Benachteiligte Jungen vs. übermächtige Frauen?

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Gewerkschaft
Erziehung und
Wissenschaft
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Benachteiligte Jungen vs.
übermächtige Frauen?
Zur Debatte über geschlechtsbezogene
Benachteiligungen
Präsentation
zur Studie „Bildung von Geschlecht: Zur Diskussion
in Bildungsinstitutionen
um
Jungenbenachteiligung und Feminisierung in deutschen
Bildungsinstitutionen“
von Thomas Viola Rieske im Auftrag der Max-Traeger-Stiftung
Präsentiert von Anne Jenter,
Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands
am 4./5. März 2011 in der Sitzung des Hauptvorstandes der GEW
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Einführung
Diskussion über Jungen als
Bildungsverlierer
• Jungen mit schlechteren und späteren
Schulabschlüssen als Mädchen
• Mädchen mit Vorsprüngen in
Lesekompetenzen
• Jungen erhalten seltener eine
Gymnasial-empfehlung als Mädchen mit
den gleichen kognitiven Kompetenzen
• Jungen sind häufiger von
Maßregelungen betroffen
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Einführung
Feminisierung der
Bildungsinstitutionen
• Hoher Frauenanteil in
Kindertagesstätten und Schulen
• Pädagoginnen orientieren sich an
weiblichen Interessen und
Verhaltensweisen
• Mangel an männlichen Vorbildern
für Jungen in Kindertagesstätten
und Schulen
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Gliederung
I.
Probleme der These von der
Jungenbenachteiligung
II. Probleme der These von der
Feminisierung von Bildung
III. Mögliche Gründe für
Bildungsmisserfolge von Jungen
die Debatte darüber
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und
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1. Problem: Vereinfachung der Daten
– Schulab-gänger nach Geschlecht u.
Staatsangehörigkeit
Schulabgänge 2008 nach Geschlecht und Staatsangehörigkeit
45,0
40,0
35,0
30,0
25,0
20,0
15,0
Ohne Hauptschulabschluss
Mit Hauptschulabschluss
Mit Realschulabschluss
Mit (Fach-)Hochschulreife
10,0
5,0
männlich
weiblich
mit deutscher
Staatsangehörigkeit
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männlich
weiblich
ohne deutsche
Staatsangehörigkeit
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I.1.a. Problem: Vereinfachung
der Daten –
Leseleistungsvorsprünge und
Leistungsvorsprünge von Mädchen im Lesen bei PISA 2000 nach Schulform
Schulform
(Differenz der mittleren Testwerte zwischen Mädchen und Jungen)
Integrierte Gesamtschule
Gymnasium
Realschule
Hauptschule
Insgesamt
0
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1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
6
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I.1.b. Problem: Vereinfachung der Daten –
Studien-beteiligung nach Geschlecht und
sozialer Herkunft
Beteiligung der 19- bis 24jährigen an Hochschulen nach
beruflicher Stellung des Vaters
80
70
60
50
40
30
20
10
0
48
30
24
36
49
11
15
12
Angestellte
Selbstständig
Beamte
28
8
8
17
23
24
11
6
Arbeiter
Angestellte
Selbstständig
Beamte
Arbeiter
Männer
Fachhochschulen
Frauen
Universitäten
Quelle: 18. Sozialerhebung des Studentenwerks
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I.1.c. Problem: Vereinfachung
der Daten - Zusammenfassung
Die Jungen sind gegenüber den Mädchen im
allgemeinen nicht benachteiligt.
Die Unterschiede bei Schulabschlüssen,
Kompetenzen und beim Hochschulzugang sind
innerhalb der Geschlechtergruppen größer als
zwischen ihnen.
Bei der Lesekompetenz fällt der Vorsprung
der Mädchen vor den Jungen innerhalb
gleicher Schulformen geringer aus.
