Transcript - suchtsymposium.ch
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4. Appenzeller
Suchtsymposium 2007
Arbeitsgemeinschaft für risikoarmen Umgang mit Drogen
Zusammenhang von Schizophrenie und
Cannabiskonsum
Dr. André Lammers
Slide 2
Inhalt
• Cannabissubstanzen, Applikationsformen, Effekte
• Epidemiologie
• Schizophrenie und Cannabiskonsum
• Hypothesen zum Zusammenhang
1. eigenständige Cannabispsychose?
2. Veranlagungs-Hypothese?
3. Selbstmedikations-Hypothese?
4. Verursachungs-Hypothese?
Slide 3
Cannabis sativa
Pflanze besteht aus 483 Inhaltsstoffen
circa 70 Cannabinoide
psychoaktiv: Δ-9-Tetrahydrocannabinol
(Δ-9-THC)
nicht psychoaktiv: Cannabidiol/Cannabinol
- muskelrelaxierend
- entzündungshemmend
- sedierend
Haschisch: verpresstes Harz der Blüte
Marihuana: getrocknete und zerkleinerte
Pflanzenteile (Stängel, Blätter, Blüten)
Slide 4
Konsumformen
Rauchen: verbreiteste Form Cannabis zu konsumieren
• Joint
• Stick, Sticki (engl.: Stock)
• Wasserpfeife, „bong“
• „Eimer“ rauchen
orale Einnahme:
• in Plätzchen, Kuchen, Tee, Kakao etc.
Slide 5
THC-Gehalt
(nach Zerell, 2005)
12
THC-Gehalt in %
10
8
Marihuana
6
Haschisch (Harz)
4
2
0
97
98
99
00
01
02
03
04
05
Slide 6
Cannabis – Wirkung
(nach Kupferschmidt & Fattinger, 2005)
Verwirrtheit
Halluzinationen, Paranoia
Angst, Panik, Erregungszustände
Schwindel, Erbrechen, Übelkeit
Fehleinschätzung der Leistungsfähigkeit
Störung der Mnestik und Aufmerksamkeit
Intensivierung von sensorischen Erfahrungen
erwünscht
(Swift, 1998)
verändertes Raum- und Zeitempfinden
Euphorie, Entspannung, Schläfrigkeit
Dosis abhängig
Slide 7
Psychopathologie - akute Intoxikation (ICD F12.0)
Formale Denkstörungen:
Gedankenabreißen, Ideenflucht,
Logorrhoe, assoziative Lockerung
Wahrnehmungsstörungen:
Verändertes Erleben von Raum &
Farben, Synästhesien, selten
Halluzinationen
Kognitive Störungen:
Konzentration, Reaktionszeit,
Gedächtnis beeinträchtigt
Ich-Störungen:
Derealisation, Depersonalisation
Slide 8
Epidemiologie
Slide 9
Lebenszeitprävalenz Schweiz
Cannabiskonsum in %
60
(Studie SMASH, Narring, 2003)
52,4
50
43,9
Mädchen
Jungen
40
27,3
30
19,3
20
10
0
1993
2002
bis 25-Jährige
Slide 10
Lebenszeitprävalenz Deutschland
Cannabiskonsum in %
50
(Kraus & Augustin, 2005)
43,6
38,3
40
30
20
14,6
17,7
10
0
1980
1990
2000
2003
18-24jährige
Slide 11
Cannabismonitoring in der Schweiz (Annaheim, 2005)
•5.000 Personen im Alter von 13 bis 29 Jahren wurden/werden befragt
(Kantone: St. Gallen, Tessin, Waadt, Zürich)
•Steigerung nicht ausschließlich auf Probierkonsum zurückzuführen
•auch Monats- und Wochen-Prävalenz hat zugenommen
•13.3% sind aktuell Konsumierende (Konsum in letzten 6 Monaten)
aber:
•für die letzten 4 Jahre konstante Prävalenzen in Schülerstudien
•Cannabisgebrauch möglicherweise auf hohem Niveau stabilisiert
Slide 12
Aktuelle Cannabis-Konsumenten in der Schweiz (13 %)
50
42
männlich
Cannabiskonsum in %
40
33,4
30
weiblich
31,9
25,9
20,6
20
18,9
14,2 13,2
10
0
Konsumtage:
<1 Mon.
2-4 Mon.
2-3 Wo.
>3 Wo.
