Perspectives on the Irish Education System

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Transcript Perspectives on the Irish Education System

Das irische Bildungssystem
aus kritischer Perspektive
Arnd Witte,
National University of Ireland
Maynooth
Inhalt
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Irland als zweisprachiges Land
Tertiärer Bildungssektor
FS in Irland
FS in Primar- und Sekundarschule
Probleme der Sprachabteilungen an Unis
Fazit & Ausblick
Gaeltacht-Gebiete in Irland
Irland als zweisprachiges Land
• Etwa 3% der Bevölkerung sprechen Irisch als erste
Muttersprache und gelten als native balanced
bilinguals
• 10% verwenden Irisch aktiv als zweite Muttersprache
und sind somit secondary bilinguals oder neospeakers
of Gaelic (Ó Laoire 2007: 164).
• Irisch Pflichtfach von Primarschule bis Abitur (Leaving
Certificate)
• Irisch verkümmert für die Masse der Bevölkerung zu
einem nicht-identitätsstiftenden, nicht-angewendeten
Überbleibsel irischer Geschichte und Mythologie. De
facto ist Englisch die Muttersprache, Irisch ein eher
oktroyiertes Muss.
Population und Universitäten
• Population der Republik Irland: 4,46 Millionen
• 7 Universitäten (eine Uni auf 637.000 Irinnen
& Iren)
• Großbritannien: 61,11 Mio. Bevölkerung, 132
Unis; d.h. 1 : 463.000
• Bundesrepublik Deutschland: 82,06 Millionen,
250 Universitäten; Verhältnis 1 : 328.000
Irish Times, 01/03/2011
Tertiärer Bildungssektor
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Neben den 7 Universitäten gibt es:
14 Institutes of Technology (Fachhochschulen)
5 Colleges of Education
Einige private Fachhochschulen
Unis sind autonom in Titelvergabe BA, MA,
MLitt, MPhil, PhD; die anderen Institutionen
werden reguliert durch das Higher Education
and Training Award Council sowie Further
Education and Training Awards Council
Tertiärer Bildungssektor
• Ca. 81% aller SchülerInnen in Irland beenden
erfolgreich die Sekundarschule
• Ca. 64 % eines Jahrgangs besuchen eine höhere
Bildungssinstitution
• Geplant: 75% bis 2020
• Immenser Anstieg der Partizipationsrate in
tertiärer Bildung von 11% 1965 auf gegenwärtig
ca. 64%
• Große Klassen mit großer akademischer
Bandbreite
• Modularisierung und Semesterisierung →
Kompaktere Kurse, größere Flexibilität
Higher Education Authority (HEA)
The Principal Functions of the HEA are
• To further the development of higher education.
• To maintain a continuous review of the demand
and need for higher education.
• To assist in the coordination of state investment
in higher education and to prepare proposals for
such investment.
• To allocate among the universities, institutes of
technology and other designated institutions
the grants voted by the Oireachtas (parliament).
• To promote the attainment of equality of
opportunity in higher education and
democratisation of higher education.
HEA
• Neuer Vorsitzender der HEA: John Hennessy
(vorher: Managing Director von Ericsson Ireland)
• Fordert u.a. engere Zusammenarbeit der
Geisteswissenschaften mit der Industrie
• Bedrohung akademischer Freiheit in Forschung
und Lehre
• “A central government agency trying to intervene
with humanities to direct them toward promoting
industry and the ‘smart economy’ is a farcical
endeavour,” said one leading academic.
Irish Times, 12/04/2011
Wirtschaftskrise → ECF
• Writschaftskrise seit 2008 → 20% Gehaltseinbußen bei Angestellten im öffentlichen Dienst,
Reduzierung der Pensionen
• Economic Control Framework (ECF) →
Einstellungsstopp, Beförderungsstopp, Reduktion
der Angestelltenzahl im tertiären Sektor um 6%
(2008-10)
• Gleichzeitig größere Klassen, mehr
Administration → sehr negative Auswirkungen
auf akademisches Klima unter KollegInnen;
Frustration und Demotivation
ECF II (März 2011)
• HEA kann Besetzung von Forschungsposten blockieren,
selbst wenn sie privat oder von der EU finanziert
werden → Massiver Eingriff in Autonomie der Unis
• Keeping staff numbers at an absolute limit of 25,000;
• Redeployment of staff, if necessary from other
colleges, to fill vacancies;
• New appointments to be on a fixed-term basis, with
permanent appointments in exceptional cases.
