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Inklusion vs. Exklusion –
Sozialrechtliche Regelungen
in der Straffälligenbetreuung
– Beispiele für Exklusion?
Vortrag auf der Fachtagung
„Inklusion vs. Exklusion – Problemlagen und Konzepte der
Straffälligenhilfe in Bremen und anderswo“
Verein Bremische Straffälligenbetreuung
21.11.2012
Prof. Dr. jur. Corinna Grühn
Hochschule Bremen
Prof. Dr. Corinna Grühn
Sozialrechtliche Regelungen in der
Straffälligenbetreuung
2
Inhalte
A.
B.
C.
Einleitung
Zwei Themenfelder
1. Anrechnung von Überbrückungsgeld
nach § 51 StVollzG als Einkommen
oder Vermögen
2. Gesetzliche Krankenversicherung
nach Haftentlassung
Fazit
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1. Anrechnung von Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG als
Einkommen oder Vermögen
a. Grundsätzliches
Unterscheidung Einkommen und
Vermögen (§§ 11 ff. SGB II; §§ 82 ff. SGB
XII)
 Schonvermögen (§ 12 SGB II, § 90 II, III
SGB XII)

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1. Anrechnung von Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG als
Einkommen oder Vermögen
b. im SGB II
I
Entscheidung vom BSG vom 6.11.2011,
Az. B 14 AS 94/10 R
 Fall: Kläger wurde am 26.3.2008 aus der
Haft entlassen, an diesem Tage wurde
ihm ein Überbrückungsgeld in Höhe von
1.794 € ausgezahlt. Am 28.3.2008 stellte
er einen Antrag auf Leistungen nach dem
SGB II.

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1. Anrechnung von Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG als
Einkommen oder Vermögen
b. im SGB II




II
Entscheidung vom BSG vom 6.11.2011, Az. B 14 AS 94/10 R
Lösung:
Maßgeblich für die Beurteilung, ob es sich um Vermögen oder
Einkommen handelt, ist allein der Zeitpunkt der Antragstellung – so
das BSG zur damaligen Rechtslage, da im SGB II der Antrag
konstituiv ist. Dh die Bedarfszeit beginnt erst mit der Antragstellung
(vgl. auch BSG, Entsch. v. 30.7.2008, Az. B 14/11b AS 17/07 R)!
Da das Überbrückungsgeld vor der Antragstellung nach § 37 SGB II
dem Leistungsberechtigtem zugegangen ist, ist das
Überbrückungsgeld als Vermögen zu werten und unterfällt damit
den Grenzen des Schonvermögens nach SGB II (da es unter 3.100
€ liegt). Eine Anrechnung kommt nicht in Betracht. Dem Kläger
stehen ab dem 28.3.2008 Leistungen nach dem SGB II zu.
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1. Anrechnung von Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG als
Einkommen oder Vermögen
b. im SGB II
III
 Konsequenz für die Praxis:
 Antragstellung
erfolgt erst nach Zufluss des
Überbrückungsgeldes (damit idR nach
Haftentlassung)
 Für den Fall, dass das Überbrückungsgeld erst nach
Antragstellung zufließt hat eine Aufteilung der
Anrechnung dahingehend zu erfolgen, dass kein
Wegfall der Versicherungspflicht in Kranken- und
Pflegeversicherung erfolgt (§ 11 III 3 SGB II; vgl.
auch: LSG Rheinland-Pfalz, Entsch. v. 15.5.2012, Az.
L 3 AS 87/10)
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1. Anrechnung von Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG als
Einkommen oder Vermögen
b. im SGB II
IV
Problem:

Die Rechtslage hat sich zum 1.1.2011 geändert! § 37 wurde in Abs. 2 Satz 2
angehängt:
„Der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes wirkt auf den ersten
des Monats zurück.“



LSG München, Entsch. v. 21.3.2012, Az. L 16 AS 202/11
Diese gesetzliche Änderung führt nach Auffassung des LSG München dazu, dass die
Antragstellung zurückwirkt und entsprechend auch Gelder, die vor der Antragstellung
flossen nunmehr als Einkommen zu berücksichtigen sind, wenn der Antrag auf
Leistungen im gleichen Monat gestellt worden ist.
Die Entscheidung des LSG München ist nun beim BSG (Az. B 14 AS 51/12 R)
anhängig (Rechtsfrage: Ist für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen nach den §§ 11
und 12 SGB II auf den Zeitpunkt der Antragstellung (konkrete Uhrzeit) abzustellen?)