Jungen und Mädchen haben unterschiedliche
Bildungschancen in Abhängigkeit von sozialer
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Lage,
Bildungshintergrund ihrer Eltern, 8
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I.2. Problem: Die Debatte über Jungen als
Bildungsverlierer fokusiert auf Abschlüsse als
Kriterium für Benachteiligung
• Bildung beinhaltet mehr als den Erwerb
formaler Abschlüsse
–Selbstvertrauen, bestimmte Aufgaben lösen zu
können
–Interessen an bestimmten Themengebieten und
Arbeitsfeldern
–Ansprüche an sich und andere (und an
Entlohnung)
–Durchsetzungsvermögen, Konfliktstrategien
–Erfahrungen von Anerkennung/Diskriminierung
aufgrund von Rassismus, Norm der
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I.3. Problem: Mangelnde Umsetzung von
Bildungserfolgen in berufliche Karrieren bei
Frauen –
Geringere Studienübergangsquoten bei Frauen als bei
Männern
Studienübergangsquoten nach Geschlecht
100,0
80,0
60,0
Männer
Frauen
40,0
20,0
0,0
1980
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1985
1990
1995
2000
2001
2002
2003
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I.3. Problem: Mangelnde Umsetzung von
Bildungserfolgen in berufliche Karrieren
bei Frauen –
Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt
• Frauen sind nach Abschluss einer
Berufsausbildung häufiger prekär beschäftigt
und arbeiten unter schlechteren Bedingungen
• Frauen verdienen weiterhin 23% weniger Entgelt
als Männer.
• Die Teilzeitbeschäftigtenquote von Frauen ist
mehr als sechs mal höher als bei Männern.
Frage an PädagogInnen: Werden diese
Geschlechterunter-schiede auf dem Arbeitsmarkt
bereits durch Bildungsprozesse jenseits des
Erwerbs von Abschlüssen angelegt?
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I.Zwischenfazit zur
Jungenbenachteiligung
Die These von den Jungen als neue
Bildungsverlierer ist nicht haltbar
Vielmehr produziert und legitimiert
Geschlecht im komplexen Zusammenspiel mit
anderen Faktoren die unterschiedliche
Zuweisung von beruflichen Laufbahnen,
Tätigkeitsfeldern, formellen und
informellen Bildungsabschlüssen
Mädchen wie Jungen sind durch die
gesellschaftliche Zuweisungen von
einengenden Geschlechterstereotypen in
ihrer Entwicklung behindert
Logik „If one group wins, the other loses“
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ist falsch und behindert einen genaueren
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II.1. Problem: Feminisierung als
inadäquate Beschreibung der
Geschlechterverhältnisse in
Bildungseinrichtungen
• Frauenanteil am höchsten in den
Bildungsbereichen mit der geringsten
Anerkennung und dem niedrigsten Entgelt
Frauen und Männer in verschiedenen Stufen des Bildungsbereichs
Professuren
wissenschaftliches Personal
Berufsschulen
Gymnasien
Männer
Realschulen
Hauptschulen
Frauen
Förderschulen
Grundschulen
Kindertagesstätten
0%
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20%
40%
60%
80%
100%
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II.1. Frauenanteil bei (Besoldungs-/Entgelt)Gruppen (Lehrkräfte)
BEAMTE UND BEAMTINNEN
Besoldung
sgruppe
ANGESTELLTE
Anzahl
Frauenanteil
(30.6.2009)
in %
Entgeltgruppe
Anzahl
(30.6.2009)
Frauenanteil
in %
Höherer Dienst
A 16
3.790
21
A 15
25.370
27 E 15
1.440
43
A 14
70.480
40 E 14
5.390
47
A 13
111.950
58 E 13
59.590
69
Gehobener Dienst
A 16 L –
A 13 L
A 13 S
131.890
65
2.420
72
A 12
206.980
81 E 12
3.370
63
A 11
16.510
76 E 11
58.520
79
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II.1. Frauenanteil bei den
Schulleitungen
In Berlin sind
– knapp zwei Drittel aller Funktionsstellen an
Grundschulen mit Frauen besetzt, aber nur
58 Prozent der obersten
Schulleitungspositionen.
– An Haupt- und Realschulen sieht es ähnlich
aus, allerdings auf einem niedrigeren Niveau.
– An Gymnasien sind nur 29 Prozent der
Schulleitungen und 39 Prozent der
Stellvertretungen von Frauen besetzt.
In Baden-Württemberg sind
– zwei Fünftel der Funktionsstellen an Grundund Hauptschulen aber lediglich ein Drittel
der Schulleitungsstellen von Frauen besetzt.
– An Realschulen beträgt die Relation 26 zu
19 Prozent,
– an Gymnasien 19 zu 12 Prozent.
