1.Grundl., histor.Hintergrund

Download Report

Transcript 1.Grundl., histor.Hintergrund

Schuldrecht AT, 07.04.2014
PD Dr. Sebastian Martens, M.Jur. (Oxon.)
Gliederungsübersicht
§ 1: Grundlagen:
I. Begriff des Schuldrechts und historische
Grundlagen
II. Die Einteilung der Pflichten im Schuldverhältnis
§ 2: Die Entstehung der Schuldverhältnisse
I. Die Entstehung durch Rechtsgeschäft
1. Einseitige Rechtsgeschäfte
2. Verträge
II. Die Entstehung aufgrund des Gesetzes
§ 3: Der Inhalt des Schuldverhältnisses
I. Arten der Schulden
1. Stück- und Gattungsschuld
2. Geldschuld
3. Zinsschuld
4. Wahlschuld
II. Ort und Zeit der Leistung
III. Art und Weise der Leistungserbringung und der
Grundsatz von Treu und Glauben
IV. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte
V. Vertragsstrafen
§ 4: Das Erlöschen eines Schuldverhältnisses
I. Die Erfüllung (§ 362 BGB) und ihre Surrogate
II. Die Aufrechnung (§ 387 BGB)
III. Weitere Erlöschenstatbestände
§ 5: Leistungsstörungen
I. Die Pflichtverletzung
1. Arten der Pflichtverletzung
2. Folgen der Pflichtverletzung
II. Annahmeverzug (§ 293 BGB)
III. Die Einreden der §§ 273 und 320 BGB
IV. Die Störung der Geschäftsgrundlage
(§ 313 BGB)
V. Die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen
aus wichtigem Grund (§ 314 BGB)
§ 6: Schadensrecht
I. Grundgedanken und Grundbegriffe
II. Verursachung und Zurechnung des Schadens
III. Die ersatzberechtigten Personen
IV. Art und Umfang des Schadenersatzes
1. Der Grundsatz der Naturalrestitution
(§ 249 BGB)
2. Der Ersatz immaterieller Schäden
3. Grenzfälle
V. Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten
§ 7: Das Schuldverhältnis bei der Beteiligung
mehrerer Personen
I. Der Austausch des Gläubigers
II. Der Austausch des Schuldners
III. Gläubiger- und Schuldnermehrheit
IV. Der Vertrag zugunsten Dritter
V. Der Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte
Lehrbücher:
• Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 38. Aufl. 2014
• Canaris/Grigoleit, Lehrbuch des Schuldrechts Band I:
Allgemeiner Teil, 15. Aufl. 2014 (angekündigt)
• Förster, Schuldrecht Allgemeiner Teil: Eine Einführung mit
Fällen, 2. Aufl. 2013
• Hirsch, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 8. Aufl. 2013
• Joussen, Schuldrecht I – Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 2013
• Looschelders, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 11. Aufl. 2013
• Medicus/Lorenz, Schuldrecht I: Allgemeiner Teil, 20. Aufl.
2012
• Weiler, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 2013
• Westermann/Bydlinski/Weber, BGB-Schuldrecht
Allgemeiner Teil, 8. Aufl. 2014
• Wörlen/Metzler-Müller, Schuldrecht AT, 11. Aufl. 2013
Fallsammlungen:
• Fezer, Klausurenkurs zum Schuldrecht - Allgemeiner
Teil, 8. Aufl. 2013
• Köhler/Lorenz, Schuldrecht 1. Allgemeiner Teil, 22.
Aufl. 2014 (angekündigt, Reihe PdW)
• Kornblum/Stürner, Fälle zum Allgemeinen
Schuldrecht, 7. Aufl. 2011
• Schwabe/Kleinhenz, Lernen mit Fällen: Schuldrecht I,
7. Aufl. 2012
Lesenswert zum besseren Verständnis:
• Kötz, Vertragsrecht, 2. Aufl. 2012
• Zimmermann, The Law of Obligations: Roman
Foundations of the Civilian Tradition, 1990
§ 1: Grundlagen
I. Historische Grundlagen und Begriff des
Schuldrechts
1. Der Ursprung des Schuldrechts im römischen Recht
• Der Begriff der obligatio (Obligation, obligation):
„obligatio est iuris vinculum, quo necessitate
adstringimur alicuius solvendae rei secundum nostrae
civitatis iura“ (Inst. III, 13pr.).
