
aber besonders fragwürdig, weil dieses sich als
täterbezogenes Strafrecht versteht.
Zudem sind Diagnosen und Prognosen bei Jugendlichen schwieriger als bei Erwachsenen, da
die Beurteilung stets vom Entwicklungsaspekt
überlagert ist.
Modalitäten der bedingten
Entlassung, Art.29
Abs.1: Die Vollzugsbehörde auferlegt dem bedingt
entlassenen Jugendlichen eine Probezeit, deren Dauer
dem Strafrest entspricht, jedoch mindestens sechs
Monate und höchstens zwei Jahre beträgt.
Bei der bedingten Entlassung wird wie bei den Erwachsenen immer eine Probezeit auferlegt. Diese muss mindestens 6 Monate dauern, in allen Fällen, wo der bedingt
erlassene Strafrest mehr als 6 Monate beträgt, ist die
Probezeit identisch mit dem Strafrest, Art.29 Abs.1.
Art.29 Abs.2, 1.Satz: Die Vollzugsbehörde kann dem
Jugendlichen Weisungen erteilen. ...
Weisungen, Art.29 Abs.2
Die Weisungen können zum Beispiel die Teilnahme an Freizeitveranstaltungen, die Wiedergutmachung des Schadens, den Besuch von
Lokalen, das Führen eines Motorfahrzeugs und Alkohol- oder Drogenabstinenz betreffen. Nicht ausdrücklich genannt, aber ebenfalls
bedeutsam ist die Aufnahme oder Weiterführung einer Behandlung.
Weisungen sind ein wichtiges Instrument der Verhaltenssteuerung.
Allerdings müssen sie im Einzelfall nötig, konkret formuliert und
kontrollierbar sein. Zudem muss die Einhaltung auch wirklich
kontrolliert werden, daran fehlt es in der Praxis nicht selten.
Im Hinblick auf die Kontrollierbarkeit sind positive Weisungen (etwas zu
tun) geeigneter als negative (etwas zu unterlassen). So macht die
Weisung, sich regelmässigen Kontrollen im Rahmen einer Alkoholbehandlung zu unterziehen, mehr Sinn als ein Alkoholverbot.
Nicht sinnvoll sind schikanöse, moralisierende oder disziplinierende
Weisungen, z.B. eine generelle Ausgangssperre, ein Rauchverbot
oder die Weisung „sich wohl zu verhalten“.
Begleitperson, Art.29 Abs.3
In allen Fällen der bedingten Entlassung wird dem Jugendlichen eine geeignete Person zugeteilt, die ihn während
der Probezeit betreuen und der Vollzugsbehörde berichten soll. Der Bericht soll sich insbesondere auf das
Verhalten und die weitere Entwicklung des Jugendlichen
sowie auf die Einhaltung von Weisungen beziehen.
Die „Begleitperson“ ist an Stelle der früheren Schutzaufsicht getreten. Sie entspricht der im StGB für die Erwachsenen vorgesehenen Bewährungshilfe.
Die Aufgabe kann grundsätzlich von einer professionellen
Kraft oder von einer Person aus dem Umfeld des Jugendlichen wahrgenommen werden. Es kann sich (im
Sinne der durchgehenden Betreuung) insbesondere um
die während des Vollzugs vorgesehene Vertrauensperson gemäss Art.27 Abs.5 handeln.
Bewährung und Nichtbewährung,
Art.30 und 31
Art.30: Hat sich der bedingt entlassene Jugendliche bis
zum Ablauf der Probezeit bewährt, so ist er endgültig
entlassen.
Art.31, Abs.1: Begeht der bedingt entlassene Jugendliche
während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen
oder handelt er trotz förmlicher Mahnung den ihm
erteilten Weisungen zuwider und ist deswegen zu
erwarten, dass er weitere Straftaten verüben wird, so
verfügt die über die neue Tat urteilende Behörde oder,
bei Verstoss gegen die Weisungen, die Vollzugsbehörde
den Vollzug eines Teils oder der ganzen Reststrafe
(Rückversetzung). Der Teilvollzug kann nur einmal
gewährt werden.
Folgen der Nichtbewährung
Die Folge der Nichtbewährung ist in den meisten Fällen der
Widerruf der bedingten Entlassung und als Folge davon
die Rückversetzung zum ganzen oder – im JStG neu
vorgesehen – zum teilweisen Vollzug der Reststrafe.
