Transcript MB 2010

Hormontherapie
bei
Transsexualität
Martin Birkhäuser
Prof. emer. für gynaekologische
Endokrinologie und Reprod.-Medizin
Universität Bern
[email protected]
Epidemiologie/
Aetiologie
MB 2010
TRANSSEXUALITAET
Häufigkeit:
Männer:
1: 30'000 bis 1:100'000*
Frauen:
1:100'000 bis 1:400'000*
* Zahlen aus konservativen Ländern
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TRANSSEXUALITAET
Differentialdiagnose:
 Transvestitismus
 Homosexualität
 Adoleszenten-Konflikte
 Persönlichkeitsstörungen, schwere Charakterneurosen
 Psychosen
 Paraphilie
 kulturell induzierte Geschlechtsdysphorie
 Intersexualität
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TRANSSEXUALITAET
AETIOLOGIE
Diskutiert werden heute vor allem:
 psychoanalytische Theorien
 intrauterin falsche „Prägung“
 neuro-endokrine Hypothesen
Weitere Theorien: genetisch, sozio-kulturell....
Konkrete Ursachen sind bis heute nicht gesichert.
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RECHTLICHES
MB 2010
TRANSSEXUALITAET
Rechtliche Aspekte
Die rechtliche Anerkennung der erfolgten operativen
Geschlechtsanpassung erfordert eine Änderung des
Geschlechtes und des Namens (Personenstand) im
Zivilstandsregister durch Gerichtsbeschluss.
Dies ist für eine Aenderung des Vornamens
(sehr wichtig für die Patienten im Verlaufe der
präoperativen hormonellen Therapie!) nicht
notwendig.
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TRANSSEXUALITAET
Rechtliche Aspekte
EHE:
Laut Gerichtsbeschluss des Bezirksgerichts
St.Gallen vom 26.11.1996 ist die Ehe weiterhin
gültig, da das Erfordernis der nicht gleichen
Geschlechtszugehörigkeit - ansonsten
Nichtehe vorläge - nur zum Zeitpunkt der
Eheschliessung bestehen muss.
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Behandlung
präoperativ:
Mann zu Frau
MB 2010
Präoperative Behandlung mit
gegengeschlechtlichen Hormonen
TRANSSEXUALITAET
„Mann zu Frau“
Ziele:
 Abschwächung des männlichen Phaenotyps
 Ausbildung weiblicher sek. Geschlechtsmerkmale
 Abschwächung/Unterdrückung der Libido
(meist erwünscht)
Voraussetzung:
2 unabhängige positive Gutachten, welche eine echte
Transsexualität bestätigen
MB 2010
Präoperative Behandlung mit
gegengeschlechtlichen Hormonen
TRANSSEXUALITAET
„Mann zu Frau“
Voraussetzung:
1. Der Patient/die Patientin muss über die reellen
Möglichkeiten einer Behandlung mit Oestrogenen
und Antiandrogenen informiert sein
- langwieriger Prozess
- bereits ausgebildete männliche sekundäre
Geschlechtsmerkmale können hormonell allein
in der Regel nicht rückgängig gemacht werden
MB 2010
Präoperative Behandlung mit
gegengeschlechtlichen Hormonen
TRANSSEXUALITAET
„Mann zu Frau“
Voraussetzung (Fortsetzung):
2. Pat über Risiken informiert
3. 3. Pat vor „Selbstmedikation“ mit Dosissteigerung
gewarnt
MB 2010
Präoperative Behandlung mit
gegengeschlechtlichen Hormonen
TRANSSEXUALITAET
„Mann zu Frau“
Voraussetzung (Fortsetzung):
4. Dazu sind folgende Punkte zu erfüllen:
1. Die Therapie muss suppressiv sein, um die
testikuläre Androgen-Produktion auszuschalten.
2. Die Therapie sollte eine anti-androgene Potenz haben
3. Das Nebenwirkungs-Risiko muss im Verhältnis
zum erwarteten Nutzen stehen.