• Das Delikt (die Schädigung) als Quelle der ersten
Schuldverhältnisse: Von der Privatrache zum staatlich
geordneten Zugriff auf den Schädiger.
• Die vertragliche Haftung: Von der Selbstverpfändung
zum Anspruch auf Leistung.
• Die Einteilung der Verpflichtungen beim Juristen
Gaius (2. Jh. n. Chr.), Inst. III, 88:
„Wir wollen jetzt zu den Verpflichtungen
(obligationes) übergehen, deren Haupteinteilung
auf zwei Arten zurückgeführt wird, denn jede
Verpflichtung entsteht entweder aus einem
Vertrag (ex contractu) oder aus einer
unerlaubten Handlung (ex delicto).
• Spätere Erweiterung der Systematik durch
„quasi“-vertragliche und „quasi“-deliktische
Verpflichtungen.
• Herausbildung des „Schuldrechts“ im heutigen
Sinn durch die deutsche Rechtswissenschaft
(Pandektisten) im 19. Jahrhundert.
2. Das Schuldrecht als Inhalt des 2. Buchs des BGB
•
•
•
•
•
•
•
Abschnitt 1: Inhalt der Schuldverhältnisse
Abschnitt 2: AGB
Abschnitt 3: Schuldverhältnisse aus Verträgen
Abschnitt 4: Erlöschen der Schuldverhältnisse
Abschnitt 5: Übertragung einer Forderung
Abschnitt 6: Schuldübernahme
Abschnitt 7: Mehrheit von Schuldnern und
Gläubigern
• Abschnitt 8: Einzelne Schuldverhältnisse
3. Weitere Rechtsquellen des Schuldrechts
• Im BGB: Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht
(§ 179 BGB), das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 987
ff. BGB), familienrechtliche Unterhaltsansprüche usw.
• Sonderregelungen für den Handelsverkehr im HGB
• Verschuldensunabhängige Haftung
(Gefährdungshaftung) in Sondergesetzen: StVG,
HaftpflichtG, ProdHaftG
• Richterrecht: Die Leitentscheidungen des BGH!
• Sogenannte „mittelbare Drittwirkung“ des
Grundgesetzes über die Generalklauseln (ua § 242 BGB)
• Der Einfluss des Unionsrechts
• Internationale Regelwerke: CISG, Unidroit PICC usw.
4. Der Begriff des Schuldverhältnisses
§ 241 Abs. 1 BGB:
Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger
berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu
fordern. Die Leistung kann auch in einem
Unterlassen bestehen.
Der Gläubiger: Derjenige, der (bei vertraglichen
Schuldverhältnissen) seinen Glauben in die Person
des Verpflichteten setzt.
Der Schuldner: Der Verpflichtete.
Die Leistung: Jegliches Tun oder Unterlassen. Die
Leistungspflicht kann auf ein Tätigwerden oder auf
einen Erfolg gerichtet sein. Beispiel: Taxifahrer; Arzt
Das Schuldverhältnis im weiten Sinn:
Ein Rechtsverhältnis zwischen mindestens zwei
Personen, kraft dessen zumindest eine der
Personen der anderen zu wenigstens einer
Leistung oder zur Rücksichtnahme verpflichtet ist.
Beispiele:
Ein Kaufvertrag, eine Gesellschaft, ein
Girobankkonto.
Das Schuldverhältnis im engeren Sinn:
Das Recht auf eine einzelne Leistung, ein einzelner
konkreter Anspruch.
Beispiel:
Ein Kaufpreisanspruch aus § 433 Abs. 2 BGB.
5. Der Begriff der Haftung
•
•
•
•
Unterscheide: Haftung i.S.d. Zwangsvollstreckung und i.S. einer Einstandspflicht!
Wenn der Schuldner seine Pflicht nicht erfüllt,
kann der Gläubiger seinen Anspruch grundsätzlich mit staatlicher Hilfe durchsetzen
Mittels Klage und ggf. Zwangsvollstreckung
Schuldner haftet in der Zwangsvollstreckung:
– Grundsätzlich mit dem gesamten Vermögen
– Ausnahmsweise nur mit einem bestimmten
Vermögensteil, oder
– Mit seiner Person (nicht vertretbare Handlungen
nach § 888 ZPO)
6. Funktionen des Schuldrechts:
• Eigenverantwortliche Gestaltung der eigenen
Rechtssphäre im sozialen Verkehr
Privatautonomie als Eigengesetzgebung
Wichtigstes Mittel: Der Vertrag
• Schutz der Rechtsgüter und Rechte
Ausgleichsansprüche, etwa bei
Schädigungen und ungerechtfertigten
Vermögensverschiebungen
Mittel: Gesetzliche Ansprüche
7. Besonderheiten des Schuldrechts:
Beispiel:
Der G hat in seiner Galerie Bilder des Malers M ausgestellt.
