Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastung

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Transcript Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastung

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Arbeitsplatzevaluierung psychischer
Belastungen nach dem ASchG/B-BSG

Julia Steurer,
Sozialministerium, Sektion VII, Arbeitsrecht und Zentral-Arbeitsinspektorat
Abteilung Arbeitsmedizin, Arbeitshygiene und Arbeitspsychologie
Gesunde Arbeitsplätze - den Stress managen!
Eine Europäische Kampagne wirkt auch in Österreich
Julia Steurer, Salzburg den 02.10.2014

arbeitsinspektion.gv.at


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Agenda









ASchG Novelle 01.01.2013 / B-BSG-Novelle 1.1.2014
Ziele und Hintergründe der Arbeitsplatzevaluierung
Begriffsklärung
Planung und Organisation der Arbeitsplatzevaluierung
Wahl eines geeigneten Vorgehens
Eignung von Maßnahmen
Zwischenbilanz Arbeitsplatzevaluierung


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Neuerungen im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz
(ASchG 1.1.13) und
Bundesbedienstetenschutzgesetz (B-BSG 1.1.14)


Klarstellung, v.a. hinsichtlich der Begriffe und zeitgemäße
Terminologie



Starke Betonung der Prävention von Gefahren durch
psychische Belastungen bei der Arbeit



Erhöhung des Bewusstseins und stärkere betriebliche
Auseinandersetzung mit dem Thema



Betonung der Rolle der Arbeitspsycholog/innen neben den
Präventivfachkräften (Arbeitsmediziner/innen,
Sicherheitsfachkräfte)

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Konkretisierungen im ASchG / B-BSG
• Unter Gefahren sind auch psychische Gefahren zu verstehen;
unter Gesundheit auch psychische Gesundheit (§ 2 ASchG)
• Arbeitsplatzevaluierung ist auf die grundlegenden vier Dimensionen
arbeitsbedingter psychischer Belastungen abzustellen (§ 4 i V § 7
ASchG)
• Aufgabenanforderung und Tätigkeit
• Sozial- und Organisationsklima
• Arbeitsumgebung
• Arbeitsabläufe und Arbeitsorganisation
• Mit der Arbeitsplatzevaluierung können auch sonstige Fachleute im
Sinne des § 82a ASchG (Präventionszeit) , insbesondere
Arbeitspsycholog/innen, beauftragt werden
• Grundsätze der Gefahrenverhütung (§ 7 ASchG): Berücksichtigung der
grundlegenden vier Dimensionen arbeitsbedingter psychischer
Belastungen


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Arbeitsplatzevaluierung psychischer
Belastung

Ziel:
Menschengerechte
Arbeitsgestaltung

Nichtziel:





Herausfiltern psychisch kranker Bediensteter
individuelle Befindlichkeiten und Störungen
Psychotherapie, noch mehr Yogakurse und Konzentrationsschulungen
Messung von Beanspruchung, Gesundheitszustand, Wohlbefinden,
Burnout, Zufriedenheit, Arbeitsfähigkeit


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Prozess der Arbeitsplatzevaluierung

Ermittlung der Arbeitsbedingungen mit
standardisierten Messverfahren

Ableitung und
Umsetzung
konkreter
Maßnahmen
sowie
Prüfung der
Wirksamkeit

Arbeitsplatzevaluierung nach
dem
ASchG /B-BSG

qualitätsgesicherte
Beurteilung der
Ergebnisse

Überprüfung und erforderlichenfalls Anpassung der Arbeitsplatzevaluierung
nach (Auszug): Unfällen, nach Zwischenfällen mit erhöhter arbeitsbedingter
Fehlbeanspruchung, Einführung neuer Arbeitsmittel, Arbeitsstoffe,
Arbeitsverfahren,... (§ 4 Abs 5 ASchG)
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Novelle ASchG 01.01.2013
Novelle B-BSG 01.01.2014

Vom Leitfaden der AI zum Merkblatt des Baunebengewerbes (2011 – 2014)


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ÖNORM EN ISO 10075-1: Begriffe
• Psychische Belastung: "Die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse,
die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn
einwirken."
• Psychische Beanspruchung: "Die unmittelbare (nicht die langfristige)
Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in
Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und
augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen
Bewältigungsstrategien.„
 Beschäftigung mit Reduzierung von Gefahren durch psychische
Belastung bei der Arbeit, um Fehlbeanspruchungen und deren Folgen
vorzubeugen bzw. zu verhüten.


