Transcript Referat "Balancen zwischen Erwerbsarbeit und Sorgearbeit"
Balancen zwischen Erwerbsarbeit und Sorgearbeit
29 . 6. 2012 Kolpinghaus Fulda Symposium: Frauen in der Lebensmitte: Balancen zwischen Erwerbsorientierung, Karriere und Sorgearbeit
Prof. Dr. sc. Uta Meier-Gräwe , Justus-Liebig-Universität Gießen Mitglied der Sachverständigenkommission zur Erstellung des Ersten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung
GLEICHSTELLUNG IN DER LEBENSVERLAUFSPERSPEKTIVE Fokus auf Folgen der Gestaltung biografischer Übergänge und der Etablierung von Zeitarrangements
Wie wirkt sich der biografische Zeitpunkt der Elternschaft auf die Verteilung von generativer Sorgearbeit und Erwerbsarbeit im Lebensverlauf von Müttern und Vätern aus?
Welche Konsequenzen hat die Dauer der Erwerbsunterbrechung für Erwerbsverläufe, für die spätere Verteilung von Care- und Erwerbsarbeit sowie für die Alterssicherung?
Der Erste Gleichstellungsbericht der Bundesregierung 2
GLEICHSTELLUNG IN DER LEBENSVERLAUFSPERSPEKTIVE Fokus auf biografische Übergänge mit Veränderungen in den Mustern der Zeitarrangements
Übergang Partnerschaft in Elternschaft Beruflicher Wiedereinstieg Eintritt von Pflegebedarf Eintritt ins Rentenalter Der Erste Gleichstellungsbericht der Bundesregierung 3
Leitbild:
Frauen und Männer werden gleichermaßen als Erwerbstätige mit Betreuungs- und Fürsorgeaufgaben für Kinder und pflegebedürftige Familienangehörige definiert.
56 Mrd. Stunden Erwerbsarbeit 10 Mrd. Stunden Wegezeiten 96 Mrd. Stunden unbezahlte Arbeit
Quelle: Zeitbudgeterhebung 2001/2
Wahrnehmungsresistenz gegenüber der Bedeutung der generativen Haus- und Sorgearbeit in nahezu allen gesellschaftlichen Lebensbereichen
Verteilung unbezahlter Arbeit
(in % der Gesamtbevölkerung) Source: OECD’s Secretariat estimates based on national time-use surveys (see Miranda, 2011).
Unbezahlte Arbeit nach Arbeitsbereichen Pflege / Betreuung 11% Handwerkliche Tätigkeiten 9% Ehrenamt / Soziale Hilfeleistungen 4% 76% Hauswirtschaftliche Tätigkeit
Bezahlte und unbezahlte Arbeit nach Geschlecht und Alter in Stunden pro Woche in Deutschland
Quelle: Statistisches Bundesamt 2003
Wöchentliche Erwerbsarbeitszeiten der abhängig Beschäftigten (Teilzeit und Vollzeitbeschäftigte) zwischen 2001 und 2006, Deutschland (in Std.) 2001 2004 2006 Insgesamt Männer Frauen
35,0 39,0 30,2 34,3 38,5 Differenz 8,8 Std.
29,6 34,0 38,4 29,1 Differenz 9,3 Std.
Quelle: Kümmerling/Jansen/Lehndorff 2008:1
•
Niedriglöhne und Frauenarbeit
Starke Zunahme von Niedriglohnbeschäftigung trifft besonders Frauen
•
Hohe Konzentration von Niedriglöhnen in
bestimmten
Branchen und Beschäftigungsformen
•
Forderung nach gleicher Bezahlung läuft teilweise durch Outsourcing ins Leere
•
Hohe Subvention für geringe Löhne – Geld fehlt bei Investitionen u.a. für Gleichstellung
•
Folge: Hohe Altersarmut zu erwarten
Anteil am Niedriglohnsektor nach Qualifikation
• Quelle: SOEP, eigene Berechnungen.
Drei Viertel des Mittelbaus an den Universitäten in NRW ist kinderlos.
Frauen:
2004: 78,8%
2008: 81%
Männer: 2004:
70,7%
2008:
77% Thüringen
Frauen:
2008: 64% (Professorinnen 76% , d.h. bundesweit der höchste Anteil!!!!)
