Autismus Elterntraining, Frankfurt , 12, 2004

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Transcript Autismus Elterntraining, Frankfurt , 12, 2004

Entwicklung und Evaluation eines psychoedukativen
Elterngruppen-Trainingsprogramms
für Familien mit autistischen Kindern
Beitrag für: 3. Internationales Symposium zur
Intervention bei autistischen Störungen, J. W.
Goethe-Universität Frankfurt/M., 08-12-2004
Paul Probst
(Fachbereich Psychologie, Universität Hamburg)
 Unter Mitwirkung von Frau Dipl.-Psych. Susanne Elefant im Rahmen des
DFG-Projekts „Entwicklung eines psychoedukativen Trainings für Eltern
autistischer Kinder und von Verfahren zur Trainingsevaluation: Eine
Pilotstudie (323-8-1)
1. Theoretischer Hintergrund
Nach Rossi, Lipsey & Freeman (2004) sind bei ProgrammEntwicklung und Programm-Evaluation folgende zentrale
Aspekte zu berücksichtigen
 Einschätzung der gesellschaftlichen Bedürfnislage
 Bewertung der Programm-Theorie
 Wissenschaftliche Begründung des Konzept-Rahmens und der
Methodenauswahl
 Programm-Ziele
 Prozess-Evaluation
 Evaluation der Programm-Effektivität („impact“)
 Sind Effekte klinisch bedeutsam?
 Unerwünschte Nebenwirkungen?
 Evaluation der Programm-Effizienz („efficiency“)
 Verhältnis von Programm-Kosten und Wirksamkeit
1.1 Gesellschaftliche Bedürfnislage


Existenz zahlreicher Belege in der internationalen Forschungsliteratur für
anhaltende Nachfrage nach professioneller Unterstützung von Familien durch
Elterntraining und Elternberatung, z. B.:
 Nordamerika (Marcus et al., 1997; Koegel et al., 1992)
 Lateinamerika (Mayo, 1996)
 Asien (Bernard-Opitz, 1992; Kuo-Tai & Xiao-Ling , 1997; Chinese Parent
Organization (2004)
 Deutschland (Schmidt, 1997, Häußler, 1998, Probst 1997)
Ursachen für Bedürfnis nach professioneller Unterstützung in Familien
 Hohes und dauerhaftes Belastungsprofil der Eltern wegen autismusspezifischen
(z. B. Bestehen auf Ritualen) und autismusassoziierten Verhaltensweisen (z. B.
hyperaktive Unruhe)
 Stigmatisierungserlebnisse durch Fortbestehen (überholter) psycho- und
soziogenetischer Autismus-Ätiologien sowohl im Professionellen-Sektor als
auch im Laienbereich (Öffentliche Meinung, Populär-Medien)
 Kontinuierliche Verunsicherung durch Propagierung von
pseudowissenschaftlichen Erklärungsansätzen (z. B. „Gestützte
Kommunikation“. Biermann, Bober & Nußbeck, 2002; Probst, in Druck; oder
„Auditory Integration Training“, kritisch: Mudford et al., 2000).
1.1 Gesellschaftliche Bedürfnislage
 Häufige Folgen der beschriebenen situativen Konstellation sind:
Einschränkung des „Kohärenzbewußtseins“ („sense of coherence“,
Antonovsky, 1993) und damit erhöhtes Risiko für die Erhaltung der seelischen
Gesundheit („Salutogenese“). Folgende drei Faktoren tragen tragen nach
Antonovsky zur Stärkung des Kohärenzbewusstseins bei : Schwere
Herausforderungen des Lebens werden
 (a) als gefühlsmäßig („innerlich“) nachvollziehbar erlebt,
 (b) als verstandesmäßig durchschaubar erfahren
 (c) als bewältigbar oder tragbar („manageable“) empfunden (durch
eigene Aktionen, Unterstützung durch Andere oder religiöse Mächte)
 Inkongruente Informationen zu Ursachen und Folgen autistischer
Entwicklungsstörungen durch Professionelle bedrohen „Sense of Coherence“
besonders (Kognitive & emotionale Dissonanzen)
1.2 Konzeptrahmen des Elterntrainings:
Bewertung der Konzept-Elemente-1
 Ätiologische Einordnung: Entwicklungsstörungen des AutismusSpektrums sind durch genetische (vermutlich: polygenetischrezessive Vererbung) und medizinische (prä-, peri- und postnatale)
Faktoren verursacht, die eine abweichende cerebrale Entwicklung
zur Folge haben. Autismus ist eine neurobehaviorale, meist
dauerhafte Störung („Behinderung“) (Bailey et al., 1996), die durch
das Verhaltenssyndrom „Einschränkung sozialer Interaktion“,
„Kommunikation/ Sprache“ und „Verhalten/ Interessen“ definiert
ist.
