Zur Sprachlichen Situation in der Bretagne

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Zur sprachlichen
Situation in der
Bretagne
Johannes Heinecke, Lannion
Universität des Saarlandes, 6. Juli 2004
Überblick
 Die Sprachen der Bretagne
 Bretonisch: Zuordnung
 Sprachgeschichte, historische Entwicklung
 Typologie des Bretonischen
 Varietäten/Standard
 Literaturüberblick
 Sprecherzahlen, Tendenzen, Status
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Autochtone Sprachen in der
Bretagne
 Französisch
 la langue de la république, offizielle Sprache in ganz Frankreich
 Gallo
 gallo-romanische Sprache/Dialekt
 gesprochen in der Haute-Bretagne (Osten)
 Bretonisch (Brez[h]oneg)
 P-keltische Sprache
 gesprochen in der Basse-Bretagne (Breizh-Izel, Westen)
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Bretonisch: Sprachgenetische
Zuordnung
 Indogermanische Sprachfamilie
 Romanisch, Germanisch, Slavisch, Keltisch, ...
 Keltische Sprachen
 Festlandkeltisch, Inselkeltisch
 P-Keltische vs Q-Keltische Sprachen
 Walisisch (Kymrisch), Kornisch, Bretonisch
 Bretonisch und (das ausgestorbene) Kornisch (Cornwall) bilden eine
enge Gruppe gegenüber dem Walisischen
 Das Bretonische ist in vier Hauptdialektgruppen einteilbar
 Cornouaillais, Léonais; Trégorrois (incl. Gouélou)
 Vannetais
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Verbreitung des Bretonischen
St. Pol de Léon
St. Malo
Lannion
Morlaix
Brest
St. Brieuc
Quimper
12. Jh.
Carhaix
20. Jh.
Rennes
Pondivy
Concarneau
Lorient
Vannes
9. Jh.
Ile de Groix
Belle Ile en Mer
St. Nazaire
Nantes
100 km
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Historische Entwicklung
 Ursprünglich gab es wahrscheinlich eine gemeinsame
Britische Sprache
 Das Vordringen der Angelsachsen trieb die Sprecher des
Britischen in den Westen
 Ab dem 4. Jahrhundert emigrierten Briten nach Amorica
(heutige Bretagne)
 Es gab allem Anschein nach zwei Migrationsphasen:
 4./5. Jahrhundert
 6./7. Jahrhundert
 Eigenständige Weiterentwicklung des Britischen zum
Bretonischen
Literatur:
 Jackson 1953, Lewis und Piette 1966, Schmidt 1993
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Eine andere Hypothese
 Falc’hun (1962, 1963) ist der Meinung, die britischen Immigranten
haben noch Sprecher des Gallischen angetroffen
 Akzentuierung
 Das Bretonisch sei eine Weiterentwicklung des Gallischen aus der
Gegend des heutigen Vannes
 Britisch und Gallisch des 5. Jh. waren untereinander verständliche
Sprachen
 (cf. auch Fleuriot 1980, Humphreys 1992)
 Nichtfranzösische Keltologen teilen diese Meinung in der Regel
nicht
 Parallelitäten zwischen Bretonisch und Kornisch (bzw Walisisch) sind zu
groß
 Über das Gallische weiß man zu wenig um Falc’huns Hypothese zu
bestätigen oder zu verwerfen (cf. LeDuc 1999)
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Sprachgeschichte
 Altbretonisch (bis 1000)
 größte Ausdehnung nach Osten
 Mittelbretonisch (~1000 bis ~1650)
 zahlreiche Texte sind überliefert, besonders Beschreibung der
Leben von Heiligen (Buhez Santez Nonn)
 Erstes bretonisches Wörterbuch von Iehan Lagadeuc (1499):
Catholicon (zugleich auch das erste französische Wörterbuch)
 Die dialektale Gliederung entspricht der Heutigen
 Neubretonisch (ab 1600 oder 1650)
 Orthographische Differenzierung der Phoneme [x] c’h und [š] ch
 Eine späte Periode setzt mit Le Gonidecs bretonischer
Grammatik ein (1807)
 Orthographische Standardisierung (im weitesten Sinne): [k] wird
nicht mehr c oder qu sonder k geschrieben
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Sprachtypologische Beschreibung:
Phonologie
 Die beiden Dialektgruppen (KLT und V) sind sehr unterschiedlich, einen
« offiziellen Standard » gibt es nicht
 Bretonisch ist die einzige inselkeltische Sprache mit den Phonemen [y]
und [oe], sowie mit Nasalvokalen
 Der Kontakt mit dem Französischen ist unübersehbar
 Phoneme, « Liaison »
 Vokalphoneme (verallgemeinert, Press 1986, Guillevic und Le Goff 1902):
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Konsonanten
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Phonologie II
 Das Bretonische kennt wortübergreifende phonologische
Phänomene:
 Stimmlos Auslautkonsonanten werden vor vokalischen
anlautenden Wörtern stimmhaft
bras
„groß”
bras eo
„es ist groß”
yaouank
„jung”
yaouank int
„sie sind jung”
n’eo ket
„es ist nicht (so)”
n’eo ket an ti-se
„es ist nicht jenes Haus”
 Satzakzent
 trigont “lur
 peseurt añv “peus?
