Transcript Bildungs

Inklusive Bildung
Arbeitsgemeinschaft
der Waldorfschulen
in Dortmund am 13.10.2011
Dr. Angela Ehlers, Behörde für Schule
und Berufsbildung, Hamburg
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Inklusive Bildung
Inhalte
gesetzliche Grundlagen
pädagogische Leitideen
Bildungs- und Beratungszentren (BBZ) als
sonderpädagogische Unterstützungssysteme
Ideen für die Ausgestaltung der BBZ
Wenn Sie mögen
Prävention
Resilienz
Self fulfilling prophecy
Resümee
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Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte
von Menschen mit Behinderungen
Artikel 7 – Wohl des Kindes
Gleichberechtigter Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie
Berücksichtigung des Wohles des Kindes (nicht zu verwechseln mit
Entscheidungen über das Kindeswohl)
Artikel 8 – Förderung des Bewusstseins
Schärfung des Bewusstseins für Menschen mit Behinderungen und ihre
Fähigkeiten und Kompetenzen
Förderung einer respektvollen Einstellung gegenüber Menschen mit
Behinderungen auf allen Ebenen des Bildungssystems
Artikel 24 - Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung
Auftrag an alle Vertragsstaaten, ein integratives/inklusives Bildungssystem
lebenslangen Lernens zu gestalten
Artikel 33 - Überwachung der Durchführung
Einbeziehung der Zivilgesellschaft – insbesondere der Menschen mit
Behinderungen und die sie vertretenden Organisationen –in den
Überwachungsprozess und Teilnahme in vollem Umfang
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Grundlagen der inklusiven Bildung
§ 12 Hamburgisches Schulgesetz
o bezieht sich auf Artikel 24 der UN-Konvention
o begründet für alle Schülerinnen und Schüler mit
sonderpädagogischem Förderbedarf den
Rechtsanspruch auf Bildung und Erziehung im
System der allgemeinen Schulen
o verzichtet auf jegliche Ressourcenvorbehalte
o beachtet konsequent das Elternwunsch- und –
wahlrecht in staatlichen und privaten Schulen
o hat im Schuljahr 2010/11 mit den 1. und 5. Klassen
mit einem aufwachsenden integrativen
Bildungsangebot begonnen, umfasst nun die
Jahrgänge 1 und 2, 5 und 6
o berücksichtigt alle Jahrgänge
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Leitideen
Sonderpädagogische Unterstützung gilt für alle Förderschwerpunkte,
alle Entwicklungsniveaus und alle Lernorte gleichermaßen:
• Wertschätzung von Heterogenität und Vielfalt
• individuelles Angebot einer lernprozessbegleitenden Diagnostik sowie
förderplanorientierten Bildung und Erziehung für jedes Kind und jeden
Jugendlichen
• systematisiertes Lernen orientiert an den Bildungsstandards und
Lehrplänen der allgemeinen Schulen
• Gemeinsame Verantwortung von Regelschullehrkräften aller
Schularten, von Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen sowie
weiteren Fachkräften für Bildung und Erziehung von Schülerinnen
und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf bzw. in
marginalisierten Positionen
• Gemeinsame Verankerung im Förderplan, kooperative Umsetzung
sowie regelmäßig überprüfte Weiterentwicklung
Aufgaben der Bildungs- und Beratungszentren
• Beratung, Unterstützung, Diagnose und
Förderplanarbeit, Casemanagement, Bildungs-,
Erziehungs- und Beziehungsarbeit mit dem Kind
und Jugendlichen
• Bereitstellen eines Teams von Fachkräften mit
fundierten Kenntnissen gelingender Lern- und
Entwicklungsprozesse und der Resilienzforschung
• Prävention und damit zur Vermeidung von
Störungen in allen Lern- und
Entwicklungsbereichen
• fachlich und überfachlich hochkompetenter
Austausch in multiprofessionellen Teams
Qualitätsentwicklung und Rollenverständnis
im Bildungs- und Beratungszentrum
• Kompetenzbündelung auf hohem fachlichen Niveau und
Sicherung der Interdisziplinarität durch Kompetenzen
unterschiedlicher Förderschwerpunkte in einem
Bildungszentrum
• Kompetenztransfer von Fach- und
Fachrichtungskompetenz sowie überfachlicher
