Vorlesung Existentialethik

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Transcript Vorlesung Existentialethik

Existentialethik - Hinführung
Univ. Prof. Mag. pharm. Dr. med.
Dr. theol. Matthias Beck
Institut für Moraltheologie
[email protected]
Worum geht es?
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Unterscheidung:
Existentialethik
Essenzethik
Existentielle Dimension
Nicht nur Normen erfüllen
Finden der Berufung
der Identität
des Glückes
des Lebenssinnes
Was ist Christentum?
Essenz - Existenz
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Essenz: Das Allgemeine, das Wesen, die
Norm, das Prinzip
Existenz: Das Einzelne, das Besondere, das
Einmalige, der Imperativ
Existenz (Ek-sistere, das Herausstehen)
Der Mensch erwacht zu sich selbst
Kierkegaard: Sünde ist, vor Gott nicht man
selbst sein wollen, Ausweichen, Angst
Prinzipien - Imperative
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
Prinzipien (Normenethik, Essenzethik,
Naturrecht, das Allgemeine)
Imperative (Existentialethik, das
Einzelne, Unverwechselbare)
Imperativ: Vollkommenheit, Ihr sollt
vollkommen sein, wie Euer Vater im
Himmel.
Liebesgebot

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Liebesgebot ist mehr als die Erfüllung
von Normen
Vollkommenheitsstreben ist Pflicht (ihr
sollt vollkommen sein…) auch wenn
Normen es nicht gebieten.
Prinzipien - Imperative

