Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel

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Chronisch süchtig –
Wen soll das meinen ?
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Vielleicht diesen Herrn: 61 Jahre, vor 14 Jahren mit seiner Frau und 2 Kindern
als Spätaussiedler nach Deutschland gekommen, ursprünglich Kraftfahrer,
hat hier vor 12 Jahren wegen Alkohol den Führerschein verloren, seit 10
Jahren geschieden, seitdem auch keine Arbeit mehr gefunden, seit 5
Jahren in der Wohnungslosenhilfe betreut, mal in Einrichtungen, mal auf
der Straße-.
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Oder diese Dame hier:
Eine 42jährige, in schwierigen
familiären Bedingungen aufgewachsene langjährig psychosekranke Frau lebt in einer kleinen
Heimeinrichtung im Rahmen
stationärer Eingliederungshilfe. Sie
hat einen unregelmäßigen
Tagesrhythmus, trinkt viel Alkohol,
lässt sich – z.T. wohl gegen Geld
oder Alkohol - oft mit verschiedenen
Männern aus der Wohnungslosenszene ein und besorgt sich zwischen
durch von niedergelassenen Ärzten
Beruhigungsmittel wie Diazepam. In
frühen Jahren hat sie auch mit
illegalen Drogen experimentiert und
sich damals eine Hepatitis C
„eingefangen“.
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Was ist von professioneller Seite aus zu tun ?
Am Anfang jeglicher
Therapie steht
die Diagnose.
Grundsatz ärztlichen
Handelns.
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Welche Diagnosen hat der Patient und
was folgert daraus ?
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Chronische Alkoholabhängigkeit
Z. n. Entzugskrampfanfällen und Delirien
Haltlose Persönlichkeitsstörung
Polyneuropathie
Beginnende Leberzirrhose
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Was benötigt man dafür ?
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Einen kooperierenden Patienten
Alkoholabstinenz
Einen Spezialisten für Suchtbehandlung
Einen Internisten
Gesunde Ernährung mit viel Vitamin B
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Welche Diagnosen hat die Patientin und
was folgert daraus ?
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Drogeninduzierte Psychose
Alkohol- und Benzodiazepinabhängigkeit
Borderline-Persönlichkeitsstörung
Posttraumatische Belastungsstörung
Hepatitis C
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Was benötigt man dafür ?
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Eine kooperierende Patientin
Wirksame verträgliche Neuroleptika
Einen Psychiater/Psychiaterin
Einen Internisten
Interferon
Ein Manual für Doppeldiagnose Patienten
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Wie sieht das aus Sicht der Betroffenen aus ?
Sie wünschen sich eine Partnerschaft
Sie möchten einen festen Platz zum Wohnen
Sie suchen Aufmerksamkeit und
Wertschätzung
Sie möchten sich körperlich besser fühlen
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Offensichtlich handelt es sich um zwei
„schwierige Patienten“ :
• Sie haben keine Krankheitseinsicht
• Sie verweigern notwendige Behandlung
• Sie sind in Behandlungskontakten
unverbindlich
• Sie verhalten sich therapieschädigend
… typisch Drehtürpatienten !!
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Wer ist für
das Wohlergehen
dieser Patientin
verantwortlich
?
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Wer könnte dafür verantwortlich sein ?
Das gemeindepsychiatrische Hilfesystem
Das Suchthilfesystem
Die Wohnungslosenhilfe
Die Akutpsychiatrie
…………………………………
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These I:
Die Patienten sind – wie alle Menschen für sich selbst verantwortlich.
(Autonomismus)
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These II:
Die Professionellen als Vertreter der
Allgemeinheit sind verantwortlich –
schließlich sind die Patientin sucht- und
psychisch krank und haben somit keine
Kontrolle und wenig freien Willen.
(Paternalismus)
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Jean Paul Sartre:
Jeder ist für sein Handeln verantwortlich:
Der Doppeldiagnosepatient für sein Handeln,
und der Professionelle für sein Handeln.
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Hans Jonas:
Verantwortlich sind wir
für die Erhaltung der Werte,
die wir uns miteinander wichtig machen.