4. Kontraindikationen: wie bei kontrazeptiver Pille!
Vor allem zu beachten:
Thrombophilie (Familien- und persönliche Anamnese)
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Präoperative Behandlung mit
gegengeschlechtlichen Hormonen
TRANSSEXUALITAET
„Mann zu Frau“
1. Basis-Therapie: Gabe von Oestrogen+Anti-Androgen
Da Ethinylestradiol (EE) nicht mehr als Reinsubstanz
auf dem Markte erhältlich ist:
Basis = „Pille“
Erste Wahl: - Diane 35 ® oder Generica
(35 µg EE + 2 mg Cyproteron-Acetat)
- Yasmin® (30 µg EE + 3 mg Drospirenon)
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Therapie-Prinzip I
(adaptiert nach Speroff, 2005)
LH
ProdukProduktion
tion
freies
freies T
T
Andr.sekr
Spiegel
freies T
SHBG
Testosteron
Bindungskapazität
Totales zirkulierendes Testosteronn
(adaptiert nach Speroff, 2005)
Therapie-Prinzip II
3% frei
19% Albumin
78% SHBG
Männer
1% frei
2% frei
19% Albumin
19% Albumin
80% SHBG
79% SHBG
normale
Frauen
hirsute
Frauen
Präoperative Behandlung mit
gegengeschlechtlichen Hormonen
TRANSSEXUALITAET
„Mann zu Frau“
2. endokrine Zusatztherapien:
Zusätzlich zu Diane 35 ® : Cyproteron-Acetat (Androcur ®)
50–200 mg/Tag p.o.
Alternative: Spironolactone
50-200 mg/Tag per os
Bei starkem Bartwuchs:
(zusätzlich) Einsatz von einem 5-alpha-Reduktase-Blocker,
z.Bsp. Finasterid (Proscar ® 5 – 20 mg/Tag per os)
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Steroidale Anti-Androgene:
Hydroxyprogesterone und Spirolactone
19-Nortestosteron
17a -Hydroxyprogesteron
17a Spirolacton-Derivat
O
OH
O
O
C
H3C
O
CH
H
CH3
O
H
O
O
H
H
O
Norethisteron
Hydroxyprogesteroncaproat
Levonorgestrel/Norgestimat
Chlormadinonacetat
Gestoden/Desogestrel
Cyproteronacetat
Drospirenon
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Finasterid
5a-Reductase-Hemmer
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Finasterid
Wirkungsmechanismus
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Finasterid
5a-Reduktase-Hemmer
-
klassische Indikation: Prostata-Ca
5 mg/Tag bessert Hirsutismus
keine Nebenwirkungen bekannt
Wirkung entspricht ungefähr
100mg Spironolactone/Tag
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Behandlung
präoperativ:
Frau zu Mann
MB 2010
Präoperative Behandlung mit
gegengeschlechtlichen Hormonen
TRANSSEXUALITAET
„ Frau zu Mann“
Voraussetzung:
1. Der Patient/die Patientin muss über die reellen
Möglichkeiten einer Behandlung mit Androgenen
informiert sein
- Skelett bleibt weiblich
- fehlende männliche Geschlechtsmerkmale (Penis)
können hormonell allein nicht erreicht werden
- der Pat. Durchläuft eine „komprimierte“ männliche
Pubertät mit all ihren Problemen
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Präoperative Behandlung mit
gegengeschlechtlichen Hormonen
TRANSSEXUALITAET „ Frau zu Mann“
Voraussetzung:
3. Pat über Risiken informiert, vor allem:
- Uebergang in männliches kardio-vaskuläres
Risiko-Profil
- Zyklusstörungen (zu Beginn)
4. Pat vor „Selbstmedikation“ mit Dosissteigerung
gewarnt
MB 2010
Präoperative Behandlung mit
gegengeschlechtlichen Hormonen
TRANSSEXUALITAET
„ Frau zu Mann“
Ziele: Dazu sind folgende Punkte zu erfüllen:
 Die Therapie muss suppressiv sein, um die ovarielle
Aktivität auszuschalten.