„Erst im komplementären Zusammenspiel von Prinzip
und Imperativ erwächst Sittlichkeit im dynamischen
Sinn des Evangeliums. Christliche Ethik ist damit
letztlich nicht mehr, aber auch nicht weniger als die
reflektierende Klärung dieser Zusammenhänge mit
dem einzigen Ziel der dadurch leichter möglichen
sittlichen Entscheidung zu jenem verwirklichenden
Lebensvollzug, der für den Menschen als dem von
Gott angesprochenen Ebenbild Antwort auf dessen
ihn unbedingt einfordernden An-Spruch ist.“ (Franz
Furger, Einführung in die Moraltheologie, Darmstadt
1988, 196).
Sittliche Weisungen
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Geschichts- und
Situationsgerecht
„ Mit den Wahlregeln entwickelte Ignatius eine Logik
existentieller Entscheidung, die trotz der
traditionellen Lehre von der Unterscheidung der
Geister vorher in dieser Weise nicht bestand. In der
Kirche wurde sie seither nie genügend theologisch
auf ihren eigentlichen Sinn und ihre Voraussetzung
hin bedacht; ihre Bedeutsamkeit dauert fort. Heute
wäre sie aus dem Kontext der Wahl eines kirchlichen
Berufes herauszulösen und in ihrer allgemeinen
Bedeutung für die menschliche Existenz durchsichtig
zu machen“ (Rahner XII, Einsiedeln 1954-1984,180
Anm. 11.)
Hintergrund der
Existentialethik
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Exerzitien des Ignatius (der wiederum
seine mystischen Erfahrung mit
aristotelischer Philosophie verbindet; Lit:
Gertler u.a. Zur größeren Ehre Gottes, Herder 2006)
Subjektphilosophie seit Kant
Heidegger
Programm III
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Worum geht es bei Existentialethik?
Entscheidungen treffen:
Emotionalität/Rationalität
Alltag; Lebensentscheidungen, Beruf,
Lebensstand wie Ehe, Ehelosigkeit,
Priestertum, Ordensleben)
Lebensvervollkommnung
Gewissen
Säkulare Vermittlung (Verallgemeinerbar?)
Hinführung – Programm I
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Ortsbestimmung
Geschichtliche Entwicklung von:
Theologie:
Leib-Seele-Problem (Anthropologie)
Moraltheologie
(Ethik)
Unterscheidung der Geister (Spiritualität)
Philosophie:
Aufkommen der Existenzphilosophie
Existentialismus (Unterscheidung)
Kierkegaard/Stirner/Nietzsche und Jaspers/Heidegger/Sartre
Psychologie: Entwicklung
Voraussetzungen Gottesbild I
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Gottesbild: Gott ist gut
Nicht: Gott kann gut und böse sein
(Willkürgott)
Nominalismus
Luther: Wie bekomme ich einen gnädigen
Gott – Viel Beten
Dann Umkehr (Turmerlebnis): Mit Werken
geht es nicht, Gott gnädig zu stimmen
Daher: Sola sciptura, Sola gratia, Sola fide
Voraussetzungen Gottesbild II
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Katholische Position: Der Mensch kann
und soll mitmachen
Gott will den Menschen groß machen
(Autorität)
Mensch: Talente vermehren
Aber: Endgericht (krank, arm,
Gefängnis
Gottes Ruf an den Menschen
ins Eigene, ins Andere, in die Freiheit
Mensch I
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Freiheit:
Handlungsfreiheit, Willensfreiheit,
Wesensfreiheit
existentiell: frei von falschen
Abhängigkeiten (äußerlich, innerlich)
frei zu: eigene Berufung
Frei von: z.B. Eltern
Bsp.: Jesus als 12 jähriger
Jesus mit 30: Hochzeit zu Kana
Mensch II
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Wozu soll das führen, dem Willen Gottes zu
folgen?
Eigenstand
Selbststand
Selbsterkenntnis
Verantwortung (für sich, für andere)
Wachsen
Orientierung finden
Innerer Halt
These
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Gott kann sich dem Menschen mitteilen
Indirekt , direkt?
Zweitursachen
Also auch im Leib
Der Mensch ist ein leibhaftiges Wesen
(Geist in Leib)
Unterschied: Leib - Körper
Konkretisierungen I
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Wenn Gott sich im Leib mitteilen kann, muss
das Leib-Seele-Problem betrachtet werden,
das ursprünglich kein christliches Thema ist,
sondern aus griichischer Philosophie stammt
Leib-Seele-Problem als anthropologische
Fragestellung
Geschichtlicher Überblick (von Plato bis
Gegenwart)
Hinführung – Programm I
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Ortsbestimmung
Geschichtliche Entwicklung von:
Theologie:
Leib-Seele-Problem (Anthropologie)
Moraltheologie
(Ethik)
Unterscheidung der Geister (Spiritualität)
Philosophie:
Aufkommen der Existenzphilosophie
Existentialismus (Unterscheidung)
Kierkegaard/Stirner/Nietzsche und Jaspers/Heidegger/Sartre
Psychologie: Entwicklung
Plato (428-348) - Unsterblichkeit
der Seele
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unsterbliche Seele: Ewigkeit – irdische
Existenz - Ewigkeit
Körper (Leib) ist Gefängnis der Seele.
Seele verlässt ihn im Tod
Dualismus von Seele und Leib
„Leibfeindlichkeit“
Aristoteles (384-322) - Seele als
Leben
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Aufbau der Natur aus Form und Materie
Formprinzip des Lebendigen: Seele
Seele als inneres Formprinzip,
Lebensprinzip und Ganzheitsprinzip
Geist von außen hinzu (thyraten)
Dualismus von Seele und Geist
Thomas von Aquin (1225-1274) Synthese
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Christlich-jüdisches Menschenbild
Nephes: Hals-Kehle-Leben-Lebenskraft
Ruach: Hauchen-Atem-Geist-Sinn
Thomas:
Seele als Form des Leibes
Anima intellectiva, sensitiva, vegetativa
„Sukzessivbeseelung“
Thomas von Aquin

Anima forma corporis (ontologisch)
Verweis auf die aktuelle Situation
der Genetik:
Genetik: In-forma-tion (empirisch)

Ganzheit


Descartes (1596-1650)

