Tagesseminar „Recht“ - Adventjugend in NRW

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Transcript Tagesseminar „Recht“ - Adventjugend in NRW

Tagesseminar „Recht“
30. Januar 2011
im Bergheim Mühlenrahmede
Tagesseminar „Recht“

Tagesablauf:

1. Einheit: Vorstellung, Erwartungen, Erfahrungen und (kurze)
Einführung
2. Einheit: Übernahme der Aufsichtspflicht: zivilrechtliche und
strafrechtliche Implikationen, Jugendrecht
3. Einheit: Umfang der Aufsichtspflicht nach der einschlägigen
Rechtsprechung
4. Einheit: Workshop – „Richter für einen Tag!“
5. Einheit: Auswege im Schadensfall
6. Einheit: Feedback – Fragen und Anregungen





2
Tagesseminar „Recht“
1. Einheit
Vorstellung
Warum seid ihr heute hier?
Erwartungen?
Erfahrungen?
Fragen?
3
Tagesseminar „Recht“
1. Einheit
 Ziele des heutigen Seminars
 Worauf es ankommt:
„Wer
seinen
gesunden
Menschenverstand
benutzt,
vorausschauend und mit Überlegung an seine Tätigkeit geht und die
pädagogischen wie rechtlichen Grenzen kennt, der wird kaum in
brenzlige Situationen kommen. Hierbei zeigt es sich immer wieder,
dass gerade eine vernünftige Jugendleiterausbildung und der
unersetzliche Erfahrungsaustausch zwischen „Altgedienten“ und
„Neulingen“ entscheidend dazu beiträgt, die notwendigen
Kenntnisse zu vermitteln und damit Unsicherheiten zu vermeiden.“
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Tagesseminar „Recht“
2. Einheit
Übernahme der Aufsichtspflicht:
zivilrechtliche und strafrechtliche Implikationen,
Jugendrecht
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Tagesseminar „Recht“
2. Einheit
 gesetzliche Grundlagen:
- Inhalt und Umfang einer ordnungsgemäßen
Aufsichtsführung sind nicht geregelt
- Negativregelung, da nur Tatbestand und Rechtsfolge der
Aufsichtspflichtverletzung durch §§ 823, 832 BGB geregelt
 Inhalt und Umfang durch die Rechtsprechung
ausgestaltet
- Bezug immer nur zum konkreten Fall
- (oftmals) verklausulierte Leitsätze
- keine Allgemeingültigkeit
- allgemein gefasste Aussagen meist durch Ausnahmen begrenzt
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Tagesseminar „Recht“
2. Einheit
 Beispiele aus Gerichtsurteilen:
„Aufsichtspflichtige Personen haben die Verpflichtung dafür zu
sorgen, dass die ihnen zur Aufsicht anvertrauten Minderjährigen
selbst nicht zu Schaden kommen und auch keinen anderen
Personen Schaden zufügen.“
„Aufsichtspflichtige Personen müssen ständig wissen, wo sich die
ihnen zur Aufsicht anvertrauten Minderjährigen befinden und was
diese gerade tun.“
„Aufsichtspflichtige Personen müssen vorhersehbare Gefahren
vorausschauend erkennen und zumutbare Anstrengungen
unternehmen, um die ihnen anvertrauten Minderjährigen vor
Schäden zu bewahren.“
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Tagesseminar „Recht“
2. Einheit
 § 823 BGB
(maßgeblich bei Schäden des Aufsichtsbedürftigen)
1)
Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit,
die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen
widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus
entstehenden Schadens verpflichtet.
2)
Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz
eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des
Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so
tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
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Tagesseminar „Recht“
2. Einheit
 § 823 BGB
Tatbestandsvoraussetzungen:
1.
2.
3.
4.
5.
Rechtsgutverletzung
Verletzungshandlung: Aktives Tun oder Unterlassen
Haftungsbegründende Kausalität / Zurechnung
Rechtswidrigkeit
Verschulden
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Tagesseminar „Recht“
2. Einheit
 § 823 BGB
 1. Rechtsgutsverletzung
geschützte Rechtsgüter sind:
- Leben
- Körper
- Gesundheit
- Freiheit
- Eigentum
- sonstige Rechte
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Tagesseminar „Recht“
2. Einheit
 § 823 BGB
 2. Verletzungshandlung
Abgrenzung zwischen positivem Tun und Unterlassen?