Die Möglichkeit des Teilvollzugs ist vor allem bei längern
Strafen (wo auch der Strafrest in der Regel lang ist)
sinnvoll, weil damit eine Krisenintervention mit deutlichem Warncharakter ermöglicht wird: Für einen
Jugendlichen, dem ein Jahr bedingt erlassen wurde,
bringt die Verbüssung von einigen Wochen im Sinne
einer Warnung oft mehr zur Korrektur eines Fehlverhaltens, als wenn er das ganze Jahr absitzen müsste
und danach ohne weitere Probezeit entlassen würde.
Von der Möglichkeit, die Reststrafe nur teilweise zu widerrufen, sollte vor allem in den Fällen Gebrauch gemacht
werden, wo ein Widerruf wegen des Missachtens von
Weisungen erfolgt.
Verzicht auf Rückversetzung
Art.31 Abs.3, 1.Satz: Ist trotz der Nichtbewährung zu erwarten, dass
der Jugendliche keine weitern Straftaten verüben wird, so verzichtet
die urteilende Behörde oder, bei Verstoss gegen die Weisungen, die
Vollzugsbehörde auf eine Rückversetzung.
Ist die Prognose trotz der Nichtbewährung positiv, so wird von der
Rückversetzung abgesehen. Dabei handelt es sich meistens um
Fälle, bei denen seit dem Rückfall eine positive Entwicklung eingesetzt hat, z.B. nach einer erfolgreich abgeschlossenen ambulanten Therapie. Der Jugendliche kann in diesem Fall verwarnt
werden (was die Regel sein dürfte), die Probezeit kann um höchstens ein Jahr verlängert werden.
Eine Rückversetzung ist ausgeschlossen, wenn seit dem Ablauf der
Probezeit zwei Jahre vergangen sind, Art.31 Abs.4. Selbst wenn die
neuen Straftaten noch innerhalb der Probezeit begangen, aber erst
nachträglich aufgeklärt wurden, wird der aus der früheren Strafe
resultierende Strafrest nicht mehr vollzogen.
L. Zusammentreffen von
Sanktionen Art.32-34
Art.32: Die Unterbringung geht dem Vollzug eines gleichzeitig ausgesprochenen oder eines wegen Widerruf oder Rückversetzung
vollziehbaren Freiheitsentzuges voraus.
Wird die Unterbringung aufgehoben, weil sie ihren Zweck erreicht hat,
so wird der Freiheitsentzug nicht mehr vollzogen.
Wird die Unterbringung aus einem andern Grund aufgehoben, so
entscheidet die urteilende Behörde, ob und wieweit der
Freiheitsentzug noch zu vollziehen ist. Dabei ist die mit der
Unterbringung verbundene Freiheitsbeschränkung anzurechnen.
Art.32 konkretisiert die Regel, wonach die Unterbringung( (stationäre
Schutzmassnahme) dem Vollzug eines gleichzeitig vollziehbaren
Freiheitsentzugs (Strafe) vorausgeht und diesen im Erfolgsfall
ersetzt (vikariierendes Prinzip): Die Strafe wird nicht mehr vollzogen,
wenn die stationäre Schutzmassnahme ihren erzieherischen und/
oder therapeutischen Zweck erreicht hat.
Anrechnung der Freiheitsbeschränkung
Wird die Unterbringung abgebrochen, weil der Zweck nicht erreicht
worden ist oder nicht erreicht werden kann, muss entschieden
werden, ob und wie weit der Freiheitsentzug noch zu vollziehen ist.
Die mit der Unterbringung verbundene Freiheitsbeschränkung muss
jedoch auf die noch zu vollziehende Reststrafe zwingend angerechnet werden. Das hat zur Folge, dass die Strafe nach einem längeren
Massnahmevollzug meist bereits ausgeschöpft ist, so dass der
motivierende Druck der andernfalls drohenden Strafverbüssung
entfällt.
Gestützt auf die Formulierung in Art.31,Abs.3, wonach „die mit der
Unterbringung verbundene Freiheitsbeschränkung anzurechnen“
sei, praktizieren die Kantone eine unterschiedlich abgestufte
Anrechnung. So werden im Kanton Bern die Unterbringung in einem
geschlossenen Rahmen zu 100%, die in einem offenen Heim zu
75%, die in einer Wohngemeinschaft oder einem Lehrlingsheim zu
50% und die in einer Familie zu 25% angerechnet.