Trennung von Geist und Materie, res
cogitans / res extensa

Ausgedehnte Dinge: messbar

Gedanken: keine Länge/Breite
Neuzeit nach Descartes
Philosophie: Geist (deutscher
Idealismus)
 Hegel: Phänomenologie des Geistes
(Marx: dialektischer Materialismus)
Medizin: Philosophikum-Physikum
 „Materialismus“: Krankheitsursache in
den Genen
 Materie Mensch: Embryonale
Stammzellen

Sigmund Freud (1856-1939)
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


„Wiederentdeckung“ der Seele
Seele aber jetzt als Unbewußtes, Trieb,
Es, Ich, Überich, Konflikte.
Seele nicht mehr als Ganzheitsprinzip
Psychosomatische Medizin
Psychoonkologie
Psychoneuroimmunologie
Das Innenleben

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
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Emotionalität
Gefühl
Mensch-Mensch
Intuition
Gespür
Stimmigkeit
Gewissen
Mensch-Gott
Paradigmenwechsel (um
1900)



Physik: Einstein, Bohr Heisenberg,
Planck
Biologie: Gen-Protein-Funktion;
Genetik-Epigenetik
Psychoneuroimmunologie
Verweis auf Biologie und
Medizin: Gen – was ist das?




Chemisch: Desoxyribonucleinsäure (Materie)
Aber: Im lebenden Organismus: Information. Diese
Information liegt in Genen und Epigenetik, im
Gesamten des Organismus: Gene müssen geschaltet
werden
Gen: Umgebung - Innenleben
Altes Paradigma: Ein Gen – ein Protein – eine
Funktion
Neues Paradigma: Ein Gen – mehrere Proteine (bis zu
8) – unterschiedliche Funktionen
Psychoneuroimmunologie


„Auch das Gehirn ... nimmt
direkten Einfluß darauf, welche
Gene einer Zelle aktiviert und
welche Funktionen von der Zelle
infolgedessen ausgeführt
werden.“[1]
[1] G. Huether/St. Doering/U. Rüger/E. Rüther/G. Schüßler, Psychische
Belastungen und neuronale Plastizität. Ein erweitertes Modell des
Streßreaktionsprozesses für das Verhältnis zentralnervöser Anpassungsprozesse,
in: U. Kropiunigg/A. Stacher, Ganzheitsmedizin und Psychoneuroimmunologie.
Vierter Wiener Dialog, Wien 1997, 126-139, hier 126.
Psychoneuroimmunologie II

Wie beobachtet wurde, „stellt der
seelische Stress der Depression
mehrere Gene des Immunsystems ab,
die für die Produktion von
Immunbotenstoffen zuständig sind.“[1]
[1] Bauer, Das Gedächtnis des Körpers,
136.
Where do ESC come from ?
Developmental
Potential of Stem Cells
Embryonic stem cells (ESC)
Adult stem cells (ASC)
1- unipotent
2- multipotent
3- pluripotent
4- totipotent
O‘Connor and Crystal, 2006
Developmental Potential of
embryonic stem cells (in vitro)

Totipotent: every cell has the
potential to built the whole
organism (until 8-cell stage)
Reprogramming: controlling the development of
the cygote through methylation
CH3
CH3
Reprogramming: activation of „embryonic“ genes
Cloning: defective reprogramming.
Gen – was ist das







In-forma-tion ist Wechselwirkung (Dialog)
Gen-Gen
Gen-Protein
Gen- Zelle
Gen - jeap junk (Bereiche zwischen den Genen, die
bisher für sinnloses Zeug gehalten wurden und jetzt
als zentrale Steuerbereiche identifiziert werden
Gen- neuronales Netzwerk (Nervensystem)
Gen - Gehirn
Genetische Information
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

Gene
Epigenetik
Neuronales Netzwerk
Gehirn
Information ist Interaktion, Dialog
Gene - Umwelt - Innenwelt
Psychoneuroimmunologie