 Annahmen zu psychologischen Interventionen bei Autismus:
Ausprägung und Verlauf von Autismus sind durch psychologische,
vorwiegend „rehabilitative“ („remedial“) Interventionen
beeinflussbar. Nach dem theoretischen Stand der
Entwicklungspsychopathologie ist von komplexen Interaktionen
zwischen Umwelt und Person, Genotyp und Phänotyp auszugehen
(Niebank & Petermann, 2000). Interventionen sollen auf störungs-,
phasen- und kontextspezifische Gültigkeit überprüft werden (z. B.
Intervention in sensibler Phase).
1.2 Konzeptrahmen des Elterntrainings:
Bewertung der Konzept-Elemente-2
 Auswahl evidenz-basierter
Interventionsmethoden und -perspektiven
zur Rehabilitation und Therapie des
autistischen Kindes
 Methoden aus dem Bereich der
Breitspektrums-Verhaltenstherapie (Grawe
et al. 1997; Reinecker, 1999; Borg-Laufs,
1999; Ardila, 2000; Bregman & Gertz,
1997; Baving & Schmidt, 2001).
 Antezedente Interventionen
(implementiert vor dem Auftreten des
Zielverhaltens, „ecological
interventions“, „setting event
interventions“, z. B. Visualisierung von
Regeln; Aufgaben-Gestaltung)
Bsp.: Visualisierung der Regel:
Keine lauten Geräusche machen
1.2 Konzeptrahmen des Elterntrainings:
Bewertung der Konzept-Elemente-3
 Auswahl von Methoden und Perspektiven
 Konsequenz-basierte Interventionen (folgen auf Verhalten, z. B. soziale
Verstärkung: Lob, „Operantes Lernen“)
 Interventionen zum Erwerb von Fertigkeiten („skill acquisition“) (ModellLernen, meist in Kombination mit antezedenten und konsequenziellen
Verfahren
 Training von Sprache und Kommunikation
 Training Sozialer Fertigkeiten
 Selbst-Management-Training
 Respondentes Lernen (z. B. Entspannungsverfahren)
 Ökologische und System-Perspektive:
 Alle maßgeblichen Autismus-Forschungszentren (Lovaas, USA; Schreibman & Koegel, USA;
Schopler, USA; Howlin & Rutter, UK (vgl. Metaanalyse, Probst, 2001) haben Belege geliefert
für die Effektivität von Mehr-Komponenten-Ansätzen, bei denen prinzipiell die sozialen
Systeme, in denen das Kind lebt, berücksichtigt werden: Familie, Kindertagesheim, Schule,
Arbeitsstelle, Wohnheim, kommunale Umgebung und soziale Makrosysteme (z. B. Rechtswesen,
Wissenschaft)
 Elterntraining und Eltern-Breitbandberatung („erweitertes Training“, Borg-Laufs, 1999, Probst,
2003)
 Lehrertraining (Leppert & Probst, 2005; Probst, 2004)
1.2 Konzeptrahmen des Elterntrainings:
Bewertung der Konzept-Elemente-4
 Auswahl von Methoden und Perspektiven
 Schaffung einer ausbalancierten Beziehung zwischen Professionellen und Eltern
nach dem Mediatoren-Konzept: (Tharp & Wetzel, 1969; Reinecker, 1999;
Probst, 1999): Eltern wenden das psychoedukative Wissen, welches sie in
Training und Beratung durch Experten („indirekte Intervenierende“) erhalten
haben, in der natürlichen Umwelt ihres Kindes an: Sie sind „Vermittler“
(„Mediatoren“), die Wissen und Fertigkeiten an Familie und Kind - in Einklang
mit Elternrolle! – weitergeben als „direkte Intervenierende“ im familiären
Alltag
 Schopler (1997) hebt im Rahmen des TEACCH-Konzepts (Treatment and
Education of Autistic and related Communication handicapped Children)
drei Rollenaspekte der Eltern-Professionellen-Beziehung hervor:
 Eltern als Schüler der Professionellen (wissenschaftliches und berufliches
Wissen)
 Eltern als Lehrer der Professionellen (Alltagswissen)
 Eltern als wechselseitige Lehrer von Eltern (in Gruppentrainings z. B.)