Gleichstellung erfolgt nur dann, wenn eine Pflicht zum Handeln, eine
sog. Garantenstellung bestanden hätte (§ 13 StGB).
Was sind die Grundlagen für eine Garantenstellung?
- aus allgemeinen Verkehrspflichten (z.B. Streupflicht)
- Sicherungsgarant (Herrschaft über Gefahrenquelle)
- Obhutsgarant (z.B. Eltern)
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Tagesseminar „Recht“
2. Einheit
 § 823 BGB

2. Verletzungshandlung
Wie entsteht die Obhutsgarantenstellung?
Aufsichtspflicht entsteht nur durch Gesetz als ein Teil
der umfassenden Personensorge der Eltern (oder
auch Betreuer oder Pfleger)
die Elterliche Sorge umfasst neben der Aufsichtspflicht
auch Aufenthaltsbestimmungsrecht, Vermögenssorge
und gesetzliche Vertretung
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Tagesseminar „Recht“
2. Einheit
 § 823 BGB
 2. Verletzungshandlung
Wie wird Aufsichtspflicht übertragen?
- durch Vertrag (ausdrücklich und konkludent)
- „Übergabeakt“ unter beidseitiger Beteiligung
- auch Übertragung an Jugendlichen möglich (elterliche Einwilligung nötig)
- Voraussetzung ist weitreichende Obhut von längerer Dauer und
weitgehender Einwirkungsmöglichkeit (vgl. BGH, NJW 1968, 1874)
In welchem Umfang erfolgt die Übertragung?
- Mitübertragung eines Teils des Erziehungsrechtes
- Grenzen bilden „gute Sitten“, anerkannte Erziehungsmaßstäbe und
der im Einzelfall entgegenstehende Wille der Sorgeberechtigten
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Tagesseminar „Recht“
2. Einheit
 § 823 BGB
 3. Haftungsbegründende Kausalität / Zurechnung
Prüfung erfolgt in 3 Schritten:
(1) Äquivalenztheorie (conditio sine qua non)
(2) Adäquanztheorie (allg. Lebenserfahrung)
(3) Schutzzweck der Norm
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Tagesseminar „Recht“
2. Einheit
 § 823 BGB
 4. Rechtswidrigkeit:
durch
Tatbestandmäßigkeit
indiziert,
aber
bei
Unterlassen positiv zu prüfen (hier: liegt ein Verstoß
gegen die Aufsichtspflicht vor?)
Rechtswidrigkeit liegt dann nicht vor, wenn ein
Rechtfertigungsgrund eingreift:
- Notwehr (§ 227 BGB)
- Verteidigungsnotstand (§ 228 BGB)
- Einwilligung (§ 228 StGB)
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Tagesseminar „Recht“
2. Einheit
 § 823 BGB
 5. Verschulden
Das Verschulden ist immer in 2 Schritten zu prüfen:
(1) Verschuldensform (§ 276 BGB)
- Vorsatz: Handeln mit Wissen und Wollen
- Fahrlässigkeit: Außer Acht lassen der im Verkehr erforderlichen
Sorgfalt
(2) Verschuldensfähigkeit
- § 828 I BGB:
bis zum 7. LJ kein Verschulden
- § 828 II BGB:
7. bis 10. LJ kein Verschulden im Straßenverkehr
- § 828 III BGB:
bis 18. LJ Verschulden abhängig von
Einsichtsfähigkeit des Jugendlichen
- § 827 BGB:
kein Verschulden bei Bewusstlosigkeit
oder
krankhaften Störungen
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Tagesseminar „Recht“
2. Einheit
 § 823 BGB
 Haftungsfolgen
Nach §§ 249 ff. BGB ist der Zustand herzustellen, der bestehen würde,
wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
- Ersatz für beschädigte Sachen
- Heilbehandlungskosten
- Verdienstausfall
- Schmerzensgeld/Schmerzensgeldrente
- Gerichtskosten
aber: möglicherweise Mitverschulden nach § 254 BGB
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Tagesseminar „Recht“
2. Einheit
 § 832 BGB
(maßgeblich bei Schäden durch den Aufsichtsbedürftigen)
1) Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person
verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres
geistigen oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung
bedarf, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese
Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt
nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der
Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein
würde.
