Bildungsökonomie und Bildungspolitik

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Fachkräftemangel: Das Potential in der Schweiz besser ausschöpfen

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Fachtagung Informa modell-f Bern, 27. November 2013

Rudolf Strahm 1

A. Vorbemerkung I: Ein Blick ins Ausland

Internationale Vergleiche: Das Drama der Jugendarbeitslosigkeit 2

Europa 2013: Jede(r) vierte Jugendliche arbeitslos

Jugendarbeitslosenquoten (< 25 Jahre)

Daten saisonbereinigt März Frühjahr 2013 nach EUROSTAT

Durchschnitt EU (EU-27)

SCHWEIZ Liechtenstein Oesterreich Deutschland inkl.Ost

Nur West-Deutschland Niederlande Frankreich Italien Spanien Finnland

23.5 %

3.3 % 2.7

7.6 % % 7.6 % ca 6 % 10.5 % 26.5 % 38.4 % 55.9 % 19.8 % mit BB mit BB mit BB mit BB mit BB 3

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Fazit: Berufsbildungssystem ist bezüglich Arbeitsmarktfähigkeit überlegen !

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B. Vorbemerkung II: „Fachkräftemangel“ in der Akademisierungsfalle

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2012: Fachkräfte mit Höherer Berufsbildung im gewerbl.-industr. Sektor am begehrtesten 8

Fachkräftemangel im gewerblich industriellen Sektor: Höhere Berufsbildung u.Berufslehre gefragt 9

Mehr Steuerung im ganzen Bildungssystem nötig Wir haben nicht einen generellen Akademikermangel, sondern wir haben hausgemachte Fachkräfte-Engpässe: Zum Beispiel: • Ärztemangel:  Numerus Clausus • MINT-Mangel:  Sprachlastigkeit des Gymnasiums und des Zugangs zum Gymn.

• Informatikermangel:  zu wenig Lehrstellen • Pflegepersonal-Mangel: Ausbildungslücke und zu wenig Ausbildungsplätze in Spitälern 10

Akademisierungsdebatte angestossen:

NZZ am Sonntag 28. Oktober 2012 „

Ich hätte lieber etwas weniger, dafür bessere Maturanden“

Bundesrat Johann Schneider-Ammann warnt vor einer zu kopflastigen Bildungspolitik.

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Akademikermangel ?

Im Studienjahr 2012 gab es an den schweizerischen Universitäten folgende Studierendenzahlen (Hauptfach): • 4200 • 8600 • 4400 • 2500 • 1150  Historiker/Kunsthistoriker(innen) Psychologen(innen) Politologen(innen) Kommunikationswissenschafter Ethnologen(innen) RAV 2012: 2300 Arbeitslose mit Doktortitel 12

Akademikermangel ?

Im Studienjahr 2012 gab es an allen universitären Hochschulen (Uni+ETH) folgende Studierendenzahlen: • 44‘000 • 21‘000 • 15‘000 • 24‘000 • 16‘000 • 13‘000 Geistes- u. Sozialwissenschaften Wirtschaftswissenschaften Juristen Exakte und Naturwissenschaften Technische Wissenschaften Mediziner und Pharmazeuten (N.C.) 13

C. Berufsbildungssystem Schweiz: Kein Abschluss ohne Anschluss

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Bildungssystem Schweiz Höhere Berufsbildung Tertiär B Eidg. Berufs- u.

höhere Fach prüfungen Höhere Fachschulen Hochschulstufe Fachhoch schulen Tertiär A Universitäten und ETH Attest

2 Jahre

Berufsmaturität Eidg. Fähigkeitszeugnis

3 oder 4 Jahre

Berufliche Grundbildung Praktikum Gymnasiale Maturität Allgemein bildende Schulen Obligatorische Schulzeit

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D. Wo ansetzen? Auf der Suche nach effizienten Massnahmen

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1. Mehr Lehrstellen in neuen und höherschwelligen Berufen Z.B: Informatiker, Haustechnik-Fachleute, Automationsfachleute, Cleantech für „Energiewende“  Mehr Lehrstellen in IT-Branche u.a.

 Wieder Basisjahre in Berufsfachschulen  Sektorielle Förderung für Schwerpunktbereiche (wie Cleantech, Energietech für „Energiewende“)  Genderproblem: Korrektur von Rollenbildern durch mehr Schnuppertage, Betriebsbesuche für junge Frauen (Schul Abgängerinnen), 17

2. Aufwertung der Höheren Berufsbildung 27‘000 Abschlüsse Höhere Berufsbildung (Tertiär B) : a)Höhere Fachschule, b)Eidg.Berufsprüfung, c)Höhere eidg. Fachprüfung  Herstellung von Titeläquivalenz: zusätzlich zur deutschen Diplombezeichnung einheitlicher, übergreifender Titel . „(Swiss) Professional Bachelor“ „(Swiss) Professional Master“  Diploma Supplement mit blosser NQR Einstufung ist ungenügend!