Ambulante Massnahme und
unbedingter Freiheitsentzug
Falls eine ambulante Schutzmassnahme und ein unbedingter Freiheitsentzug
angeordnet werden, stehen der urteilenden Behörde zwei Möglichkeiten
offen (Art.32, Abs.4): Sie kann den Freiheitsentzug zu Gunsten der
ambulanten Behandlung, der persönlichen Betreuung oder der Aufsicht
aufschieben (ambulante Behandlung in Freiheit). In diesem Fall gelten die
zuvor genannten Regeln analog (Art.32, Abs.2 und 3). Sie kann aber auch
den Freiheitsentzug als vollziehbar erklären und anordnen, dass die
Schutzmassnahme kumulativ während des Freiheitsentzugs (ambulante
Behandlung im Strafvollzug) oder danach durchgeführt wird (z.B. eine
weiterführende Behandlung nach einem Freiheitsentzug).
Allerdings dürfte die urteilende Behörde in den Fällen, wo sie gleichzeitig eine
ambulante Massnahme und einen Freiheitsentzug anordnet und der
Meinung ist, die Massnahme sei vorrangig zu vollziehen, für den Freiheitsentzug ohnehin den bedingten oder den teilbedingten Vollzug gewähren.
Die in Abs.4 statuierte Regel ist deshalb vor allem für die ausdrücklich
genannten Fälle praxisrelevant, wo die Konkurrenz von Strafe und
Massnahme als Folge eines Widerrufs nachträglich zustande kommt.
Wenn eine Strafe ohne Freiheitsentzug und eine ambulante Schutzmassnahme
zusammentreffen, können diese nebeneinander vollzogen werden.
Verbindung von Strafen Art.33
Die Art.33 und 34 gehören systematisch nicht in den Kontext des Vollzugs, da
sie Fragen im Zusammenhang mit der Anordnung von Sanktionen regeln.
Nach Art.33 können die persönliche Leistung ausschliesslich in der speziellen
Form von Teilnahme an Kursen oder ähnlichen Veranstaltungen (Art.23
Abs.2) und jeglicher Freiheitsentzug (Art.25) mit einer Geldbusse
verbunden werden. Dem liegt die Befürchtung zu Grunde, der Jugendliche
könne die Kursteilnahme oder insbesondere den bedingten Freiheitsentzug
allein zu wenig als Strafe empfinden.
Die sogenannte Verbindungs- oder Kombinationsbusse wird als Warnstrafe
begründet. Bei der Kursteilnahme kann mit der Busse zudem ein unterschiedliches Verschulden ausgeglichen werden. Ausgeschlossen ist die
Verbindung mit der Busse bei der persönlichen Leistung in Form von Arbeit.
Beim unbedingten Freiheitsentzug ist die Verbindung vom Gesetz her
theoretisch möglich, doch dürfte sie in der Praxis kaum sinnvoll sein, weil
das Motiv, eine zu wenig spürbare Strafe zu verschärfen, nicht zutrifft.
Die zusätzliche Busse kann in allen Fällen voll bedingt, teilbedingt oder
unbedingt ausgesprochen werden.
Asperationsprinzip, Art.34
Art.34 regelt in Analogie zu Art.49 Abs.1 StGB das
Asperationsprinzip. Danach werden bei der gleichzeitigen Beurteilung mehrerer durch den gleichen
Jugendlichen begangener Straftaten die gleichartigen
Einzelstrafen nicht einfach kumuliert und zusammen
gezählt. Vielmehr wird eine Gesamtstrafe wie bei den
Erwachsenen so festgelegt, dass von der schwersten
Tat ausgegangen und die dafür vorgesehene Strafe
angemessen erhöht wird, wobei das gesetzliche
Höchstmass einer Strafart (z.B. 1 Jahr Freiheitsentzug,
2’000 Fr. Busse) nicht überschritten werden darf.
Die Bildung einer Gesamtstrafe ist nur bei gleichartigen
Strafen möglich, BGE 137 IV 57 ff.
M. Bedingter Vollzug, Art.35
Der bedingte Vollzug folgt wie bei den Erwachsenen dem
französischen System des „sursis“. Die Strafe wird festgelegt, doch wird ihr Vollzug zur Bewährung ausgesetzt.
Wird der bedingte Vollzug bewilligt, muss die Strafe nicht
verbüsst werden, sofern sich der Verurteilte bewährt.
