DGPPN Berlin Antabus 2013

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Transcript DGPPN Berlin Antabus 2013

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel
DGPPN Kongress Berlin
65 Jahre Disulfiram in der Behandlung der
Alkoholabhängigkeit
Hat dieses Medikament in der modernen
Suchttherapie ausgedient ?
Dr. Martin Reker (Bielefeld-Bethel)
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel
DGPPN Kongress Berlin
Warum Disulfiram als Option in der
Behandlung der Alkoholabhängigkeit
unentbehrlich ist:
Der Beitrag eines alten Medikamentes
zu einer modernen Suchttherapie
Dr. Martin Reker (Bielefeld-Bethel)
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel
Was bietet Disulfiram, was andere
Therapieoptionen nicht auch könnten ?
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel
Kennen Sie die „actio libera in causa“ ?
Unter actio libera in causa wird der Fall sog.
vorverlagerter Schuld verstanden.
•Bsp.: Der Täter fasst eine bestimmten Plan zur konkreten
Tatausführung und beschließt darüber hinaus, sich durch
Alkoholkonsum vor der Tatbegehung in einen derart schweren
Rauschzustand zu versetzen, dass er zum Tatzeitpunkt nicht mehr im
Zustand der Schuldfähigkeit ist und daher nicht wegen der
begangenen Tat bestraft werden kann.
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel
actio libera in causa, sed non libera in actu –
‚Handlung, bei deren Verursachung (in causa) der Täter
noch freiverantwortlich handelte, (nicht mehr aber bei
der (späteren) Ausführung selbst (in actu).
Es geht hier um vorverlagerte
Entscheidungen, in diesem Beispiel um
Entscheidungen eine (Straf-)tat zu begehen,
wenn man sich betrunken hat.
Man handelt dadurch verantwortlich auch
noch dann, wenn man im Ausnahmezustand
entscheidungsunfähig ist.
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel
actio libera in causa, sed non libera in actu –
‚Handlung, bei deren Verursachung (in causa) der Täter
noch freiverantwortlich handelte, nicht mehr aber bei
der (späteren) Ausführung selbst (in actu).
Der Disulfiram Patient trifft eine
vorverlagerte Abstinenzentscheidung.
In dem Moment, in dem er Disulfiram
einnimmt, entscheidet er sich dafür, in der
nächsten Versuchungssituation dem
Suchtdruck nicht nachzugeben.
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Shared Decision
• Patient wird aufgeklärt i. S. eines „informed consent“
• Gültige Zustimmung nur bei umfassender Information
• Klare Verabredung über Risiken und die Verteilung von
Verantwortung
• Berücksichtigung von Entscheidungkompetenz (z.B. bei
lernbehinderten Patienten)
• Vorhaltung von Krisenplänen
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Was passiert, wenn die Patienten auf Disulfiram
rückfällig werden, stark reagieren und trotzdem neu
eingestellt werden wollen ?
• Rückfall verstehen über Konsumanalyse
• Mögliche Lerneffekte ausloten
• Möglichkeiten der Impulskontrolle erneut überprüfen
• Gemeinsame Entscheidung suchen
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel
Was passiert, wenn die Patienten rückfällig werden und
die versprochen Disulfiram Reaktion nicht einsetzt ?
• Dosiserhöhung in der Hoffnung, dass dann ein Effekt einsetzt
• Absetzen des Disulfirams wegen Unzuverlässigkeit
• Überprüfung einer höheren Dosierung per Trinkversuch
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel
Wie funktioniert ein Trinkversuch ?
• Bei 25 bis 30 % der Trinkversuche tritt keine DAR auf
• Orale Verabreichung von 0,1 – 0,5 g/kg Alkohol
• Einsetzen des Azetaldehydsyndroms nach 8 – 15 Min.
• Dauer der DAR etwa 30 – 120 Min.
• Trinkversuche werden heute überwiegend abgelehnt
• Wenn Trinkversuche, dann nur bei intensivmedizinischer
Überwachung
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Wer verantwortet schädliche Folgen bei (un)kontrollierten Trinkversuchen ?
