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Auf dem Weg zu einem
systemischen Menschenbild
- Voraussetzungen und Thesen Fachtagung des Wenger Mühle Centrums
„Das Leben systemisch leben“
am 10. Juni 2010 in Rot an der Rot
Aktualisierte Version des Vortrags
„Zum Menschenbild der systemischen Therapie“
am 13. Oktober 2007 bei der
7. Wissenschaftlichen Jahrestagung der DGSF in Neu-Ulm
Dr. Kurt Ludewig©
Hamburg / Münster
Systemische Therapie
Literaturhinweise des Referenten
Herbst 2008
Klett-Cotta
1992, 19974
Hogrefe
2000
Klett-Cotta
2002
Carl-Auer
2005
Dr. K. Ludewig
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Meine Themen – Zwei Teile
1. Zur Einführung: Erinnerung an zentrale Prämissen
systemischen Denkens und kurze Darstellung
einiger Voraussetzungen für das Verständnis des
Menschen
a. Biologisches
b. Soziales
c. Psychisches
2. Elemente zur Bestimmung des, besser gesagt, der
Menschenbilder in systemischer Perspektive.
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Dr. K. Ludewig
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Literaturhinweise
Ludewig, K. (2005), Kap. 3 „Entwurf eines Menschenbilds“.
In: ders., Einführung in die theoretischen Grundlagen der
systemischen Therapie. Heidelberg (Carl-Auer-Systeme)
Ludewig, K. (im Druck, vorauss. 2011), Zum Menschenbild der
Systemischen Therapie. Über polysystemische Biologie,
Polyphrenie und vielfältige Mitglieder.
In: Petzold, H. (Hrsg.), Die Menschenbilder in der Psychologie
und Psychotherapie. Wien (Klammer).
Ludewig, K. (in Vorb.), Psychische Systeme – ein nützliches
Konzept für die systemische Therapie?
Weitere spezifische Arbeiten finden sich in den Literaturhinweisen beider
genannter Aufsätze.
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Die Ausgangslage
Die Frage nach dem Menschen – das „Menschenbild“ – gehört zwar
genuinerweise in den Bereich der Philosophie, sie bildet aber in der
Praxis gewissermaßen den Hintergrund, auf dem die Begründungen für
den Umgang mit Menschen entstehen und verwendet werden.
Psychotherapeuten wenden permanent ein implizites oder explizites
Verständnis des Menschen in ihrem professionellen Denken und
Handeln an.
Die traditionellen Psychotherapien entsprechen den noch gültigen
Selbstverständlichkeiten. Die neuartige Systemische Therapie ist
hingegen aufgefordert, ihren Reflexionshorizont mit Blick auf den
Menschen zu verdeutlichen.
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Was ist Systemische Therapie?
Pragmatische Umsetzung
systemischen Denkens in die
(psycho)therapeutische Praxis
mit dem Ziel, menschliches
Leiden zu verstehen, zu
lindern und zu beenden.
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Was ist systemisches Denken?
• Interdisziplinäre Denkbewegung:
u.a. Systemtheorie, Selbstorganisation, Kybernetik,
Autopoiesis, Synergetik, dissipative Strukturen usw.
• Gegenstand:
Komplexität (und Vernetzung)
• Ziel:
„komplexitätserhaltende Komplexitätsreduktion“
• Seins- und Erkenntnistheorie:
Theorie des Beobachtens bzw. Beobachter-Theorie
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Biologisches:
Beobachten und Beobachter
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Die Wirklichkeit der Wirklichkeit
oder:
die zwei Säulen systemischen Denkens
< ein Cartoon von Hannes Brandau, 1991 >
Kognition
Sprache
Kommunikation
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Biologische Voraussetzungen
<nach H.R. Maturana>
Lebewesen sind als autopoietische Systeme strukturdeterminiert,
operational geschlossen und autonom.
