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Jan Frölich und Gerd Lehmkuhl
Computer und Internet erobern die Kindheit
Vom normalen Spielverhalten bis zur Sucht
und deren Behandlung
Übersicht

Freizeit- und Mediennutzungsgewohnheiten von Jugendlichen

Computerspiele: motivationale Besonderheiten und Charakteristika,
Abgrenzung zu nicht digitalen Spielen

Mögliche erwünschte Auswirkungen spielerischer Nutzung digitaler
Medien: Multitaskingprozesse, Förder- und Therapiemöglichkeiten

Suchtrisiken / Symptome

Begleiterkrankungen

Gewalthaltige Computerspiele und Auswirkungen auf die
Aggressionsbereitschaft

Diagnostik

Take home message
Mediale Geräteausstattung der Jugendlichen
JIM – Studie 2011:
•
96 % der Jugendlichen haben ein eigenes Mobiltelefon
•
25 % besitzen ein Smartphone
•
79 % besitzen einen eigenen Computer und 45 % können vom
eigenen Zimmer aus ins Internet gehen!
•
52 % besitzen einen eigenen Fernsehen
•
49 % besitzen eine tragbare Spielkonsole
•
45 % besitzen eine feste Spielkonsole, Jungen doppelt so häufig!
•
31 % besitzen einen DVD-Player
Anteil der Multifunktionszugänge wird nicht explizit genannt!
Freizeitaktivitäten von Jugendlichen
(täglich oder mehrfach in der Woche)
JIM –Studie 2011:
•
Trotz guter Medienausstattung sind nicht mediale Freizeitaktivitäten
weiterhin wichtig, an erster Stelle (>80 %) stehen
geschlechtsunabhängig das Treffen von Freunden
•
84 % treffen sich regelmäßig zu einem persönlichen Treffen
•
Knapp 75 % sind in ihrer Freizeit sportlich aktiv
•
24 % machen selbst Musik (Chor/Instrument)
•
67 % ruhen sich aus, tun nichts !
•
Nur 8 % geben Shoppingtouren an
Im Vergleich zu den Angaben von 2005 mit damals nur 60 % iger
Internetnutzung hat sich die Datenlage nur geringfügig geändert !
Themeninteressen von Jugendlichen
JIM –Studie 2011:
•
Die drei wichtigsten Themeninteressen sind non-medial besetzt
(Freundschaft / Musik / Ausbildung und Beruf)
•
Das Internet steht an 4. Stelle der Themeninteressen
•
Computerspiele werden nur von 27 % der Jugendlichen als
themenrelevant angegeben, d.h. hier findet eine starke Polarisierung
unter den Jugendlichen statt.
Medienbeschäftigung
JIM –Studie 2011:
•
Das Lesen von Büchern oder Zeitungen ( 44% / 42%) rangiert
deutlich vor der Beschäftigung mit Computerspielen (34%), aber
der Anteil der regelmäßigen Nutzern ist bei den Jungen dreimal so
hoch wie bei den Mädchen (52 % vs. 15 %) !!!
•
Jungen und Mädchen unterscheiden sich auch im Hinblick auf die
subjektive Wichtigkeit von Computerspielen signifikant voneinander
(60 % vs. 26 %)
•
Im Hinblick auf die Wichtigkeit der Internetnutzung bestehen nur
geringe geschlechtsbezogene Unterschiede
Tätigkeiten im Internet
JIM –Studie 2011:
•
Internetzugang zunehmend von unterwegs über das Smartphone
(13% / in 2010 nur 3 %!) oder vom eigenen Zimmer aus (73%)!
•
Weitaus am meisten Zeit wird mit Online-Kommunikation (44%)
verbracht, 24 % der Zeit kommt der Nutzung von Musik oder Videos
zu, 16 % der Zeit zur Informationssuche und 15 % für
Computerspiele
•
Die Internetkommunikation läuft zumeist neben und nicht anstatt der
direkten Kommunikation
•
Mädchen und Jungen unterscheiden sich signifikant in den
Nutzungszeiten. Mädchen verwenden deutlich mehr Zeit für die
Kommunikation, Jungen dagegen für Computerspiele!
Computer- Konsolen und Onlinespiele /
Nutzungszeiten
JIM –Studie 2011:
•
Der Anteil der extremen Spieler (>4 h/Tag) liegt bei 3
%,
-ein Drittel kommt auf 1 h /Tag, ein Viertel spielt bis zu 2 h / Tag
-und ein Sechstel zwischen 2 und 4 h / Tag.
•
Bezogen auf alle Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren liegt die
-tägliche Spielzeit bei 58 Minuten an den Wochentagen
-und 80 Minuten an den Wochenenden.
-Hierbei ist die Spielzeit von Jungen doppelt bis dreifach
so hoch wie bei den Mädchen.
Computer- Konsolen und Onlinespiele /
Jugendschutz
JIM –Studie 2011:
•
Jeder Dritte hat schon einmal Spiele gespielt, welche nicht für das
eigene Alter freigegeben waren, allerdings ist der Anteil bei den
Jungen mit 81 % eklatant höher.
•
Jeder zweite männliche und jeder zehnte weibliche Nutzer gibt an,
selbst Spiele zu spielen, die er / sie persönlich als besonders
gewalttätig oder brutal erachtet.
•