2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher die
Führung der Aufsicht durch Vertrag übernimmt.
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Tagesseminar „Recht“
2. Einheit
 § 832 BGB
1.
2.
3.
Tatbestandsvoraussetzungen:
Aufsichtspflichtiger
Aufsichtsbedürftiger
Tatbestandsmäßige und widerrechtliche Handlung des
Aufsichtsbedürftigen
- rechtswidrige Erfüllung einer unerlaubten Handlung nach § 823 BGB
- Verschulden und Deliktsfähigkeit sind nicht erheblich
- Schädigung eines Dritten ist eingetreten
4.
Verschulden
- wird vermutet
- Aufsichtspflichtiger kann Entlastungsbeweis führen; entweder wegen Erfüllung
der Aufsichtspflicht oder wegen fehlender Schadensursächlichkeit
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Tagesseminar „Recht“
2. Einheit
 § 832 BGB
Haftungsfolgen:
Grundsatz: Schadensersatzpflicht des Aufsichtspflichtigen
aber:
Gesamtschuldnerische Haftung nach § 840 I BGB
d.h.:
- Verantwortlichkeit nebeneinander
- Alleinverantwortlichkeit im Innenverhältnis
wenn Betreuter verantwortlich (§ 840 II BGB)
(z.B. 17-jähriger einsichtsfähiger Jugendlicher)
- Regressmöglichkeit nach § 426 I BGB
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Tagesseminar „Recht“
2. Einheit
 Strafrechtliche Implikationen
- §§ 223, 224, 226 StGB (Körperverletzungsdelikte)
- § 239 StGB (Freiheitsberaubung)
- § 221 StGB (Aussetzung)
- §§ 174 ff. StGB (Straftaten gegen die sexuelle
Selbstbestimmung)
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Tagesseminar „Recht“
2. Einheit
 Strafrechtliche Implikationen
- § 202 StGB (Verletzung des Briefgeheimnisses)
- § 185 ff. StGB (Beleidigung, Verleumdung, üble
Nachrede)
- § 123 StGB (Hausfriedensbruch)
- § 263 StGB (Betrug)
- § 267 StGB (Urkundenfälschung)
- § 265a StGB (Erschleichen von Leistungen)
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Tagesseminar „Recht“
2. Einheit
 Jugendschutzrecht
-
-
wichtigste Regelungen sind im „Gesetz zum Schutz der
Jugend in der Öffentlichkeit“ (JöSchG) zu finden:
Teilnahme an Tanzveranstaltungen/Disco
Aufenthalt in Gaststätten (Nachtclubs und Nachtbars)
Rauchen in der Öffentlichkeit
Teilnahme an öffentlichen Filmveranstaltungen (auch
gruppenintern)
Abgabe von Videokassetten und Bildträgern (DVDs)
Anwesenheit in Spielhallen
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Tagesseminar „Recht“
3. Einheit
 Umfang der Aufsichtspflicht
4 wesentliche Einzelpflichten:
1.
2.
3.
4.
Pflicht zur umfassenden Information
Pflicht zur Vermeidung/Beseitigung von Gefahrenquellen
Hinweis- und Warnpflicht im Umgang mit Gefahren
Pflicht zur tatsächlichen Aufsichtsführung
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Tagesseminar „Recht“
3. Einheit
1. Pflicht zur umfassenden Information
a.
Persönliche Umstände des Aufsichtsbedürftigen
und
b.
Besonderheiten der örtlichen Umgebung
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Tagesseminar „Recht“
3. Einheit
1. Pflicht zur umfassenden Information
a.
Persönliche Umstände des Aufsichtsbedürftigen
-
„Alle Umstände, die in der Person des Aufsichtsbedürftigen
wurzeln und für die konkrete Gestaltung einer Aktivität generell
wichtig sind oder im Einzelfall wichtig sein können.“
Behinderungen
Krankheiten
Allergien
Medikamenteneinnahme
Schwimmer/Nichtschwimmer
Schwindelfreiheit
Sportliche Fähigkeiten, Trittsicherheit
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Tagesseminar „Recht“
3. Einheit
1. Pflicht zur umfassenden Information
a.