 Die Therapie sollte eine klare androgene Potenz haben,
um die angestrebte Virilisierung zu erreichen
 Das Nebenwirkungs-Risiko muss im Verhältnis zum
erwarteten Nutzen stehen.
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Präoperative Behandlung mit
gegengeschlechtlichen Hormonen
TRANSSEXUALITAET
„ Frau zu Mann“
1. Basistherapie: Androgene
In der Schweiz sind nur wenige Androgen-Praeparate
auf dem Markt erhältlich:
-----> kleine Auswahl!
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Präoperative Behandlung mit
gegengeschlechtlichen Hormonen
TRANSSEXUALITAET
„ Frau zu Mann“
Durchführung:
Testosteron-Undecylat per os (Andriol®, 120-160mg/Tag;
40mg Andriol entspricht 25,2 mg Testosteron)
Testosteron-Enantat i.m. (Testoviron® Depot), 250mg
alle 3-4 Wochen, entspr. 178mg Testosteron)
Testosteron Undecanoat (Nebido®), 1000 mg alle 10-14 Wo
Testosteron transdermal (Testogel® Sachet à 5 g)
(= 50 mg Testosteron); 1 Sachet täglich
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Präoperative Behandlung mit
gegengeschlechtlichen Hormonen
TRANSSEXUALITAET
„ Frau zu Mann“
2. unterstützende Massnahmen:
- Eventuell Hoden-“Epithese“ in Unterhosen
einlegen
- Fitnesstraining
- je nach NW: Akne-Therapie
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Behandlung
postoperativ:
Mann zu Frau
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Postoperative Behandlung mit
gegengeschlechtlichen Hormonen
TRANSSEXUALITAET
„Mann zu Frau“
Ziele (I):

Betonung weiblicher sek. Geschlechtsmerkmale

Ermöglichen der Libido (meist erwünscht)

Suppression der Gonadenache nicht mehr nötig

Osteoporose-Praevention
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Postoperative Behandlung mit
gegengeschlechtlichen Hormonen
TRANSSEXUALITAET
„Mann zu Frau“
Ziele (II): Dazu sind folgende Punkte zu erfüllen:
Die Therapie muss substitutiv sein, um die fehlenden
gonadalen- Steroide (v.a. Oestrogene) zu ersetzen.
 Sie sollte (meist) noch eine anti-androgene
Potenz haben
 Das Nebenwirkungs-Risiko muss im Verhältnis
zum erwarteten Nutzen stehen.
 Kontraindikationen: wie bei Hormonersatztherapie!
Vor allem zu beachten:
Thrombophilie (Familien- und persönliche Anamnese)
MB 2010
Postoperative Behandlung mit
gegengeschlechtlichen Hormonen
TRANSSEXUALITAET
„Mann zu Frau“
Durchführung:
Wechsel auf natürliches 17-beta-Oestradiol
Basis-Therapie:
- 1-4 mg 17-beta-Oestradiol per os/Tag
(mikronisiert / Valerat)
oder
- 25 – 200 ug 17-beta-Oestradiol transdermal/Tag
Dosis: „so wenig wir nötig!“
MB 2010
Postoperative Behandlung mit
gegengeschlechtlichen Hormonen
TRANSSEXUALITAET
„Mann zu Frau“
Endokrine Zusatztherapien (Dosen progressiv senken):
-
-
Antiandrogen peroral:
Cyproteron-Acetat: 50 – 200 mg per os/Tag (Androcur®)
Alternative: Spironolactone
Bei starkem Bartwuchs:
Einsatz von (zusätzlich) einem 5-alpha-ReduktaseBlocker, z.Bsp. Finasterid® 5 – 20 mg per os/Tag
Nicht-endokrine Zusatztherapie: - Laser-Epilation
- Larynx-Korrektur
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Behandlung
postoperativ:
Frau zu Mann
MB 2010
Postoperative Behandlung mit
gegengeschlechtlichen Hormonen
TRANSSEXUALITAET
„ Frau zu Mann“
Ziele: Dazu sind folgende Punkte zu erfüllen:
 Die Therapie muss substitutiv sein, um die fehlenden
gonadalen- Steroide (v.a. Testosteron) zu ersetzen.