Dienstanweisung der BA hat die gesetzliche Änderung auch bereits aufgenommen
(Dienstanweisung zu § 11 SGB II, Rz. 11.76, Fassung: 20.9.12)
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1. Anrechnung von Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG als
Einkommen oder Vermögen
b. im SGB II
 Konsequenz
V
für die Praxis:
 Antrag
auf Leistungen nach dem SGB II nach
wie vor erst nach Zufluss des
Überbrückungsgeldes
 Antrag mit dem Zusatz „Antragstellung mit Wirkung
zum (Datum nach dem Zufluss des Überbrückungsgeldes) …“
oder
 Antragstellung
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erst im nachfolgendem Monat
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1. Anrechnung von Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG als
Einkommen oder Vermögen
c. im SGB XII


I
Entscheidung des SG Aachen vom 14.7.2009,
Az. S 20 SO 20/09
Fall: Kläger wurde am 30.04.2008 aus der Haft
entlassen, an diesem Tage wurde ihm ein
Überbrückungsgeld in Höhe von 1.862,45 €
ausgezahlt. Am 27.5.2008 beantragt der Kläger
Leistungen der Grundsicherung im Alter nach §§
41 f. SGB XII ab dem 1.5.2008.
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1. Anrechnung von Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG als
Einkommen oder Vermögen
c. im SGB XII


II
Entscheidung des SG Aachen vom 14.7.2009, Az. S 20 SO
20/09
Lösung:
1.
2.
3.
4.
Bei Leistungen nach dem SGB XII kommt es auf den Zeitpunkt der
Antragstellung nicht an.
Dies gilt auch für die antragsabhängige Leistung nach §§ 41 f. SGB
XII
Rückwirkung auf den Beginn des Bedarfsmonats
Es handelt sich hier zwar um Vermögen (Zufluss am 30.4.2008;
Leistungen erst zum 1.5.2008), dieses ist aber voll einzusetzen, da
der Zweck des Überbrückungsgeldes die Sicherung des
Lebensunterhaltes nach der Entlassung ist (Zweckidentität zwischen
Überbrückungsgeld und Grundsicherung im Alter)
 (Leider) keine Rechtsmittel eingelegt!
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1. Anrechnung von Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG als
Einkommen oder Vermögen
c. im SGB XII
 Konsequenz
III
für die Praxis:
 Antrag
auf Leistungen nach dem SGB XII
nach wie vor erst nach Zufluss des
Überbrückungsgeldes
 Antrag mit dem Zusatz „Antragstellung mit Wirkung
zum (Datum nach dem Zufluss des Überbrückungsgeldes) …“
 Antrag
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erst im Folgemonat
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1. Anrechnung von Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG als
Einkommen oder Vermögen
d. Exklusion?
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2. Gesetzliche Krankenversicherung
nach Haftentlassung
I
§ 5 I Nr. 13a SGB V:
Versicherungspflichtig sind
1. …
13. Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und
a)
zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder …
§ 5 VIIIa SGB V:
Nach Absatz 1 Nr. 13 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 12
versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 versichert ist. Satz 1 gilt entsprechend
für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des
Zwölften Buches und für Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des
Asylbewerberleistungsgesetzes. Satz 2 gilt auch, wenn der Anspruch auf diese Leistungen für
weniger als einen Monat unterbrochen wird. …
§ 11 III SGB II:
Einmalige Einnahmen sind in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen. Sofern für den
Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme
erbracht worden sind, werden sie im Folgemonat berücksichtigt. Entfiele der
Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist die einmalige
Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich
mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen.
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2. Gesetzliche Krankenversicherung
nach Haftentlassung
II
1. Fall:
C bezog vor seiner Haft Leistungen nach dem SGB II und war
darüber auch in der GKV (und SPV) versichert (§ 5 I Nr. 2a SGB V).
In der Haft erhielt er Gesundheitsfürsorge nach dem § 56 ff.
StVollzG. Nach Haftentlassung erhält er ein als Einkommen
anrechenbares Überbrückungsgeld in Höhe von 1.800 €. Da er
grundsätzlich erwerbsfähig ist, ist für ihn der Leistungsträger nach
dem SGB II zuständig (Jobcenter). Kommt eine unmittelbar an die
Haftentlassung anschließende Leistung nach SGB II und damit eine
Absicherung im Krankheitsfall und Versicherungspflicht nach § 5 I
Nr. 2a SGB V in Betracht?
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2. Gesetzliche Krankenversicherung
nach Haftentlassung
III
Lösung zu Fall 1:
Es kommt die Versicherungspflicht nach § 5 I Nr. 2a SGB V in Betracht.
Es hat eine Aufteilung der Anrechnung dahingehend zu erfolgen, dass kein
Wegfall der Versicherungspflicht in Kranken- und Pflegeversicherung
erfolgt. Die als mittelbare Folge der Verteilung des Überbrückungsgeldes
als einmalige Einnahme auf einen angemessenen Zeitraum eintretende
Versicherungspflicht nach § 5 I Nr. 2a SGB V ist für den Betroffenen
vorteilhafter als ein andernfalls mögliches Versicherungsverhältnis nach § 5
I Nr. 13a SGB V. Der Betroffene hat zum einen in diesem
Versicherungsverhältnis die Beiträge selber zu tragen. Zum anderen gelten
nach § 227 iVm § 240 SGB V die Vorschriften über die beitragspflichtigen
Einnahmen versicherter Mitglieder mit der Folge, dass höhere Beiträge als
im Fall der Pflichtversicherung wegen des Bezugs von ALG II zu zahlen
sind (vgl. auch: LSG Rheinland-Pfalz, Entsch. v. 15.5.2012, Az. L 3 AS
87/10, Rn. 35 ff.).
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2. Gesetzliche Krankenversicherung
nach Haftentlassung
IV
2. Fall:
B bezog vor seiner Haft Leistungen nach dem SGB II und war
darüber auch in der GKV (und SPV) versichert (§ 5 I Nr. 2a SGB V).
In der Haft erhielt er Gesundheitsfürsorge nach dem § 56 ff.
StVollzG. Nach Haftentlassung bezieht er im Rahmen der Hilfe zur
Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (§§ 67 ff. SGB
XII) einen Wohnplatz in einer Einrichtung. Dort erhält er jedoch
aufgrund des ihm ausgezahltem Überbrückungsgeld in Höhe von
1.000 € nach § 51 StVollzG keine Leistungen nach §§ 27 ff. (HLU)
oder §§ 41 f. (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung)
nach SGB XII. Das Sozialamt verweist insoweit auf die bislang
zuständige Krankenkasse entsprechend § 5 I Nr. 13 a SGB V. Der
Träger der GKV lehnt die Zuständigkeit nach § 5 VIIIa SGB V ab.
Gesetzliche Krankenversicherung?
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2. Gesetzliche Krankenversicherung
nach Haftentlassung
V


