Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne

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Transcript Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne

Die Kleinsten im Blick
„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“.....
Kinder und Eltern in Übergangsprozessen
Inge Pape
Dipl. Soz.Päd
Qualitätsentwicklerin für soziale Dienste (DAD)
Fachjournalistin
1
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
in andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und der uns hilft zu
leben....
(aus dem Gedicht „Stufen“ von Hermann Hesse)
2
Kinder und Eltern in
Übergangsprozessen
3
Die Bedeutung von Übergängen
4
Definition
Mit Übergängen (Transitionen) werden
krisenhafte, zeitlich begrenzte Phasen in
der Entwicklung von Menschen bezeichnet,
die durch erst- oder einmalige markante
Ereignisse ausgelöst werden.
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Es gibt Übergänge, die nahezu alle Kinder
betreffen (sog. normative Übergänge)
• Eintritt in den Krippe /
Kindergarten
• Übergang in die Grundschule
• Pubertät
Und später......
• Eintritt in den Beruf
• Familiengründung
• Geburt des ersten Kindes
• Kinder gehen aus dem Haus....
• Ruhestand......
6
Nichtnormative Übergänge betreffen nicht alle
Kinder
zum Beispiel:
Veränderung der
Familienstruktur durch
Scheidung bzw.
Bildung einer Stieffamilie durch
Wiederheirat
Auch nicht normative
Übergangssituationen bringen
für Kinder und Eltern eine
Vielzahl von Veränderungen
mit sich.
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Übergänge sind krisenhaft
Wenn mehrere Übergänge gleichzeitig
bewältigt werden müssen, steigt das Risiko
der Überforderung.
Ein Beispiel: Beim Eintritt in die Krippe wird
ein Geschwisterkind geboren.
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Womit beschäftigt sich die Transitionsforschung?
Die Transitionsforschung nimmt die Chancen von
Übergangsphasen in den Blick.
Sie geht von der Erkenntnis aus, dass sowohl das
Individuum, als auch die jeweiligen Lebenskontexte zur
Entstehung und Lösung von Problemen und Krisen
beitragen.
Die Forschungsergebnisse sollen Erziehenden helfen,
Kinder zu stärken und Lern- und Entwicklungschancen
zu nutzen.
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Ziel: Kompetenzen entwickeln und
stärken
Ziel ist es nicht, den Übergang möglichst
schnell und „problemlos“ zu überwinden,
sondern den Betroffenen die Zeit und die
Unterstützung zu geben, selbst aktiv den
Übergang zu bewältigen und sich in diesem
Prozess als erfolgreich zu erleben.
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Erfolgreiche Bewältigung
• Die erfolgreiche Bewältigung
eines Übergangs stärkt die
Kompetenzen aller Beteiligten.
Es wird erwartet, dass künftige
Übergänge dann besser
bewältigt werden.
• Wer erfolgreich Übergänge
bewältigt, nutzt die
Lernanforderungen von
Diskontinuitäten (Resilienz
usw., Krisenmanagement,
Kooperationsstrategien usw.)
11
Gelingt ein Übergang nicht.....
...... sind Probleme
bei der
Bewältigung
nachfolgender
Übergänge zu
befürchten
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Kontinuität und Brüche
• Übergangsprozesse können gleichzeitig
kontinuierlich verlaufen und von Brüchen
gekennzeichnet sein.
• Ob ein Übergangsprozess kontinuierlich
verläuft zeigt sich an der erfolgreichen
Bewältigung von Entwicklungsschritten
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Der Übergang ist ein ko-konstruktiver
Prozess
Bei einem Übergang
handelt es sich nicht um
ein zeitlich eng
umgrenztes Ereignis,
sondern um einen
längerfristigen Prozess,
bei dem Kommunikation
und Partizipation aller
Beteiligten im
Vordergrund steht.
14
Die Anforderungen eines Übergangs bestimmen die
(pädagogische) Unterstützung
15
Das Wichtigste: Genügend Zeit einräumen
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Anforderung: Identitätswandel
Wie ein Mensch sich selbst versteht und empfindet, wird
ebenfalls von einem Übergang beeinflusst.