 Schaffung einer akzeptierenden, empathischen, motivierenden und
transparenten Beziehung zwischen Professionellen und Eltern/ Kind als Basis
und Voraussetzung aller interventiven „Einzel-Komponenten“ (Tausch, 1998,
Reinecker, 1999).
1.3 Programmziele und Fragestellungen
 Oberziele des Eltern-Gruppentrainingprogramms
 Aneignung von persönlichem Erfahrungswissen (durch
gegenseitigen Austausch der Eltern)
 Erwerb von praktischen Strategien und Fertigkeiten im
erzieherischen Umgang mit Kind
 Aneignung von Störungs- und Behandlungswissen
 Empirische Hauptfragestellungen der Studie
 Beurteilung der Qualität der Trainingsdurchführung
durch die Eltern
 Beurteilung der Programmeffekte durch die Eltern
Eltern-Kind-Beziehung
 Familiäre Adaptation
 Übertragbarkeit von praktischen Trainingsinhalten auf
Alltag
2. Methoden: Tab. 1: Methoden-Merkmale der Studie
MethodenMerkmale
Autismus-Eltern-Gruppentraining
KinderStichprobe
N= 23 Kinder (14= 61% Jungen), M-Alter= 8.9 J. (SD= 9.2, Range= 4-16 J.), Frühkindlicher Autismus
(ICD-10): 96%, Atypischer Autismus (4%). Ergebnisse aus:  Strukturierter Biographischen
Elternfragebogen (50 Items): 40% der Kinder nach Angaben der Eltern nichtsprechend; weitere 20%
in Sprache sehr eingeschränkt; 32% Epilepsie; 30% in Integrationskindergarten, 66% in Sonderschulen
für Geistig- und Körperbehinderte; 86% vollzeitig in Familie, 14% in Werktags-Internatsschule.  PräTrainings-Merkmale: 48-Item-Kind-Symptom-Fragebogen , korrespondierender 48-Item-ElternBelastungs-FB (3-stufige Rating-Skalen und 25-Item-FB „Auswirkungen der Behinderung auf
Familie“, siehe Tab. 3 und Tab. 4)
ElternStichprobe
24 Eltern (80% Mütter), beide Elternteile bei 1 Kind, sonst je 1 Elternteil. M-Alter= 39.3 J. (SD= 9.2,
Range= 24-52 J. )
TrainingsSetting
Gesamtdauer: 24h (3 Samstage im Abstand von 4-5 Wo.); Durchführung in drei Elterngruppen mit je 313 Teilnehmern; Orte: Potsdam; Ibbenbüren (NRW), Hamburg. – Manualisiertes Curriculum (s. Tab. 3)
Drop-Out
92% der Eltern nahmen an mindestens 2 Seminartagen teil. Die Drop-out-Quote betrug 8%
StudienDesign
Ein-Gruppen-Prä-Post-Follow-up-Design. Prä-Post-Dauer: 3 Mo., Post-Follow-up-Dauer: 3 Mo.
ProzessEvaluation
8-Item-Fragebogen mit 4-stufigen bipolaren Ratingskalen (1= zufrieden, 2= eher zufrieden, 3= eher
unzufrieden, 4= unzufrieden). Bereiche: „Trainerverhalten“, „Gruppen-Klima“, „Globaleinschätzung“
OutcomeEvaluation
23-Item-Elternfragebogen zur Bewertung der Elterntrainingseffekte auf den Alltag in der Familie (3stufige Likert-Skalen: 1= trifft gar nicht/wenig zu“, 3= trifft stark/ sehr stark zu“). Bereiche: „ElternKind-Interaktion“, „Belastung der Eltern“, „Familienklima“.
