Kohäsion und Kohärenz

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Transcript Kohäsion und Kohärenz

Kohäsion und Kohärenz
Kohäsion
Begriffsbestimmung und Klassifikation
• textzentriertes Kriterium der Textualität
• semantisch-syntaktische Verknüpftheit von Sätzen in einem Text
• sprachliche Elemente stehen syntaktisch und semantisch über die
Satzgrenzen hinweg miteinander in Beziehung
• Kohäsionsmittel / Formen der Kohäsion:
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–
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–
Rekurrenz
Substitution
Pro-Formen
Bestimmter und unbestimmter Artikel
Deixis
Ellipse
Tempus
Konnektoren
Rekurrenz
•
•
•
•
Wiederholtes Vorkommen sprachlicher Ausdrücke
Wiederaufnahme eines Textelements durch ein anderes
Einfachste Form der Wiederaufnahme
Vollständige o. totale Rekurrenz: wortwörtliche
Wiederaufnahme
– Ich kam, ich sah, ich siegte. (rhetorische Figur)
– Das Mädchen spielt mit dem Ball. Der Ball ist rund. Sie wirft den Ball in
die Luft. (stilistische Monotonie)
• Partielle Rekurrenz: teilidentische Wiederaufnahme
– herrschen : Herrscher; Glück : glücklich
• Wichtig für die Bestimmung des Textthemas
• Ellipse als verkürzte Wiederholung
Substitution
• Substituens und Substituendum beziehen sich auf dasselbe
außersprachliche Objekt. Sie sind koreferent.
• Synonymie, Hyponymie, Hyperonymie, Metapher,
Metonymie, Paraphrase, auch Antonymie
– Das geplante Spitzentreffen der Koalition am Sonntag wird mit immer
mehr Problemen überfrachtet. Schwarz-Gelb ist zum Kompromiss
verdammt. … schwarz-gelbe Koalition … Union und FDP
– Nachdem Google seine New Yorker Pressekonferenz absagen musste,
verkündete der Konzern seine Neuheiten kurzerhand per Blogpost.
– Der neuen Platte "Privateering" von Mark Knopfler fehlt vieles, was
Pop heute auszumachen scheint, und trotzdem sprang sie von null auf
Platz eins der deutschen Charts. Denn der begnadete Kunsthandwerker
schafft ein "easy" Wohlgefühl …
Pro-Form / Proform
• Inhaltsleeres Verweiselement im Text
• Beziehen sich auf andere sprachliche Ausdrücke bzw. ersetzen diese.
• R. Harweg: Text ist ein durch ununterbrochene pronominale Verkettung
konstituiertes Nacheinander sprachlicher Einheiten.
• Proformen beziehen sich auf bzw. ersetzen:
– einzelne Wörter: In dieser Form dürfte er wieder Weltmeister werden: Sebastian Vettel
baut in Indien mit seinem vierten Sieg in Serie die Führung in der WM-Wertung aus …
– Wortgruppen: Vor der Siegerehrung dürfen sich die ersten Drei jedes Formel-1-Rennens
kurz frisch machen. Dabei werden sie von Kameras beobachtet.
– ganze Sätze: Die EU-Kommission will betagte Fahrzeuge jedes Jahr zur
Hauptuntersuchung schicken und damit für mehr Sicherheit sorgen. Ob das klappt, ist
fraglich.
– Textabschnitte
Pro-Form / Proform
• Pronomina
• Adverbien
• Pronominaladverbien
Klassifikation nach Verweisrichtung:
• anaphorisch: rückwärts, von rechts nach links, zurückweisend
– Die Hauptrolle in den Venedig-Krimis von Donna Leon, die an diesem Freitag
70 wird, spielt neben Kommissar Brunetti immer die Stadt selbst: ihr Verfall,
ihre Schönheit, ihre Eigenart. Szenen aus der Lagunenstadt - und wie der
Commissario sie sieht.
