Was sind die Aufgaben/Erwartungen?

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Verein von Erziehern gefährdeter Jugend
in Deutschland e.V.
Tagung: Auftrag, Haltung, Sicherheit
im pädagogischen Handeln
Komplexe Gesellschaft – Verwirrte
Pädagogik?!
Reinhold Gravelmann, AFET-Referent
Dipl. Soz.Päd /Dipl. Pädagoge
Auftrag-Haltung-Sicherheit
• Was ist unser Auftrag? Gibt es DEN Auftrag?
• Mit welcher Haltung machen wir unsere Arbeit? Erfüllen wir
unseren Auftrag bzw. unsere Aufträge?
• Wie gewinnen wir Sicherheit in unübersichtlichen Zeiten? Gibt es
eine Sicherheit in Bezug auf „richtiges“ Handeln? Ist Sicherheit
überhaupt erreichbar? Ist Unsicherheit nicht „normal“
• Diese Fragestellungen sind auf dem Hintergrund gesellschaftlicher
Komplexität noch schwerer zu beantworten als ohnehin schon.
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R.Gravelmann/AFET-Referent
Was ist fachlich geboten?
Insbesondere in den 70/80er Jahren wurde viel über Veränderungsbedarfe in den Heimen, in der Ausbildung und bezüglich der Aufgaben
der Heimerziehung diskutiert.
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Was ist richtig?
• Klare Regeln und Vorgaben fehlen heute weitgehend
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Wohin erziehen?
Heimerziehung 50er/60er/70er Jahre: (verallgemeinerte Tendenz –
Auflistung ohne Gewichtung)
• Ordnung
• (bedingungsloser) Gehorsam
• sexuelle Enthaltsamkeit
• Gottesfürchtigkeit/Religiösität
• Respekt gegenüber Erwachsenen
• Fremdbestimmung
• Geschlechter/Rollen-spezifische Erziehung
• Erziehung mit Gewalt; Was uns nicht tötet macht uns härter…
• ….
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Wohin erziehen?
70/80er Jahre (verallgemeinerte Tendenz): Möglichst wenig
Heimunterbringung „Holt die Kinder aus den Heimen!“
• Emanzipation
• Selbständigkeit
• Freiheit
• Partizipation
• Eigensinn
• Politisches, gesellschaftskritisches Bewusstsein
• Freie(re) Sexualität
• Individualität
Von einer Postkarte abfotografiert
• Geschlechterbewusstsein/Emanzipation
– Entsprechend definierte sich die Rolle der Erziehenden
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• Was sind heutige Erziehungsziele, Aufgaben, Erwartungen an die
Heimerziehung, aber auch an die gesamte Kinder- und Jugendhilfe?
• Diese Frage ist schwer zu beantworten und wird noch schwerer zu
beantworten aufgrund der gesellschaftlich komplexen Verhältnisse.
Was tut sich in der Gesellschaft? Dazu ein Überblick.
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Gesellschaftlicher Wandel
Gesellschaftlicher Wandel
Ein Rückblick auf die letzten Jahrzehnte
…und die Konsequenzen für die Erziehung…
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Permanente gesellschaftliche Veränderungen
Die rasante gesellschaftliche Entwicklungsdynamik
Auf globaler Ebene
Auf nationaler/gesellschaftlicher Ebene
Auf familiärer Ebene
Auf individueller Ebene
führt zu erheblichen Verwerfungen, Anpassungen, Veränderungen,
Fortschritten….
…auch im Bereich der Erziehung
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Permanente gesellschaftliche Veränderungen
Ich bin mir sicher: Wenn wir jemanden, der vor 150 Jahren gestorben
ist, wiederbeleben könnten – er würde angesichts des Tempos, des
Lärms und der Komplexität unserer Welt sehr bald zugrundegehen.
(Jürgen Böning, Museum der Arbeit Hamburg; HAZ „Immer schön im Takt“, 15.01.2014)
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Permanente gesellschaftliche Veränderungen
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Das Leben wird bunter…
Das Leben wird anders…
Das Leben wird vielfältiger…
Das Leben wird komplizierter….
Das Leben wird individueller…
Das Leben wird…..
Das hat Auswirkungen
auf Erziehung.
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Permanente gesellschaftliche Veränderungen
• Die Welt wird bunter u.a. durch
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Migration
Inklusion
diverse Familienkonstruktionen
Konsum
neue Medien
Gender
familiale und öffentliche Erziehung / „Erziehungshilfe ist in der Mitte der
Gesellschaft angekommen“ (14.KJB)
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Komplexe Gesellschaft – verwirrtes Individuum
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Pluralisierung von Lebenswelten
Sich ausdifferierende Milieus (Bourdieu)
Individualisierung
…
• „Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“
Richard David Precht – Buchtitel/Bestseller 2007
Das Buch hat laut Precht den Anspruch ein „einzigartiger Pfad durch die schier unüberschaubare Fülle unseres
Wissens über den Menschen“ zu sein.