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Welche Werte könnten das für uns sein ?
• Die Wahrung der Würde jedes Menschen
• Respekt vor dem Selbstbestimmungsrecht
eines jeden Menschen.
• Die Wahrung von Frieden und Freiheit.
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Im aktuellen Diskurs um die
Weiterentwicklung des deutschen
Sozialrechts hat sich der Begriff
„personenzentriert“ eingebürgert, um die
geschilderten Werte zu umschreiben.
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Was kann das praktisch bedeuten im
Umgang mit Patienten, die durch eine
schwere psychische Erkrankung und/oder
eine Suchterkrankung Schwierigkeiten in
der Lebensbewältigung haben ?
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Der „Community Reinforcement Approach“ als
Beispiel für einen personenzentrierten
Behandlungsansatz im vernetzten Hilfesystem
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CRA – Zufriedenheitsskala
Körperliche Gesundheit
1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 – 8 – 9 - 10
Freizeit und meines Privatlebens
Arbeit
Schul- und Ausbildung
Umgang mit Geld
Umgang mit Alkohol und wie er mein Leben betrifft
Umgang mit Drogen und wie sie mein Leben betreffen
Abstinenz und Nüchternheit
Seelische Gesundheit
Körperliche Aktivität
Beziehung zu meiner/m Partner/in
Beziehung zu meinen Kindern
Beziehung zu meinen Eltern
Beziehung zu meinen engen Freunden/innen
Juristische Angelegenheiten
Kommunikation mit Anderen
Spirituelles und religiöses Leben
Meine Zufriedenheit mit meinem Leben insgesamt
1 – 2 – 3 – 4 – 5 – 6 – 7 – 8 – 9 - 10
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CRA – Ziele der Beratung
- Kurz, positiv, präzise > nachprüfbar Im Bereich meiner körperlichen Gesundheit
würde ich gerne ...
Im Bereich meiner Freizeit und meines
Privatlebens würde ich gerne ...
Im Bereich meiner Arbeit würde ich gerne ...
Im Bereich meiner Schul- und Ausbildung würde
ich gerne ...
Im Bereich meines Umgangs mit Geld würde ich
gerne ...
Im Bereich meiner Wohnsituation würde ich
gerne ...
Im Bereich Partnerschaft würde ich gerne ...
Im Bereich meines Umgangs mit Rauschmitteln
würde ich gerne ...
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These I:
In einem personenzentrierten Ansatz wird
die Unterscheidung zwischen einem
gemeindepsychiatrischen Hilfesystem und
einem Suchthilfesystem randständig,
vermutlich sogar störend.
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These II:
In einem personenzentrierten Ansatz für
chonifizierte Patienten stehen
motivierende Interventionen im
Vordergrund. Konsumkontrolle ist
deswegen Ziel und nicht Voraussetzung
des Einstiegs in die Hilfeplanung.
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These III:
In einem personenzentrierten Ansatz
erwartet der Klient ein integratives
Hilfeangebot (Beispiel: Substitution).
Es kann nicht sein, dass das
Suchthilfesystem den Patienten wg. der
psychischen Störung ablehnt und der
Nervenarzt den Patienten wegen der
Konsumphase nicht behandeln will.
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These IV:
In einem personenzentrierten Ansatz
orientiert sich das Hilfesystem an den
subjektiven Bedürfnissen seines Klienten.
Hilfeplanung muss deswegen flexibel und
individuell sein.
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These V:
Die Qualität eines Hilfesystems misst sich
daran, wie weit es in der Lage ist, den
schwierigsten Patienten ein tragfähiges
Integrationsangebot zu machen.
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Cave !