Lösung zu Fall 2:
B ist nach § 5 I Nr. 13a SGB V in der GKV pflichtversichert, eine Ausnahme
nach § 5 VIIIa SGB V ist nicht gegeben.
Es schadet nicht, dass B zwischenzeitlich über die Gesundheitsfürsorge
abgesichert war. Die Voraussetzung „zuletzt krankenversichert“ ist nur
dann nicht erfüllt, wenn zwischen dem Erlöschen der Mitgliedschaft in der
GKV und der nach § 5 I Nr. 13a SGB V erneut begehrten Begründung
eines Pflichtversicherungsverhältnisses eine „anderweitige Absicherung im
Krankheitsfall“ bestand, auf die der Antragsteller zukünftig auch verwiesen
werden darf. Dies scheidet aber in Bezug auf die gem. §§ 56 ff. StVollzG
(unfreiwillig) in Anspruch genommene Gesundheitsfürsorge aus (Hammel,
SGb. 2012, 265 (266) mwN). § 5 I Nr. 13a SGB V einschlägig.
Es liegt auch keine der Ausnahmen nach § 5 VIIIa SGB V vor. Hier
erhält B gerade keine Leistungen nach den dort genannten Büchern des
SGB XII, weil er derzeit noch von Überbrückungsgeld lebt und lediglich
Leistungen nach dem 8. Kapitel des SGB XII erhält (Hammel, SGb. 2012,
265 (266 f.) mwN).
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2. Gesetzliche Krankenversicherung
nach Haftentlassung
VI
3. Fall: Abwandlung zu 2:
B bezog vor seiner Haft Leistungen nach dem
SGB II und war darüber auch in der GKV (und
SPV) versichert (§ 5 I Nr. 2a SGB V). In der Haft
erhielt er Gesundheitsfürsorge nach dem § 56 ff.
StVollzG. Nach Haftentlassung bezieht er
unmittelbar Hilfen zum Lebensunterhalt nach §§
27 ff. SGB XII. Gesetzliche
Krankenversicherung?
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2. Gesetzliche Krankenversicherung
nach Haftentlassung
VII
Lösung zu Fall 3:
§ 5 I Nr. 13a SGB V ist wegen § 5 VIIIa SGB V
nicht anwendbar.
Hier kommt Krankenversicherungsschutz nach §
264 II SGB V in Betracht und es wäre nach §
264 III SGB V eine Krankenversicherungskarte
auszuhändigen (vgl. auch SG Lübeck,
30.1.2009, Az. S 14 KR 1006/08 ER, Rn. 21)
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2. Gesetzliche Krankenversicherung
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VIII
Exklusion?
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3. Fazit
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