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Komplexe Gesellschaft – verwirrtes Individuum
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Chancen und Risiken
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Risikogesellschaft einerseits
Chancengesellschaft andererseits
Risiko insbesondere für sozial Benachteiligte
 Chancen insbesondere für Bildungsbürgertum
(s. auch 14. KJB)
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• Vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund spielt sich die Erziehung
in den Heimen / der Kinder- und Jugendhilfe ab.
Aber auch alle anderen Felder sind betroffen.
Beispiele:
• Kita (Ganztag, Sprachförderung, Bildung…)
• Familienbildung (Neue Zielgruppen, Aufsuchende Aktivitäten, neue
Themen….)
• Offene Jugendarbeit (Kleinere Einrichtungen, Genderkonzepte,
Stadtteilorientierung, Aufsuchend, „freiwillige LeistungFinanzdruck…)
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Was sind die Aufgaben/Erwartungen?
(insbesondere an die Heimerziehung)
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Gute Hilfeplanung
Interkulturalität
Flexibilität
Geduld
Problemlösungskompetenz
Ressourcen- statt Defizitansatz
Milieukenntnisse/Milieuverständnis
Freizeitpädagogik/Erlebnispädagogik/Sportpädagogik/Spielpädagogik/
Musikpädagogik…
• Bildungsarbeit
• Gendererziehung
• Regelverständnis wecken
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Problemorientierte Arbeit (Sucht, Gewalt, Medien…)
Traumapädagogik
Umgang mit (psychischen) Erkrankungen
Schutz der Kinder/Jgdl.
Umgang mit sex. Gewalt…(„strukturelle Anfälligkeit von Institutionen
für Gewaltverhältnisse“ 14. KJB, S.350)
Partizipation
Kommunikationsfähigkeit
Zum mündigen (politischen) BürgerIn erziehen
Schulischer Erfolg
Berufsperspektiven
…
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• Weitere Erwartungen/Aufgaben könnten sein:
– Religiös/humanistisch erziehen
– Ökologisches Verhalten / Konsumverzicht
– Medienerziehung
– Weltoffenheit
– ….
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Was sind die Aufgaben/Erwartungen?
Erwartungen von Einrichtungsleitung und KollegInnen
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Multiprofessionelle Teamarbeit
Kollegiale Unterstützung
Öffentlichkeitsarbeit
Sozialraumarbeit
Kooperation mit Internen (etwa PsychologIn, Einrichtungsleitung,
Gruppenleitung…)
• Kooperation mit Externen (etwa mit Kita, Schule, Vereinen,
Arbeitswelt, Jugendamt..)
• Arbeit mit Ehrenamtlichen, PraktikantInnen, Buftis…
• Einarbeitung neuer KollegInnen
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• Elternarbeit (als ein zentraler Faktor für erfolgreiche
Persönlichkeitsentwicklung der Kinder/Jgdl)
• „….Probleme mit der Elternarbeit (sind) auch in Verbindung mit
ungünstiger oder fehlender Haltung der pädagogischen Mitarbeiter
zu betrachten.“ Aufgabenfelder der Heimerziehung, Richard Günder,
S.11, Deutscher Verein 1989)
• „Die traditionelle Form der Elternarbeit vom Heim ist die
Kontaktpflege.“ …Wir sehen solche Kontaktmöglichkeiten zwischen
Eltern und Heim noch nicht als eigentliche Elternarbeit an, wenn sie
nicht zielgerichtet und methodisch planvoll orientiert sind.“ (ebd. S.
104)
• „Waren Eltern früher eher „äußere Partner“, wenn nicht gar
Störenfriede, haben mittlerweile Ansätze einer
„familienaktivierenden Heimerziehung“ (vgl. Moos/Schmutz 2006)
Anerkennung gefunden.“ (14.KJB, S. 350)
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Jugendämter:
Wichtig ist die Ergebnisqualität/Wirkungen
• Gute Pädagogik
• Schutz der Kinder
• Wenig Abbrüche oder Wechsel
• Rückführungen/kurzer Aufenthalt
• Wenig negative Presse/Kritik im Sozialraum
• Erfolgreiche Arbeit
• Kostengünstige Arbeit
• …
Fachliche Argumente?
Fachdiskussionen?
Nachhaltigkeit??
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Was sind die Aufgaben/Erwartungen?
Erlernen von Schlüsselkompetenzen
• Laut OECD (Europ. Organisation for economic, cooperation and development, 2005) sind
dies
– Interaktive Anwendung von Tools
– Interagieren in heterogenen Gruppen
– Eigenständiges Handel
Bedeutet übersetzt in pädagogische Sprache:
– Methodenkompetenz
– Sozialkompetenz
– Selbstkompetenz
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Was sind die Aufgaben/Erwartungen?