 Mehr Bundesbeiträge an die HBB 18

3. Ausschöpfung der Berufsmaturitäten Nur 55 % der BM-Absolvent/innen besuchen eine Fachhochschule. Bessere Potential Ausschöpfung anstreben:  Werbung für FHS  Stipendien für FHS-Absolventinnen  Genderpotential: Kinderbetreuungsplätze in FHS  Validation des Acquis von vorlaufenden Bildungsgängen (Ausländer/innen) 19

4. Steuerung des Uni-Systems (Leistungsaufträge) Die sog. „Universitätsautonomie“ führt zur Fehlorientierung und Akademisierungsfalle Klarerer Leistungsauftrag nötig, z.B:  Mehr Studienplätze für Mediziner (vom Bund mitfinanziert)  Modal Split bei Med-Ausbildung: halb Spezialisten – halb Allgemeinpraktiker (VD)  Evaluation der Arbeitsmarktfähigkeit der universitären Abschlüsse  Pflicht zur Nachwuchsförderung in akademischen Karrieren 20

5. Maturitäten und Uni-Zugang

Die Sprachlastigkeit des gymnasialen Zugangs und des Gymnasiums führt zu einer Negativselektion von MINT-orientierten Ausbildungen  Diskussion zum Modal Split der Schwerpunktfächer  Prüfung einer mathematisch naturwissenschaftlichen Maturität (ehemals C)  Passerellen Lösungen für Berufsmaturitätsabsolventen 21

6. Sektorielle Leistungsaufträge zur Ausbildung im Gesundheits und Betreuungsbereich Gesundheits- und Betreuungsbereich ist eine Wachstumsbranche. Berufe geeignet für (Wieder)-EinsteigerInnen.

 Ausbildungspflichten für Spitäler (FAGE)  bessere Kostenanrechung in Fallpauschale DRG  Ausbildungspflichten für Heime (FABE)  Niederschwellige Berufe: Pflegehelferin SRK flächendeckend (wieder-)einführen 22

7. Familie und Beruf

Genderproblematik:Potential von gut ausgebildeten Frauen ausschöpfen. Heute nur ca 60% .

 Ausserfamiliäre Kinder-Betreuung, Tagesstrukturen, Kita  Teilzeit Stellen für Frauen und Männer in der Privatwirtschaft  Kleinkinderbetreuung für Studentinnen in den Bildungsinstitutionen Tertiär A und B  Fiskalische Anreize für extrafam. Betreuung ( Beurteilung liegt ausserhalb meiner Fachkompetenz) 23

8. Keine Lösung: Rentenalter und Potential der Rentner BSV-Arbeitgeberbefragung: > 70% der Arbeitgeber wollen nicht Ältere anstellen, sondern Jüngere (im Ausland) rekrutieren!

Rund 50% der Arbeitnehmer werden heute vorzeitig in Pension geschickt.

Frühpensionierungsquoten: Bei Novartis 89% Bei Basler Versicherung 80% Bei Grossbanken UBS und CS 55% 24

9. Anrechnung von Bildungsleistungen Gender und Ausländerproblematik: Oft werden die vorlaufenden Bildungsgänge nicht angerechnet. Zusatzanstrengungen für:  Validation des Acquis  Stärkere Validierung von berufspraktischer Erfahrung  Allgemeine Weiterbildung und berufliche Weiterbildung von Erwachsenen  Bessere Transparenz und Vergleichbarkeit der Weiterbildungsabschlüsse zwecks Validation des Acquis (auch WeBiG)  Baukastenprinzip (Modularisierung) der Lehrgänge als Vorbedingung für Anregung 25

10. Vorrang für Regelstrukturen

Fachkräftemangel muss vorrangig in Regelstrukturen gelöst werden, nicht in neuen institutionellen Angeboten. Das heisst:  in bestehender Berufs- und Laufbahnberatung  in bestehenden Strukturen für Lehre und Mittelschulen  in bestehenden Angebotsstrukturen von Tertiär A und Tertiär B.

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Grundproblem: Laisser-faire

Die Personenfreizügigkeit hilft den Fachkräftemangel überbrücken Aber: Die Personenfreizügigkeit hilft durch Rekrutierung im Ausland die Mängel im (Aus-) Bildungssystem zudecken und verdrängen.

Der Fachkräfteinitiative des Bundes fehlen die wirksamen Steuerungsinstrumente 27

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Danke für Ihre Aufmerksamkeit

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