Josquin – Miserere mei, deus

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Transcript Josquin – Miserere mei, deus

Die Motette
von
Guillaume de Machaut
bis
Johann Sebastian Bach
Tenormotette II
Psalmmotetten
Tenormotette II /
Psalmmotette
Josquin
Miserere mei, deus
Josquin – Miserere mei, deus
- Josquins fünfstimmige Psalmvertonung
umfasst den kompletten 50. VulgataPsalm (vierter Bußpsalm)
- Der Psalm umfasst ohne Überschrift 19
Verse
- die Josquin in drei Partes zu 2x 7 und
1x 5 Versen einteilt
- Hinzu tritt ein eigens strukturierter
Tenor, der in Sekundschritten von e‘
nach e, von e nach e‘ und von e‘ nach a
schreitet
Josquin – Miserere mei, deus
Prima pars
Tenorstimme nach Ottaviano Petrucci,
Motetti de la Corona. Libro tertio,
Venedig 1519
Josquin – Miserere mei, deus
Secunda und Tertia pars
Josquin – Miserere mei, deus
Zur Ordinatio des Tenors
- Josquin hat 19 Verse
- und pro pars 8 Tenor-Soggetti
- damit bei zwei Partes mit 16 Soggetti
3 zu wenig
- oder bei drei Partes mit 24 Soggetti
5 zu viel
- Als Kompromiss macht Josquin nur 2,5
Durchläufe mit insgesamt 21 Soggetti,
also 2 Soggetti zu viel
Josquin – Miserere mei, deus
- mit den überzähligen Soggetti teilt
Josquin die Verse 3 und 15
- Damit beginnt die Secunda pars mit der
Bitte „audi tui“ und die Tertia pars mit
dem Vesperversikel „Domine, labia
mea aperies“
- Die Finalis des Tenors endet dafür auf
a anstatt auf e, der eigentlichen Finalis
der Motette
Josquin – Miserere mei, deus
- Der Tenorsoggetto zeichnet sich durch
Repetitionstöne, die markante Anfangspunktierung und den Halbtonschritt zum
Adressat des Bußrufs „Deus“ aus
- Mit dem Lamentoschritt und der
Konzentration auf Gott hin enthält der
Soggetto bereits den Inhalt des Psalms
in nuce
Josquin – Miserere mei, deus
- Josquin komponiert jeden der
Tenoreinsätze als deklamatorisch
ausgeführten Block
- Diese Blöcke wirken wie Pfeiler,
zwischen denen die Psalmverse die
Verbindungen schaffen
- Eine weitere Herausforderung ist die
Erhaltung des e-Modus trotz der durch
den Oktavgang wandernden MiserereBlöcke
Josquin – Miserere mei, deus
- Wirken die das gesamte Werk von 425
Mensuren prägenden Miserere-Blöcke
schon als Einheit schaffend, lässt
Josquin noch eine das Werk
übergreifende motivische Struktur hinzu
treten
- Durch diese zum Tenorprinzip
hinzutretenden Strategien verhindert
Josquin, dass das umfangreiche Werk
„auseinander fällt“.
Josquin – Miserere mei, deus
Motivische Rahmung in den Versen 3 und 4
Josquin – Miserere mei, deus
Josquin – Miserere mei, deus
Das Quartmotiv am Ende der Prima pars
Das Terzsprungmotiv am Ende der Prima
und der Tertia pars
Josquin – Miserere mei, deus
- Die Repetitionstechniken schaffen
einerseits eine formale Einheit des
umfangreichen Werke
- Die Repetition der Miserere-Blöcke hat
zudem eine stark rhetorische Wirkung
auf die Zuhörer
- Dies auch durch den Wechsel von
melismatischen Abschnitten zu den
deklamatorisch gebauten Blöcken
Josquin – Miserere mei, deus
„... wie auch die gewaltige Wiederholung,
mit der er Erbarmen erfleht, nicht
gestattet, daß die Seele müßig denkt oder
nicht zur Hoffnung des Glaubens bewegt
wird.“
Johann Ott, Nürnberg 1538
Psalmmotetten II
Josquins
Memor esto und
Domine, ne in furore tuo
Psalmmotetten II – Memor esto
- Josquins Psalmmotette Memor esto
umfasst zweimal 8 Verse aus dem 118.
Vulgatapsalm – dem längsten Psalm
des Psalters
- Josquin verwendet keinen Tenor oder
Cantus prius factus
- Die 328 Mens. umfassende Motette ist
völlig frei komponiert
Wie lässt sich eine lange Motette
ohne Cantus prius factus bzw.
Tenor strukturieren, so dass der
musikalische Zusammenhang
erhalten bleibt?
Psalmmotetten II – Memor esto
- Josquin verteilt die 16 Verse auf zwei
Pares zu je acht Versen
- Josquin komponiert daher einen
motivischen „Rahmen“ um die Motette
- Und er verbindet die „Nahtstellen“
durch eine ähnliche rezitativische
Gestaltung des Satzes
Schematische Form der Motette:
A
B|B
B Dox. A
Psalmmotetten II – Memor esto
- Der „Rahmen“ besteht aus einem
charakteristischen Motiv, das zu
Motettenbeginn aus einem punktierten
Terzaufgang und einem Quintfall
besteht
- Dieses Motiv wird insgesamt acht mal
(4+4) wiederholt
- Am Motettenende wird das Motiv in
verkürzerter und den Quintfall zum
Terzschritt reduzierenden Form wiederholt.
Psalmmotetten II – Memor esto
- Am Ende der Motette wiederholt
Josquin das variierte Eingangsmotiv an
prominenter Stelle in der Doxologie
- Hinzu tritt eine Änderung des Textes:
anstelle des „[Gloria Patri et Filio et
Spiritui Sancto], sicut erat in principio et
nunc et semper et in saecula
saeculorum. Amen“ tritt das wiederholte
„memor esto verbi tui“
Psalmmotetten II – Memor esto
- Dieses Überraschungsmoment sichert
zum einen die Aufmerksamkeit auf die
(variierte) Wiederholung des Motivs
- Zum andern spielt der wiederholte Text
„memor esto verbi tui“ - „Gedenke an
dein Wort“ eine besondere Rolle,
- weil er das Moment des Erinnerns
durch die Wiederholung ausdrückt
- Dies lässt sich auch schon für den
Anfang der Motette sagen, wo das
Motiv regelrecht „memoriert“ wird
Psalmmotetten II – Memor esto
Psalmmotetten II – Memor esto
Psalmmotetten II – Memor esto
- Auch die Psalmverse sind vielfach in
Wiederholungsstrukturen komponiert
- Teilweise finden sich auch motivische
Verbindungen zwischen einzelnen
Versteilen
- Teilweise finden sich auch plakativere
Wiederholungsstrukturen
Psalmmotetten II – Memor esto
Psalmmotetten II – Memor esto