Bürgschaft: Vertragsschluss

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Bürgschaft: Vertragsschluss
• nach § 151 S. 1 BGB keine Erklärung der Annahme durch Gläubiger
erforderlich
• Formgebot § 766 BGB
- gilt nur für Erklärung des Bürgen
- die Erklärung des Bürgen muss „erteilt“ werden, also zur Verfügung
stehen, nicht nur durch Telefax übermittelt werden
- zumindest Andeutung des Gewollten in Urkunde: Gläubiger,
Hauptschuldner, Hauptschuld
- gilt nicht für einen Kaufmann, § 350 HGB: daher ist auch bei
gewillkürter Schriftform im Zweifel kein Übereilungsschutz, sondern nur
Beweisfunktion gewollt
- gilt aber für Alleingesellschafter einer GmbH, weil er kein Kaufmann ist,
den persönliche unbeschränkte Haftung kennzeichnet
Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft
•
krasse finanzielle Überforderung kann Ausdruck struktureller Unterlegenheit sein
•
die Unterlegenheit ist von Verfassungs wegen nicht bei jeder Störung des
Verhandlungsgleichgewichts, sondern nur in typisierbaren Fällen zu sanktionieren
•
ein typisierbarer Fall ist die emotionale Verbundenheit des Bürgen mit dem
Hauptschuldner: bei Ehegatten, nichtehelichen Lebenspartnern, Kindern (anders bei
Geschwistern)
•
ein weiterer Fall ist die Sorge um den Arbeitsplatz bei Arbeitnehmerbürgschaft
•
bei typisierbaren Fällen besteht eine widerlegliche Vermutung der Ausnutzung der
strukturellen Unterlegenheit, wenn Bürge überfordert ist, also bei realistischer
Einschätzung seiner Lage nicht einmal die Zinsen aufbringen kann (unrealistische
eigene Erwartungen bleiben unberücksichtigt)
•
die Vermutung wird widerlegt durch
- einen unmittelbaren Vorteil des Bürgen infolge der Verwendung der
Darlehensvaluta (nicht bei einem mittelbaren Vorteil zB durch Unterhaltspflicht des
Hauptschuldners)
- die Gesellschafterstellung des Bürgen (dagegen nicht schon bei leitender
Stellung im Unternehmen des Hauptschuldners)
- eine eingetretene Vermögensverschiebung, wenn der Schutz davor als Zweck
im Vertrag konkret bestimmt
Bürgschaft: Irrtum und Verbraucherschutz
• es finden keine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB und kein Rücktritt
nach § 313 BGB wegen einer Fehlvorstellung über die
Vermögensverhältnisse des Hauptschuldners oder deren Veränderung
statt; dies fällt in die Risikosphäre des Bürgen
• die Möglichkeit zum Widerruf eines Haustürgeschäft nach § 312 BGB
- ist nach EuGH gemeinschaftsrechtlich nur dann geboten, wenn auch
die Hauptschuld aus Haustürgeschäft stammt
- besteht nach BGH im deutsches Recht, das über den europäischen
Standard hinausgeht, weil ein Bürge wegen seiner einseitigen
Verpflichtung noch schutzwürdiger als der Kontrahent eines
Austauschgeschäfts ist,
• gelten die Schutzmechanismen für den Verbraucherkredit (§§ 492, 495
BGB)?
