Dufay – Ave regina coelorum III

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Transcript Dufay – Ave regina coelorum III

Die Motette
von
Guillaume de Machaut
bis
Johann Sebastian Bach
Traditionen I
Dufay – Ockeghem - Josquin
imitatio
aemulatio
superatio
Traditionen
Wie in der antiken
Kunstauffassung (Horaz, Arte
poetica V) ist es in der
Renaissance üblich, Vorbilder
zu imitieren, deren Technik
sich anzueignen und durch
eigene Kunst zu übertreffen.
Traditionen
Beispiel
Dufay, Ave regina caelorum III
Ockeghem, Alma redemptoris mater
Josquin, Alma redemptoris mater/Ave
regina coelorum
Dufay – Ave regina coelorum III
- vierstimmige Vertonung der Antiphon
„Ave regina coelorum“
- Mit eingefügten freien Texten
(Tropen) als Gebete für Dufay
- überliefert um 1474/75, evtl. um
1458-63 in einer röm. Hs.
- Votiv-Motette für Dufay
Dufay – Ave regina coelorum III
Prima pars
Ave regina coelorum
Ave Domina angelorum
Miserere tui labentis Dufay
Ne peccatorum ruat in ignem fervorum
Salve radix sancta
Ex qua mundo lux est orta
Miserere, miserere Genitrix Domini
Ut pateat porta caeli debili.
Dufay – Ave regina coelorum III
Secunda pars
Gaude gloriosa
Super omnes speciosa
Miserere, miserere supplicantis Dufay
Sit que in conspectu tuo mors ejus speciosa
Vale valde decora
Et pro nobis semper Christum exora
In excelsis ne damnemur miserere nobis
Et juvat ut in mortis hora
Nostra sint corde decora.
Dufay – Ave regina coelorum III
Aufbau
- Prima pars im Tempus perfectum
- Secunda pars im Tempus imperfectum
- Die Choralmelodie wird nicht in sog.
„Pfundnoten“, sondern in freiem
Rhythmus und durch freie Noten
verziert vorgetragen.
-> Choralparaphrase
Dufay – Ave regina coelorum III
- Hauptsächlicher Träger des Chorals ist
der Tenor
- Auch der Tenor wird koloriert
- Die Hinzugefügten Noten nehmen
dabei zum Ende einer Phrase hin zu
- Gleichfalls beschleunigen sich die
Notenwerte zum Ende einer Phrase hin
- Bisweilen wird der Choral im Superius
„vorausimitiert“, Vgl. Mens. 1ff, 45ff etc.
Dufay – Ave regina coelorum III
- Die Großabschnitte der Motette folgen
den Abschnitten der Antiphon
- Die Abschnittsenden werden mit
betonten Kadenzen (Longae als
Finales) markiert
- Die freien Texte werden als Tropen
eingeschaltet
- Besonders betont wird das „miserere“
durch die Lamento-Sext es‘‘ zu c‘.
Dufay – Ave regina coelorum III
- Zudem werden die „miserere“-Blöcke
durch Semibreven im homophonen
Satz vervorgehoben
- Der Bau der Melodie ist einerseits am
Choral orientiert
- Andererseits ist Dufay an klarem
melodischem Bau (vgl. Mens. 27ff oder
30ff im Superius) und klarer Rhythmik
gelegen:
= „Rhythmischer Gleichschritt“ der
Stimmen
Dufay – Ave regina coelorum III
Der cantus prius factus bildet auch hier die
Grundlage des Satzes. Die freien Stimmen ergänzen des Satz vielfach in Terzen/Dezimen.
Hörbeispiel
Dufay – Ave regina coelorum III
Ockeghem – Alma redemptoris
- vierstimmige Motette über die Antiphon
„Alma redemptoris mater“
- Der Cantus prius factus erklingt
hauptsächlich im Altus
- Prima pars: Tempus perfectum
- Secunda pars: Tempus imperfectum
- Von den vier Abschnitten der Antiphon
(Alma – et stella – tu quae – virgo prius)
verteilt Ockeghem 3 auf die Prima,
1 auf die Secunda pars.
Ockeghem – Alma redemptoris
- Die Abschnittsbildung folgt in
Grenzen der Antiphon
- So wird der zweite Abschnitt „et stella
maris“ Mens. 24ff wird durch
Stimmenreduktion vorbereitet
- Ähnlich bei „tu quae genuisti“ Mens.
35ff
- Große Kadenzen finden sich nur an
den Satzschlüssen
Ockeghem – Alma redemptoris
- Der Kontrapunkt Ockeghems ist
weniger konzise oder „klar“ gebaut als
derjenige Dufays
- Vielfach hat jede Stimme ihren eigenen
Rhythmus, vgl. etwa Mens. 15ff, 25ff
- Die Phrasen- oder Abschnittsbildung ist
zumeist länger als bei Dufay
- Der Melodiebau „schweifender“
- Wie Dufay beginnt Ockeghem mit
einem hohen und tiefen Bicinium
Ockeghem – Alma redemptoris
Bereits in seiner „Grundgestalt“ ist der Satz
rhythmisch dichter als bei Dufay.