 kalz dud zo e-barzh “ker
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„30 franc“
„wie heißt du?“
„viele Leute sind in der Stadt“
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Mutationen
 Syntaktisch bedingte Veränderungen des Anlauts
 ursprünglich phonetisch begründet
 heute mutieren Wörter nach Possessiva, Artikel, Präpositionen
 Nicht alle Mutationen werden in allen Rechtschreibungen
geschrieben
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Morphologische Besonderheiten
 Flektierte Pronomina (in allen inselkeltischen Sprachen)
Grundform
a
„von”
1SG
ac’hanon
„von mir”
2SG
ac’hanout
„von dir”
3SG MASC
anezhañ
„von ihm”
3SG FEM
anezhi
„von ihr”
1PL
ac’hanomp
„von uns”
2PL
ac’hanoc’h
„von euch”
3PL
anezho
„von ihnen”
 Paarbezeichnungen (Heinecke 2001)
lagad
„Auge”
lagadoù
„Augen”
daoulagad
„zwei Augen,
Augenpaar”
daoulagadoù
„Augenpaare”
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Morphologische Besonderheiten (II)
 Maskuline und Feminine Kardinalzahlen
daou baotr „zwei Jungen“
div verc’h „zwei Mädchen“
tri faotr „drei Jungen“
teir merc’h „drei Mädchen“
„besitzen“
pevar faotr „vier Jungen“
peder merc’h „vier Mädchen“
Ti
braz
m‘eus
 Artikel
(einzige keltische Sprache mit indefinitem Artikel)
Haus groß
haben-1SG
ur verc’h „ein Mädchen“
ar verc’h „das Mädchen“
„ich habe ein großes Haus“
un den „ein Mann“
an den „der Mann“
Auxiliar + Partizip (Vorzeitigkeitstempus, Heinecke 1999)
ul loen „ein Tier“
al loen „das Tier“
Dec’h
en deus
Yann gwelet
Mona.