Über ein Drittel der Jugendlichen berichten über Erfahrungen mit
„happy slapping“
Computerspiele: Motivationale Gesichtspunkte
Allgemeine Motivation von Kindern für Computerspiele (I):
1. Wegen der dynamischen und actionreichen Spielhandlung und
hoher Bildqualität rufen Computerspiele emotionale Erregung
(„arousal“) und Gefühle (Emotionen) hervor.
2. „Challenge“ (Herausforderungs-) Charakter der Computerspiele
3. Wettkampfcharakter („Competition“)
Computerspiele und Internet:
Motivationale Gesichtspunkte
4. Langeweile abbauen oder vermeiden, entspannen („diversion“)
5. „Fantasy“: Dinge tun, die in der Realität nicht erlaubt sind wegen
Altersbegrenzung (z.B. Autorennen/Profile erstellen) oder nicht
erreichbar sind. Motiv Selbstpräsentation
6. Soziale Interaktion mit Gleichaltrigen im Chat und bei (online-) Spielen
(„social interaction“)
7. Die Motivation für Computerspiele ist der von nicht-medialen
Spielaktivitäten vergleichbar !!
Motivationale Aspekte der Nutzung von Computerspielen und
des Internets bei Kindern u. Jugendlichen
Andere motivationale Gesichtspunkte, die auch im
Besonderen als Risikofaktoren für eine Suchtentwicklung
gelten:
1. Stimmungsregulierung (mood management) (Zillmann,
1998): Computerspiele / Surfen im Internet können dazu
beitragen, vorbestehende negative oder positive Emotionen zu
regulieren („Frust abbauen, Runterkommen“)
2. Fantasy und Entkommen der Realität: In diesem Rahmen
können Computerspiele dazu genutzt werden, sich aus einer
individuell oder sozial misslichen Situation vorübergehend zu
befreien durch Eintauchen in eine Phantasiewelt, die für sie
beherrschbar und erfolgreich (Mastery) ist (Grodal, 2000). Im
Internet erfüllt der „Avatar“ diese Funktion
Mögliche erwünschte kognitive Folgen der Nutzung
digitaler Medien (Computerspiele)
 Kürzer dauerndes, mehrfaches Computerspielen mit einer
Gesamtzeit von max. 10 h kann eine Verbesserung
visumotorischer Fähigkeiten und der Aufmerksamkeit bewirken
(Green & Bavelier, 2003, 2006, 2007; Feng et al., 2007; Dye et al.,
2009), besonders bei jüngeren Kinder unter 10 LJ ( Rueda et al.
2004).
 Diese Fähigkeiten wurden z.T. durch das Spielen von EgoShooter-Spielen (z.B. Medal of Honor) erworben.
Mögliche erwünschte kognitive Folgen der Nutzung
digitaler Medien (Computerspiele)
Weitere positive Auswirkungen:
Reaktionsgeschwindigkeit, visuelle Verarbeitungskapazität, visuelle
Diskriminationsschärfe und -genauigkeit bei der Identifikation von
Objekten, Auge-Hand-Koordination und räumliches Vorstellungsvermögen konnten durch gezieltes Training von Teilleistungen in
Computerspielen verbessert werden (Castel et al., 2005; Chisholm et al.,
2010; Green & Bavelier, 2007, Griffith et al., 1983, Gagnon, 1985)
Die erworbenen Fähigkeiten weisen teilweise auch
Anwendungstransfer auf: Flugschüler zeigten signifikant verbesserte
spezifische praktische Flugfähigkeiten nach konsequentem Training mit
einem Computerspiel, das die geteilte Aufmerksamkeit trainiert im Vgl. zu
einer Kontrollgruppe (Gopher et al., 1994).
Mögliche erwünschte kognitive Folgen der Nutzung
digitaler Medien (Computerspiele)
 Das Training von Aufmerksamkeitsprozessen und
handlungsleitenden Funktionen scheint durch regelmäßiges
Computerspielen ebenfalls möglich zu sein, aber möglicherweise
nur bei einem Personenkreis, der ohnehin schon in diesem
Bereich über besondere Fähigkeiten verfügt (Boot et al.,2008).
 Als günstig erweist sich der Einsatz der digitalen Medien in
Spielform zur Beübung von Teilleistungsstörungen LRS/
Dyskalkulie wegen des leichteren motivationalen Zugang zum Kind
/Jugendlichen (Gee, 2007; Ritterfeld et al., 2009) Beispiele: Phase
6, SELEGO, GUT).
 Zugleich fehlen belastbare Studiendaten über die Wirksamkeit
solcher industriegestützter Beübungsansätze (Ball et al., 2002)
Mögliche erwünschte kognitive Folgen der Nutzung
digitaler Medien (Computerspiele)
Vorläufige Schlussfolgerung:
Eventuell können spezifische Teilleistungen im Rahmen von
Ausbildung oder Therapie durch gezieltes Training mit
Computerspielen verbessert werden. Unklar ist aber der hierzu
notwenige zeitliche Aufwand und die Transfereffekte auf komplexe
Fertigkeiten im Alltag.
Förder – und Therapiemöglichkeiten von
Computerspielen bei Kindern und Jugendlichen