Wichtig für das Kind ist es, dass es Anforderungen erkennt
und sich ihnen gewachsen fühlt.
17
Pädagogische Unterstützung:
Den Wandel der Identität erleben lassen
18
Anforderung:Rollenwandel
Beim Übergang kommt es zu einem
Rollenwandel.
Das Kind erlebt eine Reihe von
Rollenerwartungen und lernt neues
Verhalten.
Auch an die Eltern richten sich neue
Rollenerwartungen
19
Pädagogische Unterstützung: Rollen
klären
• Je transparenter
Regeln und das
pädagogische Konzept
sind, desto klarer sind
die Erwartungen an
Kinder und Eltern und
desto besser können
sie sich darauf
einstellen.
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Anforderung: Wandel in den Beziehungen
Neue Beziehungen des Kindes kommen
hinzu.
Beziehungen innerhalb der Familie verändern
sich, weil das Kind selbstständiger und
unabhängiger wird und sein
Verhaltensrepertoire erweitert.
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Pädagogische Unterstützung: Beziehungen
fördern
22
Anforderung: Pendeln zwischen zwei
Lebensbereichen
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Pädagogische Unterstützung: Reaktionen
richtig einordnen
•Die Eltern kennen das Kind „vor und nach“ der
Einrichtung.
•Die Erzieherin kennt es „nach und vor“ der der
Familie.
Wenn die Unterschiede zwischen den
Lebensbereichen und ihren Bedingtheiten
akzeptiert werden, kommt es weniger leicht zu
Störungen auf der Beziehungsebene.
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Achtung: Starke Emotionen / Stress....
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Pädagogische Unterstützung: Keine Angst vor
Abschieden
• Die Begegnung mit dem Unbekannten und das
Bewusstsein, dass ein neuer Lebensabschnitt
beginnt, bringen für die Familienmitglieder starke
Gefühle mit sich.
• Ein besseres Verständnis als Übergangsreaktionen
lässt einen gelasseneren pädagogischen Umgang
damit zu.
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Fragen zur Gestaltung von Übergängen
•
•
•
•
Welche Akteure sind involviert?
Wer ist der „Bewältiger“, wer moderiert?
Was ist das Ziel?
Welche Basiskompetenzen, evtl.
Vorläuferkompetenzen sind nötig?
• Gibt es Kommunikation und Partizipation
zwischen den Beteiligten?
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Der Übergang vom Elternhaus in die
Krippe
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Welche Akteure sind involviert?
•
•
•
•
•
•
•
Das aufzunehmende Kind / Junge / Mädchen
Eltern / Vater / Mutter
Evtl. weitere Bindungspersonen
Das Team
Die Erzieherin als Bindungsperson
Die Krippenkinder
Leitung und Träger (Rahmenbedingungen)
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Übergang vom Elternhaus in die Krippe
Akteure, die den Übergang bewältigen:
•Auch das sehr junge Kind ist nicht nur Adressat
pädagogischen Handelns, sondern spielt von Anfang an eine
aktive Rolle.
•Mädchen und Jungen
• Eltern haben auch einen Übergangsprozess zu bewältigen.
Sie sind nicht nur Ressource im Eingewöhnungsprozess,
sondern bewältigen auch ihren eigenen Übergang als
Krippeneltern
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Akteure, die den Übergang moderieren:
Erzieherinnen erleben selbst keinen Übergang, sondern
begleiten ihn.
Zu bedenken sind:
•Erhöhter personeller Aufwand in der Eingewöhnungszeit
•Eine Fachkraft muss als feste Beziehungsperson zur
Verfügung stehen
•Sorgfältige Abstimmungsprozesse im Team
•Zeitschiene für den gesamten Eingewöhnungsprozess
•Dokumentation des Eingewöhnungsprozesses
•Entwicklungsgespräche mit den Eltern
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Entwicklungsaufgaben am Beispiel des
Übergangs vom Elternhaus in die Krippe
Auf der individuellen Ebene für Kinder:
• Aufbau einer Beziehung zur primären Betreuungsperson als
sicherer Hafen
• Der Erfahrungsraum des Kindes erweitert sich über den
Erfahrungsraum Familie hinaus
• Übergang in die erste gesellschaftliche Bildungsinstitution
• Bewältigung starker Emotionen (Angst, Ungewissheit, Neugier,
Freude, Stolz)
• Kompetenzgewinn durch Einleben in die Tagesrhythmen von
Krippe und Familie
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Auf der individuellen Ebene der Eltern
• Die Eltern müssen sich mit gesellschaftlichen
Erwartungen und Vorurteilen und u. U. mit eigenen
Vorurteilen auseinander setzen.