- hier ist wiederum ein Erst-Recht-Schluss möglich
- § 766 BGB könnte aber eine abschließende Regelung sein
- ein Mittelweg besteht darin, die Schriftform des § 766 BGB mit der
Pflicht zu den Angaben nach § 492 BGB anzureichern
Fall 1:
M sucht eine Wohnung und bittet seinen Onkel B, ein
Schreiben mit folgendem Wortlaut zu unterzeichen:
„Hiermit verpflichte ich, B, mich gegenüber …, für Ansprüche
gegen meinen Neffen M aus dem mit diesem eingegangenen
Wohnungsmietverhältnis in einer Höhe bis zu € 1.000
einzustehen.“
O unterzeichnet das Schreiben, M setzt später, nachdem er
eine Wohnung gefunden hat, den Namen des Vermieters V
ein und übergibt diesem das Schreiben. Schon nach kurzer
Zeit kann M die Miete von € 250 pro Monat nicht mehr
leisten. Als V nach einem halben Jahr wegen der
Mietschulden des M in Höhe von € 1.500 an O herantritt,
verweigert dieser jegliche Zahlung. Zum einen habe er sich
über die Finanzkraft von M getäuscht; zum anderen hätte er
niemals unterschrieben, wenn er gewusst hätte, dass M das
Schreiben dem berüchtigten „Miethai“ V übergeben wollte.
Akzessorietät der Bürgschaft
•
für Einwendungen, die die Entstehung der Hauptschuld hindern oder ihren
Untergang bewirken, gilt § 767 Abs. 1 S. 1 BGB
•
für Einreden des Hauptschuldners gilt § 768 BGB
- bei der Verjährung findet eine Verdoppelung der Einrede statt: der Bürge kann
die Verjährung der Hauptschuld auch dann geltend machen, wenn er selbst
rechtzeitig in Anspruch genommen worden ist (die Bürgschaftsforderung entsteht
und wird fällig mit Hauptforderung ohne vorherige Inanspruchnahme des Bürgen)
•
für Gestaltungsrechte gilt § 770 BGB:
vor Ausübung durch den Hauptschuldner haben sie eigentlich noch keine Wirkung;
der Bürge hat aber eine Einrede bei Anfechtbarkeit und Aufrechnungsbefugnis des
Gläubigers
- § 770 Abs. 1 BGB gilt analog bei Widerrufs-, Rücktritts- und Minderungsrecht
- § 770 Abs. 2 BGB ist Ausdruck der Subsidiarität der Bürgenpflicht und lässt sich
weder direkt noch analog anwenden, wenn nur der Hauptschuldner zur Aufrechnung
befugt ist; aber es kommt eine Analogie zu Abs. 1 in Betracht
•
nach BGH bedeutet Akzessorietät auch Gläubigeridentität, so dass die Bürgschaft
bei isolierter Abtretung der Hauptforderung in Analogie zu § 1250 Abs. 2 BGB
erlischt
Globalbürgschaft
• eine Ausdehnung der Haftung auf alle künftigen oder
gegenwärtigen Verbindlichkeiten aus einer
Geschäftsverbindung verstößt gegen § 307 BGB, weil zum
gesetzlichen Leitbild das Verbot der Fremddisposition
nach § 767 Abs. 1 S. 3 BGB gehört (etwas gilt für den
Verzug nach § 767 Abs. 1 S. 2 BGB)
• Ausnahmen gelten, wenn der Bürge Bürgschaften
professionell übernimmt oder selbst über den Umfang der
Hauptschuld bestimmen kann
• ist eine formularmäßig erteilte Globalbürgschaft unwirksam,
folgt aus ergänzender Vertragsauslegung nach § 306 Abs.
