Vortrag - Lehrstuhl für Mathematik und ihre Didaktik

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Transcript Vortrag - Lehrstuhl für Mathematik und ihre Didaktik

Förderung des räumlichen
Vorstellungsvermögens
Vortrag auf dem 12. Bayreuther
Mathematikwochenende
Freitag, 15. Oktober 2010
14.30 – 15.15 h
Birgit Brandl, Universität Augsburg
1
Gliederung
1.
Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen







Definition von Raumvorstellung
Theoretische Konzepte zur
Raumvorstellung
Entwicklung der Raumvorstellung
Geschlechtsspezifische Unterschiede
Warum ist Raumvorstellung wichtig?
Geometrieunterricht in der Kritik
Umsetzung im Unterricht
2
Gliederung
2.
Kopfgeometrie



3.
Was ist Kopfgeometrie?
Grundsätze bei Planung, Durchführung
und Auswertung
Beispiele für Kopfgeometrieaufgaben
Literatur
3
1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Definition von Raumvorstellung
„Anschaulich kann Raumvorstellung
umschrieben werden als die Fähigkeit, in der
Vorstellung räumlich zu sehen und räumlich
zu denken.“
aus [5], S. 14
Synonyme:
Räumliches Vorstellungsvermögen
Raumvorstellungsvermögen
4
1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Theoretische Konzepte zur Raumvorstellung
 Raumvorstellung kommt in allen
Intelligenzmodellen vor (z.B. bei
THURSTONE als Primärfaktor „Space“)
 Raumvorstellung ist eine der am besten
untersuchten Fähigkeiten menschlicher
Begabung
 häufig Aufspaltung in mehrere (Sub-)
Faktoren
5
1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Warum ist Raumvorstellung wichtig?
 im Alltag: Orientierung im Gelände/ in der Stadt,
Einparken, Möbel aufbauen, Sport, Rad- und
Autofahren
 in vielen Berufen: z.B. Automechaniker, Elektriker,
Bauzeichner, (Zahn)Medizin (Einstellungstests!)
 in der Schule: Physik, Chemie, Biologie,
Geographie, Werken, Kunst, Mathematik, Deutsch,
Sport, …. (insbesondere in der Berufsschule)
 wichtigste Ursache für das Auftreten einer
Rechenstörung (Dyskalkulie) ist das Vorliegen einer
Störung der visuellen Anschauung
 Legasthenie: Studien belegen einen
Zusammenhang zwischen Legasthenie und
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Raumvorstellung
1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Entwicklung der Raumvorstellung
 gutes räumliches Vorstellungsvermögens nur zum
Teil angeboren
 muss im Verlauf der weiteren Entwicklung erlernt
werden
 bei Grundschulkindern in Grundzügen
ausgebildet
 bis zum Alter von 9 – 10 Jahren sind ungefähr
50% und bis zum Alter von 12-14 Jahren
ungefähr 80% der Raumvorstellungsfähigkeit
(bezogen auf die Leistung von Erwachsenen)
entwickelt
Förderung im Unterricht sinnvoll und
wichtig!
7
1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Entwicklungsverläufe von THURSTONEs
Primärfähigkeiten der Intelligenz
aus [5], S. 78
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1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Geschlechtsspezifische Unterschiede
 über 100 Studien: Frauen schlechter ausgeprägte
Raumvorstellung (Spielzeug!)
 im Vergleich zu anderen kognitiven Qualifikationen
scheinen die Geschlechtsunterschiede v.a. auf dem
Gebiet der Raumvorstellung vergleichsweise stark
ausgeprägt zu sein
 altersspezifisch: Geschlechtsunterschiede in Bezug
auf Raumvorstellung treten erst ab Pubertätsalter
auf
 Studien belegen stärkere Leistungssteigerung
weiblicher Probanden durch Training
 starke Geschlechtsunterschiede vorwiegend bei
Speed-Tests, nicht so sehr bei Power-Tests ->
ausreichend Zeit im Schulalltag gewähren!
9
1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Geometrieunterricht in der Kritik
Studien belegen:

Raumvorstellung und Raumgeometrie spielen im
Geometrieunterricht eine untergeordneten Rolle