Hörbeispiel
Ockeghem – Alma redemptoris
mater
Josquin – Alma red./Ave regina
- Josquin schreibt eine Motette über
beide Antiphonen!
- Beide Antiphonen werden im
doppelten Kontrapunkt im ersten
Bicinium verarbeitet
- Josquin rhythmisiert lediglich die
Antiphonen und fügt wenige freie
Noten ein
- Zu Beginn zitiert er Ockeghems Altus
Josquin – Alma red./Ave regina
Josquin – Alma red./Ave regina
- Wie Dufay und Ockeghem beginnt
Josquin mit zwei Bicinien
- Die Antiphonen werden im gesamten
Werk auf die vier Stimmen verteilt
- Wie Dufay und Ockeghem stehen die
Prima pars im Tempus perfectum,
die Secunda pars im Tempus
imperfectum
- Dies ist zu Josquins Zeit im vierst.
Satz nicht unbedingt üblich
Josquin – Alma red./Ave regina
- Wie Dufay verteilt Josquin die vier
Abschnitte der Antiphonen zu je zwei und
zwei auf die beiden Partes
- Vor allem in der Secunda pars werden die
einzelnen Abschnitte wie bei Dufay klar
abgegrenzt
- Die Prima pars gleicht in Rhythmus und
melodischem Bau eher Ockeghem
- Die Secunda pars gleicht in ihrer Klarheit
eher Dufay
Josquin – Alma red./Ave regina
- Josquin hat damit in Aufbau und Stil der
Motette beiden Meistern seine
Reverenz erwiesen
- Das Ockeghem-Zitat zu Beginn weist
zudem klar auf dessen Motette hin
- Darin kann man jeweils eine Imitation
bzw. Aemulatio sehen
Josquin – Alma red./Ave regina
- Die Kombination beider Antiphonen
in einer vierstimmigen Motette wäre
eine klassische Superatio
- Denn durch die Verwendung zweier
Choralvorlagen ist die Determination
des Satzes durch bereits
vorhandenes Material ungleich höher
als bei Dufay und Ockghem.
Josquin – Alma red./Ave regina
Der Satz ist durch die beiden Choralvorlagen
stark determiniert:
Rot: Choralvorlagen in ATB
blau: Altus
Hörbeispiel
Josquin – Alma redemptoris
mater / Ave regina coelorum
Traditionen II
Klagekompositionen auf den
Tod
von Komponisten
Ockeghem – Josquin - Gombert
Klagekompositionen
Johannes Ockeghem
Mort, tu as navré de ton dart
Musikalisches Epitaph auf
Gilles Binchois (um 1400-1460)
Klagekompositionen
Josquin des Prez
Nymphes de boys – Requiem
Musikalisches Epitaph auf
Johannes Ockeghem (1410/30-1497)
Josquin - Nymphes de boys
- Fünfstimmig
- Verwendet als Tenor den Introitus
„Requiem aeternam“
- Wie in Mort, tu as navré ist der Text der
freien Stimmen französisch und
verwendet Allegorie
- In Jean Molinets Text werden die
Waldnymphen, die Göttinnen der
Quellen und die Sänger aufgerufen,
ihre Stimmen in Klagen zu verwandeln.
Josquin - Nymphes de boys
- Wie in Mort, tu as navré wird der
Verstorbene mit Namen im Text
genannt
- Bemerkenswert ist der Refrain, der
bedeutende Komponisten der JosquinGeneration aufzählt: Josquin, Antoine
Brumel, Pierre de la Rue (Pierchon)
und Loyset Compère
Josquin - Nymphes de boys
- Der fünfstimmige Satz ist
zurückhaltend komponiert (gedämpfter
Ton)
- Vielfach Tonwiederholungen („en cris
trenchans et lamentations“)
- Sicher auch bedingt durch die teils
sehr langen Noten des Tenors
- große Sprünge werden möglichst
vermieden
- keine großen melodischen Bögen
Josquin - Nymphes de boys
Als besonderes Zeichen der Trauer
sind die Stimmen vollständig in
schwarzen Noten notiert, auch die
Breven und Longen sind schwarz
ausgefüllt.
Man nennt dieses Phänomen
„Augenmusik“.
Hörbeispiel
Josquin des Prez
Nymphes de boys – Requiem
Nicolas Gombert (c. 1495-c. 1560)
Musae Iovis – Circumdederunt me
Musikalisches Epitaph auf
Josquin des Prez