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Theologische und liturgische Überlegungen zur Urnenbestattung
Univ.-Prof. Dr. Ewald Volgger OT
Katholisch-Theologische Privatuniversität Linz
Brunnen am Vierwaldstätter See, Schweiz
Zur Themenstellung „Urnenbestattung“
• Zur Bezeichnung:
 Die Kremation meint die Bestattung eines Leichnams im Feuer (zu Wesen und
Sinn später).
 Die Überreste der Kremation, Asche bezeichnet, werden in eine sog. Urne
eingebracht und in dieser dem endgültigen Bestimmungsort übergeben.
 Urne: aus dem lat. urna „Wasserkrug: Topf, Krug; Aschenkrug, Lostopf; mhd.
Urn Flüssigkeitsmaß v. a. für Wein; heute auch Wahlurne
 Die Urne für die Totenasche hat in Geschichte und Gegenwart
unterschiedliche Formen und hat verschiedene künstlerische Gestaltung
erfahren, z.B. Etruskergräber mit sehr unterschiedlich gestalteten
Aschenurnen; Trajansäule in Rom, die im Sockel auch die Urne des Kaisers
birgt; .
 Die künstlerische Gestaltung hängt von der Bedeutung der im Feuer
bestatteten Persönlichkeit ab.
 Die Urne ist Bestandteil eines Memorialortes, einer Grabkammer, eines
Kunstwerkes zur Erinnerung einer Persönlichkeit, etc.
 „Bestatten“ meint: an seinen Ort, an seine Stätte (Stelle) bringen, mhd.
bestatunge: Bestattung, Begräbnis.
Worum geht es bei der „Urnenbestattung“?
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Die Überreste eines Menschen
(Asche) nach der
Kremation/Feuerbestattung werden
in eine Urne eingebracht, die an
ihren Ort gebracht wird, nachdem
der Körper des Menschen bereits
seinen „letzten Platz“ erhielt.
Dieser Ort wird vom Gesetz geregelt
und kann eine Mehrzahl von
Verortungen (Urnenhain, -halle,
Friedhof) meinen.
Die „Bestattung“ als Verortung der
Urne kann begleitet sein von
Abschiedsriten unterschiedlicher Art.
Die Verortung der Urne erzeugt einen
Memorialort, an dem der
verstorbenen Menschen gedacht
werden kann.
Der Memorialort kann
unterschiedliche Gestaltung erfahren.
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Die christliche Bestattungskultur
beschäftigt sich erst seit kurzem mit der
Herausforderung der Kremation =
Bestattung im Feuer und der darauf
folgenden „Urnenbestattung“.
Dabei gilt es philosophisch-theologische
wie liturgische Aspekte in Blick zu
nehmen.
Dazu kommt das soziopsychologische
Empfinden und die gemeinsamen
wertebezogenen Erfahrungen in der
Frage nach der Würde eines Menschen
bei der Verabschiedung,
Feuerbestattung, Verortung
(Bestattung) der Urne.
Die Abläufe hängen von der
Lebenssituation der Verstorbenen und
ihrer Hinterbliebenen ab, von deren
Verhältnis zueinander, von der
Einbindung in Gemeinschaften etc.
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Notizen zu Geschichte und Verständnis der
Feuerbestattung
Tod immer schon Anlass für rituelle Gestaltung (selbst bei manchen Tieren beobachtbar)
Anthroplogisch-kulturelle Gemeinsamkeit aller Völker
Vergraben oder verbrennen
Ursprünge der Kremation in Indien und unterschiedliche Entwicklung
Ägyptische Praxis (dem Körper Bestand und Haus/Pyramide geben)
Alttestamentliche Sichtweise (Körper nicht mit hl. Schöpfungselement vernichten)
Junges Christentum übernimmt diese Kultur und argumentiert sie mit der Bestattungsform
Jesu
Römische Praxis – Erd- und Feuerbestattung; Friedhöfe außerhalb der Ortschaften
Grabkultur für alle erst relativ jung
Verbot der Kremation unter Karl dem Großen (785)
Freimaurerpraxis / französische Revolutionsfolgen und Reaktion der Kirche
Verbot im kirchlichen Raum und Drohung mit Sakramentsentzug
Vaticanum II: Keine Stellungnahme – im Vorfeld Diskussion um Zulassung vonseiten von
Bischöfen (Niederlanden, Österreich, u.a.)
Glaubenskongregation, 5. Juli 1963: Kremation akzeptabel, wenn nicht der Glaube an die
Auferstehung in Frage gestellt wird.
Liturgische Kommission/ Consilium: Erlaubnis der Exsequien für jene, die feuerbestattet
werden.
Ordo exsequiarum, 1969: Einäscherung und entsprechende Feiern sind vorgesehen
Die kirchliche Begräbnisfeier, 1972: Bei Einäscherung gibt es zwei liturgische Möglichkeiten.