Professionalität
• Festlegung und Weiterentwicklung interner und externer
Qualitätsstandards
• Effizienz und Effektivität des Ressourceneinsatzes – die
richtigen Dinge tun und die Dinge richtig tun
• Kooperation von staatlichen und privaten Schulen
• Kooperation mit Beratungsstellen, inner- und
außerschulischen Partnern, Hochschulen und
Lehrerbildungsinstituten,…
Qualitätsentwicklung und Rollenverständnis
im Bildungs- und Beratungszentrum
• sozialräumliche Vernetzung in der Region/im Bezirk
• Sicherstellung eines therapie-integrativen
Unterrichts
• Clearing bei Diagnostik, Förderplanung und
ganzheitlicher Leistungserbringung
• Schaffen von Möglichkeiten zur Peer-GroupBildung
• Verzicht auf ausschließlich separierende
Beschulungsorte durch Integration nach innen
• Entwicklung von Übergangsstrukturen grundsätzlich
im Einklang mit der UN-Konvention
Regionale und überregionale Bildungs- und
Beratungszentren
Regionale Bildungs- und Beratungszentren
für die zusammengeführten Förderschwerpunkte
Lernen, Sprache sowie emotionale und soziale
Entwicklung, geistige Entwicklung sowie
körperliche und motorische Entwicklung
Überregionale Bildungs- und
Beratungszentren für die Förderschwerpunkte
Sehen, Hören sowie autistisches Verhalten und
dauerhaft kranke Schülerinnen und Schüler
Beachtung des Elternwahlrechts als hohes Gut
auf der Grundlage der UN-Konvention
Bildungs- und Beratungszentrum 2011- 2015
Hamburger Ideen
Bündelung der Förderschwerpunkte
L, S, e+s
Prävention/
Vermeidung von
Förderbedarf
Beratung in allen
Stufen/Schulformen
Mitwirkung bei
inklusivem Unterricht,
Bildung und Erziehung
Diagnostik/
Förderplanung/
Casemanagement
zeitlich befristete
spezifische Angebote
degressive interne
Lerngruppen
Elementarbildung
Primarbildung
Sekundarstufen I –
II-Bildung
Berufliche Bildung
lebenslanges Lernen
Inklusion/
Beratung
berufliche Schule/
Eingliederung in die
Arbeitswelt
R
E
B
regionale Netzwerke/
Bildunsgkonferenzen
fachlicher und
überfachlicher
Austausch
U
S
Ein wichtiges Thema: Prävention
 von lateinisch praevenire: zuvorkommen, verhüten
 vorbeugende Maßnahmen, um unerwünschte Ereignisse
oder Entwicklungen gar nicht erst entstehen zu lassen
 verschiedene Präventionsansätze:
 die spezifische Prävention, die stets auf einen ganz
bestimmten Fall gerichtet ist
 die unspezifische Prävention, die auf die Vermeidung von
unterschiedlichen Risiken abzielt
 die Verhaltensprävention, die sich auf das individuelle
Verhalten der Menschen ausrichtet
 die Verhältnisprävention, die auf die Verringerung
schädliche Umwelteinflüsse und auf die Schaffung einer
gesunden Lebens-, Lern- und Arbeitswelt hinwirken will
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Prävention in der täglichen Arbeit
 gemeinsame Suche nach guten Ideen für die Schaffung förderlicher Lernund Entwicklungsbedingungen für jedes einzelne Kind
 wechselseitige Bereitschaft zur Kooperation und zum professionellen
Austausch über die Grenzen der Berufsgruppen hinweg
 interdisziplinäre, pädagogische und organisatorische Bildungs- und
Erziehungsbegleitung, damit Lern- und Entwicklungsstörungen gar nicht
erst entstehen
 gemeinsame Suche nach möglichen Ursachen und Risikofaktoren für eine
Lern-, Entwicklungs- oder Verhaltensstörung
 frühzeitige Erfassung von Problemen oder Beeinträchtigungen
 kooperatives Bemühen um Vermeidung oder Verminderung von
Folgeproblemen und negativen Begleiterscheinungen
 volle Ausnutzung der längeren Lernzeit in der Grundschuleingangsphase
 Inanspruchnahme der personellen, organisatorischen und sächlichen
Unterstützung durch das zuständige Förderzentrum
 aktive Nutzung protektiver, schützender und stärkender Faktoren
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Resilienz
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Ausschau halten nach Schutzfaktoren – Thema für die nächste pädagogische
Konferenz?