Erkennen (Kognition) ist weder Abbildung der Außenwelt noch
beliebige Konstruktion, sondern Ergebnis des Errechnens von
Unterschieden im relationalen Gefüge der eigenen Zustände im
Nervensystem.
Menschliche Erkenntnis resultiert aus subjektiven Beobachtungen
(Unterscheidungen), die sprachlich ("linguierend") konsensualisiert
werden.
Kriterium guten Wissens ist daher kommunikative Brauchbarkeit.
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Grundlagen systemischer Therapie:
Beobachten und Beobachter
“Beobachter” sind “linguierende” Lebewesen.
Es folgt:
“Beobachter” sind als Lebewesen einsame Erzeuger
ihrer Realitäten
und
als „linguierende“ zugleich auf Konsensualität
ausgerichtete, sozial konstituierte Lebewesen.
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Systemisches Denken
- das systemische Prinzip • Menschen sind konstitutiv veranlagt, ihre biologische
Individualität durch Konsensualisierung zu überschreiten.
• Dafür benötigen sie existentiell andere, denen Gleichartigkeit zugeschrieben wird.
• Erkennen heisst Unterscheiden. ICH kann als ICH erst im
Unterschied zu einem anderen Ich, also einem DU, entstehen.
• Ich und Du => WIR. Erst im WIR <Soziales System>
entsteht das Menschsein.
• Das WIR hebt in sich die biologisch-individuelle und die
sozial-kommunikative Identität des Menschen auf
=> das systemische Prinzip
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Systemisches Denken
Grundmatrix menschlicher Existenz
ICHDU / DUICH
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WIRICH/DU
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Die Folgen
Kognition ist als biologisch verankerte Leistung prinzipiell subjektbezogen und wird allenfalls kommunikativ konsensualisiert;
Kommunikation wiederum besteht aus Ereignissen, die nur in der
Zeitdimension stattfinden. Sie muss immer wieder reproduziert
werden und bleibt deshalb immer variabel und riskant.
Für die Wissenschaft folgt, dass sie
1) als Form menschlichen Erkennens das Gebot der Objektivität (=
Übereinstimmung von Beobachtung und Beobachtetem) nicht
erfüllen kann;
2) als kommunikatives Unternehmen ist und bleibt das Ergebnis von
Konsensualisierungen im Sozialsystem der Wissenschaftler.
Diese versuchen, die Risiken ihrer Kommunikation durch strenge
Regeln zu verringern, im Idealfall auszuschalten.
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Auf dem Hintergrund systemischen Denkens folgt weiterhin:
- Es gibt keine Notwendigkeit, irgendeine Sichtweise, ob sie sich als
analytisch oder synthetisch, holistisch oder atomistisch, einheitlich
oder vielfältig versteht, als allein gültige zu betrachten.
- Das Beobachten eines Sachverhaltes bringt unterschiedliche
Phänomene hervor und nicht bloß unterschiedliche Erscheinungsweisen des gleichen Phänomens: Will ich dich verstehen, sag mir,
wie Du siehst und nicht nur, was du siehst!
- Das gilt beim Beobachten der unbelebten und der belebten Natur,
also auch des Menschen.
- Die nach objektiver Einheitlichkeit strebenden Wissenschaften
vom Menschen müssen sich einer ontologisierenden und vereinheitlichenden, also „einfrierenden“ Form der Betrachtung bedienen.
Diese kann durch Alternativen ersetzt werden.
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Soziales:
Soziale Systeme und
Kommunikation
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Systeme
<nach N. Luhmann 1984 >
Systeme
Maschinen
Organismen
Interaktionen
Juni 2010
soziale
Systeme
Organisationen
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psychische
Systeme
Gesellschaften
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Soziales System
<n. Niklas Luhmann>
Soziale Phänomene :=
Temporalisierte Einheiten aus Ereignissen
Soziale Systeme :=
Sinnzusammenhänge im Zeitablauf
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Kommunikation
nach Niklas Luhmann
Kommunikation ein dreistelliger Selektionsprozess, bei dem erst der
Adressat die Kommunikation als solche qualifiziert:
1) Wahl einer Information: was?
