Auswirkungen der Spekulation mit Agrarprodukten auf

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Transcript Auswirkungen der Spekulation mit Agrarprodukten auf

Steigende Rohstoffpreise
Ursachen und Auswirkungen für den Fairen Handel
Andrea Fütterer
Leitung Grundsatz
GEPA – The Fair Trade Company
06.07.2012
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Wie entstehen Rohstoffpreise im Fairen Handel?
• auf Grundlage von Weltmarktpreisen
• auf Grundlage von Börsenpreisen
• FLO Preisregelung (Mindestpreis + FLO Prämie + Bio
Prämie)
• der Preis wird zwischen Handelspartnern ausgehandelt
(Grundlage ist lokaler bzw. nationaler Preis und/oder
FOB-Preiskalkulation, z.B. im Handwerk)
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Gründe für den Anstieg der Rohstoffpreise
• steigender Eigenkonsum von Qualitätskaffee in den
Produzenten-Ländern
• „neue“ Konsumentenländer, z.B. Indien und China
• Ernterückgänge aufgrund von Wetterschwankungen
(z.B. Brasilien), Klimaveränderungen,
Unwetterkatastrophen, starker Schädlingsbefall (z.B.
in Kolumbien, Broca und Roya)
• Steigende Energiekosten
• Lebensmittel-Rohstoffe sind Spekulationsobjekte an
der Börse geworden
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„Laut FAO [endet] nur noch ein ganz geringer Teil der
Termingeschäfte mit einem realen Austausch von
Waren. So werden beispielsweise 3,4 Mio Tonnen
Kakaobohnen im Jahr geerntet, aber etwa 60 Mio
Tonnen gehandelt.“
(ZEIT ONLINE 24.2. 2011)
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FLO Kaffeepreis- Regelung ab 1. April 2011
Bio-Kaffee Arábica, gewaschen
(pro qq = 100 amerikanische Pfund = 45,36 kg)
Mindestpreis
FLO Prämie
Bio Prämie
TOTAL
140 US$
20 US$
30 US$
190 US$
(vorher 125 US$)
(vorher 10 US$)
(vorher 20 US$)
(vorher 155 US$)
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Auswirkungen auf die ProduzentInnen und ihre
Organisation
 die Organisationen und die einzelnen Kaffee-ProduzentInnen
erhalten einen höheren Preis für ihren Kaffee
ABER:
 Die Kooperativen stehen gleichzeitig vor einer Zerreißprobe, da
sie sich vielfältigen Problemen ausgesetzt sehen:
• Konventionelle Unternehmen mit Zwischenhändlern vor Ort
bieten teils noch höhere Preise als die Börse, dies sofort und
„bar auf die Hand“
• Die lokalen Preise können die hohen Börsenpreise noch
übersteigen (Beispiel Marcala)
• Kooperativen haben nicht ausreichend Kapital, weder für
sofortige komplette Auszahlung, noch für weitere
Preiserhöhung an die Mitglieder
• Kooperativen „verfixen“ sich, legen den Preis für die gesamte
Ernte früh fest, da ihnen der Börsenpreis gut erscheint
• Viele Kaffee-Händler machen den festen Vertragsabschluss
zur Voraussetzung, um Vorfinanzierung zu leisten
• Steigt die Börse weiter, muß die Kooperative den „billig“
verkauften Kaffee teurer bei ihren Mitgliedern einkaufen und
macht damit hohe Verluste
• Bietet die Kooperative keinen dem hohen lokalen Marktpreis
entsprechenden Preis, verkaufen die Mitglieder weniger oder
gar keinen Kaffee an ihre Kooperative
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• Kann die Kooperative die Verträge mit den Käufern nicht
einhalten, kann dies formal zu Konventionalstrafen und/ oder
FLO-Suspendierung führen
• Davon abgesehen führen Vertragsbrüche zu
Vertrauensverlust und Beendigung von Handelsbeziehungen
• Gleichzeitig kommt es zu Beschädigung bzw. Zerstörung von
Kooperativen-Strukturen. Fällt der Börsenpreis wieder
(Schweinezyklus), haben die ProduzentInnen im schlimmsten
Fall keine Kooperative mehr, die für ihre Belange eintritt und/
oder haben die Beteiligung im Fairen Handel verloren.
• Möglicherweise erhält die Diskussion über Kaffee-Plantagen
im FLO-System neuen Aufwind.
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Was macht GEPA ?
