kann das Referat von Frau Lötscher als

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Transcript kann das Referat von Frau Lötscher als

Schweizerisches Institut für
Kinder- und Jugendmedien SIKJM
Drachenritt und
Vampirbiss
Faszination Fantasy
Frühlingsweiterbildung von lesen. GR
7. April 2010
Christine Lötscher, SIKJM
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Buchmagie
Bsp. Cornelia Funke: Tintenwelt-Trilogie
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Faszination Fantasy
Fantasy
Identifikationsangebote
Kulturelles Gedächtnis
Unterhaltung
Geschichte des Fantasy-Genres
Trends
Fantasy im Medienverbund
Fankultur
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Lieblingsgenre Fantasy
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Skepsis bei Erwachsenen
Fantasy wird allmählich salonfähig, auch für die
Leseförderung und für die Forschung (Gründung
der Gesellschaft für Fantastik-Forschung in
Hamburg, Ende September 2010)
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Realitätsflucht?
Das emanzipatorische Erziehungsideal der 1970er
Jahre verlangte die kritische Auseinandersetzung
des Kindes mit der sozialen Wirklichkeit.
Fantasywelten galten als Fluchträume.
Seit Bruno Bettelheim („Kinder brauchen Märchen“,
1977): fantastische Geschichten fördern die
gesellschaftliche Handlungsfähigkeit von Kindern
Diametral unterschiedliche Sicht in Wilds
„Geschichte der deutschen Kinder- und
Jugendliteratur“, 2. bzw. 3. Auflage (2008)
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Gewalt?
Symbolische Lesart (Bettelheim / Freud / Erdheim)
Tiefenpsychologisch gesehen steht das
Handlungsschema Gut gegen Böse wie im
Märchen für ein existenzielles Dilemma
Kampf in der Fantasy-Literatur ist nicht als soziale
Auseinandersetzung zu verstehen, sondern als
Ausdruck innerseelischer Konflikte
Das Fantastische thematisiert entwicklungsbedingte Ängste, die genüsslich ausgemalt und
anschliessend gebannt werden können
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Fantasy bietet...
-
Spannung
Abenteuer
Eine andere Welt zum Probehandeln
Eine andere Welt, in der sich die unsere spiegelt
Die grossen, mythischen Menschheitsthemen
Helden und ihre Entwicklungsgeschichten
Raum für Auseinandersetzung mit der eigenen
Identität und für eigene Entwicklung
Raum für empathisches Lesen
Raum für eigenes Weiterspinnen der Geschichte
Projektionsfläche für Fankultur
Populäre Erzählungen und Stoffe im
Medienverbund
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Fantasy als Spiegel
Fantasy spiegelt aktuelle gesellschaftliche
Probleme und Debatten
Fantasy-Romane und -Filme eröffnen Kindern und
Jugendlichen spielerisch einen Zugang zu den
Themen der Erwachsenen - während die
Erzählweise ihre Wurzeln in Mythen und Märchen
hat
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All Age / Crossover
Auch Erwachsene lesen Fantasy-Romane, die in
Kinder- und Jugendbuchverlagen erscheinen und
schauen sich die Filme an (Mehrfachadressierung;
Vielfalt der Zugänge)
Bsp. Harry Potter, Twilight, Eine zauberhafte Nanny
Das Crossover-Phänomen ist nicht ganz neu:
Michael Endes „Die unendliche Geschichte“ (1979)
ist der erste Fantasy-Roman für Jugendliche, der
es auf die Spiegel-Bestsellerliste schaffte
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Heldenreise
Ein Schema, das in allen Fantasy-Erzählungen zu
finden ist, egal ob im Film oder im Roman:
Der Held, die Heldin zieht aus, gelangt in eine
fremde Welt, muss sich dort bewähren und lernen,
kehrt klüger und geläutert zurück
(Mittelalterliche Heldenepen, Märchen, Tolkiens
„Herr der Ringe“, Michael Endes „Die unendliche
Geschichte“)
Dominant: Beeinflusst sogar Tim Burtons „Alice in
Wonderland“-Film
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Wie viele Welten?