• “This scheme is mad. It is senseless and destructive. It
harms Ireland’s recovery. And it must be reversed as a
matter of absolute priority.”
Ehemaliger DCU-Präsident von Prondzynski, Irish Times, 22/03/2011
Finanzierung des tertiären Sektors
• State Grants, die vom HEA an Unis und IoTs vergeben
werden (basierend auf FTEs → Wettbewerb)
• Irland gibt 1,2% des BIP für tertiären Bildungssektor
aus (USA 2,7%, Kanada und Luxemburg 2,6%);
OECD- Durchschnitt 1,5%
• Jährliche Zuschüsse von €1,3 Milliarden für 3rd Level
• Projiziert: 2020: €1,8 Milliarden, 2030 €2,25 Milliarden,
um gegenwärtige Resourcen pro Student zu halten
• NUI Maynooth “core grant” pro Student fiel von
€ 4.135 im Jahr 2007/08 auf € 2.459 im Jahr 2009/10
• Mike Jennings, general secretary of the Irish Federation
of University Teachers (IFUT) says that Irish universities
get 50% less Government funding than in the UK to put
students through university.
Forschungsfinanzierung
• Ende der 90er Jahre: Zwei neue Forschungsräte zur
Verteilung von Forschungsgeldern: Irish Research
Council for the Humanities and Social Sciences und Irish
Research Council for Science, Engineering and
Technology
• Zusätzlich Science Foundation Ireland (SFI) 2003:
Forschungsbudget stieg von €11 Millionen im Jahre
2003 auf €114 Millionen 2004
• Steigender Fokus auf Fourth Level → Immatrikulation
von Postgraduates steigt schneller als jene von
Undergraduates
• Etablierung vieler Research Institutes → Frage der
Nachhaltigkeit
• Kombination des nationalen Ziels wissenschaftlicher
Exzellenz mit jenem kommerzieller Relevanz
Forschungskooperation
• Unterentwickelte Infrastruktur sowie geringe Größe des
irischen Forschungssektors → Notwendikeit interinstitutioneller Zusammenarbeit zur Optimierung von
Outcomes, Űberwindung von Limitationen und Vermeidung
von Replikationen (O’Sullivan 2005)
• Institutionen müssen sich gegeneinander um Forschungsgelder bewerben, aber sie müssen miteinander
kooperieren, wenn sie erfolgreich sind
• Das immense Wachstum im Forschungsbereich (vor allem
in den Naturwissenschaften) macht Spannungen und
Kompromisse zwischen Forschung und Lehre deutlicher
• Von Akademikern wird erwartet, ihre traditionelle Rolle als
Lehrende beizubehalten, aber zusätzlich Forschungsunternehmer zu sein, die Drittmittel eintreiben, Forschungsportfolios verwalten, Forscher betreuen sowie ausgiebige
Antrags-, Evaluations- und Kontrollberichte verfassen.
National Strategy Group on Higher
Education Report (2011-2030)
• We need new structures that better reflect the diverse
learning requirements of our students, both those who
enter after the Leaving Certificate, and those who
enter later.
• We need to develop critical mass in our research
capacity, to ensure that we attract the best researchers
and develop world-class capability in high-value niche
areas.
• We need to fund higher education in a sustainable and
equitable manner that will guarantee wider
participation and fairness of access.
• We need structural changes in the higher education
system to ensure greater effectiveness and efficiencies,
and we need to ensure that institutions cooperate and
collaborate to mutual benefit.
Hunt Report - Kritik
• Recommendation that “funding should be based
on national priority-setting exercises” identifying
“a number of thematic areas in which Ireland can
excel, make its mark internationally and maximise
economic and social return”.