Persönliche Umstände des Aufsichtsbedürftigen
Grundsatz:
Elterliche Erlaubnis für Veranstaltungen außerhalb des
üblichen Rahmens der Gruppenaktivitäten erforderlich
(kann jederzeit eingeholt werden)
Keine verbindliche Regelung welche Aktivitäten gesonderte
Erlaubnis voraussetzen
Zweifel gehen zu Lasten des Leiters
aber:
Erlaubnis entbindet nicht von persönlichem Eindruck
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Tagesseminar „Recht“
3. Einheit
1. Pflicht zur umfassenden Information
b.
Besonderheiten der örtlichen Umgebung

-
rechtzeitige (vorherige) Beschaffung ortsbezogener
Informationen:
Gebäudesicherheit
Sicherheit des Geländes
Zustand möglicher Spielgeräte
Notrufmöglichkeiten
Umstände der Programmgestaltung

umgehende persönliche Erkundung der Örtlichkeiten
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Tagesseminar „Recht“
3. Einheit
2. Pflicht zur Vermeidung/Beseitigung von
Gefahrenquellen
- Kein Zugänglichmachen gefährlicher Gegenstände (z.B.
Werkzeug, Autoschlüssel, Feuerzeug)
- Vermeidung einer vorhersehbaren Überforderung der Gruppe
- Beseitigung erkannter Gefahrenquellen (z.B. Scherben auf
Wiese, blanke Stromkabel, Messer)
- Hinweispflicht und Abhilfeaufforderung bei Gefahren durch
Dritte (z.B. fremde Jugendgruppe am gleichen Ort)
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Tagesseminar „Recht“
3. Einheit
3. Hinweis- und Warnpflicht im Umgang mit
Gefahren
Was sagen die Gerichte?
 Liberalisierung und Wandel der Erziehungsmaßstäbe
Früher:
Heute:
Fernhalten von allen Gefahren
Lernen, mit Gefahren umzugehen
 Konsequenz: Pädagogische Ermessensspielräume
(Ist das Verhalten des Leiters von einem pädagogisch
vertretbaren, nachvollziehbaren Erziehungsgedanken
getragen und nicht völlig abwegig?)
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Tagesseminar „Recht“
3. Einheit
3. Hinweis- und Warnpflicht im Umgang mit
Gefahren




Was sagen die Gerichte?
„Aus erzieherischer Sicht ist übermäßiges Fernhalten von Gefahren ebenso
negativ wie übermäßiges Überwachen.“ (OLG Koblenz, VersR 1995, 59)
„Kinder sollen lernen, für sie überschaubare Risiken zu beherrschen.“
(BGH, NJW 1988, 2667)
„Die Aufsicht muss nur eingreifen, wo Gefahr ersichtlich droht.“ (OLG
Koblenz, VersR 1989, 485)
„Nicht unbedingt das Fernhalten von jedem Gegenstand, der bei
unsachgemäßem Umgang gefährlich werden kann, sondern gerade die
Erziehung des Kindes zu verantwortungsbewusstem Hantieren mit einem
solchen Gegenstand wird oft der bessere Weg sein, das Kind und Dritte vor
Schäden zu bewahren. Hinzu kommt die Notwendigkeit frühzeitiger
praktischer Schulung des Kindes, das seinen Erfahrungsbereich möglichst
ausschöpfen soll.“ (BGH, NJW 1976, 1684)
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Tagesseminar „Recht“
3. Einheit
3. Hinweis- und Warnpflicht im Umgang mit
Gefahren
Wie kann die Rechtsprechung praktisch umgesetzt werden?
-
Hinweise und Warnungen altersgerecht anpassen (Nachfrage)
gleiche Erlaubnisse und Verbote für alle (Ausnahmen im Einzelfall)
Verbote auf ein Mindestmaß beschränken
Festlegung und stufenweise Abgrenzung eines „Spielfeldes“
Vertrag zwischen Teilnehmern und Leitern
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Tagesseminar „Recht“
3. Einheit
4. Pflicht zur tatsächlichen Aufsichtsführung
Grundsatz:
„Ein Jugendleiter kommt im Allgemeinen dann seiner Aufsichtspflicht
nach, wenn er die „nach den Umständen des Einzelfalles gebotene
Sorgfalt eines durchschnittlichen Jugendleiters“ walten lässt.“
Maßgebliche Faktoren (BGH, NJW 1984, 2574):
-
Alter der Aufsichtsbedürftigen
Eigenart und Charakter der Aufsichtsbedürftigen
Vorhersehbarkeit des schädigenden Verhaltens
Größe der Gruppe
Zumutbarkeit für Leiter
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Tagesseminar „Recht“
3. Einheit
4. Pflicht zur tatsächlichen Aufsichtsführung
Wie lassen sich konkreten Pflichten zusammenfassen?