• „Es ist vielleicht eine der größten Leistungen der Heimerziehung, im
Alltag mit ausdauernd langem Atem geduldig kleine und kleinste
Schritte zusammen mit dem jungen Menschen zu gehen, ohne das
Ziel am Horizont aus dem Auge zu verlieren.“
(Otto Schittler – Heimleiter im Jugendwerk Birkeneck, DJI-Bulletin, Hilflos und überfordert? Wenn Erziehung
scheitert und Kinder ins Heim kommen, 2009/10)
• Die Fähigkeit, (Veränderungs-) Motivationen zu erkunden, zu
entwickeln und aufrecht zu erhalten, ist eine der bedeutendsten
aber auch schwierigsten Aufgaben der Fachkräfte (ebd.)
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Unklare Konturen
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Unklare Konturen
• „In der Heimerziehung treten traditionell die strukturellen
Widersprüche der Kinder- und Jugendhilfe, die prinzipiellen
Ambivalenzen
– von Hilfe und Kontrolle,
– von Erziehung und Disziplinierung,
– von Entlastung und Ausgrenzung,
– von Schonraum und totaler Institution,
besonders zutage.
Heimerziehung als „radikaler Ernstfall von Erziehung“ (vgl.
Trede/Winkler 2012) …. (14. KJB, S. 347)
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Rollenambigualität
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Nähe zulassen, aber Distanz halten
Beziehungsaufbau, aber professionelle Rolle/Rollendistanz einnehmen
Konsequent sein, aber nicht zu streng agieren
Gesetze einhalten, andererseits pädagogischen Ermessensspielraum
nutzen/ausbauen
• Erwartungshaltungen (Eltern, Leitung, JÄ…) berücksichtigen, aber auch eigene
pädagogische Autonomie bewahren
• Authentisch sein, aber auch Beherrschung von Rollen
• Vorbereitung auf das Berufsleben, aber auch (Entwicklungs)Freiräume lassen
• Sexuelle Aufklärung, aber nötige Distanz wahren
• Sich flexibel zeigen, aber gemeinsame Regeln durchsetzen/einhalten
• Autonom handeln, aber teamfähig bleiben
• ……
 „Selbst das beste Hochschulstudium kann die „eierlegende Wollmichsau“, die in
der Heimerziehung benötigt wird, nicht hervorbringen
(Positionspapier IGFH-Regionalgruppe Ba-Wü., Forum Erziehungshilfen, 4-2013)
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Spezifikum von moderner Pädagogik
• „Es gibt Ereignisse auf die man sich zu 100 % verlassen kann:
Wenn ich diesen Apfel loslasse, fällt er nach unten. (...). Aus
solchen Gewissheiten haben die Naturwissenschaften ein verlässliches Weltmodell bebaut, das lange suggeriert hat, dass alles
in der Welt vorhersehbar sei, wenn man nur genug Informationen
und das richtige Modell habe. Bei komplexen lebendigen Systemen
und bei chaotischen Systemen funktioniert es aber so nicht, weil es
keine Gewissheiten gibt. Alle Lebensäußerungen von Menschen
und alles, was das Zusammenleben von Menschen betrifft, sind
unbestimmt und so miteinander verwoben, dass Vorhersagen immer
nur Aussagen über Chancen und Risiken sein können.“
(Harald Tornow, Einflüsse auf die Abbrüche in der stationären Erziehungs-hilfe; 2012, ABIE-Projekt des EREV).
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Was kann in der Arbeit hilfreich sein?
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Die Wikingermethode?:
Man suche sich einen guten Führer und bete zu den Göttern, dass alles gut
geht.
Die Titanicmethode?:
Man plane alles bis aufs kleinste Detail, damit später nichts schiefgehen kann
(klappt allerdings in Wirklichkeit nicht immer)
Die Kolumbusmethode?!:
1. Ein globales Ziel haben, damit man die Kompassrichtung bestimmen kann.
2. Ungefähr wissen, mit welchen Problemen man zu kämpfen haben
wird, damit man einigermaßen vorbereitet ist: Strömungen, Winde, Qualität
der Leute, zur Verfügung stehende Mittel
3. Die Instrumente besitzen, um täglich die eigene Position zu
bestimmen und auszuwerten: Was war bis jetzt? Wo sind wir im
Moment? Wie gehen wir weiter?
(Thomas Hagmann, Personalprobleme und Organisationsentwicklung im Heim, S. 89-90, 1982)
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Der Ausblick
Verunsichert oder entspannt ?
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Ich danke Ihnen für´s
Zuhören
und
Mitdenken
und
Mitdiskutieren!
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