Präsentation Fachtagung 1.06.11

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Studentische Fachtagung
Ist Gleichheit gerecht?
1. Juni 2011
Fachhochschule Jena
Herzlich Willkommen!
Prof. Dr. Gabriele Beibst, Rektorin FH Jena
Prof. Dr. Heike Ludwig,
Dekanin FB Sozialwesen FH Jena
Prof. Dr. Michael Opielka
Die Durchführung der Fachtagung wurde ermöglicht durch:
Förderkreis der Fachhochschule Jena e.V., Hans Böckler Stiftung,
Mein RothStift Schreibwarenladen Leipzig, Sparkasse Jena Filiale Tatzendpromenade,
ASI GmbH Jena, AOK Plus, Bündnis 90 die Grünen Jena, FH Jena.
Ist Gleichheit gerecht?
Einführung
Studentische Fachtagung zur Sozialpolitik „Ist Gleichheit gerecht?“ –
Fachhochschule Jena 1. Juni 2011
Prof. Dr. habil. Michael Opielka
Fachhochschule Jena, Fachbereich Sozialwesen
Quelle: Robert B. Vehrkamp/Andreas Kleinsteuber, Soziale Gerechtigkeit in Deutschland. Ergebnisse einer
repräsentativen Umfrage unter deutschen Parlamentariern, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung 2006, S. 6
Quelle: Bertelsmann Stiftung, 2011, Soziale Gerechtigkeit in der OECD – Wo steht Deutschland?
Sustainable Governance Indicators 2011, Gütersloh, S. 8
Mehr soziale Gleichheit ist nachhaltig
Wilkinson und Pickett belegen, dass eine größere
Einkommensgleichheit zu mehr zwischenmenschlichem Vertrauen,
weniger Angst, weniger psychischen Erkrankungen und geringerer
Kriminalität führt. Sie nutzt dadurch auch den Wohlhabenden.
Richard G. Wilkinson/Kate Pickett, Gleichheit ist Glück. Warum
gerechte Gesellschaften für alle besser sind, Berlin 2009
Leistungsethik und Schichtdifferenzierung
„Die meines Erachtens auf Dauer unumgängliche Lösung wird sein,
eine neuartige, die bisherigen Klassen- und
Schichtdifferenzierungen der Gesellschaft überlagernde
Dichotomisierung der Erwerbsfähigen in die Klasse derjenigen, die
einem der Leistungsethik verpflichteten Leistungssystem von
Arbeitenden grundsätzlich zugehören einerseits, und derjenigen, die
gesellschaftlich legitimiert von der Arbeitsverpflichtung freigestellt
sind andererseits nicht nur resignierend in Kauf zu nehmen,
sondern möglichst frühzeitig positiv politisch zu gestalten.“
Ulrich Oevermann, Kann Arbeitsleistung weiterhin als basales Kriterium der
Verteilungsgerechtigkeit dienen?, Ms. 1983, S. 10 (erstmals veröffentlicht in: Manuel Franzmann,
Hrsg., Bedingungsloses Grundeinkommen als Antwort auf die Krise der Arbeitsgesellschaft,
Weilerswist: Velbrück Wissenschaft 2010, S. 111-126)
Typen des Wohlfahrtsregime
liberal
sozialdemokratisch
konservativ
garantistisch
Steuerung / Governance:
 Markt
 Staat
 Familie/Gemeinschaft
 Menschen-/Grundrechte
zentral
marginal
marginal
mittel-hoch
marginal
zentral
marginal
mittel
marginal
subsidiär
zentral
marginal
mittel
subsidiär
mittel
zentral
Dominante Form
sozialstaatlicher Solidarität
individualistisch
lohnarbeitszentriert
Kommunitaristischetatistisch
Bürgerstatus,
universalistisch
Vollbeschäftigungsgarantie
schwach
stark
mittel
mittel
Dominante Form der
sozialstaatlichen Steuerung
Markt
Staat
Moral
Ethik
Gerechtigkeitskonzeption
Leistung
Umverteilung
Bedarf
Teilhabe
USA
Schweden
Deutschland,
Italien
Schweiz
(„weicher G.“)
Empirische Beispiele
„Ohne Zweifel beginnen sich überall die Beziehungen zwischen den
wohlfahrtsstaatlichen Sicherungen und der Arbeitswelt zu lösen, die als
zentrales Erbe der Industriegesellschaft für den Wohlfahrtsstaat betrachtet
werden können. Die sozialen Dienste spielen in dieser Hinsicht eine
Pionierrolle, auch deshalb, weil sie niemals eng mit den Erwerbsstrukturen
verbunden waren. Insofern können die Sicherungsformen, die sich heute in
diesem Bereich ausprägen, durchaus modellgebend für andere Bereiche des
Wohlfahrtsstaates sein. (…)
Nicht Klassenkonflikte und Statussicherung, sondern die
Kooperation zwischen Akteuren und das Ziel der
Gleichheit haben die sozialen Dienstleistungen langfristig
geprägt. Auf dieser Grundlage könnte es dem
Wohlfahrtsstaat gelingen, eine neue institutionelle Basis für
das gegenwärtige Jahrhundert zu finden.“
Quelle: Thomas Bahle, Wege zum Dienstleistungsstaat. Deutschland, Frankreich und
Großbritannien im Vergleich, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2007, S. 31
Ist Gleichheit gerecht?