• Die Familienentwicklung ist im Übergang von
Partnerschaft und Elternschaft
• Die Rollen als Vater und Mutter sind noch nicht
modelliert
• Starke Emotionen sind in diesem Prozess
unvermeidlich
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Auf der Beziehungsebene verändert
sich für das Kind...
Aufbau einer vertrauensvollen Erzieherinnen-KindBeziehung
Das Kind fasst nicht nur Vertrauen in eine Person,
sondern auch in eine gesellschaftliche Institution
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Und für die Eltern.......
• Eltern lernen, dass die Beziehung zur Erzieherin eine
eigenständige ist und nicht in Konkurrenz steht
• Eltern lernen eine vertrauensvolle Beziehung zur
Erzieherin aufzubauen
• Eltern pflegen Austausch über das Gelingen des
Übergangsprozesses
• Die Paarbeziehung kann durch Uneinigkeit über die
Aufgabenteilung in der Familie belastet werden.
• Die Eltern sind nicht mehr allein Familie und Paar, sondern
Krippeneltern (Rollenerweiterung)
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Entwicklungsaufgaben im Kontext der
Lebenssituation
 Eltern und Kinder müssen unterschiedliche
Lebensbereiche integrieren (neuer Tagesablauf,
neue Regeln, evtl. neue Sprache und andere
Sichtweisen.)
 Evtl. finden gleichzeitig weitere familiale
Übergänge statt (z.B. Aufnahme von Berufstätigkeit,
Arbeitslosigkeit, Geburt eines Geschwisterkindes)
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Was müssen Fachkräfte wissen?
• Berliner Eingewöhnungsmodell/ und oder
Münchner Eingewöhnungsmodell
• Kenntnisse über die Entwicklungsaufgaben der
aufzunehmenden Kinder
• Konzept der Feinfühligkeit
• Kenntnisse über Bindungsprozesse
• Interkulturelle Kompetenz
• Wissen um die besonderen Bedürfnisse von
Kindern mit schwierigem Temperament
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Verständigung unter KoKonstrukteuren
• Vorbereitung der
aufnehmenden
Kindergruppe
• Beteiligung aller
Betroffenen (neue Kinder,
Eltern, Gruppe, Team)
• Neugestaltung bzw.
Überprüfung des
Raumkonzeptes
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Der Übergang von der Krippe in den
Kindergarten
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Welche Akteure sind involviert?
•
•
•
•
•
•
Krippenkind
Eltern
Krippenkinder
Kindergartenkinder
Team in Krippe und Kindergarten
Bezugserzieherin in Krippe und KITA
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Den Übergang bewältigen aktiv..
• Die Kinder (Mädchen
und Jungen)
• Mütter und Väter
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Wer moderiert den Prozess?
• Erzieherinnen der
Krippe
• Mitarbeiterinnen der
KITA
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Der Übergangsprozess ist mit
Erwartungen verknüpft
Welche Basiskompetenzen werden vorausgesetzt?
•Erwartungen an ein Krippenkind
•Erwartungen an ein Kindergartenkind
•Erwartungen an die Kindergarteneltern
Sind die Beteiligten im Gespräch und gibt es Möglichkeiten
der Mitwirkung?