Männer:
2008:
Metz-Göckel, 2009)
66%
(Quelle: Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik, Berechnungen
Mütter: Weniger Zeit für den Job Je nach Alter ihres jüngsten Kindes waren Frauen 2000 und 2007 im Durchschnitt so viele Stunden pro Woche erwerbstätig: 32,5 30,0 27,5 25,0 22,5 20,0 17,5 15,0 12,5 10,0 7,5 5,0 2,5 0,0 7,2
6,3
2000 Westdeutschland 2007 12,2
12,1
14,6
13,7
18,7
16,7
20,4
19,1
17,1
18,1
0-2 3-5 6-9 10-14 15-17 18+ 12,6
10,5
0-2 3-5 Ostdeutschland 20,1
20,4
24,0
21,4
6-9 27,9
23,4
29,0
25,5
25,4
25,2
10-14 15-17 18+ Alter des jüngsten Kindes
Quelle: Sachverständigengutachten zur Gleichstellung 2011
Väter: Kinder ohne Folgen für Erwerbsarbeitszeit Je nach Alter des jüngsten Kindes gingen 2007 Frauen und Männer im Durchschnitt so Beschäftigung nach: viele Stunden pro Woche einer bezahlten 45,0 40,0 35,0 30,0 25,0 Frauen Westdeutschland Männer
35,7 36,5 37,6 36,9 36,6 32,7 31,4 32,9
20,0 20,4 19,1 18,1 15,0 16,7 13,7 12,1 10,0 10,5 5,0 6,3 0,0 0-2 3-5 6-9 10-14 15-17 18+ 0-2 3-5 Alter des jüngsten Kindes
Quelle: Sachverständigengutachten zur Gleichstellung 2011
Ostdeutschland 21,4
33,5
6-9 23,4
32,5
25,5
33,5
25,2
31,8
10-14 15-17 18+
Tatsächliche und gewünschte Arbeitszeit Männer und Frauen 2009 (
in Wochenstunden)
50 44,6 45 42,1 39,8 40 36,2 35 32,7 30 26,1 25,4 26,1 23,9 25 20,5 20 15,5 15 12,5 10 5 0 Vollzeit Männer tatsächlich Frauen tatsächlich Teilzeit geringfügig Männer gewünscht Frauen gewünscht
Quelle:
IAB Kurzbericht 9/2011
Frauen als Familienernährerinnen
In 20 % aller Familien mit Kindern ist die Frau hauptverantwortlich für den Lebensunterhalt.
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mittlere Bildungsabschlüsse und Niedrigeinkommen sind überdurchschnittlich häufig („Working poor“)
Muster der Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeiten in Paarhaushalten mit zunehmender Ehedauer (in %) Geschlechter arrangements
Stark traditional* Traditional** Partnerschaftlich Nicht traditional Stark nicht traditional Paare (n=……) Eheschließung 25,5 29,0 43,6 1,7 0,2 1 423
Zeitpunkt
Nach 6 Jahren Ehe 55,0 25,7 18,6 0,7 0,4 773 Nach 14 Jahren Ehe 60,2 24,9 13,7 0,8 0,4 518 Quelle: Sachverständigengutachten2011:99 nach Blossfeld/Schulz 2006
Partnerschaftliche Arbeitsteilung bei der Haushaltsarbeit – eine Utopie?
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Aushandlungsprozesse auf „gleicher Augenhöhe“ – „rush hour of life “ aber: es geht auch um Entlastung im Alltag durch Haushalts- und familienunter stützende Dienstleistungen
Durchschnittliche Zeitverwendung von Müttern mit unterschiedlichem Erwerbsstatus und den dazugehörigen Vätern je Tag für hauswirtschaftliche Tätigkeiten (2001/2002)
Quelle: SBA 2003
•
Bezahlbare haushaltsnahe Dienstleistungen sollen beruflichen Wiedereinstieg erleichtern
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Bisher werden Entlastungspotentiale unterschätzt, die hh-nahe Dienste für den beruflichen Wiedereinstieg, aber auch für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für berufstätige Eltern bedeuten würden
Perspektiven:
•
Bei günstigen Rahmenbedingungen könnten im Bereich der familien unterstützenden Dienstleistungen in naher Zukunft zusätzlich 300 000 Arbeitsplätze entstehen.