• Zu enge Koppelung von universitärer Forschung
und privater Kommerzialisierung derselben
• Emphase auf kolloborativer Forschung →
Marginalisierung von Einzelforschung
• Emphase auf kurzfristige Profite von Investment
in Forschung → Gefahr von Kommerzialisierung
bei gleichzeitiger Vernachlässigung intrinsicher
Forschung
Hunt-Report - Kritik
• Konzentration von Forschung auf “strategic
priority areas” → Vernachlässigung kreativer,
spekulativer Forschung & “thinking outside the
box”
• “Facilitating employer input into curriculum
design and development” → Gefahr des
Verdrängens von Expertise durch BusinessOrientierung; Gefahr der Verdrängung kritischen
Denkens aus Curricula (und Lehre)
• Unis werden als Instrumente zur Befriedigung
kurzfristiger kommerzieller Vorgaben gesehen,
nicht als Institutionen zweckfreien und kritischen
Denkens, Lehrens und Forschens
Studiengebühren
• Keine Studiengebühren im Undergraduate
Bereich, aber Immatrikulationsgebühr von € 2000
pro Jahr
• Studiengebühren im Prinzip politisch gewollt,
z.Zt. aber sozial nicht durchsetzbar
• ‘UCD president Dr Hugh Brady has said the
quality of undergraduate education cannot be
maintained if funding levels are not increased to
reflect the greatly increased numbers of
undergraduate admissions. Current spending on
higher education in the Republic is already some
28 per cent below many leading states.’
Irish Times, 30 May 2011
Fremdsprachen in Irland
• Weit verbreitete Haltung: “English is enough” →
keine Notwendigkeit des FL
• Keine explizite oder koordinierte Fremdsprachenpolitik
• Irland ist das einzige europäische Land, in dem
Fremdsprachenlernen nicht Pflicht ist
• FS noch als NUI Immatrikulationsbedingung
• Nur 8% der SekundarschülerInnen lernen zwei
oder mehr Fremdsprachen (EU Durchschnitt:
60%)
• Widerspricht der EU Vorgabe von MS + 2FS
Nachteile der ggw. Situation
• Wirtschaftlich (Auslandsmärkte, FDI)
→ zunehmende Klagen der Wirtschaft
• Willy Brandt: ‘If I'm selling to you, I speak your
language. But if I'm buying, dann müssen Sie
Deutsch sprechen.’
• Sozial (FS helfen gegen Xenophobie und
Rassismus; fördert interkulturelles Verstehen)
• Individuell (Denkoffenheit, Relativierung monokulturell geprägter Weltsicht, interkulturelle
Kompetenz)
• Monolingualismus führt zu insularem Leben –
intellektuell, professionell, kulturell
Fremdsprachenlernen in Zahlen
• Fremdsprachen (1,5 h/w) in 412 (von ca. 3.300)
Primarschulen als Pilotprojekt in Primarschulen (davon
97 mit Deutsch)
• → Problem der Lehrerausbildung; kein Curriculum; kein
geregelter Űbergang in Sek.Schule; keine Finanzen
• Junior Cycle (Klassen 6-9) der Sekundarschule: 66% der
SchülerInnen lernen Französisch; 21% Deutsch, 8%
Spanisch
• Senior Cycle (Klassen 11-12, vergleichbar mit der
gymnasialen Oberstufe): 60% lernen weiter
Französisch, 17% Deutsch (leichter Schwund)
• Eine Abiturprüfung (Leaving Certificate) im Fach
Deutsch schrieben in Irland 2001 16,5% der Schüler,
2009 nurmehr 14%
• Umkehr wegen Wirtschaftskrise?
Der kommunikative Ansatz
• Generelle Unterrichtsziele:
• ‘(i) to enable pupils to use German as a
medium for oral and written communication
inside and outside of the classroom;
• (ii) to give pupils a critical awareness of how
meaning is organized and mediated through
the forms and structures of German.’
(Rules and Programme for Secondary Schools 1984-85: 179)
• Emphase liegt auf kommunikativer Kompetenz
zu Lasten grammatischer Korrektheit
Der interkulturelle Ansatz
• Language awareness (incl. L1)
• Cultural awareness (incl. C1)
• ‘It will be clear too that unfamiliarity with the
major cultural reference-points (social,
political, historical, etc.) of the target language
community on the part of a non-native
speaker also can hamper communication’
(Leaving Certificate German Syllabus 1995: 3)
• Emphase auf deklarativem, nicht auf
prozeduralem Wissen
Kommunikative Kompetenz?