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Dimension
Aufgabe,
Tätigkeit

Gefahren durch
psychische Belastungen
Freundlichkeitsdruck
hohe Konzentration, …

Persönlichkeitsmerkmale, individuelle
Leistungsvoraussetzung
Kurzfristig:
Überforderung, Unterforderung, Stress…

Unklare Zuständigkeit,

Arbeitsorganisation
unplanbare Arbeitsmenge,
und Abläufe

Organisationsu Sozialklima
Arbeitsumgebung

Fehlende Information,
mangelhafte Kommunikation, …

Beanspruchung
und Folgen

Langfristig:
Innere Kündigung,
Erkrankungen…

Lärm, Hitze…

Private
Lebenssituation

Quelle: nach Herbert Friesenbichler, AUVA


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Dimension
Aufgabe,
Tätigkeit

Gefahren durch
psychische Belastungen
Freundlichkeitsdruck…

Arbeitsorganisation Unklare
und Abläufe
Zuständigkeit…
Organisationsu Sozialklima

Fehlende
Information…

Arbeitsumgebung

Lärm, Hitze…

Quelle: nach Herbert Friesenbichler, AUVA

Thema der
Arbeitsplatzevaluierung


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Erkennen von geeigneten und ungeeigneten
Fragestellungen
Fragen, die direkt eine Belastung erheben

Fragen, die keine Belastung erheben

Aufgabenanforderung / Tätigkeit

Bei meiner Arbeit kommt es zu Unterbrechungen
durch Telefonanrufe. (BASAII)

• Wenn ich in eine schwierige Situation gerate,
vertraue ich auf meine Fähigkeit, sie zu
meistern. (TPF)
• Ich hatte Kreuz- oder
Rückenschmerzen.(KÖPS)

Arbeitsabläufe / Arbeitsorganisation
Für die Arbeit notwendige Informationen oder
Unterlagen fehlen (ABS)

• Wenn es sein muss, arbeite ich bis zur
Erschöpfung.(AVEM)


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Arbeitsplatzevaluierung:
Prozess und Wertigkeit


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Arbeitsschritte – Planung / Organisation

Vorbereiten und
Planen

Maßnahmen
entwickeln

Ermitteln und
Beurteilen

Maßnahmen
umsetzen

Team bilden
(AG/in, Amed, SFK,
SVP, BR, Arbeitspsychologie, ASA…)

Aufgaben bewusst
machen / klären

Informationsfluss und
Beteiligung festlegen

Evaluierungsplan
erstellen

Vorhandene
Daten sichten

Messverfahren
auswählen

Fragebögen,
Einzelinterviews,
Beobachtungsverfahren,
Gruppengespräche

Erhebungsbereiche festlegen

Quelle: nach Herbert Friesenbichler, AUVA

Gruppen
einteilen

 ev. mit Pilotprojekt beginnen


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Welche Messverfahren sind geeignet?

Stand. schriftl.
Befragung

Standard. GruppenInterview

Nur standardisierte,
qualitätsgesicherte, vergleichbare
Messverfahren!
Nichts „Selbstgestricktes“

Standard.
Beobachtungserhebung
Standard. mündl.
Interview
Anforderungen an Verfahren zur Messung und Erfassung
psychischer Arbeitsbelastungen ÖNORM EN ISO 10075-3;
Orientierung zur Geeignetheit Leitfaden Arbeitsinspektion, Kapitel 6

Quelle: ABS Gruppe – Arbeitsbewertung in der Gruppe (Molnar,
Prinkel, Friesenbichler, Grafik: SoltBittner, 2013, AUVA, i.E.)