a. Richtige Anweisungen geben
b. Einhaltung und Ausführung der Anweisungen
überwachen
c. Den Betreuten bei Bedarf zur Ordnung rufen und
ermahnen
d. Notfalls Konsequenzen aus dem Missverhalten ziehen
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Tagesseminar „Recht“
3. Einheit
4. Pflicht zur tatsächlichen Aufsichtsführung
 Beispiel:
Eine Jugendgruppe mit zehn Teilnehmern macht eine
Radtour. Der Leiter gibt die Anweisung, in Zweierreihen
nebeneinander zu fahren, „damit die Gruppe nicht zu
lang wird“. Es ereignet sich ein Unfall.
Wo liegt das Fehlverhalten?
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Tagesseminar „Recht“
3. Einheit
4. Pflicht zur tatsächlichen Aufsichtsführung
 1. Abwandlung:
Der Leiter hatte (zutreffend) angeordnet, dass streng
hintereinander gefahren werden muss. Er setzt sich an
die Spitze der Kolonne, ohne auch nur einmal nach
hinten zu sehen. Zwei Jungen fahren nebeneinander,
um sich den neuesten Witz zu erzählen. Es kommt zum
Unfall.
Wo liegt das Fehlverhalten?
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Tagesseminar „Recht“
3. Einheit
4. Pflicht zur tatsächlichen Aufsichtsführung
 2. Abwandlung:
Der Leiter schaut sich um, sieht die beiden Jungen
nebeneinander fahren und denkt sich (aus schlechter
Erfahrung): „Ermahnen hat keinen Zweck.“ Er fährt
weiter und es ereignet sich der Unfall.
Wo liegt das Fehlverhalten?
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Tagesseminar „Recht“
3. Einheit
4.Pflicht zur tatsächlichen Aufsichtsführung
 3. Abwandlung:
Die beiden Jungen ignorieren die mehrfachen
Mahnungen. Der Leiter ist das dauerhafte Ermahnen leid
und duldet es nunmehr, dass die Jungen nebeneinander
fahren, obwohl er es bei nächster Rückschau wieder
wahrnimmt.
Wo liegt das Fehlverhalten?
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Tagesseminar „Recht“
3. Einheit
4. Pflicht zur tatsächlichen Aufsichtsführung
 Welche Konsequenzen wären in der 3. Abwandlung möglich
gewesen?
- Abbruch der Fahrradtour
- Ausschluss aus der abendlichen Spielrunde
- Ausschluss von künftigen Fahrten
- Anruf bei den Eltern, damit diese ihr Kind durch Weisungen
zum Gehorsam bringen
- Kind wird nach Rücksprache mit den Eltern nach Hause
gebracht
- Kind wird aus der Gruppe ausgeschlossen
- nicht sinnvoll: Küchendienst oder Papieraufsuchen
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Tagesseminar „Recht“
4. Einheit
Workshop
„Richter für einen Tag!“
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Tagesseminar „Recht“
4. Einheit
 Workshop
Fragen für die 4 Fälle:
1.
2.
a.
b.
3.
Hat die Klage Erfolg?
Liegt eine Aufsichtspflichtverletzung vor?
Wenn ja, worin besteht sie und wie hätte richtig gehandelt
werden müssen?
Wenn nein, wodurch haben die Betreuer ihre Aufsichtspflicht
konkret erfüllt bzw. woran scheitert eine Pflichtverletzung?
Sind die Aufsichtsbedürftigen nach Maßgabe des § 828 BGB
in Verbindung mit § 254 BGB mit- oder alleinverantwortlich?