2) Wahl eines Mitteilungsverhaltens: wie?
3) Verstehen: Beobachten, d.h. Erzeugung der Differenz
von Information/Mitteilung und Auffassung der
Beobachtung als Mitteilung
Mai 2010
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Interaktionssysteme
nach K. Ludewig 1992
Ein Modell für die klinische Theorie
Problem: Bestimmung der Elemente, Relationen und der Grenze
Lösungen:
Elemente
Mitglieder
<Soziale Operatoren bzw.
Funktionseinheiten>
Relationen =
Anschlüsse
<durch Kommunikationen>
Grenze
Sinngrenze
<Sinnkontinuität in der
Zeitdimension>
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=
=
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Psychisches:
Psychische Systeme und
Polyphrenie
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Nachdenkenswerte Gedanken zum «Ich»
Die Kognitionswissenschaftler Francisco Varela und Evan
Thompson berichteten 1991:
„Die Kognitionswissenschaft belehrt uns, dass wir kein wirkendes
oder freies SELBST besitzen“ (S. 183)
„… die Kognition (kann) als emergentes Phänomen selbstorganisierter, verteilter Netzwerke untersucht werden“ (S. 175)
Fazit: Der menschliche Geist ist nicht als einheitliche,
homogene Entität aufzufassen, sondern als uneinheitliche,
heterogene Kollektion von Netzwerkprozessen.
Aus: Varela, F.J., E. Thompson (1991), The Embodied Mind. Cambridge, Mass. (M.I.T.
Press). Dtsch. (1992), Der mittlere Weg der Erkenntnis. Bern (Scherz).
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Über psychische Systeme - Thesen
Psychische Systeme

sind unbeständige, nicht beobachtbare kognitiv-emotionale Kohärenzen und nur in Selbstreflexion oder Kommunikation rekonstruierbar,

verweisen immer auf eine Relation zu einem speziellen oder generalisierten Anderen (= relationale Kohärenzen, relationale Identitäten,
relationale Selbste oder psychische Systeme),

werden als temporalisierte Prozesse immer neu als Reaktion auf innere
oder äußere Ansprüche produziert und reproduziert (=> psychisches
Gegenstück zu den sozialen Mitgliedschaften eines Menschen).
Schlussfolgerung:
Jeder Mensch verfügt über ein vielfältiges Reservoir psychischer
Systeme, ist also im Normalzustand polyphren.
Polyphrenie ist Normalität.
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Entwicklung relationaler Kohärenzen
Psychische Systeme (Selbste – Iche – Identitäten)
KINDMUTTER
⇆
RELATIONALE
MITGLIED
IDENTITÄTEN
MUTTERKIND
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KINDMUTTER ⇆ MUTTERKIND
MITGLIED
INTERAKTIONSSYSTEM
⇆
MUTTERKIND ⇆ KINDMUTTER
Dr. K. Ludewig
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ICH und psychische Systeme - Thesen
- Jeder Mensch verkörpert zu jeder aktuellen Interaktion
jeweils eine Mitgliedschaft und ein psychisches System.
- Jeder dieser Operationalitäten kann ein ICH zugeordnet
werden (aktuelles oder operatives ICH).
- Die hierbei beteiligten Operationalitäten treffen in der körperlichen Struktur eines Menschen zusammen. An dieser
Struktur sind Menschen identifizierbar.
- ICH als Bezeichnung für einen Menschen (personales ICH)
resultiert aus einer immer aktuellen, entweder im Bewusstsein (psychisches System) oder in Kommunikation (Mitgliedschaft) erbrachten Synthese der betreffenden Operationalitäten (als Narrative).
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Zusammenfassung:
Jedes ICH, ob als psychisches System oder als
Mitglied, bedarf einer faktischen oder gedachten
Relation zu einem anderen ICH, also einem DU,
um überhaupt im WIR entstehen zu können.
Der Mensch beginnt mindestens zu zweit !