VII Urnenbeisetzung: Form II = Gottesdienst mit zwei Stationen (Wortgottesdienst und
Verabschiedung – Beisetzungstexte als Verabschiedungsritus); Form III auch ausdrücklich für
das Krematorium vorgesehen (Wortgottesdienstmit Verabschiedung); keine kirchliche
Begleitung bei Urnenbeisetzung nach der Kremation
Manuale der Bischöfe im dt. Sprachraum 2012
• Pastorale Einführung
Nr. 34: grundsätzlich 2 liturgische Formen
a) Feier der Verabschiedung vor der Kremation unter
Beteiligung der Gemeinde in Kirche, Kapelle, Trauerhalle,
Verabschiedungsraum u.ä.; am Ende der Feier wird der Sarg
dem Blick der Gläubigen entzogen
b) Die Feier der Urnenbeisetzung am Ort der
Urnenbeisetzung
Nr. 35: c) Die Feier der Verabschiedung und der
Urnenbeisetzung, wenn keine Feier der Einäscherung
vorausgegangen ist.
Nr. 36: Da die Asche in anderer Weise als der Leichnam auf den Verstorbenen verweist,
sind für die Zeichenhandlungen am Grab eigene Deuteworte vorzusehen.
Manuale 2012
Kap. V Feier der Verabschiedung
vor der Kremation
In Anwesenheit des Sarges in Kirche,
Friedhofskapelle, …, Verabschiedungsraum
• ERÖFFNUNG
• Begrüßung
• Einführung
• Psalm
• Kyrie-Rufe
• Oration
• WORTGOTTESDIENST
• Schriftlesung(en)
• Ansprache
• VERABSCHIEDUNG
• Stilles Gedenken
• Anrufungen
• Verabschiedungsgebet
• Abschied
• Bekenntnis des Glaubens
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Persönliche Verabschiedung am Sarg
Blickentzug des Sarges
Fürbitten für Verstorbene und Lebende
Gebet des Herrn
Abschluss
Kap. VI Die Feier der
Urnenbeisetzung
Am Ort der Urnenbeisetzung
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ERÖFFNUNG
Einführung
BEISETZUNG
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Beisetzung der Urne
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Segnung des Urnengrabes
Wenn in der Erde: Erdwurf mit Deutewort
Kreuzzeichen mit Deutewort
Psalm
Oration
Evtl. Schriftlesung
Stilles Gedenken
Anrufungen
Gebet des Herrn
Abschluss
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Evtl. Besprengung des Urnengrabes mit
Weihwasser.
Manuale 2012
Kap. VII Die Feier der Verabschiedung
und der Urnenbeisetzung
In Anwesenheit der Urne
• ERÖFFNUNG
• Begrüßung
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L tritt zur Urne, Besprengung mit Weihwasser
Einführung
Psalm
Kyrie-Rufe
Oration
WORTGOTTESDIENST
Schriftlesung
Ansprache
VERABSCHIEDUNG
Stilles Gedenken
Anrufungen
Verabschiedungsgebet
Prozession zum Ort der Beisetzung
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Inszenierung der Prozession wie bei einem
Leichenzug!
Gesang zur Prozession: Zum Paradiese …
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BEISETZUNG
Segnung des Urnengrabes („visita …“)
Beisetzung (der Urne)
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Weihwasser mit Deutewort
Inzens mit Deutewort
Bei Erdbestattung: Erdwurf und Deutewort
Kreuzzeichen mit Deutewort
Bekenntnis des Glaubens
Fürbitten und Vaterunser
Abschluss
Theologische und liturgische
Überlegungen
• Erdbestattung des Leichnams ist anders zu sehen als
Feuerbestattung: Der Sarg birgt das Realsymbol des Menschen, den
Leib als Leichnam (unverwechselbar)
• Kremation ist Bestattung im Feuer. Es vernichtet das Realsymbol
Leib eines Menschen. Die „Asche“ ist anders einzuordnen.
• Andere Kulturen erkennen in der Feuerbestattung einen von
philosophischen und theologischen Aspekten geprägten Vorgang:
Lösung des Geistes (der Seele) vom Körper, Überantwortung an
Gottheit u.ä. …
• Es gibt keinen theologischen Unterschied im Hinblick auf den
Auferstehungsglauben bzw. auf die Überzeugung, dass Menschen in
der Treue, Liebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit Gottes geborgen
sind auf immer.
• Würde und Wille des/der Verstorbenen achten
• Sprache und Symbolvollzüge der vorgesehenen liturgischen Rituale
bedürfen der Wahrhaftigkeit um der Verstorbenen („Lebende“)
willen
Konsequenzen für die pastorale Praxis
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Trauererfahrung der Menschen ist zunächst unabhängig von der Bestattungsart.