Geist-Materie-Verhältnis in empirischen
Wissenschaften:
„Auch das Gehirn ... nimmt direkten
Einfluß darauf, welche Gene einer Zelle
aktiviert und welche Funktionen von der
Zelle infolgedessen ausgeführt
werden.“[1]
[1] G. Huether/St. Doering/U. Rüger/E. Rüther/G. Schüßler, Psychische Belastungen und
neuronale Plastizität. Ein erweitertes Modell des Streßreaktionsprozesses für das Verhältnis
zentralnervöser Anpassungsprozesse, in: U. Kropiunigg/A. Stacher, Ganzheitsmedizin und
Psychoneuroimmunologie. Vierter Wiener Dialog, Wien 1997, 126-139, hier 126.
Psychoneuroimmunologie II

Wie beobachtet wurde, „stellt der
seelische Stress der Depression
mehrere Gene des Immunsystems ab,
die für die Produktion von
Immunbotenstoffen zuständig sind.“[1]
[1] Bauer, Das Gedächtnis des Körpers,
136.
Buchtitel



Bauer: Das Gedächtnis des Körpers
„Wie zwischenmenschliche Beziehungen
und Lebensstile unsere Gene steuern“
England: Studie (500000 Probanden):
Was ist genetisch bedingt, was ist
Umwelt, was ist Lebensstil?
Krankheit – Gesundheit Spiritualität
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Genetisch krank – Phänotypisch gesund
Krankes Gen macht noch keine Krankheit
Gene müssen an- und abgeschaltet werden (auch
Gehirn und Innenleben des Menschen beteiligt)
Gesundheit ist Gleichgewicht zwischen Angreifern
(Viren-Bakterien) und Abwehrsystem (Immunsystem)
Verweis auf die Zusammenhänge zwischen
Spiritualität und Krankheit
Heilung kommt von innen!!!
Bedeutung der Erkenntnisse
der Genetik für:

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
Krankheit (Gene müssen geschaltet werden):
Zusammenhang zum Innenleben des Menschen,
Spiritualität
Embryonale Stammzellforschung (wenn Zellen aus 5
Tage altem Embryo transplantiert werden in
erwachsenen Organismus: Krebs
Weil: Genetisch-epigenetische Verschaltung anders.
Im Embryo: Geordnete Zelldifferenzierung, in
anderem Organismus wegen anderer Umgebung
(Epigenetik): ungeordnete Zelldifferenzierung=Krebs.
Zusammenfassung: LeibSeele-Problem I