∆ ICH/DU ⇆ WIR ⇆
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ICHDU ⇆ DUICH
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Systemisches
Menschenbild –
Systemische
Menschenbilder?
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Auf dem Weg zu einem systemischen Menschenbild I
Das Definitionsproblem – ein Balanceakt
Ausgangslage:
Polarität zwischen der Neigung zur Verdinglichung, die den
Menschen als feste räumliche Größe auffasst, und einer
ziemlich abstrakten, vom üblichen Verständnis weit entfernten
Auffassung, die eine Anschlussbildung erschwert.
Dilemma:
Der Verständigung zuliebe fortdauernde Prozesse zu einem
konkretisierten Bild des Menschen “einzufrieren” oder eine
“bodenlose” Beschreibung anzugeben, die dem common sense
widerspricht.
Um diesen Balanceakt wird es im Folgenden gehen.
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Auf dem Weg zu einem systemischen Menschenbild II
Ebenen der Erkenntnis in der Therapie
Ebene 1: Der Praktiker hat es zu allererst vis-à-vis mit Menschen zu tun,
die er als ausgesprochen einheitlich und räumlich existent erlebt.
Ebene 2: Auf der nächst höheren Stufe kann er erkennen, dass die
wahrgenommene Konkretheit des Anderen der eigenen emotional
gesteuerten, synthetisierenden Sinnstiftung entsprungen ist.
Ebene 3. Im nächsten Schritt kann ihm weiterhin bewusst werden, dass
seine aktuelle Vorstellung seiner selbst wiederum auch eine
Wider- spiegelung seiner speziellen Beziehung zum Anderen beinhaltet.
Ebene 4. Auf der dann nächsten Reflexionsebene erkennt er schließlich,
dass beide Beteiligte - der Andere und er selbst - variable
Konstrukte
eines gemeinsamen interaktionellen Prozesses bzw.
eines sozialen Systems sind.
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Auf dem Weg zu einem systemischen Menschenbild III
Relationale Kohärenzen
Helfer und Hilfe Suchende gibt es - um es so auszudrücken - nur im
Bezug aufeinander.
Es gibt also den Therapeuten TK nur im Bezug auf den Klienten K, und
den Klienten KT nur im Bezug auf den Therapeuten T.
T und K bedingen sich wechselseitig: TK ⇆ KT
TK und KT „emergieren“, entfalten sich und vergehen zusammen mit
dem gemeinsam konstituierten System. Sie stellen die Mitglieder dieses
Interaktionssystems TK dar:
TK ⇆ {TK ⇆ KT}
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Auf dem Weg zu einem systemischen Menschenbild IV
Not one, not two, (Francisco Varela) but one and two (K.L.)
Menschen verkörpern zu jeder Zeit verschiedene, temporalisierte,
sich fortwährend verändernde, mehr oder minder strukturell
gekoppelte biologische, psychische und soziale Prozesse,
und
sind zugleich als zeitüberdauernde, für den Beobachter als
konstant wirkende Entitäten erkennbar.
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Auf dem Weg zu einem systemischen Menschenbild V
Die Realität des Irrealen
Ohne über ein substanzielles Substrat zu verfügen, erweist sich das ICH
als variables, immer neu entstehendes relationales Konstrukt.
In der Unmittelbarkeit des Erlebens ist hingegen alles, was als real erlebt
wird, für alle praktischen Zwecke unzweifelbar real.
Dabei gibt es kaum Realeres als das Erleben des Selbst. Denn im Erleben
und in der darauf bezogenen Narrative antwortet das Selbstkonzept auf
emotionale Bedürfnisse nach Konstanz und Gewissheit.
In diesem Sinne erlebe ich es als unzweifelbar, dass es MICH als zeitlich
überdauerndes homogenes ICH gibt.
Im rationalen Diskurs hingegen erweist sich diese vereinfachte Beschreibung als kaum haltbar, zumal sie nicht einmal der anspruchslosen Reflexion standhält, ob ich heute derselbe bin, der ich vor 50 Jahren war.