 kaouthaben-3SG-MASK
analytisches Verb für
„haben“
(Auxiliar
gestern
Yann
gesehen
Monaund Possessiv)
Präsens
Präteritum (perfektiv)
„Gestern hat Yann Mona gesehen.“
1 SG
am eus
am boe
2 SG
ac’h eus,
az poe
az peus
3 SG M
en deus
en devoe
3 SG F
he deus
he devoe
1 PL
hon eus
hor boe
2 PL
hoc’h eus
ho poe
3 PL
o deus
o devoe
IMPS
ez eus
e voe
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Syntax
 Inselkeltische Sprachen sind in der Regel verbinitiale
Sprachen
 Unmarkierte Aussagesätze beginnen mit dem (Hilfs)verb
„die Jungs schlafen nicht“
Ne gousk ket ar baotred
 Diese Aussage gilt nur noch mit Beschränkungen für das
Bretonische
 Diskussion: Timm 1991, Delanoy 1990, Favereau 1997
 Dank einer Verbalpartikel a (historisch ein Relativpronomen)
kann das Subjekt ohne weiteres vor dem Verb erscheinen
ar paotr a zo kreñv
Yann a wel ar c’hi
„der Junge ist stark“
„Yann sieht den Hund“
 Das Thema befindet sich am Satzbeginn, unabhängig davon ob
es ein Verb ist oder nicht
Berr eo an devezihoù bremañ
Sirius e oant
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„die Tage sind jetzt kurz“
„sie waren ernst“
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Varietäten
 Vier Hauptgruppen
St. Pol de Léon
St. Malo
 Cornouaillais (K), Léonard
(L), Trégorrois (T) und Vannetais (Gw)
Lannion
Léonard
Morlaix
 Vannetais
von den „KLT“ Dialekten
Trégorrois
Brest deutlich unterschiedlich
Brieuc
 Im Osten des Trégors unterscheidenSt.einige
Dialektologen noch einen
Cornouaillais
fünften Dialekt,
das Gouelou
Carhaix
Quimper
 cf. Jackson 1967, Hemon 1975, Favereau 1997 und Le Rennes
Dû 2001
 Differenzen
Pondivy
Concarneau
Vannetais
Lorient
 Phonetisch/phonologisch: /x/ vs /h/, /#k/ vs /#č/, /z, s/ vs /h/
Vannes
 Lexikalisch
Ile de Groix
 Eine weitere Varietät? Neobreton
Belle Ile en Mer
St. Nazaire
Nantes
100 km
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Orthographiesysteme
 Die wichtigesten Orthographiekonventionen
 Orthographe Unifié (peurunvan oder zedacheg)
 1941 entwickelt um die phonologischen Unterschiede zwischen KLT und Gw
zu erfassen (daher das notorische zh: /z/ in KLT und /h/ in Gw)
 Heute am verbreitesten
 Kritik (Ar Merser 1980): Peurunvan gibt die Aussprache zu ungenau wieder:
plac‘hig: /plahik/ nicht /plaxig/ (gilt für alle Dialekte)
 Nach dem Krieg wurde Peurunvan als „Kollaborationsorthographie“
gebrandtmarkt, da sie während der deutschen Besatzung entwickelt wurde
 Offizielle Orthographie der Universität Rennes (Press 1986)
 Orthographe Universitaire (skolveurieg oder falc’huneg)
 1953 von François Falc‘hun entwickelt um die Schreibung näher an die
Aussprache zu bringen (Falc‘hun 1955, Jackson 1967)
 Zwei Varianten: KLT und Gw
 Offizielle Ortographie der Universität Brest, seit 1955 vom Ministère de
l‘Education Nationale anerkannt
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Orthographiesysteme (II)
 ...
 Orthographe Interdialectale (Assimileg, Morvannou 1975)
 Nahe an der Orthographe Universitaire
 Heut wenig verwendet
 Weitere Vorschläge
 Orthographien nur für das Vannetais
 Hewitt 1986/7 (sehr interessant, aber schwer durchsetzbar, da
komplex)
 Das Dilemma Ternes 1992:384
 « A Breton writer chooses an orthography not for linguistic
reasons, but on the basis of his or her political persuasions. »
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Orthographiebeispiele
Peurunvan
laezh
graet
kaer
dilhad
ur /œr/
brasañ
lazhañ
gwalc’hiñ
taolioù
izelañ
gleb
frouezh
omp
Universitaire
KLT
Gw
lêz, laez
lêh
greet, grêt, groeit
greed, grêd
kaer
kaer
dillad
dillad
eur
ur /yr/
brasa
brasañ
laza/laha
lahein
gwalhi
golhein
taoliou
taolieu
izella
izellañ
gleb
glub,
gloeb
frouez
fréh
om
am
Interdialectale
KLT
Gw
laezh
laezh
graet
gwraet
vannetais
deutsch
traditionnel
leh/leah
„Milch“
groeit
„gemacht“
kàer
dilhad
ur
brassañ
lazañ
gwalc’hiñ
taolioù
isellañ
gleb
kàer
dilhad
ur
brassañ
lac’hañ
golc’hein
taolioù
isellañ
gwleb
frwezh
omp
frwezh
amp
kaer
dillad
ur
brasan
lahein
golhein
taulieu
izélan
glub,
gloeb
fréh
amb
„Stadt“
„Kleidung“
„ein“
„größt“
„töten“
„waschen“
„Tische“
„tiefst“
„feucht“
„Früchte“
„wir sind“
nach Le Dû 2001
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Noch ein Beispiel
 Transliterationen (Morvannou 1975, ohne syntaktische
Anpassungen)
1. Original (Loeiz Herrieu, Gw): Ur horonel neùé e zo kaset demb eùé hag ur homandant [.
2.