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
Plato: Jenseitsvorstellungen, Leib-SeeleDualismus
Aristoteles: Diesseitsvorstellung: Seele als
inneres Lebensprinzip, Ganzheitsprinzip
Thomas von Aquin: Synthese aus jüdischchristlichem Denken (Der Mensch als ganzer
vor Gott) und aristotelischer Philosophie
Zusammenfassung II
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Descartes: Leib-Seele-Einheit zerbricht
Res cogitans (Geist)
Res extensa (Materie, Ausgedehntes)
Messbares (Naturwissenschaft)
Nichtmessbares (Geisteswissenschaft)
Zusammenfassung III
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Auseinaderentwicklung der Wissenschaften:
Geist : Philosophie, Geisteswissenschaften (Nicht
wiederholbar im Experiment, der Einzelne), dt.
Idealismus, Hegel: Phänomenologie des Geistes
Materie: Naturwissenschaften (Galileo Galilei,
naturwissenschaftliche Experimente, Natur wird
gezwungen, sich zu zeigen, der Greiche betrachtete
nur die Natur , den Kosmos und staunte. Ho
Anthropos: der Mensch, der schaut und staunt
Psychologie (zwischen Natur- und
Geisteswissenschaft: Einzelschicksal, aber
verallgemeinerbar durch Statistik)
Zusammenfassung IV
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Naturwissenschaft/Materie: Analyse bis in die Gene
hinein
Aber: Gene müssen geschaltet werden (Epigentik,
„Dialog“, Wechselwirkung
Hier: Verbindung zur Hirnphysiologie, Psychologie,
aber auch zur Spiritualität. Das Innenleben wirkt ein
auf die Verschaltung der Gene
Man wusste um Zusammenhänge zwischen
Innenleben und Immunsystem aus der Psycho-neuroimmunologie, jetzt neu: Innenleben - Genetik
Information ist Interaktion im gesamten Organismus
Ergänzung: Das Innenleben
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Emotionalität
Gefühl
Mensch - Mensch
Intuition
Gespür
Stimmigkeit
Innerer Friede
Gewissen
Mensch - Gott
Konkretisierung II
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
Wie kam es zur Entwicklung der
Existentialethik?
Was waren die Entwicklungen in der
Moraltheologie im Kontext der
jeweiligen geschichtlichen
Herausforderungen?
Was ist heute das zentrale Anliegen?
Einflüsse (griechisch)
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
Griechische Philosophie, vor allem
Stoa /stoa poikilae (bemalte Säulenhalle,
Agora Athen, Zenon von Kition 300 v. Chr.),
kosmologische ganzheitliche Weltbetrachtung,
Selbstbeherrschung, Einfügen ins Ganze
Aristoteles (384-322), Nikomachische Ethik
(Glück, eu-daimonia, Gemeinschaft)
Einflüsse (römisch)
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Cicero (106-43 v. Chr.)
De officiis (44 v. Chr.):
Pflichten (eines Staatsmannes)
- ehrenhaftes Verhalten
- nützliche Pflichten
- Konfliktlösungen
Kardinaltugenden (Gerechtigkeit, Klugheit, Tapferkeit,
Maß [Plato 428-348], aber schon aus dem 6. Jh. v.
Chr.)
Seneca, röm. Staatsmann (1- 65 n. Chr.), Stoa
Marc Aurel (121-180), röm. Kaiser (letzter: Stoa)
Jüdisch - christlich
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AT: 10 Gebote (364 Alltagsgesetze)
NT: personales Ethos Jesu
- Liebe: Gottes-, Nächsten-, Selbst-,
Feindesliebe
- goldene Regel
- Barmherzigkeit
- Bergpredigt
Junge Kirche
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
Justin (100-165), Apologet, Ethik: Im
Herzen des Menschen: Liebe Gottes,
sittliche Orientierung)
Clemens von Alexandrien (150-215)
Origenes (185-254)
---- Gesamtdarstellung christlichen
sittlichen Lebens
Kirchenlehrer/Kirchenväter

Ambrosius von Mailand (339-397),
Kirchenlehrer, de officiis ministorum:
Über die Pflichten der Kirchendiener;
Christliche Tugendlehre, Nachahmung
von Ciceros Schrift de officiis. Erste
christliche Tugendlehre. Geschrieben
388/389.
Kirchenväter
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
Hieronymus (347-419): Vulgata
Basilius d. Große (330 379):
Zusammenfassungen über das christliche
Leben
Augustinus (354-430): Gnadenlehre,
Ehezwecklehre, Sexualmoral, Leib-SeeleDualismus Platons (Manichäismus)
Zwischen 5 Jh. bis 12. Jh.: Völkerwanderung:
wenig neues
Bußbücher (iroschottische Mönche), Kasuistik
Thomas von Aquin (12251274)



Biblische, patristische, aristotelische Synthese
(siehe auch Leib-Seele- Verhältnis)
Noch keine selbständige Moraltheologie
Sondern: Lehre vom Weg des Menschen, der
als Ebenbild Gottes autonomes Prinzip seiner
Handlungen ist, dazu bestimmt, auf dem von
Christus eröffneten Weg durch freies und
verantwortliches Handeln zu Gott
zurückzukehren.
Thomas von Aquin
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