Studentische Fachtagung zur Sozialpolitik
Fachhochschule Jena
1. Juni 2011
Prof. Dr. Stephan Lessenich
Institut für Soziologie
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Arbeitsbereich Vergleichende Gesellschafts- und Kulturanalyse
[email protected]
Prof. Stephan Lessenich – Friedrich-Schiller-Universität Jena
1. (Un-)Gleichheit in der modernen Gesellschaft
•
Reformulierung der Leitfrage: Ist Ungleichheit gerecht? Unter welchen
Bedingungen?
•
Hintergrund: Demokratisch-republikanischer Konsens basaler
Gleichheit aller Bürger/innen (T. H. Marshall, „citizenship rights“)
•
Moralische Ökonomie: Gesellschaftlich geteilte Maßstäbe, was wem
wann und warum zusteht
•
Struktureller Rechtfertigungsbedarf für Ungleichheiten – bzw. für die
Institutionen, die diese gesellschaftlich „einrichten“
•
Die Institutionen der modernen Marktgesellschaft sind stets begleitet
(gewesen) von gesellschaftlichem Zweifel, der Kritik der Leute
Prof. Stephan Lessenich – Friedrich-Schiller-Universität Jena
2. Soziologie der Kritik
•
Luc Boltanski: „Soziologie und Sozialkritik“ (2010)
•
Soziologie der Kritik – im Sinne der Beobachtung kritischer
Beobachtungen (in) der Gesellschaft – als kritische Soziologie
•
Beständiger Legitimationsbedarf der (sozialen) Dinge, wie sie sind –
aufgrund der prinzipiellen Möglichkeit des Zweifels
•
Institutionen müssen permanent „reden“, um das, was eigentlich
selbst-verständlich sein sollte, dem Zweifel zu entziehen
•
Institutioneller „Redebedarf“ als Zeichen potenzieller Geltungs-/
Akzeptanzkrisen des institutionellen Arrangements (Beispiel
Lohnzurückhaltung – „tarifpolitische Vernunft“)
Prof. Stephan Lessenich – Friedrich-Schiller-Universität Jena
„Wenn sie ihrer Sache übrigens so sicher wären, wie man oft behauptet,
dann könnten sich die Institutionen viel Arbeit ersparen .... [Doch] sind
die Institutionen gezwungen, beständig zu wiederholen, was sie sagen
wollen, so als ob noch die entschiedensten und scheinbar unstrittigsten
Behauptungen stets von Möglichkeiten des Infragestellens bedroht
wären und die Möglichkeit der Kritik nie ganz ausgeschaltet werden
könnte.“
(Boltanski 2008: 138)
Prof. Stephan Lessenich – Friedrich-Schiller-Universität Jena
3. Politik mit der Regel
•
Zentrales gesellschaftliches Herrschaftsinstrument – und
struktureller Reproduktionsmechanismus sozialer Ungleichheit:
die Verfügung über die Regel(n)
•
Die Herrschenden („Verantwortungsträger“) haben die dreifache
Macht der Regelsetzung, der Kontrolle über die Regeleinhaltung –
und des Wissens um das „Paradox der Regel“
•
Spielerisch-souveräner Umgang mit den Regeln als Ausweis
gesellschaftlicher Herrschaft (prototypisch verkörpert in der Figur
des „Unternehmers“)
•
Umgekehrt: Regelkonformität als Handlungsmodus der Beherrschten
(„Verantwortungslosen“) – bei Moralisierung der Regel-Losigkeit
•
Bedeutung von Expertenwissen für die Begründung der Regel –
gegenwärtig insbesondere ökonomischen (betriebswirtschaftlichen)
Wissens (produktivistische „Wahrheiten“)
Prof. Stephan Lessenich – Friedrich-Schiller-Universität Jena
„Weil sie [die Herrschenden] die Realität performativ hervorbringen,
haben sie die Realität stets auf ihrer Seite und können ein strategisches
Verhältnis zu ihr unterhalten. Nicht weil sie die Zwänge verkennen
würden, sondern weil sie in der Lage sind, mit ihnen zu spielen.“
„In dieser Optik kommt das, was man als Arbeit der Befreiung [der