Schwerpunkt liegt auf 2-dimensionaler Geometrie

in der Raumgeometrie dominieren Berechnungen
(Oberfläche & Volumen)

formenkundliche und zeichnerische Inhalte werden
stark vernachlässigt
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1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Befragungen von Lehrkräften:

Schulung der Raumvorstellung ist
erstrangiges Ziel

Aufbau räumlicher Vorstellungen im 3dimensionalen Bereich ist wichtigstes und
zugleich problematischstes Ziel
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1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Ursachen für ein nicht genügend entwickeltes
räumliches Vorstellungsvermögen
 unzureichende Begriffsaneignung:
Die Schüler haben Schwierigkeiten beim Vorstellen
von Körpern und bei Volumenberechnungen, weil
sie den Sinn der von ihnen benutzten
Begriffe nicht genau kennen.
Beispiel: Grundfläche eines Prismas
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1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Ursachen für ein nicht genügend entwickeltes
räumliches Vorstellungsvermögen
 unzureichende Begriffsaneignung:
Die Schüler haben Schwierigkeiten beim Vorstellen
von Körpern und bei Volumenberechnungen, weil
sie den Sinn der von ihnen benutzten
Begriffe nicht genau kennen.
Beispiel: Grundfläche eines Prismas
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1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Ursachen für ein nicht genügend entwickeltes
räumliches Vorstellungsvermögen
 unzureichende Begriffsaneignung:
Die Schüler haben Schwierigkeiten beim Vorstellen
von Körpern und bei Volumenberechnungen, weil
sie den Sinn der von ihnen benutzten
Begriffe nicht genau kennen.
Beispiel: Grundfläche eines Prismas
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1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Ursachen für ein nicht genügend entwickeltes
räumliches Vorstellungsvermögen
 unzureichende Begriffsaneignung:
Die Schüler haben Schwierigkeiten beim Vorstellen
von Körpern und bei Volumenberechnungen, weil
sie den Sinn der von ihnen benutzten
Begriffe nicht genau kennen.
Beispiel: Grundfläche eines Prismas
Abhilfe: Genügend Zeit für die
Begriffsbildung lassen.
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1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen

bei formaler Kenntnis der Definition fehlt
die richtige Vorstellung
Beispiel 1: Körper wird nicht als Prisma
erkannt, da „Mantelfläche nicht aus
Rechtecken besteht“
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1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Beispiel 2: lagefixierte Vorstellung von Figuren
Das Trapez wird nicht als solches erkannt.
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1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Beispiel 2: lagefixierte Vorstellung von Figuren
Das Trapez wird nicht als solches erkannt.
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1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Beispiel 2: lagefixierte Vorstellung von Figuren
Das Trapez wird nicht als solches erkannt.
Abhilfe: Lage oder Form von Figuren beim Darstellen
an der Tafel oder auf der Folie immer wieder
variieren.
19
1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen



Begriffe werden nicht exakt definiert
-> besonderen Wert darauf legen, dass den
Schülern die genaue Bedeutung dieser
Begriffe gut verdeutlicht und einprägsam
dargelegt wird
Fachbegriffe werden im Alltag anders
verwendet (z.B. Würfel, Viereck)
Definitionen werden erarbeitet, dabei wird
die Vorstellung jedoch nicht allseitig
entwickelt und zu wenig an das Vorwissen
angeknüpft
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1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen

Berechnungen von Flächeninhalt oder
Volumen werden häufig völlig losgelöst von
der Vorstellung des Körpers vorgenommen
(Anwendung der Formel)
Beispiel: In einer Zuckerfabrik wird
Würfelzucker in Packungen verpackt, die
etwa 20 cm lang, 6 cm breit und 4 cm hoch
sind. Die Packungen werden in Kartons von
63 cm Länge, 4 dm Breite und 12 cm Höhe
gelegt. Wie viele Packungen passen in
einen Karton?
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1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Schüler rechnen dann häufig:
 1 Packung hat ein Volumen von 480 cm3
 1 Karton hat ein Volumen von 63 x 40 x 12
cm3 = 30 240 cm3
 Anzahl der Packungen pro Karton:
30 240 cm3 : 480 cm3 = 63
Stimmt das???
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1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Karton
12 cm
40 cm
63 cm
Würfelzuckerpackung
4 cm
20 cm
6 cm
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1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Überlegungen
 Es passen 3 Lagen Würfelzuckerpackungen in den Karton.
 Wie füllt man die Schichten?
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1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Überlegungen
 Es passen 3 Lagen Würfelzuckerpackungen in den Karton.
 Wie füllt man die Schichten?
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1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Überlegungen
 Es passen 3 Lagen Würfelzuckerpackungen in den Karton.
 Wie füllt man die Schichten?
18 Packungen
20 Packungen
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1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Überlegungen
 Es passen 3 Lagen Würfelzuckerpackungen in den Karton.
 Wie füllt man die Schichten?
18 Packungen
20 Packungen
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1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Umsetzung im Unterricht
Wie sollte gefördert werden?
 räumliches Vorstellungsvermögen
kann man trainieren (in jedem Alter)
 Studien belegen: Training, das auf
handlungsorientierten Aktivitäten mit
Modellen und Medien basiert, zeigt
starke bis sehr starke Effekte
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1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen






Trainingskonzept muss motivierend und zeitlich
angemessen sein (Trainingsphase darf nicht zu
kurz sein!)
Inhalte müssen echten räumlichen Charakter haben
(z.B. kein mechanisches Zeichnen)
Schwerpunkt bei der Einführung neuer Körper auf
deren räumlichen Eigenschaften (nicht auf neuen
Bezeichnungen)
innerhalb der Raumgeometrie: formenkundliche
und zeichnerische Inhalte in den Vordergrund
stellen (nicht so sehr Berechnungen)
handlungsorientiert unterrichten
Verwendung von Modellen und anderen Medien
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1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
Beispiel: Ordnung im Reich der räumlichen Körper
30
1. Einige Befunde zum räumlichen
Vorstellungsvermögen
a) Finde möglichst viele Eigenschaften, die für einen oder
mehrere der abgebildeten Gegenstände zutreffen.
b) Welche Gegenstände sollten zu Familien zusammengefasst
werden? Erfinde jeweils einen Familiennamen und beschreibe
genau, was das besondere an dieser Familie ist. Stelle deine
Überlegungen übersichtlich dar und zeichne zu jeder Familie
weitere Familienmitglieder.
c) Gibt es Beziehungen zwischen den von dir gefundenen
Familien? Gibt es Gegenstände, die mehreren Familien
angehören?
Hinweis: Diese Aufgabe – methodisch aufbereitet – finden Sie in der
Datei „Bsp_Einführung_Körper.doc“.
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2. Kopfgeometrie
Was ist Kopfgeometrie?
= Lösen geometrischer Aufgaben im Kopf, so
dass das räumliche Vorstellungsvermögen
geschult wird
Beispiel: Würfel kippen
32
2. Kopfgeometrie
Die Schüler

stellen sich die geometrischen Objekte vor

operieren mit ihnen in der Vorstellung, d.h.
müssen diese Gegenstände im Kopf

in ihrer Lage, ihrer Größe und Form
verändern,
 sie zerlegen und zusammensetzen.
Das gedankliche Operieren bezeichnet man
auch als geometrisches Denken.
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2. Kopfgeometrie
Die Kopfgeometrie besteht aus drei unterschiedlichen
Phasen:
• Phase I: Vorstellung der Fragestellung
• Phase II: Räumliches Vorstellen, Operieren im Kopf
• Phase III: Vorstellen der Ergebnisse
Durchführung der Kopfgeometrie
• mit geschlossenen Augen („ im Dunkeln“) oder
• mit manuellen Handlungen verbunden (z.B. zeichnen
oder etwas mit Würfeln bauen)
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2. Kopfgeometrie
Wozu Kopfgeometrie?