3.
4.
5.
6.
. . ] Ha kentih chetu krekeit terhien er papérieu! De naù eur noz éh on ataù é tuein papér.
Dober em behè neoah a ziskuih èl en dud aral.
KLT (1908): Eur c’horonal nevez a zo kaset deomp ivez hag eur c’homandant. Ha
kerkent setu kresket terzienn ar paperiou! Da nav eur noz emaon atav o tua paper.
Ezomm am befe koulskoude a ziskuiz evel an dud all.
Peurunvan: Ur c’horonal nevez a zo kaset deomp ivez hag ur c’homandant. Ha kerkent
setu kresket terzhienn ar paperioù! Da nav eur noz emaon atav o tuañ paper. Ezhomm
am befe koulskoude a ziskuizh evel an dud all.
Universitaire (KLT): Eur horonal nevez a zo kaset deom ivez hag eur homandant. Ha
kerkent setu kresket terzienn ar paperiou! Da nav eur noz emaon atao o tua paper.
Ezomm am befe koulskoude a ziskuiz evel an dud all.
Universitaire (Gw): Ur horonal neùé a zo kaset dem eùé hag ur homandant. Ha kentih
chetu kreskeit terhienn er papériou! De naù eur noz eh on ataù é tuein paper. Dober am
behé neoah a ziskuih èl en dud arall.
Interdialectale (Gw, KLT in Klammern): Ur c’horonal newez a zo kasset dimp iwe hag
ur c’homandant. Ha kentizh (kerkent) setu kreskaet terzienn ar paperioù! Da naw eur nos
eh on (emaon) ataw é tuiñ (o tuañ) paper. Dober (ezomm) ’m behe (befe) neoazh
(koulskoude) a ziskuizh ’vel an dud arall (all).
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Das Problem des Standards
 Es existiert kein von allen Native Speakern anerkannter Standard
des Bretonischen
 Große Divergenz zwischen KLT und Gw
 Muttersprachler können oft Bretonisch nicht schreiben (oder lesen)
 Aufgrund langjährigen staatlichen und kirchlichen Drucks geringschätzen
viele Muttersprachler das Bretonische
 sehr wenig Kinder und junge Menschen sprechen muttersprachlich Bretonisch,
Eltern zogen (und ziehen) es vor, mit ihren Kindern französisch zu sprechen (
vermeintlich bessere soziale Aufstiegschancen)
 Anders als im Walisischen, gab es in der Bretagne nicht die sprachliche
bindende bzw. als Standard anerkennbare Bibelübersetzung (1588)
 Die religiöse Kultur Capeli haben das Walisische durch die Zeiten der
sprachlichen Unterdrückung gerettet
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„Neobreton“
 Die Sprachbewegung für das Bretonisch wurd anfangs
hauptsächlich von nicht-Muttersprachlern getragen
 Elimination von französischen und vermeintlichen französichen
Lehnwörtern (télephone  pellgomz)
 Wenig Kontakt zu der einfachen, bretonischsprachigen Bevölkerung
 Diese ist kann oft Bretonisch nicht lesen, geschweige denn schreiben
  stark französischer Akzent
 Phoneme /r/ und /x/ werden beide [x] realisiert (mehr oder weniger
stimmhaft)
  syntaktische Einflüsse, aber rekeltisiertes Lexikon
 Im Extremfall ist die Kommunikation zwischen Neobretonnants und
Bretonnants schwer (ils ne parlent pas notre langue)
 Anekdote aus einem Sprachkurs
 „Mittwoch“ /dimexexx/ di merc‘hec‘h anstelle von di merc‘her
 cf. Walisisch dydd Mercher