• kataphorisch: vorwärts, von links nach rechts, vorausweisend
– folgendes
– In dieser Form dürfte er wieder Weltmeister werden: Sebastian Vettel baut in
Indien mit seinem vierten Sieg in Serie die Führung in der WM-Wertung aus …
Bestimmter und unbestimmter Artikel
• Nur für artikelhaltige Sprachen relevant, z.B. fürs Deutsche und
Französische, nicht aber für artikellose, z.B. Russisch und Serbisch
• bestimmter Artikel – verweist auf Vorinformationen
– Es war einmal ein Mädchen.
• unbestimmter Artikel – verweist auf Nachinformationen
– Das Mädchen war hübsch und bescheiden.
• Referenz – Beziehungen zwischen den sprachlichen Elementen
einerseits und außersprachlichen Erscheinungen andererseits.
– anaphorisch: Ein Mädchen … Das Mädchen / dieses / es …
– assoziativ-anaphorisch: Es war ein hübsches Dorf. Die Kirche …
– deiktisch: Das / dieses Buch musst du lesen! (Referent muss nicht sichtbar
sein.)
– abstrakt-situativ: Der Präsident hält eine Rede.
Deixis
(indexikalische Ausdrücke, deiktische Ausdrücke, Indexausdrücke)
Aussprache: IPA: ['dɛɪ ̯ksɪs], auch: ['daɪ ̯ksɪs]
Herkunft: altgriech. "δείξις" "Zeigen"
Kontextabhängiger Bezug von Wörtern – Kenntnis der Äußerungssituation
Er ? Sie? Dort? Hier?
Deutschlands mehrmaliger Wimbledonsieger
Boris Becker
Besonderer Fall von Referenz – sprachliche Bezugnahme auf Personen,
Gegenstände oder Sachverhalte.
Sprachliche Einheiten, die ihre Bedeutung erst im Kontext einer bestimmten
Sprechsituation erlangen. Eine Sprechsituation ist eine Situation, in der
ein Sprechakt vollführt wird. Dazu gehören beispielsweise der Raum, in dem
sich die Kommunizierenden befinden, das Weltwissen, über das die am
Sprechakt beteiligten Personen verfügen, oder Informationen über den
Zeitpunkt, zu dem kommuniziert wird.
Deiktische Ausdrücke sind demnach solche Ausdrücke, die sich auf eine dieser
nicht verbal gegebenen Informationen beziehen, deren Bedeutung also erst in
der bestimmten Sprechsituation ersichtlich wird.
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Ellipse
• Kann ebenfalls für Koreferenz benutzt werden.
• “A meaning need not be expressed if it is derivable from the
context, that is, if it is either thematic or contextually expectable”
(Klein, 1981: 57, zit. n. Vater 32001: 35)
• Nicht jede Verknappung ist eine Ellipse – nicht alles kann (oder
muss) versprachlicht werden.
• Relevanz von Kontext und Weltwissen
• Veni, vidi, vici. (Lateinisch und andre PRO-drop-Sprachen)
• Ellipse als Stilmittel
• Gegenteil: Aufschwellung
– Und der Haifisch, der hat Zähne, und die trägt er im Gesicht. (Brecht,
Dreigroschenoper) Die Moritat von Mackie Messer, gesungen von B. Brecht
Tempus
“Tempusmorpheme kommen nicht isoliert vor, sondern sind Bestandteile
einer größeren sprachlichen Struktur” (H. Weinrich, 1971: 10)
•Erleichtern das Textverstehen
•Weinrich: zwei Grundtypen des temporalen Aufbaus von Texten, die durch
das Auftreten bestimmter Tempusformen gekennzeichnet sind.
– I: Besprechende Tempora: Präsens, Perfekt, Futur I und Futur II
– II: Erzählende Tempora: Präteritum, Plusquamperfekt, Konditional I und II
•In jedem Text ist die Dominanz eines Grundtyps feststellbar. Dem Leser
werden “Signalwerte” für die Textrezeption übermittelt:
– I: Gespanntheit
– II: Entspanntheit
•Weinrichs Hypothese wurde als Psychologismus kritisiert. Wissenschaftlich
bedeutend als Versuch, grammatische Phänomene nicht isoliert, sondern in
ihrer Rolle fpr die Konstitution und Rezeption zu betrachten.
Konnexion
• Zusammenhang von Sachverhalten im Text.