zur Entwicklung der Raumvorstellung

Kopfrechnen ist fester Bestandteil des MU

Schüler haben Spaß daran -> Steigerung der
Motivation für den MU

Training des Intelligenzfaktors „Merkfähigkeit“

Training der Konzentrationsfähigkeit

Beweglichkeit des Denkens

Förderung der Kreativität
35
2. Kopfgeometrie
Grundsätze bei Planung, Durchführung und
Auswertung:
 Kopfgeometrie ist höchste Stufe für die
Ausbildung der Raumauffassung: daher
müssen die Arbeit mit Modellen und Tätigkeiten
im zeichnerisch-darstellenden Bereich
vorausgehen
 regelmäßig Kopfgeometrie betreiben
 sehr gute Abstufung des Schwierigkeitsgrades
 Informationen knapp und redundanzarm halten
 Beim Aufbau komplexerer Informationen:
Kontrollinformation geben und einfach
Kontrollfragen einbauen
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2. Kopfgeometrie





Schaffung herausfordernder Situationen
Aufgabenstellungen variieren (mündlich,
schriftlich, mit Modell, mit Zeichnung)
Differenzierung muss möglich sein (Kinder
beachten, die fast immer auf einen
konkreten Handlungsbezug angewiesen
sind)
konzentrierte Atmosphäre und
angemessene Denkzeit
Unterstützung in eigenen
Lösungsversuchen
37
2. Kopfgeometrie





Integration entdeckender Lernprozesse
Lösungen mit Begründungen fordern, weil
sie sich so auch intensiv mit der Sprache
auseinandersetzen müssen
Kontrollmöglichkeiten zur Verfügung stellen
regelmäßige und über das Schuljahr
verteilte Durchführungen der Übungen in
allen Jahrgangsstufen sinnvoll und
vorteilhaft
einführend zwei Wochen lang in jeder
Stunde 5-10 min, danach sporadisch (z.B.
einmal pro Woche)
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2. Kopfgeometrie
Beispiele für Kopfgeometrieaufgaben
vgl. Handout „Beispiele für Kopfgeometrieaufgaben“
39
2. Kopfgeometrie
Faltaufgaben
40
2. Kopfgeometrie
41
2. Kopfgeometrie
42
2. Kopfgeometrie
43
2. Kopfgeometrie
Körper zusammensetzen
44
2. Kopfgeometrie
45
2. Kopfgeometrie
46
2. Kopfgeometrie
47
2. Kopfgeometrie
48
2. Kopfgeometrie
Häusernetze
49
2. Kopfgeometrie
50
2. Kopfgeometrie
51
Mathematische Vorstellungsübungen im Unterricht
Ein Handbuch für das Gymnasium
2. Kopfgeometrie
Buchtipp
Autor:
Christof Weber
ISBN:
978-3-7800-1047-6
Erschienen:
2010
Verlag:
Friedrich Verlag
Seitenzahl
255
Preis:
24,95 EUR
52
3. Literatur
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
Ametsbichler, Josef: Förderung des räumlichen Vorstellungsvermögens –
Übungen zur Kopfgeometrie. In: Grundschulmagazin, Heft 9 – 10 / 2002, S. 33 38
Franke, Marianne: Didaktik der Geometrie, Heidelberg, 2001
Ilgner, Kurt: Anregungen für die Entwicklung des räumlichen
Vorstellungsvermögens im Stereometrieunterricht, in: Mathematik in der Schule
20 (Heft 7/8) 1982, S. 490-505
Kahl, Friederike: Kopfgeometrie, Ausarbeitung zur Veranstaltung „Fachdidaktik
der Geometrie“ im Sommersemester 2009 an der Universität Flensburg
Maier, Peter H.: Räumliches Vorstellungsvermögen, Ein theoretischer Abriß des
Phänomens räumliches Vorstellungsvermögen, Donauwörth 1999 (1. Auflage)
Maier, Peter H.: Raumgeometrie mit Raumvorstellung – Thesen zur
Neustrukturierung des Geometrieunterrichts, in: Der Mathematikunterricht 45/3,
S. 4-17
Wölpert, Heinrich: Materialien zur Entwicklung der Raumvorstellung im
Mathematikunterricht, in: Der Mathematikunterricht 6/83, S. 7-42
Weitere Literatur zur Kopfgeometrie finden Sie auf dem Handout „Beispiele für
Kopfgeometrieaufgaben“.
53
Kontakt:
[email protected]
54