Dufay – Nuper rosarum flores

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Transcript Dufay – Nuper rosarum flores

Die Motette
von
Guillaume de Machaut
bis
Johann Sebastian Bach
Guillaume Dufay
Guillaume Dufay – Beispiel 3
Domweihmusik
Nuper rosarum flores
Guillaume Dufay – Beispiel 3
Die Motette Nuper rosarum flores
wurde zur Einweihung des
Florentiner Doms – der Cattedrale
di Santa Maria del Fiore – am 25.
März 1436 komponiert und
uraufgeführt.
Die Konsekration vollzog Papst
Eugen IV.
Der
Florentiner
Dom
(begonnen 1296,
geweiht 1436)
Der
Innenraum
Filippo
Brunelleschis
Kuppel
Höhe 107m
Durchm. 45m
Bauzeit 16 J.
Guillaume Dufay – Beispiel 3
Nuper rosarum flores
Dufays Motette ist:
- isorhythmisch angelegt
- proportional angelegt
- vierstimmig
- besitzt zwei Tenores
Dufay – Nuper rosarum flores
Als doppelten Tenor verwendet Dufay
den Introitus zum Kirchweihfest
Terribilis est locus ist: [hic domus Dei est,
et porta coeli: et vocabitur aula Dei.]
„Schrecklich [Ehrfurchtgebietend ist dieser
Ort: [hier ist Gottes Haus, und die Pforte
des Himmels: und sie wird genannt Halle
Gottes.“
Dufay – Nuper rosarum flores
Der Introitus „Terribilis est“ zum Kirchweihfest mit dem von Dufay gewählten
Color:
Dufay – Nuper rosarum flores
Der Aufbau der Motette:
Tr+Mo
Tr+Mo-T1+T2
Tr+Mo
Tr+Mo-T1+T2
Tr+Mo
Tr+Mo-T1+T2
Tr+Mo
Tr+Mo-T1-T2
28 Mens.
28 Mens.
28 Mens.
28 Mens.
14 Mens.
14 Mens.
14 Mens.
14 Mens.
Temp. perfectum
Temp. perfectum
Temp. imperfect.
Temp. imperfect.
Temp. Imperf. dim.
Temp. Imperf. dim.
Temp. perf. dim.
Temp. perf. dim.
6
4
2
3
Dufay – Nuper rosarum flores
Text und Tenordurchführungen
I
Nuper rosarum flores
Ex dono pontificis
Hieme licet horrida
Tibi, virgo coelica
Pie et sancte deditum
Grandis templum machinae
Condecorarunt perpetim.
Terribilis
Dufay – Nuper rosarum flores
II
Hodie vicarius
Jesu Christi et Petri
Successor Eugenius
Hoc idem aplissimum
Sacris templum manibus
Sanctisque liquoribus
Consecrare dignatus est.
est
locus
iste
Dufay – Nuper rosarum flores
III
Igitur, alma parens
Nati tui et filia,
Virgo decus virginum,
Tuus te Florentiae
Devotus orat populus,
Ut qui mente et corpore
Mundo quicquam exorarit.
Terribilis
est
locus
iste
Dufay – Nuper rosarum flores
IV
Oratione tua
Cruciatus et meritis
Tui secundum carnem
Nati domini sui
Grata beneficia
Veniamque reatum
Accipere mereatur.
Amen.
Terribilis est
locus iste
Terribilis est
locus
iste.
Amen.
Dufay – Nuper rosarum flores
Die vier Tenordurchführungen sind
demnach nicht, wie man erwarten
könnte, regelmäßig auf die vier TextStrophen verteilt.
Dufay – Nuper rosarum flores
Vielmehr betont die erste Durchführung das Grandis templum machinae
und verbindet den neuen Dom mit Jesus
Christus, Petrus und seinem Nachfolger
Papst Eugen IV.
Dufay – Nuper rosarum flores
Die verbleibenden drei
Durchführungen verteilen
sich dann auf die beiden restlichen Strophen.
Dufay – Nuper rosarum flores
Durch den betonten Bezug des
Introitus-Textes: „Terribilis est locus
iste“, der die Anwesenheit Gottes
proklamiert, mit den drei Namen
Jesus, Petrus und Eugen, folgt die
„Ordinatio“ des Tenors klar
theologischen Gesichtspunkten.
Dufay – Nuper rosarum flores
Auch die Verwendung eines Doppeltenors, die durchaus nicht üblich ist, darf
aufgrund der starken Fundamentwirkung
– der Tenor als „fundamentum relationis“ –
auf theologische Gesichtspunkte zurückgeführt werden.
Dufay – Nuper rosarum flores
Weitere Merkmale der Motette:
- Wechsel zwischen zweistimmigem,
konsonanten „Chansonsatz“ in den
Bicinien und klanglichem Satz in den
Durchführungen
- Damit klare Abgrenzung der Teile
Dufay – Nuper rosarum flores
Exkurs Chansonsatz
Der Chansonsatz besteht zunächst aus Discant
und Tenor, die gemeinsam einen konsonanten
Zweistimmigen Gerüstsatz bilden:
Bsp. Dufay, Se la face ay pale, Beginn
Dufay – Nuper rosarum flores
Exkurs Chansonsatz
Im Chansonsatz wird der zweistimmige
Gerüstsatz noch durch den Contratenor
Ergänzt, der die „freien“ konsonanten Plätze
belegt und damit keinen eigenen, sanglichen
Charakter besitzt.
