Mittelalterliche Inschriften in römischen Kirchen Sommersemester 2010 Referentin: Lina Brockhaus

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Transcript Mittelalterliche Inschriften in römischen Kirchen Sommersemester 2010 Referentin: Lina Brockhaus

Mittelalterliche Inschriften in
römischen Kirchen
Sommersemester 2010
Referentin: Lina Brockhaus
Süditalien aus linguistischer Perspektive
16.05.201o
Gliederung
• Das Problem des Vorhandenseins schriftlich
überlieferter Texte im volgare
• Lateinisch- volkssprachliche Mischtexte
• Mittelalterliche Inschriften in römischen
Kirchen
-Die Commodilla Katakombe in Rom
-Die Inschrift von San Clemente
• Resümee
Das Problem des Vorhandenseins
schriftlich überlieferter Texte im
volgare
• „absichtlich“
vs.
• „unabsichtlich“
(Kritzeleien, Gedanken,
heimlich verfasste
Kommentare)
• Früh- und
Hochmittelalter nahezu
alle Schriften in Latein
• Kirchenstaat und Hoheit
der Päpste
• Alltag der Menschen
jedoch im volgare
• Volgare= Minderwertig,
nicht
verschriftlichungswürdig
Lateinisch- volkssprachliche
Mischtexte
• Italien=
muttersprachlichen
Dialekte aus
Schriftsprache
ausgeschlossen
• weder in literarischen
noch in nichtliterarischen
Texten zu finden
Wolfgang Raible „Die Anfänge der
volkssprachlichen Schriftkultur in der Romania“
aus: Verschriftung und Verschriftlichung, 156
• Die ersten Texte in der Vulgärsprache auf dem
Gebiet des heutigen Frankreich tauchen schon im
9.Jahrhundert auf, im Süden Frankreichs und in
Katalonien im 10. Und 11. Jahrhundert, auf
Sardinien im 12. Jahrhundert, in Spanien in
nennenswertem Umfang ab 1200; auf dem Gebiet
des heutigen Italien setzt dagegen Schriftproduktion
in der Vulgärsprache eigentlich erst in der 2. Hälfte
des 13. Jahrhunderts ein, also zu einem Zeitpunkt,
zu dem es bereits eine unglaubliche Menge von
Texten in altfranzösischer Sprache gab.
Zwei Sprachen
nebeneinander
• Latein als schriftliche
Kommunikation
• Volkssprachen in der
mündlichen Kommunikation
Mittelalterliche Inschriften in
römischen Kirchen
• Graffito aus der
Commodilla Katakombe
• Inschrift aus San
Clemente
Die Commodilla- Katakombe in Rom
• 3. Jahrhundert n. Chr.
• Zwischen 4.- 6. Jahrhundert
christlicher Friedhof
• Bis Anfang 5. Jahrhundert genutzt als
Friedhof
• Im 9. Jahrhundert Überführung der
Reliquien in die Kirchen- Verfall der
Katakomben
• =sie geraten in Vergessenheit
• Ab 1852 Giovan Battista de Rossi
erschließt viele Katakomben wieder
Die Inschrift
• Datierung:
zwischen Ende 8.
bis Mitte 10.
Jahrhunderts
• 1904 entdeckt
• Originalinschrift:
„Non dicere ille secrita a
bboce“
• Italienisch:
„Non pronunciare le
(parole) segrete a voce
(alta)“
Analyse
• „Non
dicere ille secrita a
bboce“
• Verneinender Imperativ: non +
Infinitiv
• Charakteristisch für italienische
und sämtliche italienische
Dialekte
Analyse
• „Non dicere ille
secrita a bboce“
• Fungiert als regulärer
Artikel
Analyse
• „Non dicere ille
secrita a bboce“
• Ist dialektal
• Latein: segretum
Neutrum, Plural:
segreta
• Im Mittelalter weit verbreitet
Analyse
• „Non dicere ille secrita
a bboce“
• Phonosyntaktische
Verdoppelung wird in der
Graphie wiedergegeben
• Betazismus
Latein: ad vocem = a bboce
Die Inschrift von San Clemente
• 384 n.Chr. geweiht
• Heute sichtbare Kirche aus
dem 12. Jahrhundert (die
Fassade ist jüngeren
Datums)
• Fresko in der Unterkirche,
linken Längswand
• Zeigt die Clemenes Legende
San Clemente
• Geboren 50 n. Chr. In Rom
• Gestorben 97 oder 101 in
Rom der auf der Halbinsel
Krim
• Fresko:
• Entstanden zwischen 1084
und ca. 1100
• Lateinische und
volkssprachliche
Elemente
• „Fumetto in
volgare“
Inschrift
Originaltext:
[Sisinius]: Fili dele pute, traite.
Gosmari, Albertel traite.
Falite dereto co lo palo,
Carvoncelle
[Clemens]: Duritiam cordis vestri…
Saxa traere meruistis
Übersetzung ins Italienische
[Sisinius]: Figli di puttana, tirate!
Gosmario e Albertello,
tirate!
Fagli da dietro col palo,
Carboncello!
[Clemens]: Per la durezza del vostro
cuore…
Avete meritato di
trascinare sassi
Analyse
• Patrizier: volkssprachlicher
Dialekt
• Heiliger Klemens: reines
Latein
• „Ruf“ der beiden Sprachen
wird deutlich
• Latein= Sprache der Gelehrten
• Volgare= Sprache der
Ungelehrten, Sklaven,
minderwertige Sprache
Bsp.: „puta“ „puttana“
Analyse
“Fili dele pute, traite”
• Volkssprachliche “gli”
wird hier mit “li”
wiedergegeben
Analyse
• “Fili dele pute,
traite.”
• Im Lateinischen
nur ein “t”
• Volkssprache “tt”
vergleiche
“puttana”
Analyse
• “Falite dereto
co lo palo”
• Lateinisch “de” +
“retro”
• In der
Volkssprache
zusammengezogen
Analyse
“Carvoncelle”
• Eigenname
• 1. Endungs- „e“ ist
lateinischer
Vokativ
• Bsp. „Brutus“ –
„Brute!!“
• 2. „rb“ zu „rv“
• =Abschwächung
des Nexus
Resümee
• Dünne und schwierige Quellenlage
• Latein bestimmt die Schriftlichkeit
• Volgare als minderwertige und rein mündliche
Sprache
Volgare