Slide 13
Schizophrenie und Cannabis
Slide 14
Schizophrenie und Substanzkonsum
Substanzmissbrauch bei 40 – 50 % (Blanchard, 2000; Green, 2005)
5-fach erhöhter Cannabiskonsum gegenüber Normalbevölkerung (Johns, 2001)
Alkohol
35 %
THC
19 %
Alkohol
24 %
THC
13 %
Halluzinogene
Kokain
5%
5%
Alkohol
37 %
THC
23 %
Stimulanzien
Sedativa
13 %
8%
Alkohol
THC
47,3 %
Fischer, 1996 (N = 139)
Hambrecht, 1996 (N = 232)
Cuffel, 1993 (N = 231)
Margolese, 2004 (N = 207)
13,1 %
(aus Wobrock, 2005, modifiziert)
Slide 15
Subgruppe: Schizophrene mit Cannabiskonsum
• Mehrzahl männliche Patienten
• häufig positive Familienanamnese für Sucht und Psychosen
• bei Erstmanifestation psychotischer Störung deutlich jünger
(Caspari, 2004)
Alter bei Erstdiagnose Schizophrenie
(Arendt, 2005)
Männer
Frauen
Schizophrenie und
Cannabiskonsum
24,6
28,9
Schizophrenie ohne
Cannabiskonsum
30,7
33,1
Slide 16
Subgruppe: Schizophrene mit Cannabiskonsum
– Verlauf –
• ungünstiger Krankheitsverlauf mit häufigeren Rezidiven
• verringerte Compliance bei Neuroleptika-Medikation
• häufigere stationäre Behandlungen
(Linszen, 1994)
(Olfsen, 2000)
(Negrete, 1986)
• häufiger EPMS durch intermittierend hohe Neuroleptika
(Kavanagh, 2002)
Slide 17
Hypothesen:
Zusammenhang von Schizophrenie und
Cannabiskonsum
eigenständige Cannabispsychose ?
Veranlagungs-Hypothese ?
Selbstmedikations-Hypothese ?
Verursachungs-Hypothese ?
Quelle: Hall, 2004; Smit, 2004; Verein für Drogenpolitik
Slide 18
• 90 - 98 % der Cannabiskonsumenten berichten keine
psychotischen Symptome (Arseneault, 2002; Van Os, 2002)
• Risiken konzentrieren sich auf 1 - 2 % der Cannabiskonsumenten,
die als prävulnerabel bezeichnet werden können (Kleiber, 2005)
Cannabiskonsumenten
≠
Schizophrene
Cannabiskonsumenten
Schizophrene
≈
Slide 19
Hypothese Cannabis-Psychose
verursacht
Cannabiskonsum
Psychose
spezifische
• distinkte Cannabispsychose als eigenständige Diagnose
• im engen Sinne „cannabisinduzierte Psychose“ (ICD 10 F12.50)
• Entität mit spezifischen Symptomenkomplex (Hall, 2004)
• schnelle Remission ohne Residuum bei Drogenabstinenz
(Dauer: bis 6 Monate nach ICD 10)
• Rezidiv nur nach erneutem Cannabiskonsum
Slide 20
Von Cannabispsychose abzugrenzen:
die Intoxikationspsychose (ICD 10 F12.04)
• kurz andauernde psychotische Symptomatik
• Dauer nach ICD: Stunden bis max. 2 Tage
• scheint dosisabhängig zu sein
• oft Wahnbildung („Kifferparanoia“), selten Halluzinationen
• Verwirrtheit, Desorientierung, Amnesie
• führt selten zu medizinisch/psychiatrischer Intervention
• nach Abklingen kein Residuum
Slide 21
Vergleich der Psychopathologie von sog. cannabisinduzierten
Psychosen und Schizophrenien (Auswahl: Täschner, 1983)
Cannabisinduzierte
Psychosen (n=237)
Schizophrenien
Vorbeireden
85
81
Zerfahrenheit
82
91
Beziehungswahn
81
87
Verfolgungswahn
76
68
Innere Unruhe
64
86
Ängstlichkeit
77
82
(n=219)
Häufigkeit %
Slide 22
Vergleich psychopathologischer Symptome bei ersterkrankten
Schizophrenen mit und ohne Cannabiskonsum (Boydell, 2007; N = 757)
• Bizarres Verhalten
• Erstrangsymptome
• Wahn
• Halluzinationen
keine Gruppenunterschiede
in der Psychopathologie zwischen
Konsumenten & Nichtkonsumenten
• Negativsymptomatik
• Suizidalität
Fazit: weitgehende Übereinstimmung psychopathologischer
Symptome - kein typisches Symptomen-Profil für Cannabispsychosen (Imade, 1991)
Slide 23
Veranlagungs-Hypothese
mit verursacht
Cannabis
Schizophrenie
• Annahme eines Diathese-Stress-Modell: Cannabis löst als starker
Stressor Schizophrenie aus
• Komplexe Interaktion von genetischer Prädisposition,
psychosozialer Faktoren und Cannabiskonsum
Vulnerable Personen (nach Simon, 2004)
positive Familienanamnese
sozialer/schulischer/beruflicher Leistungsabfall
in der Anamnese bereits psychoseähnliche Zustände
Slide 24
Diathese-Stress-Modell
Dopamin-Ausschüttung
Positivsymptomatik
Cannabiskonsum
VulnerabilitätsSchwelle
t
Δ-9-THC-induzierte
Hemmung GABA-erger Neurone sollen im