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Entwicklungsaufgaben für das Kind
• Ich bin jetzt ein
Kindergartenkind
• größer werden
• Positive Grundeinstellung
für den Übergang
• Moderate
Eingewöhnungsphase
• Mit veränderten
Erwartungen umgehen
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Entwicklungsaufgaben der Eltern
• Wir sind jetzt Kindergarteneltern
(Rollenerweiterung)
• Mein Kind wird größer
• Abschied von der Kleinkindphase
• Vertrauen, dass mein Kind die neuen
Anforderungen schafft
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Veränderungen auf der
Beziehungsebene
Für das Kind:
• Beendigung der Bindungsbeziehung zur
Krippenerzieherin
• Abschied von Freunden aus der Krippengruppe
• Beziehungsaufnahme zur Kindergarten-Erzieherin
• Es fordert mehr Selbstständigkeit
• Es entwickelt mehr Unabhängigkeit
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Veränderte Beziehungen
Für die Eltern:
• Abschied vom intensiven Kontakt mit der
Krippenerzieherin
• Beziehungsaufbau mit der KindergartenErzieherin
• Abschied und Neubeginn von Beziehungen zu
anderen Eltern
• Evtl. Vorurteile der andern Eltern gegen
Krippeneltern (Rabenmütter!)
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Kontextuelle Veränderungen
Für das Kind:
• Verschlechterung der Erzieherin-Kind-Relation
• Abwesenheit von gewohnten Bezugspersonen
• Weniger Zeit für Zuwendung
• Neue Regeln
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Für die Eltern:
• Eltern erleben Unterschiede zwischen Krippe und
Kindergarten
• Die Gruppen werden größer
• Erzieher-Kind-Schlüssel sind schlechter
• Weniger Akzente auf Pflege
• Es wird mehr Beteiligung an / und für
Gemeinschaftsaktivitäten erwartet (Gottesdienste, Feiern,
Ausflüge usw.)
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Was müssen Fachkräfte für einen
gelingenden Übergang beachten?
•
•
•
•
•
Entwicklungspsychologische Grundlagen
Wissen um Resilienzkonzept
Formen der Beteiligung ermöglichen
Moderate Eingewöhnung
Zusammenarbeit der Mitarbeiterinnen von
Krippe und Kita (gegenseitige Information)
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Und weiter?
• Information über die Entwicklung des
Krippenkindes
• Entwicklungsberichte
• Entwicklungsgespräche mit den Eltern
• Dokumentationsverfahren
• Portfolio
• Moderation der aufnehmenden Kindergruppe
• Übergangsrituale
• Zeitschiene
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Eine Kultur des Übergangs entsteht
durch Dialog und Beziehung
Erzieherinnen sind
Fachfrauen für
professionelle
Beziehungen!
Erzieherinnen sind nicht
zuständig für das
Geschehen innerhalb der
Familie, sie müssen aber
den gemeinsamen
Lebensabschnitt
Institution in den Blick
nehmen und sich dafür
zuständig erklären.
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Dialog meint nicht eine geschickte Gesprächsführung,
sondern bewusste Aufmerksamkeit sich selbst und dem
andern gegenüber
• Es geht nicht ums Wissen, sondern um das Herausfinden.
• Es geht nicht ums Antworten, sondern ums Fragen.
• Es geht nicht ums Gewinnen und Verlieren, sondern um
das Miteinander reden.
• Es geht nicht um Hierarchien, sondern um Augenhöhe.
• Es geht nicht um Macht, sondern Respekt und Achtung.
• Es geht nicht darum eine Sache zu beweisen, sondern ums
Zuhören.
• Es geht nicht darum, eine Position zu verteidigen, sondern
um neue Möglichkeiten erkunden.
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Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
Literatur:
• Wilfried Griebel / Renate Niesel: Transitionen, Beltz Verlag
Weinheim Basel, 2004
• Anna Winner/ Elisabeth Erndt-Doll: Anfang gut? Alles Besser!
Ein Modell für die Eingewöhnung in Kinderkrippen und anderen
Tageseinrichtungen für Kinder, Verlag Das Netz, Weimar / Berlin 2009
• Susanne Viernickel / Petra Völkel: Mit Riesenschritten in die
Autonomie, Bildungsverlag eins, Troisdorf 2009
• TPS 3/2010 Übergänge: Gewohntes verlassen, Neuland betreten
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