An den Nationalrat Bundeshaus 3003 Bern - Alpen

Download Report

Transcript An den Nationalrat Bundeshaus 3003 Bern - Alpen

An den Nationalrat Bundeshaus 3003 Bern Bellinzona, den 21 Juni 2014 Appell an den Nationalrat: Nein zur zweiten Strassentunnelröhre am Gotthard Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, geschätzte Nationalrätinnen und Nationalräte, als Tessiner Ärzte verfolgen wir mit grösster Besorgnis die Diskussion um den Bau einer zweiten Röhre am Gotthard‐Strassentunnel. Daher fühlen wir uns verpflichtet, folgenden Appell an Sie zu richten. Die durch den Verkehr verursachte Umweltbelastung ist im Mendrisiotto ‐ und generell im gesamten Sottoceneri ‐ bereits äusserst prekär. Seit Jahren hält diese Region den traurigen Rekord der Luftverschmutzung, insbesondere in Bezug auf die Feinstäube im Winter und auf das Ozon im Sommer. Dadurch werden im Laufe des ganzen Jahres die in den verschiedenen Verordnungen festgesetzten Grenzwerten sehr oft überschritten. Seit Jahren verfolgen wir die von der Umweltbelastung verursachten gesundheitlichen Folgen, vor allem die kardiologischen und onkologischen Folgen, die in mehr als hundert Veröffentlichungen über stark belasteten Strassen bestätigt wurden. Daher appellieren wir an Sie, unsere Meinung und unsere tiefe Besorgnis über die gesundheitliche Situation und die künftigen Auswirkungen zu berücksichtigen. Viele Tessiner teilen unsere Sorge um die Gesundheit der Bevölkerung und um die Lebensqualität. Wissenschaftlichen Studien zeigen, dass sich die Luftschadstoffe vor allem auf die schwächsten Bevölkerungsschichten ‐ Kinder und ältere Menschen ‐ auswirken. Es ist kein Zufall, dass Kalifornien seit Jahren für Kinder‐ und Altersheime Minimalabstände zu stark belasteten Strassen vorschreibt. Gemäss dem Bundesamt für Umwelt überschreiten die durch Umweltbelastung verursachten Schäden die 5‐Milliarden‐Grenze. Daher sind wir der Meinung, dies sollte in der Kosten‐Nutzen‐Bilanz einer zweiten Gotthardröhre unbedingt auch mitberücksichtigt werden. Das Beispiel der PM10‐Belastung illustriert am besten die heikle Situation: Die Feinstäube, welche die Bevölkerung einatmet, verursachen häufige und tiefgreifende Pathologien. Die medizinische Literatur ist hier beeindruckend: Feinstäube bewirken eine eindeutige und markante Zunahme von Asthmakrisen, Kinder‐Bronchitis, chronischen Bronchitis, Lungenkrebs, Herzinfarkt, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck und Hirnschlägen. Ausserdem vermutet man, dass die Feinstäube auch verspätetes intrauterines Wachstum 1/5 und senile Demenz begünstigen. Und diese Aufzählung wird immer länger. Gemäss einer im Jahr 2004 in der amerikanischen Zeitschrift The New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie, deren Resultate in den folgenden Jahre wiederholt bestätigt wurden, entwickelt sich das Atmungssystem junger Menschen, die zwischen ihrem 10. und 18. Lebensjahr überhöhten Schadstoffkonzentrationen ausgesetzt sind, nicht optimal. Somit treten diese Jugendlichen mit einem bereits beschränktem „Atmungskapital“ ins Erwachsenenalter ein. In dieser Hinsicht möchten wir Sie darauf aufmerksam machen, dass in den letzten Jahren: - fast 70% der Bewohner des Sottoceneri Feinstaubkonzentrationen von über 30μg/m3 ausgesetzt wurden (gegenüber einem schweizerischen Durchschnitt von ca. 3%); - der im Gesetz festgelegten Grenzwert von 20μg/m3 nur für 8% der Bewohner des Sottoceneri eingehalten wurde (ca. 59% im Rest der Schweiz); - die Bevölkerung im Sottoceneri im Schnitt einer jährlichen PM10‐Konzentration von etwa 30μg/m3 ausgesetzt war (gegenüber ca. 20μg/m3 auf Schweizer Ebene). Eine Erhöhung um 10 μg/m3 der jährlichen PM10‐Konzentrationen verursacht eine Zunahme der Krankheitsfälle um ca. 84%, und zwar für alle Pathologien, inkl. Todesfälle. Würde man in der ganzen Schweiz die gleichen jährlichen PM10‐Belastungen wie im Sottoceneri (30 μg/m3) messen, dann würden die Luftverschmutzungskosten um 80% steigen (von etwa Fr. 620.‐ auf Fr. 1130.