(Quelle: IW Köln 2008)
Perspektiven:
• • • •
Aufwertung von haushaltsnahen Dienstleistungen Entwicklung von Qualitätsstandards Intelligentes Marketing für Angebote und ihre Förderung Flankierung durch Qualifizierungsmaßnahmen
50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0
Bereitschaft von Männern, ihre reguläre Erwerbsarbeitszeit zu reduzieren (in Prozent)*
J a, um z wei und mehr A rbeits tage J a, um einen A rbeits tag J a, um einen halben A rbeits tag Nein (Quelle: BMFSFJ 2008:38) * Befragt: 224 erwerbstätige Väter mit nicht berufstätiger Partnerin
„Berechnungen zeigen, dass bei einer entsprechenden Betreuung bis zu 461 000 Mütter mit Schulkindern wieder erwerbstätig sein könnten. Steuerliche Mehreinnahmen von rd. 1,02 Mrd. Euro sowie zusätzliche Beiträge zur Sozialversicherung von rd. 2,62 Mrd. Euro könnten erzielt werden.“
Quelle: Prognos 2011
ARBEITSPLATZ Altenheim Supermarkt KITA UNI FAMILIE
Musikschule
FAMILIE
Durchschnittliche Bruttomonatsverdienste von vollzeitbeschäftigten Fachkräften in ausgewählten Wirtschaftsbereichen 2009 (in Euro)
•
Herstellen von Kraftwagen und Kraftwagenteilen ( Männeranteil: 88,8 % ) 3.187 €
• • • • • •
Krankenhäuser (Frauenanteil: 64,2%) Grundschulen (Frauenanteil: 76,0%) Kindergärten Altenheime (Frauenanteil: 95,4%) (Frauenanteil: 70,2%) Veterinärwesen (Frauenanteil: 73,2%) Arzt-/Zahnarztpraxen (Frauenanteil: 87,4,%) 2.670 € (-517 €) 2.573 € (-614 €) 2.527 € 2.453 € (-660 €) (-734 €) 2.055 € (-1.132 €) 1.909 € (-1.278 €)
Quelle: Rohloff 2011
Erwerbstätige nach Berufshauptfeldern (in Prozent) 2005 2025 Produktionsbezogene Berufe
(Rohstoffgewinnende, verarb. u. instandsetzende, Maschinen und Anlagen steuernde u. wartende Berufe)
Primäre Dienstleistungen
(Berufe im Warenhandel, Vertrieb, Transport- und wachberufe Kfm. Dienstleistungsberufe Gastronomie u. Reinigungsberufe
Sekundäre Dienstleistungen
(größter Zuwachs bei den Gesund heits und Sozialberufen, Körperpflege)
21,2 47,9
17,4 10,4
30,9 11,2 17,9 47,6
15,8 12,6
34,5 13,5
Quelle: WSI 9/2011
Anforderungen an Sozialkompetenzen nach Berufssektoren - in Prozent -
Kompromisse aushandeln Kunden kontakte Besondere Verantwortung für andere Menschen
Hausarbeit als Erwerbsarbeit Dienstleistungsarbeit ist interaktive Arbeit (Neuer Arbeitstypus), Das Bedürfnis des Gegenüber zu präzisieren, wechselseitig die Interessen abstimmen und Einvernehmen Wege der über die Bedürfnisbefriedigung zu erlangen, macht den Kern der
Interaktivität
von Dienstleistungsarbeit aus !
Killerargument für zukunftsweisende Ansätze in Kommune und Gesellschaft: „Soziale Dienstleistungen verschlingen Geld, nur Handwerk und Industrie schaffen Werte“ H. Krüger: ökonomische Blindflugthese
Wandel von Wertschöpfungsketten:
Industriegesellschaft: produktive Facharbeit von Industrie und Handwerk
Wissensgesellschaft: Kombination aus Infrastruktur, Qualitätssicherung, Bildungs- und Gesundheitsakkumulation
Handlungsempfehlungen: Zeitverwendung und GL
für beide Geschlechter flexible Alltagsarrangements zwischen Beruf, Sorgearbeit und Ehrenamt ermöglichen und
unterschiedliche Formen von gesellschaftlich notwendiger Arbeit
entlang des Lebenslaufs integrierbar machen
Gesetz für Wahlarbeitszeiten
Familienfreundliche „Arbeitszeitoptionsmodelle“ entwickeln und eine kurze Vollzeit von 30 bis 35 Wochenstunden für Frauen und Männer mit Fürsorgeaufgaben einführen
Handlungsempfehlungen: Zeitverwendung und GL
Zeitkompetenz beider Geschlechter stärken, d. h. zeitliche Anforderungen in bestimmten Lebenssituationen und ihre kurz-, mittel- und langfristigen Folgen einschätzen lernen, in Schule und Ausbildung altersgerecht vermitteln Verschiedene Träger und familienrelevante Zeittaktgeber im Wohn- und Lebensumfeld wirkungsvoll vernetzen und abstimmen Im Arbeitsmarkt „Privathaushalt“ anzutreffende irreguläre
Beschäftigungsverhältnisse in reguläre Beschäftigungs-
verhältnisse umwandeln und z.B. in Dienstleistungsagenturen bündeln
Vorschläge der Gleichstellungskommission
Abschaffung der Subvention von Minijobs
Biografische Sackgassen, Undurchlässigkeit zu sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung vermeiden
In vielen Frauenbranchen fast nur noch Angebote von Minijobs Ziel: Erwerbsverhältnisse durchgängig sozialversicherungspflichtig ausgestalten
Schlussfolgerungen Gleichstellung : Beitrag zu gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Innovation
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Anpassung gesellschaftlicher Strukturen an veränderte Rollenbilder und Präferenzen
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Nutzung aller Talente – Verminderung von Fachkräftemangel
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Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme durch zusätzliche vollwertige Beitragszahler
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Schaffung neuer Beschäftigungsverhältnisse vor allem in personennahen Dienstleistungen Kosten der Nichtgleichstellung höher als der Gleichstellung