• GEPA bietet sog. offene Verträge an,
d.h. die Organisation kann bis zum
letzten Tag des Vormonats zum
Verschiffungsmonat den Preis
festlegen
• Die Vorfinanzierung wird auf
Grundlage des offenen Kaufvertrages
gewährt
• Wenn eine Kooperative sich verfixt hat,
gibt es die Möglichkeit des „geteilten
Marktrisikos“ (Beispiel Mexico)
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 Wenn eine Produzenten-Organisation nicht selbst
den Kaffeepreis festlegen kann/ will, wird der
Durchschnittspreis der Börsennotierungen des
Vormonats zum Verschiffungsmonat errechnet
 Empfehlungen:
• die Kooperativen sollen nicht alle Container zum
gleichen Zeitpunkt „fixen“
• nur Kaffee, der physisch in der Bodega vorhanden
ist, soll gefixt werden
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Die Kooperative Chajul in Guatemala hat im laufenden Kaffee-Jahr
2011/ 12 den ersten Container (275 Sack = 18.975 Kg) gewaschenen
Bio-Arábica folgendermaßen „gefixt“:
Börsenpreis
+ FLO Prämie
+ Bio-Prämie
+ GEPA-Qualitätszuschlag
234
20
30
30
US$ / 100 Pfund (11.01.12)
US$
US$
US$*
*dieser ist abhängig von der Qualität des Kaffee und wird nach Erhalt des
Vorverschiffungsmusters ausgehandelt
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Aktuelle Situation am Kaffee Markt
 Sinkende Kaffeepreise seit Anfang 2012 (156 $/Quintal am
25.06.12)  Tendenz weiterhin fallend
 Handelspartner der GEPA haben den Kaffee zu sehr hohen
Preisen bei ihren Mitgliedern eingekauft (Nov./Dez. 2011) und
müssen diesen nun zu niedrigeren Preisen verkaufen
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GEPA: die Situation hat sich aufgrund der niedrigen Börsenpreise
und der derzeit hohen Verfügbarkeit von Kaffee entspannt;
trotzdem können aktuelle Lieferzeiten-Verzögerungen (wg.
Logistik, Preiserwartung) zu Verfügbarkeitsproblemen führen
Kooperativen: fürchten großen finanziellen Verlust aufgrund der
gesunkenen Preise
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Auswirkungen auf Fair Handels-Importeure
• der Einkauf der Rohstoffe hat sich z.T. bis auf das Doppelte
verteuert
• Folgen sind: Liquiditätsengpässe
• Jahresabschluss mit Verlusten, u.a. weil die starke
Verteuerung der Einstandspreise so nicht an die Endkunden
weitergegeben werden kann, dadurch Verlust von
Handelsspanne
• Verlust von Rücklagen der Firma
• Preiserhöhungen müssen vorgenommen werden, mit der
Gefahr, dass KundInnen „aussteigen“
• Erhöhte Beratungsleistung den Partnern gegenüber
erforderlich
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Auswirkungen auf den Fair Handels-Markt
• Nichterfüllen von Verträgen führt im LEH zu
Konventionalstrafen und Auslistungen
• Fair Handels-„Boom“ kann abgewürgt werden
• Verlust von Glaubwürdigkeit des Fairen Handels
(Produzenten-Organisationen sind nicht loyal, Fairer Handel
funktioniert nur in schlechten Zeiten, ….)
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Herausforderungen für die Kleinproduzenten/innen und ihre Organisationen
• Fehlende betriebswirtschaftliche
Kompetenz in der Leitung und wenig
Information bei den Mitgliedern
• Kooperativen haben eine wirtschaftliche
und soziale Funktion (Problem:
Vermischung der Funktionen)
• Unterschiedliche Interessen zwischen
Mitgliedern und Kooperativenführung,
• Andere kulturelle Kontexte
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Was ist zu tun ?
 In der Zusammenarbeit mit den Handelspartnern
• Capacity Building verstärken (Management und Mitglieder),
bes. im Bereich Organisationsentwicklung (Leistungen der
Kooperativen, Leistungen des Fairen Handels)
• Vorfinanzierungs-Praxis verbessern (FLO-Regelung,
Zusammenarbeit mit Finanz-Institutionen)
 Politische Einflussnahme, um Spekulation zu begrenzen
• durch ein Transaktionsregister, welches Händler identifiziert
und Fehlentwicklungen anzeigt (in EU geplant, in USA
vorhanden)
• Transaktionen durch Regeln begrenzen (z.B. Volumen-Limit)
• Transaktionssteuer, so dass Geldgeschäfte „unrentabler“
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werden
Zitat von Santiago Paz, CEPICAFE von
August 2011:
„Es ist klar, dass wir als
Kleinbauernorganisation niemals mit den
großen Firmen werden konkurrieren können.
Was uns die praktische Erfahrung lehrt ist,
dass eine Kooperative mehr ist, als eine Firma,
die nur Kaffee kauft und verkauft; es ist auch
eine Entwicklungsorganisation, welche ein
solidarisches Wirtschaften praktiziert, bei der
die Bauern auch erwarten, dass sie ihre
Probleme mit der fehlenden
Verkehrsinfrastruktur, den fehlenden
Bildungsmöglichkeiten, der problematischen
medizinischen Versorgung lösen. …
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….
Aus unserer Sicht sollte der Faire Handel sich nicht von der
Grundidee verabschieden, Entwicklungsprozesse anzustoßen.
Das war die Grundidee und man muss sie wieder stärker betonen.
Die Idee des Alternativen Handels muss wieder ins Licht gerückt
werden, bei der Produzenten Chancen durch gemeinschaftliches
Handeln bekommen. Wenn man zu sehr die Regeln des
allgemeinen Welthandels spielen muss (welche man ja
ursprünglich ändern wollte), wird das nicht funktionieren. Wenn wir
im Fairen Handel nur noch nach der reinen „normalen“ Marktlogik
funktionieren- Effizienz, Gewinnorientierung und Wachstum,
Wachstum, Wachstum - dann haben weder
Kleinproduzentenorganisationen wie CEPICAFE noch
vergleichsweise kleine Kaffee-Importeure wie die GEPA länger
eine Existenzberechtigung und einen Sinn.“
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