Einsatz von spielerischer Computernutzung im Bereich der neuropsychologischen Rehabilitation (z.B. HASOMED®).

Bisher wenige Therapiestudienergebnisse:
• Amonn & Frölich (2012, eingereicht zur Veröffentlichung):
20 h computergestütztes Training (HASOMED) in Eigenkontrollgruppendesign bei n = 30 Kindern mit F 90.0 zwischen 9-12 LJ:
Ergebnisse:
 Neuropsychologische Verbesserungen (TAP),
aber keine Generalisierung in Schule und zu Hause.
 Wahrscheinlich bei komplexen neuropsychiatrischen Störungen
zu eklektizistisch im Ansatz.
• Neurofeedback wahrscheinlich neuropsychologischen
computergestützten Therapieansätzen überlegen
(Gevensleben et al., 2011).
Förder – und Therapiemöglichkeiten von
Computerspielen bei Kindern und Jugendlichen
 Ergänzung zu:
Einsatz von spielerischer Computernutzung im Bereich der neuro-psychologischen
Rehabilitation (z.B. HASOMED®).
Beispiel:
Vor- und Nachteile von Multitaskingprozessen bei
der Nutzung digitaler Medien
 Häufig praktiziertes Multitasking führt dazu, dass in derselben Zeit eine größere
Informationsmenge verarbeitet werden kann.
Medieninformationen, welche innerhalb von 8,5 Stunden verarbeitet wurden,
konnten auch bei Einsatz von Multitasking im Hinblick auf die wesentlichen
Informationen in 6,5 Stunden erfolgreich verarbeitet werden (Roberts et al.,
2005).
 Der dauerhafte Lernerfolg bei Multitasking ist dagegen wahrscheinlich deutlich
geringer wegen der frontalhirnabhängigen Begrenztheit zu gleichzeitiger
Informationsverarbeitung (Ophir et al. 2009; Dux et al., 2009)
 Entscheidend ist die Zielsetzung des Einsatzes von Multitasking. Für explorative
Erfassung eines Themas durchaus ökonomischer und durchaus vorteilhaft,
nicht dagegen für intensive Themenbearbeitung (Brazeau & Brazeau, 2009)
Auswirkungen digitaler Medien auf den Schlaf
 Erhöhter bis massiver Medienkonsum am Abend führt zu
- verlängerter Einschlaflatenz (z.B. Paavonen et al., 2006)
- vermehrtem nächtlichem Aufwachen (van den Bulck, 2004)
- nächtlichen Ängsten
 Bei aktivem Medienkonsum, d.h. Computerspielen/Chatten, scheinen diese
Befunde stärker ausgeprägt zu sein als bei passivem Medienkonsum, z.B.
DVD sehen, wegen der stärkeren Beanspruchung kognitiver Funktionen und
damit des zentralnervösen Arousals ( Weaver et a., 2010).
 Computerspielen, nicht aber Fernsehen am Abend, führte zu einer
Beeinträchtigung der Gedächtnisleistungen und eine stärkere Veränderung der
Schlafarchitektur (Dworak et al., 2007).
 Alleine das oft bei intensiver digitaler Mediennutzung zustande kommende
chronische Schlafdefizit führt bereits zu einer erhöhten Tagesmüdigkeit und der
damit einhergehenden Beeinträchtigung der kognitiven Funktionen (Heins et
al., 2007).
Auswirkungen von Computerspielen auf die
schulische Leistungsfähigkeit
Schülerbefragung des KFN an 5500 Viertklässlern und 17000 Neuntklässlern
über den Medienkonsum (Pfeiffer et al., 2007):