• Extreme Prüfungsorientierung im Unterricht
• Auswendiglernen für Bildgeschichte, Rollenspiel und
generelle Konversation (→ enger als Literatur)
• ‘Some candidates did not listen closely to what the
examiner was saying and gave a response they had
prepared no matter what the examiner said. This group
of candidates seemed to expect the role-play to go
according to a set pattern and consequently were
thrown by an unfamiliar word or phrase used by the
examiner. The practice of automatically giving the
prepared response regardless of what the examiner
says interferes with good communication’
(Chief Examiner’s Report German 2006: p. 7)
Language Awareness?
• Keine kooperativen und konstruktiven
Lernmöglichkeiten im Sinne einer ZPD
• Hohe Klassenfrequenz mit großer
Leistungsvarietät hat negativen Einfluss auf
kreativ-produktives Lernpotenzial des subjektiven
Lerners
• Oft fehlt Wissen bzw. Bewusstsein über
linguistisches System der L1
• → FL LehrerInnen improvisieren mit Vergleichen
zum L1 System zwecks Anknüpfungspunkten
Rolle von Literatur?
• Literatur meist als Sprechanlass verwendet
(wenn überhaupt)
• → Ästhetisches und interkulturelles Potenzial von
Literatur wird nicht genutzt
• Literary option suffers ‘extremely low uptake or
no uptake’
(Monitors 1-9, 1998; quoted in Lynch, Alice (1999): Literaturdidaktik: Form
Theory to Practice in the Irish German Language Classroom at Senior Level. An
Apologia for Poetry. An Empirical Study. NUI Maynooth, Unpublished MA
Thesis, p .16)
• ‘Very, very few candidates had read anything in
German’
(Examiner 1 in 1998, quoted in Lynch 1999: p. 16)
Cultural Awareness?
• Wird bestenfalls für deklaratives Wissen
verwendet, nicht aber für prozedurales Wissen
oder kritische Reflexion über C1 and C2
• Interkulturelle “dritte Orte” werden nicht
entwickelt
• ‘Indeed, not only is “Cultural Awareness” a
generally marginal feature of German language
education, but its presence decreases markedly in
significance as learners progress from beginner to
advanced level in second-level German education
in Ireland.’
(Lysaght, Anne Marie (2006): The Progression of Cultural Education in the Irish
Second Level German Language Classroom. In: Harden, Theo; Witte, Arnd &
Dirk Köhler (eds.): The Concept of Progression in the Teaching and Learning of
Foreign Languages. Oxford: Peter Lang, pp. 233-242, here p. 234)
Probleme der Sprachabteilungen
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Generell abnehmende Studentenzahlen
Omnibus Arts Entry
Sehr schwache Sprachkompetenz
Politische Priorität der irischen Sprache
Zusammenlegung von Language Departments in
Schools → Statusreduzierung
• Druck zur Reduzierung von Literaturanteilen
• Druck zur Verwendung von Englisch als
Unterrichtsmedium
• Auslandsjahr oft nicht Pflicht
Fazit
• Sehr hohe Partizipationsrate in Sekundar- und
Tertiärsektor → hohe Klassenfrequenzen
• Fehlender Status der Fremdsprachen in Irland
• Tendenz zur Kommerzialisierung von Forschung
und Lehrplänen
• Massive Sparmaßnahmen → Größere mixed
abilities Klassen, Mehrarbeit & Motivationsdefizit bei Lehrenden, reduzierte Departmental
Budgets
• Druck zur interinstitutionellen Zusammenarbeit
• Einschränkung der Forschungsfreiheit
Ausblick
• Notwendigkeit einer koordinierten nationalen
Sprachenpolitik von Primar- bis Tertiärlevel (incl. FS als
obligatorisches Schulfach)
• Spielerisches Heranführen an FS in Primarlevel
• Abkehr von Prüfungsorientierung im 2nd Level (z.B.
sozial-konstruktionistischer statt instruktionistischem
Lehr-Lernansatz, CLIL, Lehrerfortbildung)
• Abkehr von kurzfristiger Business-Orientierung im
tertiären Sektor (Curricula, Praxis und Forschung)
• Stärkung des Bewusstseins sozialer, gesellschaftlicher,
professioneller und interkultureller Werte von FL in
Gesellschaft