 Die Therapie sollte eine starke androgene Potenz haben
 Das Nebenwirkungs-Risiko muss im Verhältnis zum
erwarteten Nutzen stehen (Lipidprofil).
 Kontraindikationen:
wie bei Hormonersatztherapie beim männlichem Hypogonadismus: cave Lebertumoren
(v.a. bei hochdosierter peroraler Gabe)
MB 2010
Postoperative Behandlung mit
gegengeschlechtlichen Hormonen
TRANSSEXUALITAET
Ziele:
„ Frau zu Mann“
 Betonung /Erhaltung männlicher
sekund. Geschlechtsmerkmale
 Ermöglichen der Libido (meist erwünscht)
 Osteoporose-Prävention
Endokrine Therapie: wie präoperativ
Nicht-endokrine Therapie: Penis-Plastik (?)
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RESULTATE
MB 2010
Lebensqualität
Lebensqualität
Frau zu Mann
Mann zu Frau
5
4.26**
4.87*
4
(3.7-4.8 )
(4.7-5 )
3
2
2*
1.96**
(1.75-2.75 )
(1.35-2.6 )
1
0
1:
2:
3:
4:
5:
vorher
sehr schlecht
schlecht
mittel
gut
sehr gut
jetzt
vorher
jetzt
in Kl ammern:
Vertrauensintervall 5-95%
* p=0.00001
** p=0.0001
MB 2010
Akzeptanz durch Familie Freunde
Beruf, Gesellschaft
Frau zu Mann
5
Mann zu Frau
4.5
4.14
(3.4-4.8)
4
3.93
(3.1-4.85)
4.15
(4.15-4.85)
4.05
(3.9-4.9)
(3.5-4.6)
2.92
3.31
3.34
(2.6-4.05)
(2.4-4.3)
Freunde
Berufe
(2.15-3.7)
3
2
1
0
Familie
Freunde
1: sehr schlecht
2: schlecht
3: mittel
4: gut
5: sehr gut
Beruf
Gesellschaft
Familie
Gesellschaft
Angabe in Klammer:
Vertrauensintervall 5-95%
* p=0.00001
** p=0.0001
MB 2010
Sexualität M zu F
5
4
3.33
3.33
(2.4-4.25)
(2.55-4.1)
2.72
3
2.34
2.83
(1.95-3.45)
(2.05-3.65)
vorher
jetzt
2.83
(2.45-3.7)
(1.6-3.1)
2
1
0
vorher
jetzt
Erlebnisfähigkeit
1: sehr schlecht
2: schlecht
3: mittel
4: gut
5: sehr gut
Libido
vorher
jetzt
Orgasmusfähigkeit
Angabe in Klammer:
Vertrauensintervall 5-95%
MB 2010
Sexualität F zu M
5
4.54
4.36
4.04
(3.8-4.9)
(3.85-5)
(2.15-4.9)
4
3.32
2.96
(2.25-4.35)
2.87
(1.-3.45)
(2-3.7)
3
2
1
0
vorher
jetzt
Erlebnisfähigkeit
1: sehr schlecht
2: schlecht
3: mittel
4: gut
5: sehr gut
vorher
jetzt
Libido
vorher
jetzt
Orgasmusfähigkeit
Angabe in Klammer:
Vertrauensintervall 5-95%
MB 2010
Knochendichte (BMD) bei transsexuellen Menschen
(Ruetsche AG, Kneubuehl R, Birkhaeuser MH, Lippuner K.
Osteoporos Int (2005) 16: 791–798)
Kontrollen, Langzeitrisiken
Die weiteren Kontrollen folgen dem Muster des
weiblichen resp. des mänlichen Hypogonadismus.
Zusätzlich zur hormonellen Therapie braucht es in
der Regel eine langfristige, unterschiedlich intensive psychiatrische Begleitung.
Solide Langzeitdaten hinsichtlich Morbidität und
Mortalität liegen heute nicht vor, doch scheint der
Nutzen angesichts des hohen Leidensdruckes über
die Risiken zu überwiegen.
MB 2010