Kinder der vierten Schulklasse, die weder über TV noch über Spielkonsole
im eigenen Zimmer verfügten, schnitten in den Schulfächern Deutsch, Mathe
und Sachkunde um 0.2-0.4 Notenzehntel besser ab.
Noch gravierender wurden die Befunde mit Zunahme der Mediennutzung
und v.a. bei Computerspielen, für die noch keine Altersfreigabe bestand.
Dieser Zusammenhang bestand unabhängig von sozialer Schicht, Bildung
der Eltern, Gewaltfreiheit in der Erziehung und Funktionalität der Eltern-KindBeziehung.
Als höchster Risikofaktor für schlechte Schulleistungen galt der Konsum von
Mediengewalt. Evtl. blockieren hoch emotionalisierte Medieninhalte die
Endkodierung und Wiedergabe von Gedächtnisprozessen (Bushman &
Bonacci, 2002).
Psychosoziale Folgen intensiver Internet/Computerspielnutzung bei Kindern und Jugendlichen
 Computer-/Internetnutzung korreliert positiv mit Rückgang
familiärer und Gleichaltrigenkommunikation bei
gleichzeitiger Zunahme von Einsamkeit und Depression
(Kraut et al., 1998 Schulte-Markwort et al., 2002)!
Psychosoziale Folgen intensiver Computerspielnutzung
bei Kindern und Jugendlichen
Diese Tendenzen sind ausgeprägter bei Spielern, die im
Online-Zustand mit anderen Spielern kommunizieren im
Vergleich zu Computerspielen ohne Internetzugang
(Ng & Wiemer-Hastings, 2005).
Jugendliche mit psychischen
Problemen sind stärker betroffen
(v.a. sozial unsichere und ängstliche
Personen)
Psychosoziale Folgen intensiver Computerspielnutzung
bei Kindern und Jugendlichen
 Kritisch zu fragen ist, ob Online-Kommunikation nicht eine
Möglichkeit darstellt, sozial ängstlichen und psychisch
kranken Menschen überhaupt Kommunikation zu
ermöglichen, z.B. im therapeutischen Kontext.
 Cave: Internetseiten für „Betroffene“ ohne Fach-SV
Computerspielen/Internetnutzung von Kindern
und Jugendlichen (I)
Unter welchen Bedingungen wird Computerspielen zur
Gewohnheit als Vorbedingung für eine Suchtentwicklung ?
1. „uses and gratifications“ Ansatz: Gefühl von Stärke und Macht im
Spiel oder als „Avatar“.
2. Keine Möglichkeit zur Wahrnehmung alternativer
Freizeitbeschäftigungen.
3. Verfügbarkeit des Mediums (Kontrolle, Computer im eigenen Zimmer,
Internet)
4. Interessen der Gleichaltrigengruppe.
5. Vermeidung von unangenehmen und nicht erfolgreich zu tätigenden
Beschäftigungen (Lernen).
6. Stabilisierung der Verhaltensmuster mit angenehmen Routinen
(z.B. mit Getränk und Nahrungsmittel) am Computer und damit
zunehmende Einengung zur Wahrnehmung alternativer
Freizeitbeschäftigungen.
Risiken für Suchtentwicklung aber auch zum
Teil gleichzeitig ihre Folgen
-Psychische Störungen: Leistungs-, soziale Ängste,
ADHS
-Schulleistungsprobleme
-Einsamkeit
-Selbstunsicherheit und geringe
Selbstwirksamkeitserwartungen im Alltag
-geringer familiärer Zusammenhalt und Kommmunikation
-Mangelnde Copingressourcen (v.a. bei Aufgabe von Freizeitaktivitäten)
-Verfügbarkeit des Mediums und freier Internetzugang im eigenen Zimmer !!!!!