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Tagesseminar „Recht“
4. Einheit
 Workshop
Fall 1:
1. Die Klage hat Erfolg.
2. Dem Betreuer ist insgesamt eine Aufsichtspflichtverletzung vorzuwerfen.
 Es hat hier nicht genügt, die Kinder allgemein auf die Gefahren des Minigolfspiels
hinzuweisen und dass Spiel aus einer Distanz zu beaufsichtigen. Vielmehr ist
erforderlich, dass sich ein Betreuer bei jeweils einer Gruppe in unmittelbarer Nähe
aufhält, um Gefährdungssituationen, insbesondere bei dicht beieinander stehenden
Kindern durch ausholende Schlagbewegungen bereits im Ansatz verhindern zu
können. Durch eine Beobachtung aus unmittelbarer Nähe wäre die Verletzung
vermeidbar gewesen.
3. Den Kindern ist kein Mitverschulden zur Last zu legen. Eine Schlägerbewegung stellt
eine typische Gefährdungssituation beim Minigolfspiel dar. Kinder zwischen 7 und 10
Jahren können den Schwung des für sie relativ schweren Golfschlägers nicht richtig
einschätzen und sind deshalb nicht verantwortlich.
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Tagesseminar „Recht“
4. Einheit
 Workshop
Fall 2:
1. Die Klage hat Erfolg.
2. Dem Schachverein ist insgesamt eine Aufsichtspflichtverletzung vorzuwerfen.
 Das mündlich erteilte Alkoholverbot war hier nicht ausreichend. Es hätten auch im
weiteren Verlauf der Nacht noch gelegentliche Kontrollen auf den Zimmern
durchgeführt werden müssen, jedenfalls solange noch nicht allgemeine Ruhe
eingekehrt war. Derartige Kontrollen wären auch durchaus mit dem Ziel der
Erziehung zur Selbständigkeit und mit dem Recht auf freie Entfaltung der
Persönlichkeit vereinbar gewesen.
3. Der Klägerin, an deren Verantwortlichkeit und Einsichtsfähigkeit keine Zweifel
bestehen, ist ein Mitverschulden zur Last zu legen. Sie hat mehr Alkohol getrunken
als sie vertragen konnte und dadurch ihre Kontrollfähigkeit eingebüßt. Eine
Mitverschuldensanteil von ca. 50% dürfte angemessen sein.
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Tagesseminar „Recht“
4. Einheit
 Workshop
Fall 3:
1.
2.



3.
Die Klage hat Erfolg.
Den Betreuern ist insgesamt eine Aufsichtspflichtverletzung vorzuwerfen.
Die Betreuer durften es hinsichtlich des Unterlassens krimineller Handlungen nicht
bei einer einmaligen Belehrung belassen, sondern hätte diese in ausreichendem
Umfang auffrischen müssen.
Auch hinsichtlich der programmfreien Zeit war es den Betreuern zuzumuten, die
Jugendlichen strenger zu beaufsichtigen. So hätten sie die Jugendlichen vor der
Gewährung von Ausgang nach den beabsichtigten Aktivitäten befragen oder auch
den Ausgang der Jugendlichen streng zeitlich begrenzen können, was
unterblieben ist.
Die Betreuer hätten auch einem Jugendlichen die „Verantwortung“ über die MiniGruppe geben können, um ein Gefühl der gegenseitigen Verantwortlichkeit zu
erzeugen.
Da ein Drittschaden vorliegt, ist eine Mitverantwortlichkeit hier unerheblich.
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Tagesseminar „Recht“
4. Einheit
 Workshop
Fall 4:
1. Die Klage hat keinen Erfolg.
2. Den Betreuern kann nicht der Vorwurf einer Amtspflichtverletzung gemacht werden.
 Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt sechzehn Jahre und knapp acht Monate alt,
stand also gut sechzehn Monate vor Eintritt der Volljährigkeit. Von einem
Jugendlichen in diesem Alter ist zu erwarten, dass er die Gefahren, die beim
Holzhacken bestehen - unabhängig von der Frage, wie lang der Axtstiel ist - kennt
und sich dementsprechend verhält. Das Holzhacken ist zwar durchaus eine
gefährliche Tätigkeit. Die dabei einzuhaltenden Verhaltensmaßregeln sind jedoch
sehr einfach und jedermann unmittelbar einleuchtend. Bei einem Jugendlichen im
Alter des Klägers muss nicht mehr befürchtet werden, dass er diese
Verhaltensmaßregeln in so grober Weise missachtet, wie er dies vorliegend getan
hat, so dass eine ständige Beaufsichtigung beim Holzhacken nicht verlangt werden
kann.