2. Methoden: Tab. 2a: Prä-Training-Merkmale: Ergebnisse aus
48-Item-“Kind-Symptomverhalten & Eltern-Belastung“ –FB (Auswahl)
ItemNr.
Kind-Symptom-Verhalten:
Häufigkeit von
Symptomverhalten:
„manchmal (2) oder
„häufig/immer (3)“ in %
[„häufig/ immer“ (3) in %]
Intensität der ElternBelastung:
„mäßig (2) oder „sehr
belastend (3)“ in %
[„sehr belastend“ (3)
in %]
Mein Kind:
07
lebt in seiner eigenen, für andere
schwer erreichbaren Welt
85 [53]
78 [61]
10
spielt lieber allein als mit anderen
Kindern
85 [60]
78 [40]
11
wird von anderen Kindern nicht zum
Mitspielen eingeladen
85 [56]
78 [17]
12
benimmt sich anderen Kindern
gegenüber aggressiv (z. B. durch
Hauen, Treten, Beißen).
85 [11]
78 [39]
13
hat schwere Wutanfälle
85 [11]
78 [56]
14
zeigt Mangel, seine Wünsche und
Bedürfnisse durch sprachliche
Äußerungen zu signalisieren
85 [40]
78 [44]
18
reagiert beim vergeblichen Versuch,
sich mitzuteilen, schnell enttäuscht
85 [20]
78 [42]
2. Methoden: Tab. 2b: Prä-Training-Merkmale: Ergebnisse aus
48-Item-“Kind-Symptomverhalten & Eltern-Belastung“ –FB (Auswahl)
Item Kind-Symptom-Verhalten
-Nr.
Mein Kind:
Häufigkeit von
Symptomverhalten:
„manchmal (2) oder
„häufig/immer (3)“
in %
[„häufig/ immer“ in
%]
Intensität der
Eltern-Belastung:
„mäßig (2) oder
„sehr belastend (3)“
in %
[„sehr belastend“ in
%]
28
Kind untersucht Gegenstände durch Lecken,
Riechen oder Schmecken.
80 [40]
65 [35]
35
verletzt sich selbst, indem es sich z.B. mit der Faust
auf den Kopf schlägt, sich beißt, mit dem Kopf auf
den Fußboden oder gegen die Wand schlägt.
55 [10]
61 [39]
36
beharrt auf bestimmten "Ritualen " und festgelegten
Abläufen, z. B beim Anziehen
85 [50]
63 [26]
37
regt sich bei Veränderungen, spontanen Aktivitäten
oder Abweichungen vom alltäglichen Ablauf auf.
70 [35]
61 [32]
45
ungehorsam ("hört nicht") und erkennt keine
Grenzen an
90 [45]
69 [53]
46
verhält sich in der Öffentlichkeit auffällig.
90 [37]
72 [39]
47
stört durch seine Unruhe und Zappeligkeit.
85 [40]
67 [17]
2. Methoden: Tabelle 3a: Prä-Training-Merkmale: Ergebnisse aus
25-Item-“Auswirkungen der autistischen Behinderung auf die Familie“-FB (Auswahl)
ItemNr.
Item-Inhalt (3-stufige Likert-Skalen: 1= trifft gar nicht/ wenig
zu“, 2= „trifft in mittlerem Umfang zu“, 3= „trifft stark sehr
stark zu“
Häufigkeit
von „2 oder
3“ in %
[Häufigkeit
von „3“ in %]
01
Mein Kind stellt durch seine Verhaltensprobleme und seine
Unselbständigkeit laufend hohe Anforderungen an mich
100 [58]
04
Durch die laufenden Anforderungen fühle ich mich häufig erschöpft
90 [37]
05
Durch die laufenden Anforderungen habe ich häufig körperliche
Beschwerden
53 [21]
07
Durch die laufenden Anforderungen bin ich häufig angespannt und nervös
95 [32 ]
08
Andere Familienmitglieder müssen wegen unseres behinderten Kindes auf
vieles verzichten
48 [16]
10
Durch unser behindertes Kind gibt es mehr Probleme in unserer Ehe/
Partnerschaft als vorher
67 [11]
14
Ich und meine Familie sind immer wieder mit der Betreuung unseres Kindes
überfordert, so dass wir mehr Hilfe von außen bräuchten
74 [21]
19
Die Bedürfnisse des behinderten Kindes stehen im Mittelpunkt des
gesamten Familienlebens
95 [42]
2. Methoden: Tabelle 3b: Prä-Training-Merkmale: Ergebnisse aus
25-Item-“Auswirkungen der autistischen Behinderung auf die Familie“-FB (Auswahl)
Item- Item-Inhalt
Nr.