Trauerprozesse, Trauerwege, u. ä. werden heute ergiebig erforscht und
Konsequenzen daraus gesucht (s. Trauerinstitut Deutschland, Bonn; Chris Paul).
Der Tod hat im Leben der Menschen heute einen anderen Stellenwert (Medizin,
hohes Alter, Auferstehungsglauben oder nicht, …).
Der Glaube als Beziehungsgeschehen zwischen Gott/J.Chr. im Heiligen Geist prägt
die Erfahrung des Sterbens und der Trauerbewältigung.
Die Erfahrung des Todes anderer fordert (oft auch ungewollt) die Versöhnung mit
der eigenen Sterblichkeit.
Pastorale Aufgabe zur Begleitung bei der Verabschiedung von Sterbenden und
Verstorbenen: nicht nur in akut-Situation ….
Hilfestellungen für Menschen, die mit dem Sterben und Bestatten von Menschen
kaum mehr in Berührung kommen (Pastoral, Bestattungsunternehmen, …)
Der Weg eines Menschen endet in der Erdbestattung oder Feuerbestattung: „zum
Ort/zur Stätte führen“: Was heißt das?
Verabschiedung in Anwesenheit des Leichnams möglichst vor der Feuerbestattung,
„der letzte Kuss“, „das letzte Wort“, die gemeinsame Feier als Trostort, …
Es gibt die Erfahrung, dass die Bestattungsart die Trauerbewältigung beeinflusst.
Memorialort(e) schaffen (Friedhof, zu Hause, …)
… für die liturgische Praxis
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Verabschiedung in liturgischer Gestalt deutet Leben und Sterben auf dem
Hintergrund des christlichen Gottesbildes, der die Menschen im Tod zum Leben
ruft (Der Schlaf ist ein Bild des Todes.).
Verabschiedungs- und Bestattungsrituale helfen, Trauer zu bewältigen und den
Weg eines Menschen abzuschließen.
Im christlichen Sinn ist die Verabschiedung von einem Menschen in der Gemeinde
sinnvoll, die mit ihren Traditionen und Diensten hilfreich ist.
Es gibt sehr unterschiedliche Traditionen und Verabschiedungswege, neue
entstehen …
Die liturgischen Feiern gehen den Weg des Verstorbenen mit: Verabschiedung am
Sterbebett (Sterbekommunion), Gebet nach dem Verscheiden, Totenwache, Feier
der Eucharistie und Verabschiedung zur Feuerbestattung, Begleitung bei der
Urnenbestattung (im kleinen Kreis)
Die Urne ist nicht „Sarg“: Sie wird anders inszeniert. Sinnvoll ist das Verhüllen, mit
einem Bild den/die Verstorbene/n gegenwärtig setzen, dazu Blumen und
Osterlicht (Kerze), ggf. Kreuz
Die Prozession mit der Urne zum Friedhof geschieht im kleinen Kreis und kopiert
nicht die Erdbestattung; die Texte sind dem Ereignis angepasst.
Die liturgischen Texte sind in erster Linie vom Glauben geprägt, aber auch von der
Erinnerung an den Menschen, sie würdigen den Menschen als geschenktes
„Ebenbild“ Gottes in seiner Einzigartigkeit und Einmaligkeit
Die Feier gibt genügend Raum für Wort und Gefühl der Verabschiedung, des
Abschließens, des Anvertrauens an Gottes Barmherzigkeit und Liebe, aber auch
der Versöhnung und dem Unversöhnten (wenn notwendig).
Urne und Urnengrab
• Der Verbrennungsrest („Asche“) ist nicht mehr das Zeichen der
Individualität eines Menschen.
• Die Urne tritt in ihrer Bedeutung hinter den Sarg zurück.
• Liturgisch wird die Urne anders inszeniert.
• Die Urne am Friedhof gehört in die Erde (vgl. folgende Bilder)
• Urnenwände oder Depositionsaufbauten sind weniger sinnvoll.
• Kolumbarien sind gemeinsame Orte des Gedenkens für die Verstorbenen.
Aufzugebende Kirchräume könnten dafür vorgesehen werden. Dabei sollte
aber die Memorialkultur für Menschen (Bild, Spruch, …) im Vordergrund
stehen und nicht das Sichtbarmachen der Urne.
• Auch die Urne und das Urnengrab entsprechen dem Bedürfnis des
Menschen nach Trauerverortung und der Erinnerung an unsere
Verstorbenen.
• Die Segnung („visitatio …“) des Urnenbestattungsortes meint, dass wir
Gott preisen (benedictio), weil wir die Beziehung mit unseren Toten und
die Erinnerung an unsere Verstorbenen in seinem Sinne pflegen
• …
Pürgg/Steiermark