Beherrschten] bezeichnet, in Gang, sobald die Akteure die Perspektive
der Regel verlassen und beginnen, ihre jeweilige Situation zu
vergleichen, und sich beispielsweise fragen, warum, wenn jeder nur den
Regeln folgt ..., es stets dieselben sind, die alle oder die meisten
Prüfungen bestehen, und warum es umgekehrt immer dieselben sind,
die sich bei allen oder den meisten Prüfungen als mittelmäßig erweisen
....“
(Boltanski 2008: 147f., 141)
Prof. Stephan Lessenich – Friedrich-Schiller-Universität Jena
4. Soziale (Un-)Gleichheit und die Kollektivität der Kritik
•
Kritik ist grundsätzlich eine kollektive Aktivität – geboren aus dem
sozialen Vergleich und angewiesen auf intersubjektive
Nachvollziehbarkeit
„... Träger der Kritik [ist] nie ein isoliertes Subjekt, nie ein ‚einsames
Gewissen‘, das auf eigene Gefahr aus der Wüste ruft, in der
Hoffnung, eine passive Herde zu erwecken.“ (Boltanski 2008: 140)
•
Reformistische Kritik zielt auf die gleiche Einhaltung der Regel durch
alle sozialen Akteure, anarchische Kritik übt sich in der
gleichermaßen spielerischen Regelmissachtung – radikale Kritik
fordert die individuelle Gleichheit der Kompetenz, kollektiv über die
Regeln (und deren Änderung) entscheiden zu können
•
Fluchtpunkt der Sozialkritik ist die basale Demokratisierung
gesellschaftlicher Verhältnisse und sozialer Beziehungen – und die
Abwehr aller Formen „negativer Individualisierung“ (Robert Castel)
Prof. Stephan Lessenich – Friedrich-Schiller-Universität Jena
„Der Herrschaftsmodus, dessen Umrisse ich gezeichnet habe, ...
erschwert die Bildung neuer Kollektive [der Kritik] unter den
Beherrschten insbesondere dadurch, dass er Erwartungen zu wecken
bestrebt ist, deren Verwirklichung – entsprechend dem Leistungsprinzip
– einzig und allein von den Möglichkeiten, die den Individuen gegeben
sind, und vom Einsatz der in ihnen schlummernden Fähigkeiten
abhängig zu sein scheint: ‚Wer wirklich will, der kann auch.‘ Aber auch
wenn man will, so bemerkt man doch ziemlich schnell, bringt man nicht
viel zustande. Daher muss sich jeder gegen die anderen wenden, das
heißt gewöhnlich sein nächstes Umfeld: Jeder ‚könnte‘, wenn nicht die
anderen ... ihn mit dem Gewicht ihrer eigenen Unfähigkeit belasten
würden.“
(Boltanski 2008: 148)
Prof. Stephan Lessenich – Friedrich-Schiller-Universität Jena
5. Soziologie der Kritik als kritische Soziologie
•
Eine kritische Soziologie analysiert die (systemischen wie
historischen) Möglichkeiten und Grenzen gesellschaftlicher Kritik
•
Sie verweist auf die Möglichkeit von Alternativen zu den (sozialen)
Dingen, wie sie sind – ohne (stellvertretend für die Leute) konkrete
Utopien anderer gesellschaftlicher Verhältnisse zu formulieren
•
In der wechselseitigen Abhängigkeit von Soziologie und Kritik – bzw.
Kritik und Soziologie – liegt die soziale Bedeutung der
Gesellschaftswissenschaft
„Wer interessierte sich schon für eine um sich selbst kreisende l‘art pour
l‘art-Soziologie, die, sich in immer ausgefeilteren, kleinmustrigeren
Beschreibungen erschöpfend, keinen anderen Zweck als den der eigenen
Vervollkommnung als Wissensdisziplin im Auge hätte? ... Je mehr sie die
soziale Welt auf Distanz hielte, gleichsam um sie von außen zu
beherrschen, desto sicherer brächte sie sich selbst um ihr soziales
Fundament.“
(Boltanski 2010: 36f.)
Prof. Stephan Lessenich – Friedrich-Schiller-Universität Jena
Das war‘s!
Vielen Dank!