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Auf dem Weg zu einem systemischen Menschenbild VI
Intersystemisches Wechselspiel
Die biologischen Systeme stellen eine unerlässliche Bedingung für das
Entstehen einer ICH/DU Matrix dar. Aus dem biologisch verankerten
Möglichkeiten eines “Menschen“ bedienen sich die von ihm
verkörperten Mitglieder, um in kohärenter Weise auf andere bezogen
handeln und kommunizieren zu können.
Die sozialen Operationen eines Mitgliedes erfordern wiederum die
Einbeziehung psychischer Funktionen; diese werden von den dabei
entstehenden Kohärenzen – psychische Systeme - aktiviert, um die
Notwendigkeiten der Mitgliedschaft zu erfüllen.
Das zu jeder Zeit aktive Wechselspiel polysystemischer Körperlichkeit, psychischer Polyphrenie und sozialer Mitgliedschaften
konstituiert die je aktuelle Seinsweise eines Menschen.
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Auf dem Weg zu einem systemischen Menschenbild VII
Es kommt auch hier auf das Thema an….
Je nachdem, worauf man fokussiert, wird man verschiedene
Formen des Menschenbildes entwerfen können.
In emotionaler, gesellschaftlicher und so auch moralischer Sicht
aber wird man sich begnügen müssen, eine ganzheitliche Version
des Menschen zu Grunde zu legen.
Schließlich kann man schlecht nur eine von vielen Erscheinungsweisen eines Menschen lieben, sanktionieren oder zum Steuerzahlen verpflichten.
Das sollte jedoch den rationalen Diskurs nicht bestimmen.
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Auf dem Weg zu einem systemischen Menschenbild VIII
Schlussfolgerung: Unterschiedliche Phänomene
Je nachdem, ob biologische, psychische oder soziale Prozesse
fokussiert und diese als einfache oder komplexe Einheiten betrachtet
werden, entstehen unterschiedliche Phänomene. Man kann den
Menschen betrachten:
- in biologischer Hinsicht als Individuum mit spezifischen Eigenschaften
oder als polysystemisch konstituiertes Lebewesen (Nervensystem,
Immunsysteme, endokrine Systeme usw.);
- in psychischer Hinsicht als ganzheitliche Person bzw. Persönlichkeit
oder als unbeständiges polyphrenes (vielseelisches) Netzwerk der
Produktion und Reproduktion miteinander verkoppelter kognitiv-emotionaler Prozesse, die zu einem gegebenen Zeitpunkt als Kohärenzen
(“Selbste”) abrufbar oder rekonstruierbar sind;
- in sozialer Hinsicht als Person oder als unterscheidbaren sozialen
Operator bzw. Mitglied eines sozialen Systems.
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Dr. K. Ludewig
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Zum Schluss
Aus der systemischen, prozessbezogenen Betrachtung des Menschen
als variables, gemeinschaftlich konstituiertes Wesen lässt sich für einen
einzelnen Menschen ableiten, dass er das je aktuelle Ergebnis
vielfältiger, sich permanent ablösender Systeme darstellt.
Neben dieser differenzierenden Betrachtungsweise ist aus systemischer
Sicht ebenfalls möglich, den Menschen aus einer synthetisierenden
Perspektive zu betrachten und die einzelnen Systemtypen (Körper,
Psyche, Interaktion) bzw. den Menschen überhaupt als Ganzheit zu
fokussieren.
Systemisches Denken erlaubt es, von überkommenen einheitlichen
Vorstellungen auf Abstand zu gehen und den Betrachtungsfokus je nach
Bedarf variabel einzustellen, um so aus verschiedenen Perspektiven
ebenso verschiedene wie gültige Phänomene hervorzubringen – sofern
sie nützlich und vertretbar sind.
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Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!
Powerpoint mit dem Titel „Menschenbilder“
unter „Texte“ zu finden in:
http://www.kurtludewig.de
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