Bei Busse und persönlicher Leistung ist der Anwendungsbereich unbeschränkt, beim Freiheitsentzug können
Strafen bis 30 Monate (2 1/2 Jahre) mit bedingtem Vollzug gewährt werden. Als Bewährungsfrist wird individuell
eine Probezeit festgelegt. Wird sie bestanden, ist der
Vollzug der Strafe erlassen. Andernfalls kann die Strafe
nachträglich noch vollzogen werden.
Rudimentäre Regelung
Die Regelung des bedingten Vollzugs ist eine Schwachstelle des Gesetzes. Obwohl der bedingte Vollzug in der
Praxis eine grosse Bedeutung hat, ist er nur rudimentär
geregelt. Zudem ist die Konzeption ungeprüft vom Erwachsenen-Strafrecht übernommen worden und vom
bedingten Vollzug im Zusammenhang mit der Freiheitsstrafe geprägt. Die materiellen Voraussetzungen des
bedingten Vollzugs werden nicht positiv umschrieben,
und für die Folgen verweist das Gesetz auf die Bestimmungen zur bedingten Entlassung, die nicht in allem
übertragbar sind.
Die Anlehnung an die bedingte Entlassung widerspricht der
Tatsache, dass der bedingte Vollzug in der Praxis viel
häufiger vorkommt als die bedingte Entlassung.
Bedingter Vollzug bei mehreren
Strafarten möglich
Art.35 Abs.1
Die urteilende Behörde schiebt den Vollzug einer Busse,
einer persönlichen Leistung oder eines Freiheitsentzugs
von höchstens 30 Monaten ganz oder teilweise auf,
soweit eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint,
um den Jugendlichen von der Begehung weiterer
Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.
Für die weitere Erörterung wird unterschieden zwischen
dem bedingten Vollzug einer Freiheitsstrafe bzw. einer
andern Strafe (Busse bzw. persönliche Leistung).
Bedingter Vollzug bei Freiheitsstrafe
Bei der Freiheitsstrafe ist davon auszugehen, dass der bedingte Vollzug eine nicht ungünstige Legalprognose voraussetzt. Das Gesetz
bringt das mit der negativ umschriebenen Bedingung zum Ausdruck:
„sofern eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den
Jugendlichen von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten“.
Im Gegensatz zum Erwachsenenstrafrecht (Art.42 Abs.2 StGB) fehlen
ausdrückliche Ausschlussgründe wegen Rückfälligkeit, doch dürfte
die Erfolglosigkeit einer früheren Bestrafung auch hier der eindeutigste Grund für die Notwendigkeit einer unbedingten Strafe sein.
Abgesehen von dieser wenig präzisen Voraussetzung werden keine
Kriterien bezüglich Entwicklung oder Verhalten umschrieben, die auf
eine nicht ungünstige Prognose schliessen lassen.
Immerhin macht die Formulierung deutlich, dass der bedingte Vollzug
zumindest bei Freiheitsstrafen die Regel, der unbedingte die Ausnahme sein soll. Aus der Beschränkung auf „Verbrechen oder
Vergehen“ geht zudem hervor, dass das Risiko blosser Übertretungen für die Verweigerung des bedingten Vollzugs nicht genügt.
Prognoseproblematik
Kriminalprognosen sind schon bei Erwachsenen äusserst unsicher. Vor
allem im breiten Mittelfeld der Fälle lassen sie sich „nicht in wissenschaftlich unangreifbarer Weise begründen“[1]. Noch stärker trifft
das für Jugendliche zu, weil ihre Persönlichkeit weniger festgelegt
ist, weil ihr Verhalten und Erleben stark von der Entwicklungsdynamik überlagert ist, und weil gelegentliches Delinquieren als
solches kein negatives Prognosekriterium darstellt. Abgesehen von
den ganz leichten Fällen, wo die Prognose fast immer günstig ist,
und den schweren Fällen, wo konkrete Gefährdungsmerkmale eine
fundierte ungünstige Prognose begründen können, ist eine zuverlässige Voraussage im grossen Mittelbereich kaum möglich.