 Unfähigkeit die Phoneme /r/ und /x/ (anders als im Französischen) zu
unterscheiden, beeinflußt die Orthographie
 Aussprache je nach Region: /‘mεrxεr, ‘mε:hər, mər‘hεir, mi‘çœr/
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Normalisierung
 Kein offizieller Standard (außer den Orthographiesystemen
 Daher keine morphologische und syntaktische Normen
 wenig hilfreich um die divergierenden Tendenzen von bretonnants und
néobretonnants zu konvergieren
 Ofis ar Brezhoneg (http://www.ofis-bzh.org/ )
 Gemeinnütziger Verein (mit staatlichen Zuschüssen des





Kulturministeriums)
Keine „Académie Bretonne“, sondern eher eine Public-Relations-Agentur
Das Ofis unterhält ein Sprachobservatorium, um die Verwendung und
Verbreitung des Bretonischen zu untersuchen
Es versucht das patrimoine linguistique der Bretagne zu bewahren,
welches durch das hohe Durchschnittsalter der Muttersprachler gefährdet
ist
Herausgeber der Keleier Ofis ar Brezhoneg
Normalisierung der Toponyme (cf. Lannon/Lannolon für Lanvolon (22) auf
der selben Straße)
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Sprecherzahlen
 Anzahl der Sprecher des Bretonischen umstritten
 kein offizieller Zensus, keine Definition eines Bretonischsprechers
 ein Enthusiast der gerade trugarez und kenavo sagen kann, kann so als
Bretonischsprecher gezählt werden
 Einige Zahlen (Sprecher  Leser/Schreiber)
 Le Telegramme (1974): 1.500.000 (sic!) Einwohner der Basse-Bretagne
können auf Bretonisch kommunizieren, darunter aber fast keine Kinder
 Ternes 1978: 700.000 Sprecher
 Press 1986: 50.000 bis 100.000 Sprecher
 Broudic 1987, 1992 und 1993:
 660.000 verstehen Bretonisch, 250.000 können es sprechen
 125.000 können Bretonisch lesen, aber nur 55.000 können es schreiben
 Humphreys 1993 (hochgerechnet aufgrund Untersuchungen in Bothoa)
250.000 Sprecher über 15 Jahren
 Umfrage von TMO-Ouest 1997: 240.000 könn(t)en es sprechen, 70.000
sprechen es täglich, davon 60% 60 Jahre alt und älter
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Sprecherzahlen und Aussichten
 Schlechte Zukunftsaussichten (evt. besser für
Neobretonisch)
 Sehr wenig junge Menschen und Kinder (trotz Diwan und Div
Yezh
 Mangelnde Selbstachtung, niedriger sozialer Status der Sprache,
besonders bei Muttersprachlern der „bildungsfernen“ Schichten
 Distanz zwischen Bretonnants und Neobretants
 Le Dû 2000:
 Das Bretonisch verliert jährlich ca. 20.000 Muttersprachler
 Eltern geben ihre Muttersprache nur noch in Ausnahmefällen an
ihre Kinder weiter
 Es ist nicht ausgeschlossen, das mittelfristig nur das künstliche
Neobretonisch überlebt (Morvannou 1980, Broudic 1995)
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Hintergründe
 Seit der Vereinigung Frankreichs mit der Bretagne (16 Jh.)
 Französisch wurde schnell Sprache der Verwaltung und des Adels und






löste das Latein ab. Bretonisch war nie offizielle Sprache
Mit der Revolution verstärkte sich dieses, seit 1793 war Bretonisch in
Schulen verboten.