2, BGB, dass die Bürgschaft auf die dem Bürgen bekannte
„Anlassforderung“ beschränkt ist
Bürgschaft auf erstes Anfordern
• die Bürgschaft auf erstes Anfordern begründet für den Bürgen zunächst
keine Einwendungen oder Einreden gegen Hauptschuld: erst Zahlung,
dann Rückforderung
• die Bürgschaft auf erstes Anfordern bewirkt aber nur eine Verschiebung
der Prozess-, nicht der Beweislast: im Rückforderungsprozess muss der
Gläubiger anspruchsbegründende Umstände darlegen und beweisen
+ die Rückforderung ist nicht nach §§ 814, 214 Abs. 2 BGB
ausgeschlossen
• schon die Pflicht zur Leistung auf erstes Anfordern ist ausgeschlossen,
wenn der Gläubiger seine formale Rechtsstellung missbraucht, weil die
Einwendungen des Schuldners unstreitig oder liquide beweisbar sind
(zB bei fehlender vertraglicher Pflicht des Hauptschuldners zur Stellung
einer Bürgschaft auf erstes Anfordern)
• der Gläubiger darf gegen den Rückforderungsanspruch nicht mit
anderen Ansprüchen aufrechnen: sonst wäre die Bürgschaft eine
Sicherheit für eine andere als die gesicherte Forderung
Fall 2:
Die A GmbH, eine Generalübernehmerin, betraut die B GmbH mit der
Errichtung eines Gebäudes. Zur Sicherung etwaiger
Gewährleistungsansprüche erteilt die C Bank im Auftrag der B GmbH eine
Bürgschaft auf erstes Anfordern zugunsten der A GmbH, die mit Rückgabe
der Urkunde erlöschen soll. Die A GmbH gerät in Schwierigkeiten, tritt alle
gegenwärtigen und künftigen Ansprüche gegen die B GmbH aus und im
Zusammenhang mit dem Bauvorhaben an die die Bauherrin, die D GmbH,
ab und wird später mangels Vermögen aufgelöst, die Auflösung ins
Handelsregister eingetragen. Danach erteilt die C Bank, die über diese
Verhältnisse unterrichtet ist, im Austausch gegen die alte eine neue
Gewährleistungsbürgschaft, die im Wortlaut gleich, nur über einen
geringeren Betrag ausgestellt ist. Die Wirksamkeit der Bürgschaft ist
ausdrücklich von der Rückgabe der alten Bürgschaft durch die D GmbH
abhängig gemacht. Die D GmbH, die die Bürgschaft zurückgibt, will die C
Bank in Anspruch nehmen, weil das Gebäude mangelhaft und die B GmbH
ihrer Mangelbeseitigungspflicht nicht nachgekommen sei. Die D GmbH
beauftragt die A GmbH, aus der Bürgschaft gegen die C Bank vorzugehen,
und ermächtigt die A GmbH vorsorglich zur Geltendmachung ihrer Rechte
im eigenen Namen. Die C Bank verteidigt sich nur mit der bestrittenen und
nicht zu beweisenden Behauptung, die D GmbH habe gegenüber der B
GmbH schon wirksam auf Gewährleistungsrechte verzichtet.
Rückgriff des Bürgen
Hautschuld
Hauptschuldner
Gläubiger
Pfand
§ 670
Zahlung
Bürge
Rückgriff des Bürgen
• Zweck der Legalzession nach § 774 BGB ist der
Übergang der Nebenrechte nach § 401 BGB
• ausgeschlossen ist die Legalzession etwa durch
eine Schenkungsabrede, § 774 Abs. 1 S. 3 BGB
• bei der Nachbürgschaft (zur Sicherung der
Vorbürgschaft) gehen die gesicherte Vorbürgschaft
und die Hauptschuld nach §§ 412, 401 BGB über
• bei der Rückbürgschaft (Sicherung des
Rückgriffs) gehen die gesicherte Regressforderung
und die Hauptschuld nach §§ 412, 401 BGB über
Rückgriff beim Zusammentreffen verschiedenartiger Sicherheiten
•
es gelten die Regeln über Mitbürgen (§§ 769, 774 Abs. 2, 426 BGB) analog:
wer zuerst zahlt, hat einen Ausgleichsanspruch und erwirbt das andere
Sicherungsrecht anteilig; und zwar