Angesichts dieser Problematik ist es nicht zulässig, statt der Prognose
etwa darauf abzustellen, ob der Täter den bedingten Vollzug „verdient“. Der Entscheid darf nicht nach moralischen oder punitiven
Kriterien getroffen werden. Vielmehr ist grundsätzlich von einer nicht
ungünstigen Prognose auszugehen, so lange diese nicht durch
eindeutige Risikofaktoren, insbesondere bei Rückfalldelinquenz,
ausgeschlossen wird. Die Gewährung des bedingten Strafvollzugs
sollte deshalb beim Freiheitsentzug der Normalfall sein.
[1] Stratenwerth AT II, § 5, N 34
Beispiel zur Prognoseproblematik
Freihofer schildert das Beispiel eines jugendlichen Täters,
der es seinerzeit geschafft hatte, in einem Jahr nahezu
2% aller von Jugendlichen im Kanton Zürich verübten
Delikte zu begehen. Mit Sicherheit hätte man damals
von einer negativen Prognose ausgehen müssen.
Dieser Jugendliche habe inzwischen den Oberstufenabschluss geschafft, eine Lehre absolviert und den
Ausstieg aus der kriminellen Karriere vollzogen.
Lit. Viviane Freihofer: Intensivtäter im Vergleich mit
Mehrfach- und Bagatelltätern, SZK 2/14, S.10-24
Bedingter Vollzug bei andern Strafen
Der bedingte Vollzug ist nicht nur möglich bei der Freiheitsstrafe, sondern auch bei der Busse und bei der persönlichen Leistung. Bei diesen Sanktionen müssen bei der
Beurteilung, ob der bedingte Strafvollzug Sinn macht,
andere Gesichtspunkte zum Zuge kommen.
Der Gesetzgeber hat das deswegen nicht ausdrücklich
vorgeschrieben, weil er den bedingten Vollzug im
Anschluss an die Freiheitsstrafe und aus deren Notwendigkeiten heraus geregelt hat. Er hat deshalb nicht
berücksichtigt, dass der bedingte Vollzug bei den andern
Strafen aus spezialpräventiven Überlegungen in vielen
Fällen nicht sinnvoll ist. Die Frage stellt sich deshalb,
welche Rolle erzieherische Motive bei der Beurteilung
des bedingten Vollzugs spielen, wenn er bei diesen
Strafen angewendet werden soll.
Wenig präventive Wirkung
Aus der Wirkungsforschung wissen wir, dass eine Strafe
nur wirksam sein kann, wenn sie emotional spürbar ist.
Bei einem drohenden Freiheitsentzug ist das meistens
der Fall, viel weniger aber bei einer künftig drohenden
Busse, oder einer drohenden Arbeitsleistung.
Zudem haben die Busse und die persönliche Leistung im
Gegensatz zur Freiheitsstrafe auch keine schädlichen
Auswirkungen, die wenn möglich vermieden werden
sollen. Deshalb dürfte das Erbringen der ganzen oder
teilweisen persönlichen Leistung bzw. Busse in der
Regel erzieherisch sinnvoller und präventiv wirksamer
sein als der voll bedingte Vollzug.
.
Erzieherische Kriterien
Die Verweigerung des bedingten Vollzugs muss folglich bei
den andern Strafen mit Rücksicht auf die Strafempfindlichkeit, d.h. aus erzieherischen Überlegungen beurteilt
werden. Denn in der Prognose ist die voraussichtliche
Wirkung der Sanktion immer mit zu berücksichtigen. Die
gesetzliche Formulierung kann dann im wörtlichen Sinn
zum Tragen kommen, weil der bedingte Vollzug bei diesen Strafen zu wenig präventiv wirkt: Demnach muss die
unbedingte Strafe bei Busse und persönlicher Leistung
öfters angeordnet werden, weil sie „notwendig erscheint,
um den Jugendlichen von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten“.
Dieser Einschätzung entspricht auch die statistische Erfahrung, dass schon im früheren Jugendstrafrecht, wo der
bedingte Vollzug im Zusammenhang mit der Busse bereits möglich war, die bedingte Busse wesentlich seltener ausgefällt wurde als die unbedingte.
Teilbedingter Vollzug (sursis partiel)
Bei allen drei Strafarten kann auch teilbedingter
Vollzug angeordnet und damit die sog. split
sentence verwirklicht werden. Das bedeutet,
dass ein (unbedingter) Teil der Strafe als
vollziehbar erklärt wird und verbüsst werden
muss, während der Rest zur Bewährung ausgesetzt wird.
Im Gegensatz zum Erwachsenenstrafrecht (Art.43
StGB) finden sich im Jugendstrafrecht aber
weder zu den Voraussetzungen noch zur
möglichen Höhe der beiden Teile genauere
Angaben.