2. Teil seiner Summa theologiae
II/I (erste Hälfte des zweiten Teils): Gründe,
Strukturen und Mittel des menschlichen
Handelns allgemein
2. Hälfte (II/II): konkrete normative Inhalte
in Form von 44 Tugenden, die auf die drei
göttlichen Tugenden (Glaube, Hoffnung,
Liebe) und die 4 Kardinaltugenden
(Gerechtigkeit, Klugheit, Tapferkeit, Maß)
zurückgeführt werden
Zeit nach Thomas
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
Bis Thomas: konsistente Anthropologie (LeibSeele-Problem) und daraus entfaltet
Tugendlehre und Haltungsethik
Jetzt: Anthropologie zerbricht (Leib-Seele),
Nominalismus schaut auf einzelne Akte
Nicht mehr umfassende Haltung (Tugend),
sondern einzelne Akte: Gesetzesethik
Entgrenzung: siehe Umbruch Neuzeit
Neue Lehre
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
Spanisches Reich (Welteroberung,
Kolumbus 1491, Mission)
Rechtsordnung
Theologen der Spanischen
Spätscholastik
Ausbau des Völkerrechts
Da in der Offenbarung keine klaren
Regeln: Naturrecht
Neue Lehre

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
Noch Thomas: Sehr allgemeine oberste
Prinzipien und Wesen des Menschseins
(inclinationes naturales)
Jetzt: spanische Hochscholastik:
unveränderliches Naturrecht
Gutachten: nur wenige Theologe
bestimmen, was zur Natur des
Menschen gehört und was nicht
Nach Thomas von Aquin
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Nachfolge:
Spätscholastik: Reformation und Folgen der
Entdeckung der neuen Welt
Scholastische Schulphilosophie des 18. Jahrhunderts:
Auseinandersetzung mit Aufklärung
Neuscholastik: Auseinandersetzung mit Säkularisation
Zusammenbruch der großen Systeme
Moraltheologie: Öffnung auf Philosophie, z.B.
Transzendentalphilosophie hin (Marechal, Rahner,
Lotz, Coreth)
Konzil von Trient (1545-1563)

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



Bildungsplanung
Beichte, Erneuerung der Moral
Erstmals Begriff der Moraltheologie
Beichtpriester müssen Sünden genau
unterscheiden
Johannes Azor: erstes Handbuch der
Moraltheologie
Darin: Kurze Prinzipienlehre, 10 Gebote,
Kirchengebote, Sakramente, Ablässe
Kasuskonferenzen über Gewissensfälle
Gegenwart




Gegenwart: statt deduktiv angelegter
Lehrbücher: problemorientierte
Einzelforschung
Probleme: Naturrechtliche Normbegründung
Autonomiebegriff: Nachkantische
Moralphilosophie
Normbegründung: Öffnung auf analytische
Philosophie (Bruno Schüller, Begründung
sittlicher Urteile)
Neuere Ansätze


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

Nicht mehr nur naturrechtlich: allgemeine
Normen konkret umsetzen, sondern
Personalistische
Existenzphilosophische
Hermeneutische Ansätze
Damit nicht weniger Verbindlichkeit, sondern
mehr: Der Einzelne ist gefragt, kein
verstecken hinter Normen, sondern:
Selbstverantwortung, Gestaltung von Normen
(Korff: Verantwortung vor und für Normen)
Existenzphilosophie/
Existentialismus



Kierkegaard
Stirner
Nietzsche

Jaspers
Heidegger
Sartre

Lit.: Thomas Seibert, Existenzphilosophie, 1997


Kierkegaard I


„Sünde ist: vor Gott verzweifelt
nicht man selbst sein wollen
oder vor Gott man selbst sein
wollen“[1]
[1] S. Kierkegaard, Die Krankheit zum Tode. Eine christliche
psychologische Entwicklung zur Erbauung und Erweckung von
Anti-Climacus, Kopenhagen 1849 (hrsg. v. L. Richter), Frankfurt
a.M. 21986, 77.
Kierkegaard II


„Diese Form von Verzweiflung ist:
verzweifelt nicht man selbst sein wollen,
oder noch niedriger: verzweifelt nicht
ein Selbst sein wollen, oder am
allerniedrigsten: verzweifelt ein anderer
sein wollen als man selbst, ein neues
Selbst sich wünschen.“[1]
[1] Ebd. 51.
Kierkegaard III