mesolimbischen System zu einer entscheidenden Erhöhung der
Dopamin-Aktivität führen
Slide 25
Cannabiskonsumenten mit Prädisposition für Schizophrenie
(Allebeck, 1993; Dixon, 1991)
• scheinen Prodromalphase der Schizophrenie zu „überspringen“
– früherer Beginn psychotischer Symptome
– oft akuter Beginn der Störung
– weniger Negativsymptome
Slide 26
Psychotische Symptome: Interaktion Cannabiskonsum und
Prädisposition (Henquet, 2005)
> 5maliger
Cannabiskonsum
kein
Cannabiskonsum
ohne Prädisposition
21 %
15 %
mit Prädisposition
51 %
26 %
weiterhin positive Korrelation zwischen Cannabisdosis und frequenz und Anzahl psychotischer Symptome (Henquet, 2005)
Slide 27
Interaktion Genetik X Cannabiskonsum
(Caspi, 2005)
• Polymorphismus von Catechol-O-Methyltransferase (COMT)
• COMT deaktiviert Dopamin im synaptischen Spalt
• drei Genvarianten bekannt, die mit unterschiedlicher Aktivität der
COMT einhergehen
COMT-Aktivität
Genvarianten: Methionin/Methionin
Valin/Methionin
Valin/Valin
Slide 28
Interaktion Gene X Cannabiskonsum
Kein Cannabiskonsum
Cannabiskonsum
in der Adoleszenz
in der Adoleszenz
COMT-Aktivität:
Niedrig
mittel
Hoch
Niedrig
mittel
Hoch
Genvarianten:
Met/Met
Val/Met
Val/Val
Met/Met
Val/Met
Val/Val
schizophrenieforme Störung:
4,0
2,3
1,4
4,2
5,5
13,0
nach Caspi, 2005
Slide 29
Homöostase der Dopamin-Transmission
(„abwärts gerichteter“ Effekt)
mesokortikales
System
mesolimbisches
System
Hemmung
dopaminerger
Neurone
Aktivierung
dopaminerger
Neurone
führt zu
dopaminerge
Hypoaktivität
dopaminerge
Hyperaktivität
Negativ-
Positiv-
Symptomatik
Symptomatik
Slide 30
Interaktion Genetik X Cannabiskonsum (Caspi, 2005)
Folgerung
• Personen mit bestimmter genetischer Ausprägung der COMT
(Val/Val) haben erhöhtes Risiko für schizophrenieforme Störungen,
wenn sie in der Adoleszenz Cannabis konsumieren
• Risiko für psychotische Entwicklung erscheint erhöht, wenn in
vulnerabler Phase der Hirnentwicklung in der Adoleszenz
Cannabis konsumiert wird
Slide 31
Selbstmedikations-Hypothese
verursacht
Schizophrenie
Cannabiskonsum
• Cannabiskonsum ist Folge der psychotischen Störung
• Versuch Symptome der Schizophrenie oder Nebenwirkungen
der Neuroleptika zu mindern:
Depression
Angst
Lethargie
Anhedonie
Antriebsstörungen
(nach Dixon, 1990)
Lange dominierendes Modell zur Erklärung von
Substanzmissbrauch (Renninghaus, 2006)
Slide 32
Motive für Cannabiskonsum bei Schizophrenen (Schofield, 2006)
Langeweile mindern
Angst mindern
innere Unruhe mindern
Schlafstörungen mindern
depressive Symptome mindern
mehr sozialer Austausch
Nicht: Reduktion von Positivsymptomen
Slide 33
Argumente gegen die Selbstmedikations-Hypothese
• Substanzkonsum geht psychotischer Symptomatik häufig voraus
(Hambrecht & Häfner, 1996)
• nach der Selbstmedikations-Hypothese müssten sich
psychopathologische Symptome verbessern: in meisten Studien
keine Unterschiede in der Psychopathologie zwischen
Konsumenten und Nichtkonsumenten
• Cannabiskonsum ist nicht den Di-Stress-Symptomen angepasst
(Hamera, 1995)
Slide 34
Metaanalyse zu Negativsymptomatik (Potvin, 2006)
• Vergleich Dualdiagnosen
(N = 451)
vs. Schizophrene (N = 684)
• nur Studien eingeschlossen, die SANS* verwendeten
Ergebnis:
• keine Gruppenunterschiede in der Positivsymptomatik
• signifikant weniger Negativsymptome bei Dualdiagnosen
Erklärungen:
• Selbstmedikation zur Reduktion der Negativsymptomatik
• Personen mit geringer Negativsymptomatik zeigen eher
drogensuchendes Verhalten (selektives Kollektiv, Dixon, 1991)
*Scale
for the Assessment of Negative Symptoms
Slide 35
Sucht & Schizophrenie: gemeinsame neurobiologische Ursache?
Hypothese: „Primacy
addiction“
Selbstmedikations-Hypothese
Symptome der Schizophrenie
Symptome der
Schizophrenie
Positiv-
Negativ-
Substanz-
Symptomati
k
Symptomati
k
Konsum ??
sekundäre Reaktion
Substanzkonsum
Gemeinsamer Faktor:
Dysfunktion des
negative
dopaminergen Systems
Verstärkung
nach Chambers, 2001
Slide 36
Sucht & Schizophrenie: gemeinsame neurobiologische Ursache?