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II.1. Problem: Feminisierung als
inadäquate Beschreibung der
Geschlechterverhältnisse in
Bildungseinrichtungen
• Frauen wesentlich häufiger
teilzeitbeschäftigt als Männer
Verteilung von männlichen und weiblichen Lehrkräften auf
Beschäftigungsformen im allgemeinbildenden Schulen
500 000
11%
400 000
300 000
200 000
100 000
44%
Teilzeitbeschäftigt
10%
18%
72%
Stundenweise Beschäftigt
Vollzeitbeschäftigt
45%
Männer
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Frauen
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II.1. Problem: Feminisierung als
inadäquate Beschreibung der
Geschlechterverhältnisse in
Bildungseinrichtungen - Zusammenfassung
• Frauenanteil am höchsten in den Bereichen
mit der geringsten Anerkennung und
niedrigsten Entgelten
• Frauen in Funktionsstellen und bei der
Herausgabe von Schulbüchern meist
unterrepräsentiert
• Frauen wesentlich häufiger
teilzeitbeschäftigt als Männer
Je mehr es um die Vermittlung von
fachlichem Wissen geht und je
privilegierter und älter die
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Kinder/Jugendlichen, desto eher werden sie
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II.2. Problem: Feminisierung als
inadäquate Beschreibung von
pädagogischer Kultur
• Es existiert kein umfassendes Wissen über die
Vergeschlechtlichung der bundesdeutschen
pädagogischen Kultur in Spielmöglichkeiten,
Unterrichtsgestaltung, emotionaler Zuwendung,
Sanktionierung, pädagogischen Materialien
• In Schulbüchern lernen Kinder und Jugendliche
häufig eine Welt erwachsener heterosexueller
Männer und Frauen kennen, in der Frauen
seltener arbeiten und Männer häufiger in
Konkurrenzsituationen sind
• Jungen wie Mädchen erfahren bestimmte
Verhaltens- und Leistungserwartungen sowie
Anerkennungs-/Diskriminierungs-strukturen, die
sie in traditionelle Geschlechterrollen
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II.3. Problem: Die These „Mangel an
Rollenvorbilder“ ist durch keine
systematische Forschung bestätigt
• Zusammenhang zwischen Männeranteil unter
Lehrkräften und Bildungserfolgen von Jungen
nicht belegt
• Auch Mädchen werden durch
Weiblichkeitskonstruktionen eingeschränkt
und können von einer vielfältigen
LehrerInnenschaft profitieren!
• Zusammenarbeit von Männern und Frauen ohne
Genderkompetenz führt zu traditioneller
Arbeitsverteilung
Welche
Modelle wollen wir als PädagogInnen
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II.4. Problem: Orientierung auf
„jungentypische“ Interessen birgt die Gefahr
in sich Männlichkeit unreflektiert zu
retraditionalisieren
• Die Idee von jungentypischen Interessen kann
zur „Versämtlichung“ von Jungen (und Mädchen)
führen und geschlechtsspezifische Einengungen
festschreiben, statt ihnen
Erweiterungsmöglichkeiten zu bieten.
• Manche vermeintlich jungentypische Interessen
teilen auch Mädchen und umgekehrt (z.B.
Abenteuerliteratur, Gruppenarbeit).
• Widerspruch: Vorwurf des Zuviels an
Disziplinierung von Jungen durch Frauen
(Lehrerinnen, Erzieherinnen), jedoch soll es
mehr Männer geben, weil Jungen diesen eher
folgen
würden.
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II. Zwischenfazit zur
Feminisierungsthese
Feminisierung beschreibt die
gegenwärtigen
Geschlechterverhältnisse in den
Bildungsinstitutionen unzureichend
Die Feminisierungsthese ist eine
pauschalisierende Schuldzuweisung
gegen Frauen/Feministinnen
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III. Mögliche Gründe für
Bildungsmisserfolge - nicht
nur von Jungen
Bei Jungen kann die Orientierung an
Männlichkeitskonstruktionen der Autonomie,
Stärke, natürlicher Begabung,
Übergeordnetheit zu Widersprüchen mit
schulischen Anforderungen wie des Anpassens,
Hilfesuchens, der Akzeptanz von Regeln, der
Fleißarbeit führen.
Bei Mädchen kann die Orientierung an Fleiß,
„Lernen müssen“ und dem Selbstkonzept der
Abhängigkeit, Schwäche, dazu führen,
schulische Regeln überzuerfüllen und trotz
des formalen schulischen Erfolgs von der
Schule mit wenig Kompetenzen wie
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Durchsetzungsfähigkeit und Selbstvertrauen 22