Verschulden nicht massgeblich
Nach StGB 43 ist bei Erwachsenen das Verschulden
massgeblich für die Anordnung des teilbedingten
Vollzugs.
Bei Jugendlichen kann das nicht der entscheidende
Gesichtspunkt sein. Im Vordergrund stehen auch hier
erzieherische Überlegungen.
Teilbedingter Vollzug kann z.B. in Frage kommen,
wenn er an Stelle des voll bedingten Vollzugs als Anerkennung für eine geleistete Wiedergutmachung gewährt wird, oder wenn es darum geht, einen Jugendlichen im Sinne einer nachhaltigen Warnung erfahren
zu lassen, was ihm im Falle der Nichtbewährung droht.
Mass des vollziehbaren Teils
Das Mass des zu vollziehenden Teils ist nicht bestimmt.
Sicher sind die in Art.43 StGB für die Erwachsenen festgelegten Grenzen (höchstens die Hälfte der Strafe,
mindestens 6 Monate) nicht analog anwendbar. Im Unterschied zu der in Art.43 StGB vorgesehenen Regelung
tangiert der vollziehbare Teil schneller die bedingte
Entlassung, weil letztere bei Jugendlichen schon nach
der Hälfte der Strafverbüssung möglich ist. Deshalb
muss der zu vollziehende Teil eindeutig weniger als die
Hälfte betragen, sonst fährt der zu einer teilbedingten
Strafe Verurteilte nicht besser als der unbedingt Verurteilte. Auch die für Erwachsene geltende Mindestgrenze
von 6 Monaten ergibt für Jugendliche keinen Sinn.
Andrea Muri hat in ihrer Masterarbeit anhand von 49 Urteilen allerdings errechnet, dass häufig sogar die Hälfte
überschritten wurde.
Teilbedingt oft sinnvoller als vollbedingt
Der teilbedingte Vollzug ist an die gleichen
Voraussetzungen geknüpft wie der voll
bedingte.
Deshalb kann er bei der Busse und bei der
persönlichen Leistung als erzieherisch
sinnvolle Alternative in denjenigen Fällen
eingesetzt werden, wo die Gewährung des
voll bedingten Vollzugs nicht angebracht
scheint.
Modalitäten des bedingten Vollzugs
Bei allen Varianten des bedingten Vollzugs gilt
gemäss Art.35 Abs.2: Für die Festlegung der
Probezeit und die Folgen der Bewährung resp.
Nichtbewährung wird auf die Bestimmungen zur
bedingten Entlassung verwiesen (Art.29-31).
Die Probezeit beträgt somit zwischen 6 Monaten
und 2 Jahren. In analoger Anwendung von
Art.29 Abs.2 kann der bedingte Vollzug mit
Weisungen verbunden werden, und es wird wie
in Art.29 Abs.3 eine Begleitperson eingesetzt.
Die Folgen der Bewährung (Art.30) resp. der
Nichtbewährung (Art.31) gelten genau gleich.
Abweichungen von den Regeln der
bedingten Entlassung
Die Bestimmung der Probezeit sowie die Anordnung von Weisungen
und die Einsetzung einer Begleitperson würden bei der bedingten
Entlassung durch die Vollzugsbehörde vorgenommen, Art.29. Das
kann beim bedingten und teilbedingten Vollzug aber nicht gelten.
Vielmehr sind diese Konkretisierungen wie bei den Erwachsenen
(Art.44 StGB) durch die urteilende Instanz festzulegen.
Ebenso wenig anwendbar ist auch die bei der bedingten Entlassung
geltende Regel, wonach die Probezeit innerhalb der genannten
Grenzen mit dem Strafrest (hier: mit der ausgestellten Strafe)
identisch ist. Bei den Erwachsenen gibt es diese Gleichstellung
jedenfalls nicht (Art.44 StGB im Gegensatz zu Art.87 StGB), und
sinnvoller Weise kann sie auch hier nicht zum Zug kommen. Denn
die bedingte Entlassung ist die letzte Stufe einer bereits verbüssten
Freiheitsstrafe. Das trifft beim bedingten Vollzug, wo die Strafe im
Normalfall nicht vollzogen wird, nicht zu: Hier kann es gute Gründe
geben, eine Probezeit im Sinne der Bewährungsauflage länger
anzusetzen.