Dufay – Nuper rosarum flores
Zweistimmiger Satz Disc. +T + Ct
Dufay – Nuper rosarum flores
Analog sind die Bicinien von Triplum und
Motetus in Nuper rosarum flores gebaut:
Dufay – Nuper rosarum flores
Die Tenordurchführungen sind hingegen
Vielmehr klanglich angelegt, was freilich
mit der Doppeltenorkonstruktion zu tun hat.
d
g
D
D
g
Dufay – Nuper rosarum flores
Des Weiteren ist die Motette in ebenmäßig abgemessenen Abschnitten eingeteilt: 28+28 | 28+28 | 14+14 | 14+14
die allesamt auf den Zahlen 2 und 3 beRuhen: 2x2+3 = 7 x 2 = 14 x2 = 28
Auch der Tenor besteht aus 2 x 7 Tönen.
Dabei ist die 7 traditionell eine heilige Zahl.
Dufay – Nuper rosarum flores
Im zeitgenössischen Verständnis steht:
die 3 für
Trinität = Gott = Himmel
die 4 für
4 Elemente, 4 Himmelsrichungen etc. = Erde
aber auch für die 4 Evangelien, 4 Kardinaltugenden etc.
Dufay – Nuper rosarum flores
Die Zahlen 3 und 2 beherrschen auch die
Proportionen der Motette: 6 : 4 : 2 : 3
Sie lassen sich zudem in den Abmessungen
Des Florentiner Doms nachweisen.
Dufay – Nuper rosarum flores
Dufays Motette Nuper rosarum flores ist
damit ein musikalisch wie theologisch
rational durchkonstruiertes Werk von
höchster Komplexität.
Traditionen
Dufay – Ockeghem - Josquin
imitatio
aemulatio
superatio
Traditionen
Wie in der antiken
Kunstauffassung (Horaz, Arte
poetica V) ist es in der
Renaissance üblich, Vorbilder
zu imitieren, deren Technik
sich anzueignen und durch
eigene Kunst zu übertreffen.
Traditionen
Dies ereignet sich auch in der
Musik der niederländischen
Vokal-polyphonie des 15. und
16. Jahrhunderts, in der sich ein
Zunftdenken ausbildet.
Vorbilder werden imitiert und
„übertroffen“.
Traditionen
Beispiel
Dufay, Ave regina caelorum III
Ockeghem, Alma redemptoris mater
Josquin, Alma redemptoris mater/Ave
regina coelorum
Dufay – Ave regina coelorum III
- vierstimmige Vertonung der Antiphon
„Ave regina coelorum“
- Mit eingefügten freien Texten
(Tropen)
-> Gebete für Dufay
- überliefert nur in VatSP B80, verfasst
um 1474/75, teilw. um 1458-63 in
Rom, St. Peter
- Votiv-Motette für Dufay
Dufay – Ave regina coelorum III
Prima pars
Ave regina coelorum
Ave Domina angelorum
Miserere tui labentis Dufay
Ne peccatorum ruat in ignem fervorum
Salve radix sancta
Ex qua mundo lux est orta
Miserere, miserere Genitrix Domini
Ut pateat porta caeli debili.
Dufay – Ave regina coelorum III
Secunda pars
Gaude gloriosa
Super omnes speciosa
Miserere, miserere supplicantis Dufay
Sit que in conspectu tuo mors ejus speciosa
Vale valde decora
Et pro nobis semper Christum exora
In excelsis ne damnemur miserere nobis
Et juvat ut in mortis hora
Nostra sint corde decora.
Dufay – Ave regina coelorum III
Aufbau
- Prima pars im Tempus perfectum
- Secunda pars im Tempus imperfectum
- Die Choralmelodie wird nicht in sog.
„Pfundnoten“, sondern in freiem
Rhythmus und durch freie Noten
verziert vorgetragen.
- Hauptsächlicher Träger des Chorals ist
der Tenor.
Dufay – Ave regina coelorum III
- Die Großabschnitte der Motette folgen
den Abschnitten der Antiphon
- Die Abschnittsenden werden mit
betonten Kadenzen (Longae als
Finales) markiert
- Die freien Texte werden als Tropen
eingeschaltet
- Besonders betont wird das „miserere“
durch die Lamento-Sext es‘‘ zu c‘.
Dufay – Ave regina coelorum III
- Zudem werden die „miserere“-Blöcke
durch Semibreven im homophonen
Satz vervorgehoben
- Der Bau der Melodie ist einerseits am
Choral orientiert
- Andererseits ist Dufay an klarem
melodischem Bau (vgl. Mens. 27ff oder
30ff im Superius) und klarer Rhythmik
gelegen:
= „Rhythmischer Gleichschritt“ der
Stimmen
Hörbeispiel
Dufay – Ave regina coelorum III