K ist vor allem von dem abstrakten Gemälde „Ganz in Weiß:
11“ begeistert. Nach zähen Verhandlungen werden sich G
und K über einen Preis von 10.000 Euro einig.
Wie ist in den folgenden Varianten jeweils die Rechtslage?
a) Was G nicht weiß: M hat das Bild bereits zuvor an den X
verkauft und ihm das Bild auch schon übereignet.
b) Bevor G das Bild im Namen des M an K übereignen
kann, kommt es zu einem Brand in der Galerie des G.
Von dem Gemälde bleibt nur ein schwarzer Klumpen.
c) In der Nacht nach dem Verkauf stiehlt D das Bild aus der
Galerie und verkauft und übereignet es an Z.
• Relativität schuldrechtlicher Ansprüche:
Rechte und Pflichten bestehen grundsätzlich nur
zwischen den Parteien der Sonderverbindung
des Schuldverhältnisses
• Anders im Sachenrecht: Dingliche Rechte wirken
absolut, dh. gegenüber jedermann
• Unterscheide:
Verpflichtungsgeschäft (Schuldrecht) und
Verfügungsgeschäft (Sachenrecht).
Beispiel:
K hat am 11.3. im Autohaus A einen neuen Golf 7 in
silbermetallic gekauft. Der Wagen wird aber erst am
8.4. geliefert und dem K von A ausgehändigt.
• Trennungsprinzip:
Schuldrechtliche Verpflichtung und dingliche
Verfügung sind jeweils als eigene Rechtsgeschäfte
zu behandeln
• Abstraktionsprinzip:
Schuldrechtliche Verpflichtung und dingliche Verfügung sind in ihrer Entstehung und in ihrem
Bestand grundsätzlich unabhängig. Ihre Voraussetzungen sind jeweils eigenständig zu prüfen!
Beispiel:
K verkauft dem B sein Fahrrad. Bevor K dem B das
Rad wie vereinbart geben kann, verliert er den
Verstand und wird geisteskrank. B merkt davon bei
der Übergabe nichts. Wie ist die Rechtslage?
• Das Schuldrecht ist meist, aber nicht immer, auf
eine Änderung des gegenwärtigen Zustands
gerichtet; es ist dynamisch.
Beispiel:
B möchte ein neues Haus bauen und beauftragt
deshalb den Unternehmer U mit dem Bau.
• Das Sachenrecht regelt grundsätzlich den bestehenden Rechtszustand; es dient der Verwirklichung
von Rechten und ist insoweit statisch.
Beispiel:
E hat seinen Schirm im Restaurant in einen Ständer
gestellt. Als er sieht, dass der Gast G den Schirm aus
Versehen mitnehmen will, meldet E sich als
Eigentümer und verlangt seinen Schirm heraus.
Beispiel:
H wohnt sehr glücklich in seinem Haus. Insbesondere genießt er die himmlische Ruhe der
Gegend. Als eine junge Familie im Nachbarhaus
einzieht, sieht er die Ruhe gefährdet. Er schließt
mit dem Vater V der Familie einen Vertrag, in
dem der V sich verpflichtet, dass er und seine
Familie nur zwischen 9 und 13 sowie zwischen
15 und 19 Uhr maximal 60 Dezibel Krach
verursachen werden. In der Folgezeit spielen die
Kinder des V vor allem in der Mittagszeit bei
mehr als 70 Dezibel. Welche Rechte hat H?
Literaturhinweise:
• Coester-Waltjen, Schuldverhältnis –
Rechtsgeschäfte – Vertrag, Jura 2003, 819-821
• Dubischar, Das Schuldverhältnis im Lichte der
älteren Wirtschaftsrechtsdoktrin, JuS 1978, 300304
• Henke, Der Begriff des „Schuldverhältnis“,
JA 1989, 186-193
• Looschelders/Makowsky, Relativität der
Schuldverhältnisse und Rechtsstellung Dritter, JA
2012, 721-728
• Mager, Besonderheiten des dinglichen
Anspruchs, AcP 193 (1993), 68-85
• Zimmermann, The Law of Obligations, S. 1-33