Häufigkeit von
„2 oder 3“ in %
[Häufigkeit von
„3“ in %]
09
Ich und die anderen Familienmitglieder werden durch das behinderte
Kind oft innerlich bereichert
79 [42]
16
Der gute Familienzusammenhalt hilft mir häufig bei der Bewältigung
der täglichen Aufgaben
84 [63]
17
Die enge Beziehung zum Kind gibt mir Kraft
100 [58]
18
Das Bemerken von kleinen Fortschritten in der Entwicklung des
Kindes gibt mir Kraft.
90 [79]
20
Ich habe die starke Hoffnung, dass wir die Entwicklung unseres Kindes
günstig beeinflussen und seine Verhaltensprobleme lindern können.
94 [68]
21
Ich habe die starke Hoffnung, dass Fachkräfte (...) die Entwicklung
unseres Kindes günstig beeinflussen und seine Verhaltensprobleme
lindern können.
94 [68]
23
Ich erwarte und hoffe, dass mein Kind in seiner Entwicklung so weit
voranschreitet, dass es später unter dauerhafter pädagogischer
Betreuung in einer Kleingruppe wohnen und arbeiten kann.
94 [72]
2. Methoden: Zusammenfassende Beschreibung der ElternStichprobe nach den Ergebnissen der Prä-Training-Merkmale
 Als maximale Belastungen werden von Eltern wahrgenommen:
„autistische Unzugänglichkeit“, „sprachliche
Kommunikationsprobleme“, „Wutanfälle“ und “mangelnde
Compliance“;
 Alle Eltern sehen sich kontinuierlichen hohen Anforderungen
ausgesetzt, die bei fast allen häufig zu Erschöpfung führen;
 Zu den wichtigsten Ressourcen werden gezählt: „Beziehung zum
Kind“ und „Bemerken von kleinen Fortschritten“;
 Die große Mehrheit der Eltern setzt positive Erwartungen in die
spätere Zukunft des Kindes (Leben mit pädagogischer Unterstützung)
 Die große Mehrheit der Eltern erwartet, dass die
Verhaltensprobleme des Kindes durch professionelle Hilfe gelindert
werden können.
2. Methoden: Tabelle 4: Curriculum des Eltern-Gruppentrainings: Überblick
Curriculum-Ziele des Psychoedukativen Eltern-Gruppentrainings: Theoretischer Teil
 1.1 Aneignung von Wissen über Erscheinungsbild, Wesen (Informationsverarbeitung, Bedürfnis
nach strukturierter Umwelt), Diagnostik und Klassifikation von Autismus
 1.2 Wechselseitiger Erfahrungsaustausch der Eltern über die Entwicklung von und den
Umgang mit autistischen Verhaltenssymptomen bei ihrem eigenen Kind.