• Häufig vorkommende Relationstypen (und bei expliziter Konnexion
dazu gehörende Konnektoren):
–
–
–
–
–
–
–
kopulativ (und, zudem),
disjunktiv (oder, andernfalls),
adversativ (aber, doch),
temporal (vorher, danach),
kausal i. e. S. (denn, nämlich),
konzessiv (trotzdem),
konsekutiv (also, folglich, deshalb).
• Konnektoren: Konjunktionen (Konjunktoren & Subjunktoren),
Satzadverbien / Konjunktionaladverbien
• I.w.S. auch: Präpositionen, Partikeln, textsortenspezifische Phrasen
Phonologische Kohäsion
• Rhythmus
• Reim (Stabreim, Binnenreim, Endreim)
• Lautsymbolik
• Intonation
• Pausenstruktur
Bei Alltags- und Fachtexten kaum relevant.
F. Schiller: Der Taucher
Und es wallet und siedet und brauset und zischt,
Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt,
Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt…
• Häufung von Frikativen und dem hellen Vordervokal /i/
Kohärenz
• Sinnzusammenhang, aktiviertes Wissen im Text
• Viele Autoren machen keinen Unterschied zwischen Kohäsion und
Kohärenz.
• semantisch-kognitive Aspekte
• Pragmatische Zusammenhänge zwischen Sprechakten
• Inhaltliche (d.h. kognitive) Zusammenhänge
• Sinnkontinuität
• Textwelt ist etwas „Kognitives“: Konzepte (Einheiten des Wissens)
und Relationen
• Diskrepanz zwischen Konzept und Wissen, dann gibt es keine
Sinnkontinuität. Der betreffende Text ist für den Rezipienten
sinnlos.
• Relationen von Konzepten („Eigenschaft/Besitzer von ...“)
r. Kochanweisung für Pilzsupppe
Das Isotopiekonzept von J. A. Greimas
Greimas, Julien Algirdas (1966): „Sémantique structurale“ ; tópos (gr.) Ort
Textverstehen basiert auf dem Erfassen von semantischen
Textzusammenhängen.
'Wiederkehr von Wörtern desselben Bedeutungs- bzw.
Erfahrungsbereichs in einem Text‚ d.h. „unterhalb der Wortebene“
 Semanalyse - Zerlegung der Wortebene in semantische
Merkmale (Seme)
Arzt, Fieber, Spritze, Krankenhaus
- Rekurrenz (Wiederaufnahme), Substitution von Semen
- Isotopieketten, Isotopienetze – lexikalischer Ausdruck der
semantischen Kohärenz eines Textes
- Ein Text kann aus mehreren Isotopieebenen bestehen.
- Identitäts- und Similaritätsbeziehungen zwischen semantisch
kompatiblen Lexemen
Typen von Semrekurrenzen
• einfache Lexemrepetition: Ehemann – Ehemann
• Variierte Wiederholung
- durch Synonyme: Ehemann – Partner, Gatte
- durch Hyperonyme: Ehemann – Mensch
- durch Antonyme: Ehemann – Ehefrau; Junggeselle
- durch Paraphrasen: Ehemann – die 'bessere Hälfte'
• Substitution durch grammatische Elemente:
Ehemann - er
Isotopieketten und Isotopienetze
Antje
Heiko
spielt
sie
er
unsere Lütte
kann den Ball
nicht fangen
wirft den Ball zu
...
rennt dem Ball hinterher
...
...
Isotopiekonzept - Ausblick
• Iterativität von Basissemen der miteinander verknüpften Lexeme
gewährleistet semantische Korrespondenzen im ganzen Text.
• Wichtig für das Textverstehen
• Monosemierung polysemer Lexeme
• Referenzidentität / Koreferenz (Bezug auf dieselbe Erscheinung in
der Wirklichkeit) muss gegeben sein.
• Textdefinition von Greimas: Der Text kann als „ein System von
Kompatibilitäten von verschiedenen Merkmalen der im Text
vorhandenen lexikalischen Verträglichkeiten“ verstanden werden.
 vgl. Text über die Sängerin Josephine
 vgl. Definition von Kallmeyer