High-Fantasy: Eine fantastische Anderswelt
(Tolkien: Herr der Ringe, Paolini: Eragon)
Zwei- oder Mehrwelten-Fantasy: Eine Welt, die
realistisch beschrieben wird und unserer entspricht,
und eine oder mehr fantastische Welten
(Ende: Die unendliche Geschichte, Pullman: His
Dark Materials)
Osmose (Tintenherz)
Durchlässige Welt (Harry Potter, Twilight)
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Geschichte der fantastischen Literatur / Fantasy am
Beispiel des Weltenwechsels
Die zwei-Welten-Fantastik ist an die Realitätserfahrung
angebunden
Seit der Romantik (E.T.A. Hoffmann) wird der Gegensatz
zwischen märchenhafter Kindheitswelt und
Erwachsenenwelt thematisiert
„Entsprechend dem romantischen Kindheitsmythos bewegt
sich eine kindliche Zentralfigur neben der Alltagswirklichkeit
auch in einer magischen Anderswelt, die sich ebenso aus
individuellen Fantasien wie den Mythen und Märchen des
Abendlandes zusammensetzt und in der eigene Normen und
Werte gelten.“
(Irmgard Nickel-Bacon: Fantastische Literatur. In: Wild,
Geschichte der deutschen Kinder- und Jugendliteratur,
2008)
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Geschichte 1
Das romantische Kindheitsbild kommt beim
Weltenwechsel zum Ausdruck - Kindheit als
poetische Daseinsform
(Alice in Wonderland, Mary Poppins)
„Haha, Herr Magister“, sprach Felix, „ich merk es
schon, du verstehst dich nicht auf den Gesang und hörst
es auch wohl gar nicht einmal, wenn der Morgenwind
mit den Büschen plaudert und der alte Waldbach schöne
Märchen erzählt.“
(E.T.A. Hoffmann: Das fremde Kind)
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Geschichte 2
Intermediärer Raum (Winnicott), der durch die
Fantasie entsteht
(Die Unendliche Geschichte)
Astrid Lindgren in einem Interview zu „Mio, mein
Mio“ (1953/54):
„Gewiss glaubt ein erwachsener Leser - sogar ich
-, dass Mio voller Sehnsucht auf einer Bank sitzt,
ebenso einsam wie jemals zuvor. Jedoch wissen
alle Kinder, auch das Kind in mir: Mio ist im Land
der Ferne und hat es gut...“
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Geschichte 3
In neueren Fantasy-Romanen und ihren Verfilmungen gibt
es immer häufiger fliessende Übergänge anstelle von
Löchern (Carroll: Alice), Schränken (C.S. Lewis: Narnia),
Büchern (Ende: Die unendliche Geschichte) mit
Schwellenfunktion.
Die Protagonisten müssen vor allem ins Wissen um eine
fantastische Welt mitten unter uns eingeweiht werden (Harry
Potter, Die Chroniken von Spiderwick, Ruebenstrunk: Arthur
und die Bücherdiebe)
nur eine kleine Minderheit glaubt an die Existenz des
Fantastischen und kämpft an zwei Fronten („ungläubige“
Mehrheit der Menschen; die „Bösen“, die ebenfalls um das
Fantastische wissen und es für ihre Zwecke missbrauchen
wollen)
Bsp. Spiderwick-Chroniken, Percy Jackson
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Fantasy im Medienverbund
„Die Medienverbundliteratur wird für eine immer
grösser werdende Zahl von Kindern und
Jugendlichen zur Einstiegspforte in die Welt der
Bücher und des einsamen, versunkenen Lesers
werden. Für viele junge Menschen dürfte sie die
einzige Leseerfahrung bleiben.“
(Hans-Heino Ewers)
„Medienkritik und Mediengenuss sind keine
gegensätzlichen, sondern einander sinnvoll
ergänzende Verarbeitungsstrategien.“
(Irmgard Nickel-Bacon)
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Fankultur
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Fanfiction
«Es gibt nichts Schöneres als gemütlich in seinem
Bett oder auf der Couch ein Buch nach dem
Anderen zu verschlingen!! Und wenn es mir zu
lange dauert auf eine Fortsetzung einer Buchreihe
zu warten, greif ich eben nach meinem Laptop und
entwickle meine eigenen Ideen, wie beispielsweise
bei Harry Potter oder Twilight! Was uns also wieder
in diese wunderbare Welt der Fan Fictions führt!»
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Fanfiction
„Deine Lieblingsserie gibt es nicht mehr? Dein Lieblingscharakter
wurde von den Drehbuchschreibern einfach um die Ecke gebracht?
Du wartest sehnsüchtig auf den nächsten Band Deiner
Lieblingsbücher und er will und will einfach nicht erscheinen? Frust
über unlogische Wendungen im Plot? Du bist Dir sicher, zwei
Charaktere gefunden zu haben, die einfach füreinander bestimmt
sind, aber sie finden einfach nicht zueinander?
Das muß nicht sein, denn dafür gibt es Fanfiction. Hier nehmen
Fans das Schicksal Ihrer Lieblinge selbst in die Hand. Such dir dein
Fandom und lies dort mehr darüber oder mach' einfach selber mit.“
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Expertentum
„Der Behauptung, dass die Aneignungsweisen der
Fans in besonderem Masse affektiv seien,
widerspricht keineswegs die Bedeutung, die das
Wissen und die Kennerschaft in der Populären
Kultur allgemein und unter Fans im besonderen
hat.“
(Hans-Otto Hügel)
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Expertentum
“The fans producing these fictions are far from
being ‘mindless consumers’ and reproducers of
existing media, as they actively engage with,
rework, and appropriate the ideological messages
and materials of the original text.”
(Rebecca Black)
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Trends: Vampire
Fantasy ist traditionell asexuell, doch der Genremix
von Fantasy und Romance (Romancy) eröffnet
neue Möglichkeiten
Verhandlungen um Sexualität und
Gechlechterrollen; Tod und die Möglichkeit des
ewigen Lebens (z.B. Twilight; Evermore)
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Dystopie
Angst vor Terror, Umweltkatastrophen, Kontrolle
etc. (z.B. Alterra)
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Weltraum
Neue Mischung zwischen Science Fiction und
Fantasy
Angst vor Überbevölkerung
Kosmologische Forschung (CERN)
NASA-Pläne
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Bücher
Bücher mit magischen Kräften kommen immer
häufiger in Fantasy-Romanen und Filmen vor
Selbstreflexion und Mystifikation
Die Schriftkultur wird verhandelt
- Widersprüche: Cornelia Funke: Tintenherz
- Medienwandel: Zizou Corder: Lee Raven
- Kulturelles Gedächtnis: Andreas Gössling: Opus
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