• Der Arzt ist immer verantwortlich, weil er als
Behandlungsverantwortlicher in der Garantenpflicht steht
• Der Patient wird verantwortlich, wenn er umfänglich
aufgeklärt ist und den Vorgaben des Arztes zuwider handelt
• In einer kontrollierten Situation muss der Arzt den Patienten
über Risiken aufklären und vermeidbare Risiken vorbeugen
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Rezeptierung von Disulfiram über die Apotheke
• Die behandelnde Einrichtung stellt für den betreffenden
Patienten ein Disulfiram Rezept aus
• Der Patient reicht das Rezept bei einer Apotheke ein und
trägt selbst die Kosten
• Die Apotheke besorgt Disulfiram aus dem europäischen
Ausland, wo das Medikament weiterhin eine Zulassung hat
• Eine Bevorratung von Disulfiram in der Apotheke ist nicht
möglich, sodass jedes Rezept individuell bedient und bestellt
werden muss
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Hat das Erlöschen der Zulassung von Antabus® Dispergetten 100mg
und 500mg in Deutschland einen Einfluss auf die generelle
Verkehrsfähigkeit von Disulfiram-Präparaten in Deutschland???
• Antwort des BfArM vom 18.03.13: Die Firma Nycomed
Deutschland GmbH hat entschieden, aus ökonomischen
Gründen die Produktion von Antabus® Dispergetten (100mg
und 500mg) einzustellen und auf die Zulassung zu
verzichten. Dadurch sind diese nur noch bis 30.06.2013
verkehrsfähig. Aus Sicht des Bundesinstituts für Arzneimittel
und Medizinprodukte ist Disulfiram grundsätzlich nicht als
bedenklich einzustufen.
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel
In absehbarerer Zeit laufen die 2 Jahre Produkthaftung
für Antabus® ab. Erhöht sich dadurch das Haftungsrisiko
für verschreibende Ärzte?
•
Ende Juni 2013 endete lediglich die »Verkehrsfähigkeit« (d.h. die
Möglichkeit eines Abverkaufs) der beiden Nycomed-Produkte »Antabus®
Dispergetten 0,5 g (Zul.-Nr. 6255289.00.00) « und »Antabus® Dispergetten
0,1 g (Zul.-Nr. 6255289.01.00) «, deren Zulassung Nycomed 2011
zurückgegeben hatte.
•
Der Import von zugelassenen europäischen Disulfiram-Präparaten ist davon
nach unseren sonstigen Recherchen (das BfArM hat auf mehrere
diesbezügliche Anfragen bislang leider nicht reagiert) in keiner Weise
betroffen. Wir selbst verordnen derzeit aus Kostengründen vorwiegend die
60er Packung »Tetradin® 0,5 g«, mit deren Privatrezeptierung und Import
wir bislang keinerlei Schwierigkeiten hatten.
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Gibt es sonst etwas Rechtliches zu beachten, wenn Disulfiram
per Privatrezept verschrieben und in der Apotheke ein Import
(z.B. aus Frankreich) ausgegeben wird, z.B. wegen des
Beipackzettels auf französisch?
Wir klären unsere Patienten vor der ersten Disulfiram-Einnahme
sowohl mündlich als auch mittels eines selbst entworfenen InfoBogens auf und lassen uns diese Aufklärung grundsätzlich
unterschreiben. Den Info-Bogen geben wir dem Patienten mit,
so dass es mit diesem Vorgehen aus unserer Sicht keine
diesbezüglichen Haftungsprobleme geben dürfte.
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel
Resümee:
• Disulfiram ist in einem modernen Suchttherapiekonzept ein
Instrument der autonomen Selbststeuerung
• Die Disulfiram gestützte Abstinenz ist die konsequenteste
Form der Abstinenz und verdient Respekt
• Die Finanzierung von o.25 bis o.50 €/die liegt i.d.R. beim
Patienten und symbolisiert seine Eigenverantwortlichkeit
• Die Bestellung von Disulfiram aus dem Ausland erfordert ein
bestimmtes Prozedere, ist aber grundsätzlich für jede
Apotheke verfügbar.
• Bei angemessenem professionellem Setting und Beachtung der
Risiken liegen bei „informed consent“ und „shared decision“
keine besonderen Haftungsrisiken für den Behandler.
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Offene Fragen und Aufgaben bzgl. Disulfiram:
• Mittelfristiges Ziel muss es bleiben, auch für
Deutschland wieder eine Zulassung zu erreichen
• Disulfiram ist eine bedeutsame Behandlungsoption,
die enttabuisiert und dem fachlichen Diskurs wieder
zugeführt werden muss.
• Es müssen Möglichkeiten erschlossen werden, auch
abseits von Trinkversuchen das Auftreten einer
DAR vorhersagbar zu machen (z.B. über Med.Spiegel).
• Wissenschaftliche Studien zu Disulfiram in
Verbindung mit spezifischen Settings müssen den
besonderen Status dieser Behandlung untermauern
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel
Herzlichen Dank !!!