Schizophrenie:
Dysfunktion im präfrontalen
Kortex und Hippocampus
führt zu
Dopaminausschüttung im
Nucleus
accumbens
Substanzkonsum:
Dopamin-Ausschüttung ist
Verstärkereffekt von Drogen
Erleichtert positive
Verstärkerwirkung von Drogen
(Chronisch) erhöhte DopaminTransmission begünstigt:
Verlangen („Craving“)
drogensuchendes Verhalten
Schizophrenie impliziert
Vulnerabilität für süchtiges
Verhalten
Slide 37
Verursachungs-Hypothese
verursacht
Cannabiskonsum
Schizophrenie
• Cannabis verursacht Schizophrenie und ist ein primärer
(alleiniger) ätiologischer Faktor
• Ursache-Wirkungs-Zusammenhang
• Cannabiskonsum muss vor oder während des Ausbruchs
schizophrener Symptome liegen
Slide 38
Epidemiologische Längsschnittstudien
Land
Autoren
N
Kriterium
Follow-Up
OR
27 J.
3,1
Schweden
Zammit, 2002
45.570 stationäre Behandlung
wegen Schizophrenie
Israel
Weiser, 2002
9.724
stationäre Behandlung
wegen Schizophrenie
4-15 J.
2.0
Neuseeland
Arseneault,
2002
1.253
Diagnose einer
Schizophrenieformen
Störung nach DSM IV
11 J.
3.1
Neuseeland
Fergusson,
2003
1.011
Psychotische Symptome
nach SCL 90
7 J.
1.8
Niederlande
Van Os, 2002
4.848
Psychotische Symptome
nach BPRS
3 J.
2.8
1995
Psychotische Symptome
nach M-CIDI
4 J.
2.2
35
Psychotische Symptome
Deutschland Henquet, 2005
MetaAnalyse
Moore, 2007
Studien
1.4
Slide 39
Löst Cannabis Schizophrenie aus?
• Prävalenz für Cannabiskonsum deutlich gestiegen
• aber: keine sichere Veränderung in Inzidenz und Prävalenz für
Schizophrenie in verschiedenen Kulturen mit unterschiedlichen
Cannabis-Konsumraten (Hall, 2004; Kleiber, 2005)
Meta-Analyse (McGrath, 2004): 158 Studien weltweit zwischen 1965-2001
Durschnittliche Inzidenz 15.2 (7.7-43.0) per 100.000 Personen
Verhältnis Männer zu Frauen: 1,4
höhere Inzidenz in Städten
höhere Inzidenzraten in frühen Studien
Slide 40
Löst Cannabis Schizophrenie aus?
• Australische Studie (Degenhardt, 2003): Kohorten 1940-1979 - keine
Erhöhung der Inzidenz in den letzten 30 Jahren
• Englische Studie (Boydell, 2003): Inzidenz 1965-1997 - in letzten 30 J.
Inzidenz 2fach erhöht, stärkste Zunahme bei unter 35-jährigen
• Fazit: Cannabiskonsum als ätiologischer Faktor der Schizophrenie
weiterhin unklar bei uneinheitlicher Forschungslage
Slide 41
Schlussfolgerungen Hypothesen:
Zusammenhang von Schizophrenie und Cannabiskonsum
Cannabispsychose
uneinheitliche Forschungslage
Selbstmedikations-Hypothese
uneinheitliche Forschungslage
Verursachungs-Hypothese
bisher kein empirischer Beweis
Veranlagungs-Hypothese
aktuell favorisierte Hypothese
Slide 42
Schlussfolgerungen
• Cannabiskonsum verschlechtert Prognose und Verlauf bei einer
Schizophrenie deutlich (höheres Rezidiv-Risiko, geringe Compliance)
• ausreichend epidemiologische Befunde für einen Zusammenhang
zwischen Cannabiskonsum und psychotischen Symptomen
• Zusammenhänge sind korrelativ, nicht kausal – (noch) kein
gesichertes biologisches Modell vorhanden
• Aktuell Annahme eines multifaktoriellen ätiologischen Konzepts –
Diathese-Stress-Modell – Cannabiskonsum ist starker Stressor
• Vulnerable Personen mit Cannabiskonsum erkranken deutlich
früher an einer Schizophrenie
Slide 43
Das Cannabinoid-System
Externe Agonisten:
körpereigene Agonisten:
Endocannabinoide
Δ-9-Tetrahydrocannabinol
Anandamid
2-Arachidonylglyzerol
Noladinäther
aktivieren
Cannabinoid-Rezeptor 1 (CB1)
hohe Dichte im Nervensystem:
Cerebellum
Hippocampus
Basalganglien
akuten Wirkungen von Cannabis
Entspannung
Veränderung der Muskelkoordination
Beeinträchtigung der Gedächtnisfunktionen
Intensivierung von Sinneseindrücken
Slide 44
Risiko für psychotische Störungen
Studie an 3400 Gefängnisinsassen (Farrell, 2002)
Substanz
OR
Kokainabhängigkeit
7,11
Cannabisabhängigkeit
3,26
Kokainkonsum vor 16. Lebensjahr
2,83
Amphetaminkonsum vor 16. Lebensjahr
2,66
> 100 Cannabiskonsum, nicht abhängig
0,46
Heroinabhängigkeit
0,31
Psychoserisiko bei Cannabis etwa gleich groß wie bei Amphetamin
4. Appenzeller
Suchtsymposium 2007
Arbeitsgemeinschaft für risikoarmen Umgang mit Drogen
Zusammenhang von Schizophrenie und
Cannabiskonsum
Dr. André Lammers
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Inhalt
• Cannabissubstanzen, Applikationsformen, Effekte
• Epidemiologie
• Schizophrenie und Cannabiskonsum
• Hypothesen zum Zusammenhang
1. eigenständige Cannabispsychose?