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Beispiele Messverfahren

Gruppeninterview,
Orientierend, 22 Items

schriftliche Befragung /
Beobachtungsinterview/ Gruppeninterview, Screening, 81 Items




schriftliche Befragung /
Screening, 26 Items



Beobachtungsinterview,
Orientierend 44 Items

http://www.baua.de/de/Informationenfuer-die-Praxis/Handlungshilfen-undPraxisbeispiele/Toolbox/Toolbox.html
http://www.arbeitsinspektion.gv.at/AI/
Gesundheit/Belastungen/default.htm
http://eval.at/evaluierung-psychischerbelastungen


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Vorgehensweise Wahl und Einsatz des Messverfahrens

Ermittlung
• Ermittlung von arbeitsbedingten Belastungen auf allen 4 Dimensionen
mit standardisiertem, qualitätsgesicherten Messverfahren?
• Passt die im Verfahren verwendete Sprache, zur Sprache der Befragten?
• Ist Verfahren so angewendet, dass ehrliches Antwortverhalten möglich
ist?
• Evaluierungsbereiche (Tätigkeitsgruppen, Arbeitsvorgänge,Standorte)
passend abgebildet?
• Messverfahren passend zum Betrieb, der Arbeitstätigkeit, dem
Arbeitsbereich?
ev. mit Pilotprojekt beginnen
Beurteilung der Belastung? (Welche Belastung stellt Gefahr dar)
• Benchmarks?
• Arbeitswissenschaftliche Kriterien?
Beurteilung der Belastung muss nachvollziehbar sein
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Gute Maßnahmen wirken kollektiv und setzen
an der Quelle an! (§ 7 ASchG)
Gestaltung der Arbeitsaufgabe,
Anforderung aus der Tätigkeit

Gestaltung des Organisationsund Sozialklimas

Gestaltung der ArbeitsAbläufe und Arbeitsorganisation

Gestaltung der Arbeitsumgebung

 Auch bei der Gefahrenverhütung sind die grundlegenden Dimensionen
arbeitsbedingter psychischer Belastungen sowie deren Zusammen- und
Wechselwirkung und die Schnittstelle Mensch-Technik-Organisation zu berücksichtigen.
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Angemessene Maßnahmen entwickelt?

Ermittelte Belastung

Maßnahmen


Maßnahmen


Aufgabenanforderung / Tätigkeit

Konzentrationsschulungen
Störung bei konzentrierten Arbeiten Schaffung von störungsfreien
Quelle? Kollektiv wirksam? ~
durch das Telefon
Zeiten.
Quelle? Kollektiv wirksam? 
Arbeitsabläufe / Arbeitsorganisation
Ansprechperson ist bei Störungen
nicht erreichbar oder unklar.

Vor Arbeitsbeginn Aushang
Entscheidung über Arbeitsablauf
Zuständigkeitsplan in
selbst treffen.
Quelle?  Kollektiv wirksam? 
Werkstätte.
Quelle? Kollektiv wirksam? 


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Maßnahmen: Eintragung in Sicherheits- und
Gesundheitsschutzdokumente (SiGeDok)
Ermittelte Belastung (was?)

Maßnahme
(wie?)

Zuständig
(wer?)

Bis
wann?

Überprüfung
Wirksamkeit:

Störung
konzentriertes
Arbeiten

Schaffung störungsfreier
Arbeitszeiten.
Ermittlung ruhiger Stunden.
Danach Arbeitsaufteilung:
Telefondienst und
Konzentrationsdienst

Ermittlung Anruffrequenz:
Team.