- akzessorische Sicherheiten nach §§ 412, 401 BGB
- nichtakzessorische Sicherheiten im Wege eines Anspruchs gegen den
Gläubiger auf anteilige Übertragung
•
die übliche Begründung lautet, dass der Rückgriff sonst zufällig nach dem vom
Gläubiger erzwungenen Zahlungszeitpunkt einträte
- aber wer zuerst zahlt, trägt auch das Regressrisiko
- besser ist daher das Argument, dass es keinen Grund gibt, Mitbürgen anders
als andere Sicherungsgeber zu behandeln; die Sicherungsgeber bilden eine
Risikogemeinschaft
•
die Ausgleichsquote bestimmt sich
- wenn die Sicherheiten die gesamte Forderung abdecken, nach Kopfteilen
- ansonsten nach dem Verhältnis der übernommenen Haftungsrisiken
•
nach einer anderen Ansicht folgt aus § 776 BGB, dass der Bürge, der mit seinem
gesamten Vermögen haftet, besser gestellt sein soll, also selbst Rückgriff
nehmen, aber nicht dem Rückgriff anderer ausgesetzt sein soll
Beispiel:
G hat gegen S einen
Darlehensrückzahlungsanspruch in Höhe von €
50.000. B hat hierfür eine Bürgschaft in Höhe von €
40.000 übernommen, A zur Sicherheit Forderungen
in Höhe von € 30.000 abgetreten. G nimmt B in
Höhe von € 14.000 in Anspruch.
Lösung:
B kann von A Rückgriff in Analogie zu §§ 774, 426
Abs. 1 BGB wie bei einem Mitbürgen nehmen; die
Ausgleichsquote ergibt sich aus dem Verhältnis der
Haftungsrisiken und beträgt 3/7, B kann daher von A
€ 6.000 (3/7 x € 14.000) und insoweit von G auch
Abtretung der zur Sicherheit übertragenen
Forderungen des A verlangen
Schuldbeitritt: Struktur
• der Schuldbeitritt ist nicht akzessorisch, aber der
Sicherungsgeber übernimmt die Hauptschuld in dem Zustand,
den sie beim Beitritt hat:
der Sicherungsgeber kann sich auf alle Einwendungen
berufen, die bereits vor Schuldbeitritt angelegt sind (der
Schuldbeitritt soll nur die Schuldnerrolle verdoppeln und nicht
sachlich einen Einwendungsausschluss bewirken)
• für später entstehende Einwendungen, Erweiterungen gilt
dann nach § 425 BGB Einzelwirkung (anders als nach §§
767, 768, 770 BGB)
• die Forderung gegen den Beitretenden geht nicht nach § 401
BGB über, ist aber im Zweifel mitabgetreten
• der Rückgriff gegen den Hauptschuldner und die
Legalzession der Hauptforderung erfolgen nach § 426 BGB
Schuldbeitritt: Begründung
• nach gängiger Ansicht ist das Bürgschaftsrecht nicht anwendbar, weil der
Beitretende eine eigene Schuld übernimmt und nicht für fremde
Verbindlichkeit haftet; daher wird ein Schuldbeitritt auch nur bei einem
eigenen sachlichen Interesse des Sicherungsgebers angenommen
aber: die Unterscheidung nach eigener und fremder Schuld ist formal;
auch beim Schuldbeitritt zu Sicherungszwecken gibt es einen
Hauptschuldner und einen Sicherungsgeber
• nach Ansicht des BGH sind die Vorschriften des
Verbraucherkreditrechts analog anzuwenden, weil für den
Sicherungsgeber ein noch größeres Schutzbedürfnis als für den
Darlehensnehmer besteht; daher gilt auch Formvorschrift des § 492 BGB
- und zwar sogar dann, wenn der Hauptschuldner kein Verbraucher ist
- und es tritt keine Heilung nach § 494 Abs. 2 BGB ein, weil der Zweck
der Vorschrift, nämlich die Vermeidung einer sofortigen
Rückgewährpflicht, beim Schuldbeitritt ohnehin unerreichbar ist
• wie eine Bürgschaft kann auch der Schuldbeitritt wegen finanzieller
Überforderung nach § 138 BGB unwirksam sein