2. Veranlagungs-Hypothese?
3. Selbstmedikations-Hypothese?
4. Verursachungs-Hypothese?
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Cannabis sativa
Pflanze besteht aus 483 Inhaltsstoffen
circa 70 Cannabinoide
psychoaktiv: Δ-9-Tetrahydrocannabinol
(Δ-9-THC)
nicht psychoaktiv: Cannabidiol/Cannabinol
- muskelrelaxierend
- entzündungshemmend
- sedierend
Haschisch: verpresstes Harz der Blüte
Marihuana: getrocknete und zerkleinerte
Pflanzenteile (Stängel, Blätter, Blüten)
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Konsumformen
Rauchen: verbreiteste Form Cannabis zu konsumieren
• Joint
• Stick, Sticki (engl.: Stock)
• Wasserpfeife, „bong“
• „Eimer“ rauchen
orale Einnahme:
• in Plätzchen, Kuchen, Tee, Kakao etc.
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THC-Gehalt
(nach Zerell, 2005)
12
THC-Gehalt in %
10
8
Marihuana
6
Haschisch (Harz)
4
2
0
97
98
99
00
01
02
03
04
05
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Cannabis – Wirkung
(nach Kupferschmidt & Fattinger, 2005)
Verwirrtheit
Halluzinationen, Paranoia
Angst, Panik, Erregungszustände
Schwindel, Erbrechen, Übelkeit
Fehleinschätzung der Leistungsfähigkeit
Störung der Mnestik und Aufmerksamkeit
Intensivierung von sensorischen Erfahrungen
erwünscht
(Swift, 1998)
verändertes Raum- und Zeitempfinden
Euphorie, Entspannung, Schläfrigkeit
Dosis abhängig
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Psychopathologie - akute Intoxikation (ICD F12.0)
Formale Denkstörungen:
Gedankenabreißen, Ideenflucht,
Logorrhoe, assoziative Lockerung
Wahrnehmungsstörungen:
Verändertes Erleben von Raum &
Farben, Synästhesien, selten
Halluzinationen
Kognitive Störungen:
Konzentration, Reaktionszeit,
Gedächtnis beeinträchtigt
Ich-Störungen:
Derealisation, Depersonalisation
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Epidemiologie
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Lebenszeitprävalenz Schweiz
Cannabiskonsum in %
60
(Studie SMASH, Narring, 2003)
52,4
50
43,9
Mädchen
Jungen
40
27,3
30
19,3
20
10
0
1993
2002
bis 25-Jährige
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Lebenszeitprävalenz Deutschland
Cannabiskonsum in %
50
(Kraus & Augustin, 2005)
43,6
38,3
40
30
20
14,6
17,7
10
0
1980
1990
2000
2003
18-24jährige
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Cannabismonitoring in der Schweiz (Annaheim, 2005)
•5.000 Personen im Alter von 13 bis 29 Jahren wurden/werden befragt
(Kantone: St. Gallen, Tessin, Waadt, Zürich)
•Steigerung nicht ausschließlich auf Probierkonsum zurückzuführen
•auch Monats- und Wochen-Prävalenz hat zugenommen
•13.3% sind aktuell Konsumierende (Konsum in letzten 6 Monaten)
aber:
•für die letzten 4 Jahre konstante Prävalenzen in Schülerstudien
•Cannabisgebrauch möglicherweise auf hohem Niveau stabilisiert
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Aktuelle Cannabis-Konsumenten in der Schweiz (13 %)
50
42
männlich
Cannabiskonsum in %
40
33,4
30
weiblich
31,9
25,9
20,6
20
18,9
14,2 13,2
10
0
Konsumtage:
<1 Mon.
2-4 Mon.
2-3 Wo.
>3 Wo.