45
Tagesseminar „Recht“
5. Einheit
 Auswege im Schadensfall
1.
2.
3.
4.
Versicherungen
ausführliche Eltern-Information
Haftung der Eltern
Vertraglicher Haftungsausschluss
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Tagesseminar „Recht“
5. Einheit
1. Versicherungen
-
Wen schützt die Haftpflichtversicherung?
Körperschaft (Verein)
Vorstand
Gruppenleiter (eigenes Verschulden und Verletzung
der Aufsichtspflicht)
einzelnes Gruppenmitglied
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Tagesseminar „Recht“
5. Einheit
1. Versicherungen
-
Wann tritt die Versicherung nicht ein?
Schadensverursacher hat selbst den Schaden
vorsätzliche Schadensverursachung
Schäden durch Verlieren, Liegenlassen oder
Diebstahl
Schäden durch „höhere Gewalt“
sonstige Haftungsausschlüsse
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Tagesseminar „Recht“
5. Einheit
1. Versicherungen
-
Was muss ich als Gruppenleiter im Schadensfall
machen, um den Versicherungsschutz nicht zu
gefährden?
„unverzügliche“ Schadensmeldung
kein „Zurechtbiegen“ des Tatbestandes
keine „Weißwäscherei“
Vorlage von Belegen
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Tagesseminar „Recht“
5. Einheit
2. ausführliche Eltern-Information
Grundsatz: Betreute bzw. deren Eltern tragen die
„normale Gefahr“
Es gilt: Je mehr „Kennen“ oder „Kennenmüssen“ der
Risiken der (konkreten) Aufsichtsübertragung durch die
Eltern, desto geringer ist das Risiko der Leiter
Daher: Umfassende Absicherung durch bestmögliche
Information
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Tagesseminar „Recht“
5. Einheit
2. ausführliche Eltern-Information






Beispiele:
Schwierigkeitsgrad von Bergwanderungen
Baden außerhalb gesicherter Badeplätze (z.B. Zeltplatz
am See)
Konkrete Angabe wechselnder Übernachtungsorte
Aufzählung der angebotenen Sportmöglichkeiten (z.B.
Tischtennis oder Fußball außerhalb des Programms)
Mitarbeit beim Kochen und Küchendienst
Geplante Nachtwanderungen und Geländespiele
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Tagesseminar „Recht“
5. Einheit
3. Haftung der Eltern
-
Eltern haben Mitwirkungspflicht, die in einer Mithaftung
resultieren kann:
Beachtung aller Gebote aus dem Fahrtenbrief
Hinweispflicht auf besondere Gefahrenquellen für das
Kind (z.B. Schwimmfähigkeiten, Medikamente)
aber:
auch „sinnlose“ Weisungen überängstlicher Eltern
müssen beachtet werden
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Tagesseminar „Recht“
5. Einheit
4. Vertraglicher Haftungsausschluss
-
-
Ist eine Haftungsfreistellung überhaupt möglich?
Ja, aber nur für Fahrlässigkeit
Wie kann der Haftungsausschluss vereinbart werden?
als Klausel in der Satzung des Verbandes
Individuell bei der Beitrittserklärung zu einer speziellen
Gruppe
Vor jeder Veranstaltung mit einem besonderen Risiko
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Tagesseminar „Recht“
5. Einheit
4. Vertraglicher Haftungsausschluss
Wie sind die rechtlichen Wirkungen und Grenzen eines
Haftungsausschlusses?
• Strafrechtliche Verantwortlichkeit bleibt unberührt
• Wirkt nicht bei Drittschädigungen
• Abhängig von der gerichtlichen Einschätzung
-
Kriterien:
ehrenamtliche oder vergütete Tätigkeit
grobe Fahrlässigkeit oder einfache Fahrlässigkeit
üblicher Versicherungsschutz beim Verband
entsprach Planung grundsätzlich der üblichen Sorgfalt
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Tagesseminar „Recht“
6. Einheit
Feedback
Fragen ?
Anregungen ?
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