 2. Aneignung von Wissen über Ursachen des Autismus (Genetische Ursachen, prä- und
postnatale Faktoren; empirische Studien zur Überprüfung psychogener Ursachentheorien)
 3. Aneignung von Kenntnissen über Ziele, Theorien und Methoden von
Behandlungsmethoden in Therapie und Rehabilitation:
 3.1 TEACCH-Ansatz (Treatment and Education of Autistic and related Communication
handicapped Children")
 3.2 Kognitiv-behavioraler Ansatz (Breitband-Verhaltenstherapie/ Verhaltens-Modifikation
 3.3 Personenzentrierter Ansatz
 4. Sensibilisierung für Familienbelange, die sich aus der autistischen Entwicklungsstörung
ergeben: Lassen sich die Bedürfnisse aller Familienmitglieder, auch die der Eltern, Geschwister
und anderer Angehöriger in Einklang bringen? Welche Erfahrungen liegen vor? Probleme von
Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Autistischer Störung
2. Methoden: Tabelle 4: Curriculum des Eltern-Gruppentrainings:
Curriculum-Ziele des Psychoedukativen Eltern-Gruppentrainings: Praktischer Teil
 5. Erwerb von praktischen Strategien und Fertigkeiten zur Förderung und zum
Verhaltensmanagement des autistischen Kinds in Familie und Öffentlichkeit:
 5.1 Gestaltung der räumlichen und gegenständlichen Umwelt des Kindes
 5.2 Gestaltung von Tagesplänen zur visuellen Strukturierung des täglichen
Geschehens
 5.3 Gestaltung von Arbeits- und Tätigkeits-Plänen als visuelle
Strukturierungshilfen bei der Durchführung verschiedener Tätigkeiten
 5.4 Unterstützung des Lernens durch die Technik der verbalen, gestischen und
physischen Hilfestellung und der anschließenden Ausblendung der Hilfestellung).
 5.5 Unterstützung des Lernens durch die Technik der "Aufspaltung einer Aufgabe
in kleine Schritte"
 5.6 Unterstützung des Lernens durch Verstärkung von Zielverhalten und
Nichtbeachtung oder Bestrafung von unerwünschten Verhaltens
 5.7 Stärkung der Lernmotivation durch Erstellung von entwicklungsgerechten
Aufgaben, die vom Kind als sinnvoll erlebt werden: Gewährleistung von Klarheit
und Einfachheit der verbalen oder visuellen Aufgabeninstruktion.
 5.8 Strategien und Methoden zur Förderung von Sprache, Kommunikation und
sozialen Fertigkeiten
2. Methoden: Curriculum: 2. Ursachen: Beispiel aus Training-Begleitmaterialien
Abbildung Veranschaulichung der rezessiven („zurückweichenden") Vererbung
am Beispiel der PKU-Behinderung (= Gehirn-Stoffwechselerkrankung,
die unbehandelt meist zur Intelligenzminderung („Geistige Behinderung“) führt)
MUTTER:
PKU-Plus
PKU-Minus
VATER:
PKU-Plus
PKU-Minus
Samenzelle 1:
PKU-Plus
Samenzelle 2:
PKU-Minus
KIND 1
PKU-Plus
PKU-Plus
KRANK
Eizelle
1:
PKUPlus
KIND 2
PKU-Minus
PKU-Plus
GESUND
Eizelle
2:
PKUMinus
2. Methoden: Curriculum: Beispiel aus TrainingBegleitmaterialien: 5.3. Gestaltung von Tätigkeitsplänen
durch visuelle Strukturierung und 5.8 Förderung sozialer
Kompetenzen (soziale Regeln erkennen)
2. Methoden: Curriculum: Beispiel aus TrainingBegleitmaterialien: 5.3. Gestaltung von Arbeitsablauf-Plan
durch visuelle Strukturierung
Arbeitsablaufplan (links): (1) Quadrat-Karte
führt zu Lego-Kiste: Lego-Bauen (z. B.
Nachbauen nach Muster); (2) Spielen-Karte
führt zu Pausen-Ecke (Musikhören, Freies
Spiel)
2. Methoden: Eltern-Gruppentraining: Didaktische
Methoden: Demonstration, Übungen (z. B. „Tagesplan
erstellen“), Diskussion
3. Ergebnisse: Prozess-Evaluation: Tabelle 5:
Beurteilung der Elterntrainingsdurchführung durch die Eltern
Beurteilung auf 4-stufigen bipolaren
Beurteilungsskalen (1-4):
1= zufrieden 2= eher
(%)
zufrieden (%)
Elterntraining insgesamt1
82
18
Stoffdarbietung1
92
08
Persönliches Engagement des Trainers1
88
12
"Klima" im Elternseminar1
95
05
Zeitliche Strukturierung des Trainingsablaufs1
68
30
Chance, selbst zu Wort zu kommen1
89
11
Persönliches Wohlbefinden1
94
06
Qualität der Curriculum-Inhalte2
78
20
Gestaltung des Trainings-Manuals1
87
11
1 arithmetisch
2
gemittelt über die 3 Trainings-Tage;
arithmetisch gemittelt über die fünf Hauptbereiche des Curriculums, s. Tab. 4
3. Ergebnisse: Effekt-Evaluation: Tabelle 6: Ergebnisse des
23-ItemFollow-up-Fragebogens "Auswirkungen des Elterntrainings auf den Alltag in der Familie"
Items (3-stufige unipolare Beurteilungsskalen: 1-3)
2= Trifft in
mittlerem
Umfang zu
(%)
3= Trifft
stark/sehr
stark zu
(%)
(2)+(3)
(%)
1. Alles in allem hat das Elterntraining dazu beigetragen, dass der
alltägliche Umgang mit dem Kind erleichtert wurde.