-Vermeidung von unangenehmen und nicht erfolgreich zu
bewältigenden Beschäftigungen, v.a. Lernen
Suchtsymptomatik
Häufiges unüberwindliches Verlangen, sich ins Internet einzuloggen
Kontrollverluste
Sozialer Rückzug (Freunde, Partner, Familie)
Nachlassen der schulischen Schulleistungen /Arbeitsfähigkeit, Fehlzeiten
Verheimlichung/ Bagatellisierung der Netz-Aktivitäten vor der Umwelt
Psychische Irritabilität bei Verhinderung am Internet-Gebrauch (bspw.
in Form von Nervosität, Reizbarkeit und Depression,
Schlaf-Wach-Rhythmusstörung
Antriebsverlust außerhalb der PC-/Internetaktivität, Aufgabe von nicht medialen
Freizeitaktivitäten
Diagnostik /Screening der Computerspiel/Internetsucht
1. Fragebogen zum Computerspielverhalten von Kinder
und Jugendlichen (CSVK-R/S) (Wölfling et al.)
2. Internetsuchtskala (ISS) (Hahn & Jerusalem, 2001)
3. Gezielte Medien- aber auch kinderpsychologischpsychiatrische Anamnese (schulische
Überforderung, sozial-emotionale Probleme als
Grundlage und/oder als Folge suchtartigen Spielens)
Computerspiele: Manche Computerspiele haben ein spielimmanentes
Suchtpotzential (v.a. Online-Rollenspiele) !!!!!!!!
Wie machen Onlinespiele süchtig ?
Spielimmanent:
ständig neue Herausforderungen und vielfältige Situationen,
Aufgaben nur in der Gruppe lösbar (hoher sozialer Druck),
das Spiel hält nie an,
hohes Maß an Zeitinvestition notwendig, um erfolgreich zu sein.
äußere Bedingungen:
Hohes Maß an Regeln und Ritualen
Flow-Erlebnisse
Annahme unterschiedlicher Identitäten (Avatare)
Computerspielsucht – Prävalenzen bei Kindern
und Jugendlichen
 Häufigkeiten im Kindes – und Jugendalter sind
erschreckend hoch und gleichen den Erhebungen bei
Erwachsenen; ca. 20 % (Ha et al., 2000; Yoo et al., 2002;
2004).
 Die angegebenen Häufigkeiten manifester Computerspiel/Internetsucht variieren methoden- und Herkunftsabhängig
stark. Die meisten angegeben Prävalenzen liegen
zwischen 4 und 8 % !!
Psychische Begleit- und Folgeerkrankungen
der Computerspiel-/Internetsucht
Es liegen sehr –risikoförderndoft eine oder mehrere psychiatrische Komorbiditäten vor !!
-
Aufmerksamkeitsdefizitstörungen
-
38 % stoffgebundene Abhängigkeitserkrankungen
-
33 % Affektive Störungen, v.a. Depressionen
-
19 % Angststörungen, v.a. soziale Phobien
-
14 % psychotische Störungen
-
Persönlichkeitsstörungen
Computerspiele und Gewaltbereitschaft bei
Kindern und Jugendlichen
Computerspiele haben eine stärker aggressionsfördernde
Wirkung auf ihre Nutzer als entsprechende Filme:
1. Weil es sich um einen aktiven Vorgang mit hoher
Erlebnisintensität handelt. Die Aufmerksamkeitszuwendung
an das Spiel ist höher und auch der Grad der Identifikation
mit Spielfiguren (Mößle & Kleimann, 2009).
2. Weil Gewalthandlungen unmittelbar belohnt werden und sie
in der Regel positive Konsequenzen für das Erreichen eines
Spielziels haben.
3. Die Gewaltdichte bei Computerspielen und der
Gewaltrealismus nimmt zu.
Computerspiele und Gewaltbereitschaft bei