Community Reinforcement Approach
• ist sehr alltagsnah
• beschäftigt sich viel mit sozialen Fragen,
Krisen und Konflikten
• ist theoretisch wenig anspruchsvoll
• ist auch wirksam, wenn er nicht
erwerbsmäßig betrieben wird
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Fakt ist aber auch:
Community Reinforcement Approach könnte
in einem großen Teil der Fälle
• bei entsprechender sozialer Kompetenz
und psychosozialer Vorbildung mit relativ
wenig Weiterbildung angewandt werden
• grundsätzlich nicht nur von Ärzten und
Psychologen, sondern auch von anderen
psychosozialen Berufsgruppen wie
Sozialarbeitern erlernt und angewendet
werden
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Diese Überlegung deckt sich mit den
jüngsten Thesen des
Sachverständigenrates zur Begutachtung
der Entwicklung im Gesundheitswesen
zum Thema
„Kooperation und Verantwortung“
in dem die Voraussetzungen einer
zielorientierten Gesundheitsversorgung
beschrieben werden sollen.
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Im Mittelpunkt des Gutachtens stehen
• die Ausgaben bzw. die Leistungsseite der
Gesundheitsversorgung
• Effizienz- und Effektivitätsreserven
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Voraussetzungen für eine zielorientierte
Gesundheitsversorgung:
• Kooperation zwischen Leistungserbringern
und Kostenträgern
• klar geregelte Verantwortlichkeiten, die
den fachspezifischen Qualifikationen der
an den Prozessen gesundheitlicher
Leistungserstellung Beteiligten Rechnung
tragen
• Optimale Ressourcenallokation
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„Der Weg dorthin setzt jedoch bei allen
Gesundheitsberufen die Bereitschaft voraus, im
Rahmen neuer, teamorientierter Arbeitsformen
zu einer Neuaufteilung der Tätigkeitsfelder
entsprechend der Qualifikation zu kommen und
die entsprechende Verantwortung zu
übernehmen.“
Gutachten (2007) Kurzfassung S. 11
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„Die Begründung einer neuen Aufgabenverteilung
sollte aus dem Abbau derzeitiger
Versorgungsdefizite und einer Verbesserung von
Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung
von Patieninnen und Patienten hergeleitet
werden.“
Gutachten (2007) Kurzfassung S.16
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„Um eine Verbesserung von Effizienz und
Effektivität der Gesundheitsversorgung zu
erzielen, reicht allerdings in sektoraler Hinsicht
die reine Integration von Krankenhäusern und
ambulanten Ärzten nicht aus, es bedarf vielmehr
zusätzlich geeigneter Anreizstrukturen und einer
outcome-orientierten Koordination aller an der
Gesundheitsversorgung Beteiligten.“
Gutachten (2007) Kurzfassung S. 12
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Die Implementation des CRA erfordert
• Eine konzeptionelle Planung von der am Patienten
orientierten Aufgabenstellung her
• Überwindung der Grenzen zwischen stationär, teilstationär
und ambulant
• Überwindung der Grenzen zwischen GKV-finanzierter
Akutbehandlung, Rehabilitation, Arbeitsförderung und
Eingliederungshilfe
• Überwindung der Grenzen zwischen den beteiligten
Professionen in verschiedenen Hilfefeldern
• Dienstleister ist das Team und nicht eine Gruppe auf
professionelle Abgrenzung bedachter Berufsgruppen
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Konkret bedeutet das:
Die Aufgabenstellung orientiert sich am Bedarf des
Patienten (s. Zufriedenheitsskala) und beinhaltet
u.a. die Vermittlung neuer Kompetenzen,
Ressourcenaktivierung in Partnerschaft und
Familie sowie die Unterstützung bei der
Vermittlung von Beschäftigung, Wohnraum und
Freizeitaktivitäten
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Zu den konkreten Beispielen:
Zielsetzung nach
Zufriedenheitsskala und „GoalSetting“:
• Aufbau tragfähiger
sozialer Kontakte
• Unterstützung in der
Freizeitgestaltung
• „Harm reduction“ im
Umgang mit
Rauschmitteln
• Etablierung eines
tragfähigen Wohn- und
Lebenskonzeptes
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Versorgung und Behandlung
„schwieriger“ Patienten:
Wer ist dafür verantwortlich ?
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… jeder nach seinen Kräften
und Möglichkeiten !
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Herzlichen
Dank !!!
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Ehrenamtliche Initiative:
z.B. das Patenschaftsmodell
in Augsburg
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StellungnahmeKlinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel
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