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Unterschiedliche Weltsichten der Internationalen Beziehungen: die Ontologie einer Wissenschaft

Repetitio mater scholarum…

Die wissenschaftstheoretische Grundtriade ERKENNTNISINTERESSE FRAGESTELLUNG SICHT bzw. DEFINITION DES (ERKENNTNIS-)GEGENSTANDES

Die wissenschaftstheoretische Grundtriade II Theoretische Weltsicht FRAGESTELLUNG SICHT bzw. DEFINITION DES (ERKENNTNIS-)GEGENSTANDES

Noch einmal: Funktionen von Theorie

System logisch zusammenhängender Aus sagen, die systematisches und (in Grenzen) generalisierbares Wissen ermöglichen

Reduktion komplexer Sachverhalte (oder besser: von komplexen Aussagen über solche Sachverhalte) auf einsehbare Zusammenhänge

Beispiel für Komplexitätsreduktion: Die Genese der Vorstellung vom Staat als eines einheitlichen internationalen Akteurs im Billardballmodell der internat. Politik – oder: das Sinnbild der harten Schale

So geht‘s natürlich auch…

Billiard-Ball-Modell Internationaler Politik Pulling forces Pushing forces

Der neuzeitliche Territorialstaat Substrat des realistischen Billard-Ball-Modells der Internationalen Politik Prämisse: Legitimation des Staates durch Garantie von Sicherheit und Rechtsfrieden im Binnen und Schutz vor (militärischen) Angriffen im Außenverhältnis mittelalterlicher Ausgangspunkt Faktoren des Wandels: Entwicklung der Produktivkräfte und der Destruktionsmittel Mauergeschützte Undurchdringbarkeit hebt auf Schiesspulverrevolution des späten Mittelalters: Entwicklung der Artillerie und der Distanzwaffen Flächenstaat: harte Schale von Festungen rings um die Peripherie bei gleichzeitiger Aufhebung der Unabhängigkeit befestigter Plätze im Landesinnern durch die Zentralgewalt Festungsgeschützte Undurchdringbarkeit Äußerungsformen strategisch Militärmacht politisch Unabhängigkeit rechtlich Souveränität Moderner Staat: Im Inneren befriedete und nach aussen durch ihre harte Schale verteidigungsfähige Einheit mit (physischem) Gewaltmonopol militärisch-politisch-rechtlich abgestützte Undurchdringbarkeit hebt auf Voraussetzung: Verbleib der (Land- und See) Krieg führung in der Horizontalen Luftkrieg: insbesondere ballistische Trägersysteme und nukleare Massenvernichtungswaffen

The Maginot Line

Maginot Line: Military marvel, major miscalculation

Akteur A

Gesellschaft A Internationale Politik IGO

Internationale Politik

Aussenpolitik A Aussenpolitik B

Akteur B

Gesellschaft B

Staat /Akteur A

Internationale Politik

Staat /Akteur B Staat /Akteur C

Großtheorien internationaler Beziehungen

Die Entwicklung der Lehre von den Internationalen Beziehungen hat in Reaktion auf außerwissenschaftliche, politisch gesellschaftliche Krisenphänomene - eine Reihe unterschiedlicher Großtheorien internationaler Beziehungen gezeitigt, die die Phänomene der internationalen Politik mit je unterschiedlichem Erkenntnisinteresse und davon abhängiger Fragestellung auf der Grundlage je verschiedener anthropologischer, ethisch normativer und methodischer Vorverständnisse zu erfassen suchen. Diese Großtheorien differieren im Blick auf ihre ontologischen, d.h. die Natur des Erkenntnisgegenstandes betreffenden Grundannahmen:

Grosstheorien internationaler Beziehungen (II)

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sie formulieren unterschiedliche Prämissen und Annahmen über die Beschaffenheit, Qualität und Struktur des internationalen Milieus , d.h. des Handlungs(um)feldes internationaler Akteure; über Beschaffenheit, Qualität und Charakter der in diesem Handlungs(um)feld (überwiegend) handelnden Einheiten , d.h. der internationalen Akteure selbst; über die von diesen verfolgten Interessen und Ziele sowie über die Mittel, die zur Verwirklichung dieser Interessen und Ziele gemeinhin eingesetzt werden.

Die Wissenschaftsgeschichte der IB als Abfolge von Debatten zwischen Grosstheorien

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Gemeinhin wird die Entwicklung der IB-Theorie als eine Abfolge von Debatten zwischen verschiedenen Grosstheorien dargestellt: Erste Debatte: Idealismus versus Realismus Zweite Debatte: Traditionalismus versus Scientismus oder Realismus versus Behavioralismus Dritte Debatte: Interparadigmadebatte zwischen Liberalismus, Realismus, und radikalen IB-Theorien Vierte Debatte: Rationalisten versus Reflektivisten oder Positivisten versus Post-Positivisten Problem: jede Grosstheorie ist reduktionistisch und essentia listisch – aber in je unterschiedlichem Masse. Man könnte sie mit K.J.Holsti mit unterschiedlich eingefärbten Sonnenbrillen vergleichen, die dem Träger nur jene Phänomene zu sehen erlauben, die von der jew. Grosstheorie für relevant gehalten werden.