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Schizophrenie und Cannabis
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Schizophrenie und Substanzkonsum
Substanzmissbrauch bei 40 – 50 % (Blanchard, 2000; Green, 2005)
5-fach erhöhter Cannabiskonsum gegenüber Normalbevölkerung (Johns, 2001)
Alkohol
35 %
THC
19 %
Alkohol
24 %
THC
13 %
Halluzinogene
Kokain
5%
5%
Alkohol
37 %
THC
23 %
Stimulanzien
Sedativa
13 %
8%
Alkohol
THC
47,3 %
Fischer, 1996 (N = 139)
Hambrecht, 1996 (N = 232)
Cuffel, 1993 (N = 231)
Margolese, 2004 (N = 207)
13,1 %
(aus Wobrock, 2005, modifiziert)
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Subgruppe: Schizophrene mit Cannabiskonsum
• Mehrzahl männliche Patienten
• häufig positive Familienanamnese für Sucht und Psychosen
• bei Erstmanifestation psychotischer Störung deutlich jünger
(Caspari, 2004)
Alter bei Erstdiagnose Schizophrenie
(Arendt, 2005)
Männer
Frauen
Schizophrenie und
Cannabiskonsum
24,6
28,9
Schizophrenie ohne
Cannabiskonsum
30,7
33,1
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Subgruppe: Schizophrene mit Cannabiskonsum
– Verlauf –
• ungünstiger Krankheitsverlauf mit häufigeren Rezidiven
• verringerte Compliance bei Neuroleptika-Medikation
• häufigere stationäre Behandlungen
(Linszen, 1994)
(Olfsen, 2000)
(Negrete, 1986)
• häufiger EPMS durch intermittierend hohe Neuroleptika
(Kavanagh, 2002)
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Hypothesen:
Zusammenhang von Schizophrenie und
Cannabiskonsum
eigenständige Cannabispsychose ?
Veranlagungs-Hypothese ?
Selbstmedikations-Hypothese ?
Verursachungs-Hypothese ?
Quelle: Hall, 2004; Smit, 2004; Verein für Drogenpolitik
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• 90 - 98 % der Cannabiskonsumenten berichten keine
psychotischen Symptome (Arseneault, 2002; Van Os, 2002)
• Risiken konzentrieren sich auf 1 - 2 % der Cannabiskonsumenten,
die als prävulnerabel bezeichnet werden können (Kleiber, 2005)
Cannabiskonsumenten
≠
Schizophrene
Cannabiskonsumenten
Schizophrene
≈
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Hypothese Cannabis-Psychose
verursacht
Cannabiskonsum
Psychose
spezifische
• distinkte Cannabispsychose als eigenständige Diagnose
• im engen Sinne „cannabisinduzierte Psychose“ (ICD 10 F12.50)
• Entität mit spezifischen Symptomenkomplex (Hall, 2004)
• schnelle Remission ohne Residuum bei Drogenabstinenz
(Dauer: bis 6 Monate nach ICD 10)
• Rezidiv nur nach erneutem Cannabiskonsum
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Von Cannabispsychose abzugrenzen:
die Intoxikationspsychose (ICD 10 F12.04)
• kurz andauernde psychotische Symptomatik
• Dauer nach ICD: Stunden bis max. 2 Tage
• scheint dosisabhängig zu sein
• oft Wahnbildung („Kifferparanoia“), selten Halluzinationen
• Verwirrtheit, Desorientierung, Amnesie
• führt selten zu medizinisch/psychiatrischer Intervention
• nach Abklingen kein Residuum
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Vergleich der Psychopathologie von sog. cannabisinduzierten
Psychosen und Schizophrenien (Auswahl: Täschner, 1983)
Cannabisinduzierte
Psychosen (n=237)
Schizophrenien
Vorbeireden
85
81
Zerfahrenheit
82
91
Beziehungswahn
81
87
Verfolgungswahn
76
68
Innere Unruhe
64
86
Ängstlichkeit
77
82
(n=219)
Häufigkeit %
Slide 22
Vergleich psychopathologischer Symptome bei ersterkrankten
Schizophrenen mit und ohne Cannabiskonsum (Boydell, 2007; N = 757)
• Bizarres Verhalten
• Erstrangsymptome
• Wahn
• Halluzinationen
keine Gruppenunterschiede
in der Psychopathologie zwischen
Konsumenten & Nichtkonsumenten
• Negativsymptomatik
• Suizidalität
Fazit: weitgehende Übereinstimmung psychopathologischer
Symptome - kein typisches Symptomen-Profil für Cannabispsychosen (Imade, 1991)
Slide 23
Veranlagungs-Hypothese
mit verursacht
Cannabis
Schizophrenie
• Annahme eines Diathese-Stress-Modell: Cannabis löst als starker
Stressor Schizophrenie aus
• Komplexe Interaktion von genetischer Prädisposition,
psychosozialer Faktoren und Cannabiskonsum
Vulnerable Personen (nach Simon, 2004)
positive Familienanamnese
sozialer/schulischer/beruflicher Leistungsabfall
in der Anamnese bereits psychoseähnliche Zustände
Slide 24
Diathese-Stress-Modell
Dopamin-Ausschüttung
Positivsymptomatik
Cannabiskonsum