Resilienz - Stressresistenz, psychische Robustheit, psychische Elastizität – als
Fähigkeit einer Person, erfolgreich mit belastenden Lebensumständen und deren
negativen Folgen umzugehen
Zwei Schutzfaktorengruppen: personal und sozial
ein Mädchen und möglichst als Erste geboren
Selbstwirksamkeitserleben
positives Sozialverhalten
soziale Attraktivität
Ausgeglichenheit und die Kompetenz, Stress aktiv zu bewältigen
Erzieherin oder die Lehrerin als verlässliches Vorbild für eine gute Selbst- und
Sozialkompetenz
stabile Bezugspersonen – die keineswegs die Eltern sein müssen – zum Beispiel
die Hortbetreuerin oder die Vorlese-Oma oder…
ein unterstützendes Erziehungsklima – auch nicht nur zu Hause, sondern ebenso
in der Bildungseinrichtung
positive Bildungserfahrungen und Erfolgserlebnisse beim Lernen sowie
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praktizierter Glaube
Resilienz
Förderung auf der individuellen Ebene durch Entwicklung
von
 Konfliktlösungsstrategien
 Eigenaktivität und Verantwortungsübernahme
 Selbstwertgefühl und sozialen Kompetenzen
 Stressbewältigungskompetenzen
Förderung auf der Beziehungsebene durch
 Stärkung der Erziehungskompetenzen der Eltern
 Erarbeitung eines positiven Modellverhaltens
 Erarbeitung effektiver Erziehungstechniken und
Konfliktlösestrategien möglichst gemeinsam mit den Eltern
 Stärkung des Empfindens bei allen Eltern, dass sie
kompetent und Experten für ihre Kinder sind
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self fulfilling prophecy
 Rosenthal- und Matthäus-Effekt? - Thema für die übernächste
pädagogische Konferenz?
 Rosenthal-Effekt: Lehrkräfte halten in der Regel ein Mittelschichtkind
für leistungsstärker als ein Kind der Unterschicht und das bewahrheitet
sich im Sinne einer selbst erfüllenden Prophezeiung - selbst bei gleich
guten Leistungen erhalten Kinder aus bildungsfernen Milieus seltener
eine Empfehlung für qualitativ hochwertige Bildungsinstitutionen
 Kinder mit niedrigem sozialem Status bei gleichen Leistungen im
Durchschnitt eine Note schlechter als Kinder mit hohem sozialem Status
 Matthäus-Effekt: Gleichnis von den anvertrauten Zentnern: „Denn wer
da hat, dem wird gegeben werden, dass er Fülle habe; wer aber nicht
hat, von dem wird auch genommen, was er hat.“ (Matthäusevangelium)
 Können wir gemeinsam ein wenig davon abzuweichen?
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… und eine kleine Auswahl wichtiger Fragen …
• Standards für Diagnostik und Förderplanung
• Ressourcensteuerung
• Definition der Unterstützungsbedarfe und
Fachrichtungskompetenzen in den Förderschwerpunkten Lernen,
Sprache sowie emotionale und soziale Entwicklung
• Pools für therapeutische Kräfte und qualifizierte Schulbegleitungen
• Der Raum als dritter Pädagoge – Spagat zwischen Barrierefreiheit
nach Landesbauordnung und Barrierefreiheit nach pädagogischem
Verständnis
• Benennung von Schwerpunktschulen bei speziellem
Unterstützungsbedarf – Peer-Group-Bildung – vs. Inklusion
• Aufnahmebeschränkungen in Lerngruppen vs. Wohnortnähe und
Elternwunsch- und -wahlrecht
• ganztägige Bildung und Betreuung einschließlich Ferienbetreuung
für alle Schülerinnen und Schüler unter dem Blickwinkel der
Inklusion
• Übergreifende und ausgewogene sowie auskömmliche
Ressourcensteuerung
Resümee
Brücken
Brücken zwischen Systemen aller Art
Leuchttürme
leuchtende Beispiele willkommen heißender
Bildungseinrichtungen
Deiche
schützende Deiche für Menschen mit besonderen
Bedarfen
[email protected]
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