< 4 Mon

2 x jährlich Prüfung:
Fehlerfreieres Arbeiten;
Rückmeldung Team, dass
störungsfreie
Arbeitszeiten
funktionieren

Informationsmangel über
Zuständigkeit

Schriftliche Festlegung in
einem übersichtlichen
Zuständigkeitsplan
Aushang an der Tür zur
Produktionshalle. Falls
Ansprechperson verhindert.
Vertretung und
Erreichbarkeit angegeben

Festlegung
Hierarchiestruktur:
Geschäftsleitung
Nennung Stellvertretung,
falls Ansprechperson
verhindert:
Produktionsleitung
Anbringung Aushang:
Schichtleitung

< 6 Mon

Frage "wer ist zuständig?"
stellt sich nicht mehr.
1 x pro Quartal im
Teamgespräch
thematisieren

Einteilung „Dienste“ nach
Teambesprechung:
Frau Huber

Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente sind vorhanden von Grundevaluierung
 Dokumentation der Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastung in vorhandene Struktur
einfügen


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Was eine Maßnahme zu einer guten Maßnahme
macht
Zeit für Vorsorgeuntersuchungen wird gestellt.
Kein E-Mail Zugang mehr von 18:15 – 7:00 Uhr
Rauchentwöhnungsprogramm
Spezielle Schulung, um EDV Programme sinnvoll
anwenden zu können
"Sagen Sie NEIN"
Mehr Engagement bei Gruppenarbeiten
Klare Festlegung von Kompetenz- und Handlungsrahmen
Workshops zur gesunden Ernährung
System zur rechtzeitigen Nachbestellung von Arbeitsmaterialien
eingeführt.


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Komplett ist die Evaluierung, wenn

1. Belastungen mit einem geeigneten Verfahren
standardisiert ermittelt wurden
2. Messergebnisse beurteilt sind
(Handlungsbedarf?)
3. geeignete ursachenbezogene, kollektiv wirksame
Maßnahmen abgeleitet sind
4. Maßnahmen umgesetzt werden und im SiGeDok
eingetragen sind
5. die Wirksamkeit überprüft wird
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Zwischenbilanz AI

• Zuwenig Planung und Organisation des Prozesses
• Beschäftigte wissen nicht, warum und woran sie sich beteiligen
• Ergebnisse werden nicht konkreten Arbeitsplätzen / Arbeitsvorgängen
zugeordnet
• Überbordende und teure Messverfahren, statt schlanker bedarfsorientierter
Messverfahren
• Ausführliche Dokumentation der Befragung; wenig Interpretation der
Ergebnisse; oberflächliche Benennung der konkreten Gefahren
• Festlegung unpräziserer Maßnahmen ohne Frist und Zuständigkeit
• Ungeeignete Maßnahmenvorschläge bzw. Umsetzung im Arbeitsschutz (z.B.
Coaching, Massagen, Konfliktmanagementseminare, ...)
• Betriebliche Ressourcen teilweise wenig genutzt (AMED, SFK, BR, SVP)
• nicht aussagekräftige Tätigkeitsberichte sonstiger Fachleuten und PFK
 mangelnde Arbeitsschutzkenntnisse = mangelhafte
Arbeitsplatzevaluierung


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Zwischenbilanz AI
• Thema wird ernst genommen, viele Betriebe erkennen
Chance mit Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen
"Schwachstellen" zu beheben
• Unklarheiten werden weniger, strukturierte durchdachte Prozesse
beginnen zu laufen
• Bereits ohne nachhaltiger Wirkungskontrolle werden erste
Verbesserung der Arbeitsbedingungen wahrgenommen z.B.
 klare Schichtübergaben reduzieren Konflikte
 vereinbarte festgelegte Handlungs- und Entscheidungskompetenzen
vermeiden Doppelgleisigkeit und Arbeitsaufwand
 klare Kommunikationswege reduzieren Informationsaufwand
 arbeitsplatzbezogene Maßnahmen reduzieren konkrete Gefahren
am Arbeitsvorgang
 immer mehr Betriebe beginnen einen qualitätsvollen systematischen
Prozess und profitieren davon


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www.arbeitsinspektion.gv.at
Danke für Ihre
Aufmerksamkeit!

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