84
5
89
2. Das Elterntraining hat dazu beigetragen, dass ich mein Kind in
seinen Fähigkeiten besser als früher fördern kann
73
16
89
3. Das Elterntraining hat dazu beigetragen, dass ich die
Verhaltensprobleme meines Kindes besser steuern kann.
63
16
79
4. Das Elterntraining hat sich förderlich auf meine körperliche und
seelische Kondition ausgewirkt.
53
26
79
5. Das Elterntraining hat sich förderlich auf das Familienklima
ausgewirkt.
63
5
68
6. Das Elterntraining hat sich vorteilhaft auf die Beziehung unter den
Geschwistern ausgewirkt.
33
0
33
7. Das Elterntraining hat dazu beigetragen, die alltäglichen
Anforderungen und Beanspruchungen zu vermindern.
63
11
74
8. Das Elterntraining hat dazu beigetragen, dass sich mein Kind im
Kindergarten oder in der Schule besser anpasst.
22
00
22
9. Ich konnte Ideen aus dem Elterntraining an andere
Bezugspersonen (Erzieher, Lehrer u. s. w.) weitergeben.
32
42
74
3. Ergebnisse: Effekt-Evaluation: Tabelle 6: "Auswirkungen des
Elterntrainings auf den Alltag in der Familie“- Fortsetzung
Items (3-stufige unipolare Beurteilungsskalen: 1-3)
2= Trifft in
mittlerem
Umfang zu
(%)
3= Trifft
stark/sehr
stark zu (%)
(2)+(3)
10. Die anderen Eltern waren für mich im Elterntraining wichtige
"Lehrer".
53
42
95
11. Der Austausch von Erfahrungen mit anderen Eltern war für mich
hilfreich und nützlich und hat auf mein Verhalten im Alltag
ausgewirkt.
10
90
100
12. Die Beschäftigung mit dem Themenbereich "Erscheinungsbild
und Wesen von Autismus" war für mich hilfreich (...).
47
53
100
13. ( ... ) "Ursachen autistischer Störungen" ( ... ).
47
21
68
14. ( ... ) "Rehabilitation und Förderung: Ziele und Methoden" ( ... ).
42
26
68
15. ( ... ) "Wie kommen die Geschwister und die anderen
Familienmitgliedern zu ihrem Recht?" ( ... ).
28
22
50
16.-23. Die praktischen Anleitungen waren für mich nützlich und
hilfreich, so dass ich sie auf den Alltag übertragen konnte1.