Prof. Stephan Lessenich – Friedrich-Schiller-Universität Jena
Open-Space Workshops
Moderation
Prof. Dr. Erich Schäfer
Fachbereich Sozialwesen
Fachhochschule Jena
Grundideen der Open-Space
Methode
Großgruppenverfahren,
• das nach dem Prinzip der Selbstorganisation
konzipiert ist,
• die Produktivität der Kaffeepause nutzt und
• Mitte der 1980er Jahre in den USA von
Harrison Owen entwickelt wurde.
Voraussetzungen
Die Aufgabenstellung ist komplex und
tendenziell konfliktträchtig.
Die Lösung ist unbekannt.
Das Thema brennt allen unter den Nägeln.
Die Gruppe ist ein Spiegel des ganzen Systems.
Vier Grundsätze
1. Die die da sind, sind genau die Richtigen.
2. Was auch immer geschieht: Es ist das
Einzige, was geschehen konnte.
3. Es fängt an, wenn die Zeit reif ist.
4. Vorbei ist vorbei. Nicht vorbei ist nicht
vorbei.
Arbeitsweise in der Gruppe
Größe, Arbeitsweise und Zusammensetzung der
Gruppe sind selbstorganisiert.
Es gibt keine Gesprächsleitung oder Moderation,
außer die Gruppe organisiert sie sich selbst.
Die Arbeit der Gruppe findet im Kreis statt.
Die Gruppe ist verpflichtet, ihre Arbeit zu
dokumentieren und im Plenum zu präsentieren.
10.45 – 11.00 Uhr Kaffeepause
Open-Space Workshops
Open Space – Experten
Institution
Thema/These
Moderation
Astrid Rothe - Beinlich
Mitglied des Bundesvorstandes Frauenquote - oder zählt Qualifikation
und Frauenpolitische Sprecherin nichts mehr?
von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
Theresa Wolf, Tanja Sinclair
Frau Katja Glybowskaja
AWO Jena-Weimar e.V.
Gerechtigkeit für Migranten?
Josefin Hase, Prof. Opielka
Fr. Dr. Oswald, Fr. Vetter, Fr.
Leimcke
AWO Integrativer Kindergarten
Inklusion schon im KindergartenWunschtraum oder Realität?
Franziska Langer, Marco
Schönfelder, Felix Burandt
Hr. Beckert, Frau Pihan, Frau
Dölschner
Trießnitz Schule
Lernen mit Behinderten - Ein Handicap
für Normale?
Stefanie Bock, Lucie Heinrich
Steffi Wenig
Jenarbeit
Gleiche Chancen für Jung und Alt?
Simon Roth, Annett Hemmann
Prof. Dr. Wolfgang Behlert
FH Jena
Die Strafe ist das Recht des Verbrechers Manuela Ludwig, Evelyn Beuster
Frau Judith Voellmer
Chamäleon ,
Suchthilfeeinrichtung
Substitution - Chance zur legalen
Abhängigkeit
Dr. Michael Spörke
bis 2010: Referent der
Bundesgeschäftsführung der
Interessenvertretung
Selbstbestimmt Leben in
Deutschland e.V. - ISL (Jena)
Barrierefreiheit - ausreichende Inklusion Melanie Schwarz, Stefanie Pfeifer
für behinderte Menschen?
Prof. Dr. Stephan Lessenich
Dekan f. Sozial- u.
Verhaltenswissenschaften FSU
Jena
Staatssekretär a.D. CDU, Leiter
INSA
Diskussion zum Vortrag
Stefan Eckstein, Stefan Kowalski
Solidarisches Bürgergeld - gleich und
gerecht!
David Strauß, Juliane Hinz
Dr. Hermann Binkert
Martin Pietrowski, David Licher
12.30 – 13.30 Uhr Mittagspause
Politisches Podium
Carsten Schneider, MdB (SPD)
Susanne Hennig, MdL (Die Linke)
Hermann Binkert, Staatssekretär a.D. (CDU)
Dr. Harald Mertes (FDP)
Astrid Rothe-Beinlich, MdL (Bündnis 90/Die Grünen)
Moderation
Prof. Dr. Michael Opielka und Martin Pietrowski
Fachbereich Sozialwesen - Fachhochschule Jena
15.30 – 16.00 Uhr Kaffeepause
Abschlusspanel
Politisierung Sozialer Arbeit?
Prof. Dr. Michael Opielka und
ReferentInnen
Studentische Fachtagung 2011
Ist Gleichheit gerecht?
Vielen Dank für Ihren Besuch.
Wir wünschen Ihnen einen guten Heimweg.