‐ pro Einwohner). Gemäss einer Studie des Instituts für Präventivmedizin der Universität Basel aus dem Jahr 2009 stimmen die Schweizer Resultate mit jenen von anderen europäischen Studien überein, vor allem in Bezug auf die Anzahl der Herz‐ und Herzkreislaufnotfälle: Die Erhöhung der Feinstaubkonzentration kann kurzfristige Folgen ‐ also am selben oder am darauffolgenden Tag ‐ auf die Anzahl der Herznotfälle haben. Ähnliche Probleme und Folgen stellt man auch bei anderen Luftschadstoffen fest, die die Grenzwerte der Luftreinhalte‐Verordnung (LRV) im Jahres‐, Tages‐ oder Stundenmittelwert fast im ganzen Kanton Tessin überschreiten: insbesondere Stickstoffdioxid und Ozon. Die Liste ist noch lange nicht abgeschlossen, aber wir hoffen dass Sie, sehr geehrte Damen und Herren, die Warnsignale unserer Gesundheit ernstnehmen werden. Beim besten Willen können wir nicht glauben, dass man eine zweite Gotthardröhre „ohne Kapazitätserweiterung“ realisieren kann. Eher früher als später wird man bestimmt unter dem Druck Europas diese teure Infrastruktur vollständig ausnutzen, was gravierende Folgen für die Gesundheit der schon überexponierten Bevölkerung entlang der Nord‐
Südachse mit sich bringen wird. Angesichts der heutigen schlimmen Gesundheits‐ und Umweltlage im Sottoceneri und insbesondere im Mendrisiotto sind wir der Meinung, dass eine gut programmierte Sanierung des Gotthard‐Strassentunnels, die den Leichtverkehr durch die Alpen ermöglichen wird, endlich die Gelegenheit gibt, Alptransit vollkommen auszunutzen und den Schwerverkehr endgültig auf die Schienen zu verlagern. Diese 2/5 Gelegenheit verpassen, diese Perspektive aus den Augen verlieren bedeutet den Mendrisiotto und den Sottoceneri, und vor allem ihre Einwohner, zu einer vollkommen illegalen Umweltlage zu verurteilen. Daher ist eine zweite Röhre keine Antwort im Sinne einer nachhaltigen Mobilität, noch weniger im Sinne einer nachhaltigen Volksgesundheitspolitik. Die nationale Kohäsion fördert man in die Zukunft nur mit nachhaltigen Lösungen. Wir hoffen fest, dass der Nationalrat die Besorgnis der Praktiker und Forscher im Gesundheitsbereich ernstnehmen wird und wir danken Ihnen, Herr Nationalratspräsident, und alle Ratsmitglieder für die Aufmerksamkeit. Hochachtungsvoll, Prof. Dr. med. Augusto Gallino Primario Cardiologia, Medicina Interna, Angiologia Ospedale San Giovanni, Bellinzona Titular professor Universität Zürich Fellow of the American College of Cardiology Prof.Dr. med Franco Cavalli Direttore scientifico Istituto oncologico della Svizzera Italiana Past president Unione Internazionale contro il cancro Presidente Scuola Europea di Oncologia Prof. Dr. med. Giorgio Noseda Presidente dell’Istituto di Ricerca in Biomedicina (IRB), Bellinzona Presidente del Registro Nazionale del Cancro (NICER) Dottor Marco Maurizio Pedriata Dr. Med. Gian Luca Pedroli Specialista FMH Oftalmologia e Oftalmochirurgia Dr. Med. Michel Eric Fritz FMH Medicina interna Generale Dr. Med Bruno Naccini Specialista FMH Medicina interna e malattie vie respiratorie Medico aggiunto OBV Mendrisio 3/5 Dr Med. Fausto Pagnamenta Pediatria FMH Dr. Med. Riccardo Bondolfi FMH Medicina Interna Dr. Med. Daniele Toenz FMH Medicina Interna Dr. Med. Lepori Mattia FMH Medicina Interna Dr. Med. Mattia Cassina FMH Medicina generale Dr. Med. Marina Carobbio FMH Medicina interna generale Dr. Med. Brenno Balestra Primario medicina interna e Direttore Ospedale Regionale della Beata Vergine di Mendrisio Professore a contratto Università dell’Insubria Dr. Med. Pierluigi Quadri Capo Servizio Sottocenerino di Geriatria Ospedale regionali di Mendrisio e Lugano Dr. Med. William Pertoldi FMH Medicina interna e geriatria Dr. Med. Rolando Bardelli FMH Medicina generale, Balerna SOS Mendrisiotto Ambiente Dr. Med Marco Ferrera Medico di famiglia Dr. Med. Marco Ferrara Medico di famiglia Dr.ssa Lucia Isoldi FMH psichiatria e psicoterapia 4/5 Dr. Med. Massimiliano Fontana Dr. Med. Claudio Cereghetti Specialista FMH Medicina Interna FMH nefrologia Dr. Med. Vanni Manzocchi Medico di famiglia Dr. Med. Nicola Ossola Medico aggiunto Medicina interna e Nutrizione Clinica Ospedale Beata Vergine Mendrisio Dott.ssa Med. Daniela Garzoni Dott.ssa Med. Cristiana Quattropani Cicalissi FMH Medicina interna e Gastroenterologia Dott. Med. Alessandro Rizza Dott.ssa Med. Paola Bettelini Lurà FMH Medicina generale Dott.ssa Med. Marialgela Galfetti FMH Ginecologia e ostetricia Dr. Med. Mirko Vuksic FMH Psichiatria e psicoterapia Dott. Med. Simone Cornaro Oftalmologia Dr. Med. Adriano Martinelli Pneumologo territoriale Mendrisio e Consulente pneumologo OBV Mendrisio Dott. Med. Mauro Castelnuovo Spec. FMH Urologia 5/5