49
19
68
3. Ergebnisse: Effekt-Evaluation:
Freie Aufzeichnungen von Eltern über die Umsetzung von Trainingsinhalten-1
Punkte-(Token)-Programm für „reduzierten Geräusche-Pegel“ für
bestimmte Zeit (Zeitschaltuhr) (Token= Verpackung der LieblingsSchokolade) (Christoph)
3. Ergebnisse: Effekt-Evaluation:
Freie Aufzeichnungen von Eltern über die Umsetzung von Trainingsinhalten-2
Bilder-gestützte Anleitung für häusliche Tätigkeiten (Tischdecken)
(Susanne)
3. Ergebnisse: Effekt-Evaluation:
Freie Aufzeichnungen von Eltern über die Umsetzung von Trainingsinhalten-3
Strukturierung des Kinderzimmers mit Bastel- und Arbeitstisch
3. Ergebnisse: Effekt-Evaluation:
Freie Aufzeichnungen der Eltern über die Umsetzung von Trainingsinhalten-4
Auswahl-Tafel: Kind wählt Beschäftigung aus (Christoph)
3. Ergebnisse: Effekt-Evaluation:
Freie Aufzeichnungen von Eltern über die Umsetzung von Trainingsinhalten-5
Beispiele für Tagespläne (Christoph, Maksim)
3. Ergebnisse: Effekt-Evaluation:
Freie Aufzeichnungen von Eltern über die Umsetzung von Trainingsinhalten-6
Beispiele für Anleitung zur Selbständigkeit (Badezimmer, Hygiene)
(Maksim)
3. Ergebnisse: Effekt-Evaluation:
Freie Aufzeichnungen von Eltern über die Umsetzung von Trainingsinhalten-7
Beispiele für Anleitung zu Kommunikation und
Sprache: Gegenstände, Handlungen
4. Diskussion & Schlussfolgerungen
 In der vorliegenden Studie wird erstmals im deutschsprachigen Sprachraum
ein psychoedukatives, verhaltensorientiertes Gruppentraining für Eltern
autistischer Kinder evaluiert.
 Ein Schwerpunkt des Trainings bestand in der Vermittlung „antezedenter“
Methoden mit dem Ziel, störungs-, phasen- und kontextspezifische Interventionen
(Niebank & Petermann, 2000) zu gewährleisten.
 Es handelt sich dem Wesen nach um eine Pilotstudie, die im Rahmen eines EinGruppen-Prä-Post-Follow-up-Designs durchgeführt wurde.
 Wie es bei einer Pilotstudie zu erwarten ist, sind charakteristische
Einschränkungen der internen Validität (fehlende Vergleichsgruppe,
eingeschränkte „Reichhaltigkeit“ (Grawe et al., 1994) der Outcome-Messung) und
der externen Validität (Freiwilligen-Stichprobe, relativ geringer
Stichprobenumfang) zu berücksichtigen. Trotz dieser Restriktionen sind insgesamt
positive Evaluationsergebnisse hervorzuheben:
 Prozess-Evaluation: „Curriculum-Ziele“, „Trainerverhalten“ und
„Gruppenklima“ wurden von der großen Mehrheit der Eltern (70-90%) positiv
eingeschätzt.
4. Diskussion & Schlussfolgerungen
 Effekt-Evaluation: In der 3-Monate-Follow-up-Untersuchung wurden die Effekte des
Gruppentrainings ebenfalls von der großen Mehrheit der Eltern als positiv eingestuft.
Folgende Kriterien fanden dabei Verwendung: „Eltern-Kind-Beziehung“, „Elterliche
Gesundheit“ und „Familiäre Adaptation“
 Diese Befunde sind konsistent mit den Ergebnissen mehrerer internationaler Studien
(vgl. Probst, 2003, 2004). Sie decken sich auch mit den Ergebnissen einer ähnlich
konzipierten Lehrer-Trainings-Studie für Lehrer mit intelligenzgeminderten autistischen
Kindern in Förderschulen (Leppert & Probst, 2005, Probst, 2004) und einer ebenfalls
konzeptionell verwandten Lehrertrainings-Studie für Lehrer von ADHS-Schülern (Rossbach
& Probst, i. V.; Probst, 2004).
 Die positiven Effekte, die sich hauptsächlich aus Fragebogen-Daten von Eltern ergaben,
sind kongruent mit nicht-systematisch erhobenen Daten, die aus schriftlichen
Aufzeichnungen sowie Photo- und Video-Dokumentation der Eltern stammen.
 Das am Mediatoren-Prinzip orientierte Elterngruppentraining kann als „low-cost“Verfahren“ eingestuft werden, das auch in nichtindustrialisierten Gesellschaften mit
niedrigem Sozial-Budget implementiert werden kann („ efficiency“ des Verfahrens, s. Rossi,
2004).
 Fazit: Die summative Evaluation (Bortz & Döring) deutet insgesamt auf eine substanzielle
soziale und klinische Validität des untersuchten Ansatzes hin und legt eine weitere,
systematische (klinisch kontrollierte, mehr-zentrische) Untersuchung der Methode nahe.