Das methodologisch-ontologische Bezugsfeld Wiederholung Billard-Ball-Modell internationaler Politik NEOREALISMUS REALISMUS TRADITIONALISMUS

qualitativ, historisch hermeneutisch

SZIENTISMUS

quantitativ, empirisch nomologisch

IDEALISMUS GLOBALISMUS , REGIME-ANSÄTZE Spinnweb-Modell internationaler Politik

Theorienkonkurrenz, nicht Theorienwechsel

Jede Großtheorie zeichnet ein für sie charakteristisches Weltbild internationaler Beziehungen; Großtheorien und wissenschaftliche Weltbilder konkurrieren miteinander, ohne daß letztlich entschieden werden kann, welche dieser Großtheorien und Weltbilder die (einzig) richtige Deutung der internationalen Wirklichkeit darstellt.

Denn dazu würde die Wissenschaft einen archimedischen Punkt über und außerhalb der Konkurrenz ihrer Großtheorien oder gleichsam eine Meta Großtheorie - benötigen, die es erlaubte, Kriterien für die Wahrheit oder Falschheit jener Prämissen zu etablieren, auf die die einzelnen Großtheorien ihre Aussagen zurückführen. Ein solcher archimedischer Punkt ist gegenwärtig nicht in Sicht!

GROßTHEORIEN INTERNATIONALER BEZIEHUNGEN Großtheorie Akteur Realismus Englische Schule (auch: Pluralismus genannt) Idealismus Nationalstaat Individuum Milieu Strukturprinzip Staatenwelt als anarchischer (Natur-) Zustand Staatenwelt als rechtlich verfasste internationale Staatengesellschaft Weltgesellschaft als internationale Gesellschaft der Individuen vertikale Segmentierung, unlimitiertes Nullsummenspiel um Macht, Einfluss, Ressourcen vertikale Segmentierung, durch Norm und Übereinkunft geregeltes Nullsummenspiel universalistische Verfassung

GROßTHEORIEN INTERNATIONALER BEZIEHUNGEN Großtheorie Akteur Milieu Strukturprinzip Interdependenz orientierter Globalismus Imperialismus theorien Dependenzorientier ter Globalismus: Dependenztheorien und Theorien des kapitalistischen Weltsystems individuelle oder gesellschaftliche Akteure transnationale Gesellschaft funktionale, grenzübergreifende Vernetzung individuelle oder gesellschaftliche Akteure, die Klasseninteressen vertreten gesellschaftliche und nationalstaatliche Akteure, die Klasseninteressen vertreten internationale Klassengesellschaft kapitalistisches Weltsystem als Schichtungssystem von Metropolen und Peripherien gesellschaftlich: horizontale grenzübergreifende Schichtung; (macht-)politisch: vertikale Segmentierung der imperialistischen Konkurrenten horizontale Schichtung nationaler Akteure im Weltsystem; strukturelle Abhängigkeit der Peripherien von den Metropolen; strukturelle Heterogenität der Peripherien

Perspektivische Konsequenzen unterschiedlicher IB-Theorien Hauptakteure Kernfragen und Hauptprobleme Hauptprozesse Hauptergebnisse Realismus Pluralismus Strukturalismus Staaten Internationale Anarchie; Sicherheitsdilemma; Machtstreben Streben nach militärischer und/ oder ökonomischer Sicherheit; Balance of Power Krieg oder (negativer) Frieden Staaten und nichtstaatliche gesellschaftliche Akteure Transnationalismus und Interdependenz, aber keine klaren Problem hierarchien zwischen Sachgebieten Bargaining; Management von Problemkomplexen; Veränderung der Wertehierarchien Erfolgreiches Management komplexer Interdependenz gesellschaftliche und nationalstaatliche Akteure, die Klasseninteressen vertreten Ausbeutung, Imperialismus, (Entwicklung der) Unterentwicklung in Zentrums-Peripherie Relationen Streben nach ökonomischer Dominanz Spaltung der Weltgesellschaft zwischen Zentrum und Peripherie; kontinuierliche Ausbeutung der (armen) Peripherie durch das (reiche) Zentrum

Literaturtipp

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Gert Krell: Weltbilder und Weltordnung. Einführung in die Theorie der Internationalen Beziehungen. 4. Aufl. Baden-Baden: Nomos 2009 Siegfried Schieder/Manuela Spindler (Hrsg.): Theorien der Internationalen Beziehungen. 2.Aufl. Opladen: B.Budrich 2006 [UTB 2315] Dario Battistella: Théories des relations internationales. 2e ed.rev.& augm. Paris: Presses Science Po 2006

Nützliche Website

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http://www.oup.com/uk/orc/bin/9780199271184/01student/zcases/ zu John Baylis & Steve Smith (eds.), The Globalization of World Politics, 3.Aufl. Oxford 2005 The 1999 Kosovo Crisis The Gulf War 1990 – 1991 The Iraq War 2003 Jeweils aus der Sicht von: # Realist, # Liberal, # Marxist & Radical,# Alternative Theories Hinweis: die Fallstudien sind abgespeichert auf der Seminar-CD unter A. INTRODUCTIONS & OVERVIEWS\CASE STUDIES

Noch‘n Hinweis

Versuch einer Gesamtübersicht der Entwicklung auf der Seminar-CD unter: E. THIRD DEBATE\H. PARADIGM DEBATE Debatte (Word-Datei)

Mittagspause