Die Kirche verwendete Bretonisch nur solange wie die Bevölkerung nicht
genug Französisch verstand, seit dem 1. Weltkrieg gab es keine
monoglotten Bretonischsprecher mehr (Broudic 1995)
„Le Symbole“
Innerhalb von einer Generation verliert eine Familie das Bretonische, nur
das Französische verspricht eine Verbesserung des sozialen Standes
Erst seit 1951 darf das Bretonische (wieder) unterrichtet werden (Loi
Deixonne)
Auch heute ist das Bretonische keine offizielle Sprache, wird jedoch als
kulturelles Erbe nicht mehr ignoriert
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Erziehungssystem
 Schulpflicht in Frankreich seit 1880
 Unterricht in Französisch
 Bis ins 20 Jh. wurden Lehrer und Pfarrer, die Bretonisch sprachen, sanktioniert





(„usage abusif de la langue bretonne“, Broudic 1995)
Le Symbole: Bestrafung der Kinder, die beim Bretonischsprechen erwischt
wurden
Loi Deixonne 1951 zaghafte Besserung
Seit den 1980er Jahren erste Schulen die in Bretonisch unterrichten (écoles
Diwan, Privatschulen, http://diwanbreizh.org)
Öffentliche Schulen mit Bretonischkursen: http://bretagnenet.com/div_yezh)
Aber nur für 5% der Schüler der Bretagne (école maternelle bis lycée) ist
Bretonisch Unterrichtsfach, für 2% ist es Unterrichtssprache
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Medien
 Bretonisch kaum existent
 In großen Tageszeitungen (Le Télégramme, Ouest-France) finden sich ab
und zu bretonische Kolumnen
 http://www.telegramme.com/
 Die Internetausgabe des Télégramme hat eine Zusammenfassung auf
Bretonisch (als Mailingliste)
 Einige lokale Radiostationen senden einige Stunden pro Woche auf
(Neo)Bretonisch (Radio France Bretagne Ouest, Radio Bleu Breizh Izel)
 http://www.antourtan.org/radio_fr.html
 TV: weniger als eine Stunde pro Woche, selbst der private Sender TV-Breizh
sendet lieber Sport als Bretonisch
 http://tv-breizh.com/
 Kein Vergleich zu BBC Cymru und Sianel Pedwar Cymru (S4C) in Wales
 http://www.bbc.co.uk/cymru/
 http://www.s4c.co.uk/
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Hörbeispiel
Emañ Erwan Penneg, kazetenner F3 Breizh, oc'h ober ur pennad-kaoz gant ar
skrivagner brezhonek Yann Kerlagad e Brest(lodenn gentañ).
Erwan: Labourat a rit kalz?
Yann: Ya 'vat, labourat a ran kalz bemdez. Kelenn a ran er Skol-Veur, ha studiañ a ran kalz:
lenn a ran e pep lec'h, er gêr, er bus, en ostaleri. Ne ran nemet labourat.
Erwan: Skrivañ a rit e pep lec'h ivez?
Yann: Ne ran ket. Ober a ran er gêr hepken.
Erwan: Gwelout a ran... Ha beajiñ a rit kalz ?
Yann: Ya, beajiñ a ran kalz e Breizh, hag er broioù keltiek all un tammig.
Erwan: Mont a rit alies da Amerika ivez?
Yann: Ne ran ket alies. Mont a ran a-wechoù da Amerika, da Vro-Alamagn, ha da Vro-Japan
ivez.
Erwan: Plijout a ra Bro Japan deoc'h?
Yann: Ya, plijout a ra din kalz. Amerika avat ne ra ket.
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Universität des Saarlandes « Sprachen Frankreichs », 6.7.2004 - 29
Weiterführendes
 Mehr Informationen
 Bibliographie, die Folien dieses Vortrages, ein Aufsatz der zu einem
Kolloquium mit ähnlichem Thema 2002 entstanden ist:
 http://perso.wanadoo.fr/heinecke/breton/
 Website, die dem Bretonischen gewidmet ist (inkl. Sprachkurs,
Grammatik und Wörterbuch:
 http://www.kervarker.org/
 Seiten auf die bereits verwiesen wurde:
 Skolioù Diwan: http://diwanbreizh.org/
 Ecoles public bilingues: http://bretagnenet.com/div_yezh/
 Ofis ar Brezhoneg: http://ofis-bzh.org/
 Le Télégramme: http://www.letelegramme.com/
 TV Breizh http://www.tv-breizh.com/
 Radio http://www.antourtan.org/radio_fr.html
 BBC Cymru http://www.bbc.co.uk/cymru/
 Sianel Pedwar Cymru http://www.s4c.co.uk/
 Mersi bras deoc'h !
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