VulnerabilitätsSchwelle
t
Δ-9-THC-induzierte
Hemmung GABA-erger Neurone sollen im
mesolimbischen System zu einer entscheidenden Erhöhung der
Dopamin-Aktivität führen
Slide 25
Cannabiskonsumenten mit Prädisposition für Schizophrenie
(Allebeck, 1993; Dixon, 1991)
• scheinen Prodromalphase der Schizophrenie zu „überspringen“
– früherer Beginn psychotischer Symptome
– oft akuter Beginn der Störung
– weniger Negativsymptome
Slide 26
Psychotische Symptome: Interaktion Cannabiskonsum und
Prädisposition (Henquet, 2005)
> 5maliger
Cannabiskonsum
kein
Cannabiskonsum
ohne Prädisposition
21 %
15 %
mit Prädisposition
51 %
26 %
weiterhin positive Korrelation zwischen Cannabisdosis und frequenz und Anzahl psychotischer Symptome (Henquet, 2005)
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Interaktion Genetik X Cannabiskonsum
(Caspi, 2005)
• Polymorphismus von Catechol-O-Methyltransferase (COMT)
• COMT deaktiviert Dopamin im synaptischen Spalt
• drei Genvarianten bekannt, die mit unterschiedlicher Aktivität der
COMT einhergehen
COMT-Aktivität
Genvarianten: Methionin/Methionin
Valin/Methionin
Valin/Valin
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Interaktion Gene X Cannabiskonsum
Kein Cannabiskonsum
Cannabiskonsum
in der Adoleszenz
in der Adoleszenz
COMT-Aktivität:
Niedrig
mittel
Hoch
Niedrig
mittel
Hoch
Genvarianten:
Met/Met
Val/Met
Val/Val
Met/Met
Val/Met
Val/Val
schizophrenieforme Störung:
4,0
2,3
1,4
4,2
5,5
13,0
nach Caspi, 2005
Slide 29
Homöostase der Dopamin-Transmission
(„abwärts gerichteter“ Effekt)
mesokortikales
System
mesolimbisches
System
Hemmung
dopaminerger
Neurone
Aktivierung
dopaminerger
Neurone
führt zu
dopaminerge
Hypoaktivität
dopaminerge
Hyperaktivität
Negativ-
Positiv-
Symptomatik
Symptomatik
Slide 30
Interaktion Genetik X Cannabiskonsum (Caspi, 2005)
Folgerung
• Personen mit bestimmter genetischer Ausprägung der COMT
(Val/Val) haben erhöhtes Risiko für schizophrenieforme Störungen,
wenn sie in der Adoleszenz Cannabis konsumieren
• Risiko für psychotische Entwicklung erscheint erhöht, wenn in
vulnerabler Phase der Hirnentwicklung in der Adoleszenz
Cannabis konsumiert wird
Slide 31
Selbstmedikations-Hypothese
verursacht
Schizophrenie
Cannabiskonsum
• Cannabiskonsum ist Folge der psychotischen Störung
• Versuch Symptome der Schizophrenie oder Nebenwirkungen
der Neuroleptika zu mindern:
Depression
Angst
Lethargie
Anhedonie
Antriebsstörungen
(nach Dixon, 1990)
Lange dominierendes Modell zur Erklärung von
Substanzmissbrauch (Renninghaus, 2006)
Slide 32
Motive für Cannabiskonsum bei Schizophrenen (Schofield, 2006)
Langeweile mindern
Angst mindern
innere Unruhe mindern
Schlafstörungen mindern
depressive Symptome mindern
mehr sozialer Austausch
Nicht: Reduktion von Positivsymptomen
Slide 33
Argumente gegen die Selbstmedikations-Hypothese
• Substanzkonsum geht psychotischer Symptomatik häufig voraus
(Hambrecht & Häfner, 1996)
• nach der Selbstmedikations-Hypothese müssten sich
psychopathologische Symptome verbessern: in meisten Studien
keine Unterschiede in der Psychopathologie zwischen
Konsumenten und Nichtkonsumenten
• Cannabiskonsum ist nicht den Di-Stress-Symptomen angepasst
(Hamera, 1995)
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Metaanalyse zu Negativsymptomatik (Potvin, 2006)
• Vergleich Dualdiagnosen
(N = 451)
vs. Schizophrene (N = 684)
• nur Studien eingeschlossen, die SANS* verwendeten
Ergebnis:
• keine Gruppenunterschiede in der Positivsymptomatik
• signifikant weniger Negativsymptome bei Dualdiagnosen
Erklärungen:
• Selbstmedikation zur Reduktion der Negativsymptomatik
• Personen mit geringer Negativsymptomatik zeigen eher
drogensuchendes Verhalten (selektives Kollektiv, Dixon, 1991)
*Scale
for the Assessment of Negative Symptoms
Slide 35
Sucht & Schizophrenie: gemeinsame neurobiologische Ursache?
Hypothese: „Primacy
addiction“
Selbstmedikations-Hypothese
Symptome der Schizophrenie
Symptome der
Schizophrenie
Positiv-
Negativ-
Substanz-
Symptomati
k
Symptomati
k
Konsum ??
sekundäre Reaktion
Substanzkonsum
Gemeinsamer Faktor:
Dysfunktion des
negative
dopaminergen Systems
Verstärkung
nach Chambers, 2001
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Sucht & Schizophrenie: gemeinsame neurobiologische Ursache?