„daß der Grund, warum der Mensch
eigentlich am Christentum Ärgernis
nimmt, darin liegt, daß es zu hoch ist,
…, weil es den Menschen zu etwas
Außerordentlichem machen will.“[1]

[1] Ebd. 79.
Nietzsche





Der tolle Mensch, aus: Die fröhliche
Wissenschaft
Wohin ist Gott? Wir haben ihn getötet
Zarathustra: Wen willst Du? Mich? Niemals!!
Geh … Davon !! - Nein komm zurück
Mein letzter Schmerz, mein letztes Glück
Ignatius





Zwei zentrale Begriffe zur Einordnung
der inneren Seeleregungen:
Trost
Trostlosigkeit (Exerzitien-Buch Nr.
316/317)
Fundament der Exerzitien
„Der Mensch ist geschaffen dazu hin…
Dynamik



Das Dynamische in der Kirche
Das Dynamische in der Moral
Charakteristischer Zug
existentialethischen Denkens, der seine
Relevanz auch im Kontext der Genese
sittlicher Normen entfaltet.
Dynamisierung geschichtlicher
Moral




Evolutive Entwicklung des Menschen
Mensch als geschichtlich verfasst (hat
eigene Geschichte und lebt in einer
Geschichte)
Wandelbare und unwandelbare Normen
Wandelbares und unwandelbares in den
Normen
Entscheidungen



Vorentscheidungen
Grundentscheidungen
Einzelentscheidungen
Konkretisierung III


Entwicklung der Spiritualität
(Unterscheidung der Geister)
Lit.: Marianne Schlosser, Die Gabe der
Unterscheidung der Geister, Würzburg 2008
Konkretisierung IV


Rahners Existentialethik
Texte lesen
Zusammenfassung: Der Wille
Gottes, wozu das Ganze?






Befreiung des Menschen aus falschen
Abhängigkeiten (auch Menschen)
Erlösung von falschen Ängsten
Frei von – Frei zu
Berufung/Identität/eigene Wahrheit finden
Von Gott her: Wachsen lassen (Autorität,
augere), Raum schaffen
Wozuhin? Fülle des Lebens - Glück
Sinn des Religiösen
- Berufung finden
- Talente vermehren!!!
„Unternehmertum“ – aber: Dienst am Nächsten, der
andere muss mit
Statt Selbstverwirklichung: Gottesverwirklichung
- Ruf ins Eigene–Ruf ins Andere–Ruf in die Freiheit (Lit.:
Schneider, Unterscheidung der Geister)
- Eigenstand
- Selbsterkenntnis - Selbstwerdung
- Integration statt Desintegration (Sym-bol, Dia-bol)
- Glauben – Vertrauen - Gehorsam
Literatur

Matthias Beck, Leben. Wie geht das? Wien 2012

Matthias Beck, Seele und Krankheit, Psychosomatische Medizin und theologische
Anthropologie, Paderborn u.a., 3. Aufl. 2003.

Johannes Brantl, Entscheidung durch Unterscheidung. Existentialethik als inneres Moment
einer medizinischen Ethik in christlicher Perspektive.







Ignatius von Loyola: Die Exerzitien. Übertragen von Hans Urs von Balthasar, Einsiedeln
61979.
Karl Rahner, Das Dynamische in der Kirche (QD 5), Freiburg i.Br. 1958.
Ders.: Die Logik der existentiellen Erkenntnis bei Ignatius von Loyola, in:
ders., Das Dynamische in der Kirche (QD 5), Freiburg i.Br. 1958, 74-147.
Ludwig Sanhüter, Das Dynamische in der Moral. Zur Aktualität des Existentialethik Karl
Rahners, St. Ottilien 1990.
Michael Schneider: Unterscheidung der Geister, Innsbruck-Wien 21987
Ders.: Das neue Leben, Herder Verlag