Schizophrenie:
Dysfunktion im präfrontalen
Kortex und Hippocampus
führt zu
Dopaminausschüttung im
Nucleus
accumbens
Substanzkonsum:
Dopamin-Ausschüttung ist
Verstärkereffekt von Drogen
Erleichtert positive
Verstärkerwirkung von Drogen
(Chronisch) erhöhte DopaminTransmission begünstigt:
Verlangen („Craving“)
drogensuchendes Verhalten
Schizophrenie impliziert
Vulnerabilität für süchtiges
Verhalten
Slide 37
Verursachungs-Hypothese
verursacht
Cannabiskonsum
Schizophrenie
• Cannabis verursacht Schizophrenie und ist ein primärer
(alleiniger) ätiologischer Faktor
• Ursache-Wirkungs-Zusammenhang
• Cannabiskonsum muss vor oder während des Ausbruchs
schizophrener Symptome liegen
Slide 38
Epidemiologische Längsschnittstudien
Land
Autoren
N
Kriterium
Follow-Up
OR
27 J.
3,1
Schweden
Zammit, 2002
45.570 stationäre Behandlung
wegen Schizophrenie
Israel
Weiser, 2002
9.724
stationäre Behandlung
wegen Schizophrenie
4-15 J.
2.0
Neuseeland
Arseneault,
2002
1.253
Diagnose einer
Schizophrenieformen
Störung nach DSM IV
11 J.
3.1
Neuseeland
Fergusson,
2003
1.011
Psychotische Symptome
nach SCL 90
7 J.
1.8
Niederlande
Van Os, 2002
4.848
Psychotische Symptome
nach BPRS
3 J.
2.8
1995
Psychotische Symptome
nach M-CIDI
4 J.
2.2
35
Psychotische Symptome
Deutschland Henquet, 2005
MetaAnalyse
Moore, 2007
Studien
1.4
Slide 39
Löst Cannabis Schizophrenie aus?
• Prävalenz für Cannabiskonsum deutlich gestiegen
• aber: keine sichere Veränderung in Inzidenz und Prävalenz für
Schizophrenie in verschiedenen Kulturen mit unterschiedlichen
Cannabis-Konsumraten (Hall, 2004; Kleiber, 2005)
Meta-Analyse (McGrath, 2004): 158 Studien weltweit zwischen 1965-2001
Durschnittliche Inzidenz 15.2 (7.7-43.0) per 100.000 Personen
Verhältnis Männer zu Frauen: 1,4
höhere Inzidenz in Städten
höhere Inzidenzraten in frühen Studien
Slide 40
Löst Cannabis Schizophrenie aus?
• Australische Studie (Degenhardt, 2003): Kohorten 1940-1979 - keine
Erhöhung der Inzidenz in den letzten 30 Jahren
• Englische Studie (Boydell, 2003): Inzidenz 1965-1997 - in letzten 30 J.
Inzidenz 2fach erhöht, stärkste Zunahme bei unter 35-jährigen
• Fazit: Cannabiskonsum als ätiologischer Faktor der Schizophrenie
weiterhin unklar bei uneinheitlicher Forschungslage
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Schlussfolgerungen Hypothesen:
Zusammenhang von Schizophrenie und Cannabiskonsum
Cannabispsychose
uneinheitliche Forschungslage
Selbstmedikations-Hypothese
uneinheitliche Forschungslage
Verursachungs-Hypothese
bisher kein empirischer Beweis
Veranlagungs-Hypothese
aktuell favorisierte Hypothese
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Schlussfolgerungen
• Cannabiskonsum verschlechtert Prognose und Verlauf bei einer
Schizophrenie deutlich (höheres Rezidiv-Risiko, geringe Compliance)
• ausreichend epidemiologische Befunde für einen Zusammenhang
zwischen Cannabiskonsum und psychotischen Symptomen
• Zusammenhänge sind korrelativ, nicht kausal – (noch) kein
gesichertes biologisches Modell vorhanden
• Aktuell Annahme eines multifaktoriellen ätiologischen Konzepts –
Diathese-Stress-Modell – Cannabiskonsum ist starker Stressor
• Vulnerable Personen mit Cannabiskonsum erkranken deutlich
früher an einer Schizophrenie
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Das Cannabinoid-System
Externe Agonisten:
körpereigene Agonisten:
Endocannabinoide
Δ-9-Tetrahydrocannabinol
Anandamid
2-Arachidonylglyzerol
Noladinäther
aktivieren
Cannabinoid-Rezeptor 1 (CB1)
hohe Dichte im Nervensystem:
Cerebellum
Hippocampus
Basalganglien
akuten Wirkungen von Cannabis
Entspannung
Veränderung der Muskelkoordination
Beeinträchtigung der Gedächtnisfunktionen
Intensivierung von Sinneseindrücken
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Risiko für psychotische Störungen
Studie an 3400 Gefängnisinsassen (Farrell, 2002)
Substanz
OR
Kokainabhängigkeit
7,11
Cannabisabhängigkeit
3,26
Kokainkonsum vor 16. Lebensjahr
2,83
Amphetaminkonsum vor 16. Lebensjahr
2,66
> 100 Cannabiskonsum, nicht abhängig
0,46
Heroinabhängigkeit
0,31
Psychoserisiko bei Cannabis etwa gleich groß wie bei Amphetamin