Kindern und Jugendlichen
Neuere Studien weisen auf eine kausale Beziehung
zwischen Gewaltmediennutzung und einer Abstumpfung
gegenüber Gewalt (Desensibilisierung) sowie einer
Reduzierung der Mitleidsfähigkeit (Empathie) hin. Damit
wird auch die Ausübung von Gewalt im realen Leben
gebahnt !!
Computerspiele und Gewaltbereitschaft bei
Kindern und Jugendlichen
Zugleich muss aber betont werden, dass familiärer
Hintergrund, Status in der Gleichaltrigengruppe und
vorbestehende aggressive Verhaltensweisen eine wichtige
Begleit – aber nicht Vorbedingung darstellt für den Einfluss
gewalthaltiger Computerspiele auf eine erhöhte
Gewalttätigkeit !!
Konsequenzen für die Untersuchung von Computernutzungsgewohnheiten bei Kindern und Jugendlichen (I)
 Computerspiele und Internetnutzung stellen einen nicht
mehr weg zu denkenden Bestandteil der Freizeitbeschäftigung, aber auch Lernumwelt von Kindern und
Jugendlichen dar.
Konsequenzen für die Untersuchung von Computernutzungsgewohnheiten bei Kindern und Jugendlichen (II)
 Gleichwohl sind die Konsequenzen dieser umwälzenden
Änderung der Lebensgewohnheiten auf seelische und
denkbezogene Prozesse bisher nur wenig untersucht
sowohl im Hinblick auf die Gesundheitsrisiken noch im
Hinblick auf die Fördermöglichkeiten.
Neue Medien und Medienpädagogik
Konsequenzen für die Medienpädagogik und -didaktik
Seit Mitte der 90 iger Jahre erneuter Paradigmenwechsel in der Didaktik
den Lehrens und Lernens durch sogen. Konstruktivistischen Ansatz:
1. Statt instruktionspsychologischer fremdgesteuerter
Wissensvermittelung zunehmende eigenverantwortliche und
interaktionale Wissenskonstruktion des Lernenden (Kerres, 2000).
2. Damit auch neue Definition des Lehrers: Rolle als Anleiter, Moderator
und Partner des eigenaktiven Computer – und Internetgestützten
Wissenserwerbs der Schüler. Statt „ frontalunterrichtlicher Planung eher
Basteln von multimedialen Fahrplänen durch die nächste Mathe – und
Erdkundestunde (Gudjons, 2008; Padagogisches Grundwissen“)
Medienpädagogische Konsequenzen
Was tun im Sinne einer verantwortungsvollen
Medienpädagogik ?

Das Ziel ist nicht Medienabstinenz sondern Medienkompetenz !

Interventionen müssen bereits in der „Probierphase“ einer
beginnenden Computerspielkarriere einsetzen vor der Verfestigung
von schwer zu durchbrechenden Verhaltensmustern
(Abwärtsspirale, sogen. Downward spiral) !

d.h. Führung durch die Eltern und Erwachsenen (zeitlich,inhaltlich),
intelligente Nutzung, Programmieren statt Konsumieren, Diskussion
von Spielen und Internetinhalten mit Erwachsenen.
Computerspiele: Goldene Regeln der PC-Nutzung
1. Klare Abmachungen und Regeln zu Zeit und Inhalt von Computerspielen / Internetnutzung, v.a. um alternative Beschäftigungsmöglichkeiten zu erhalten und Gewohnheitsbildung zu vermeiden.
•
Zeitbudgets: Dauer, Tageszeit !!! Evtl. Kooperation mit Eltern von
Freunden des eigenen Kindes suchen bei der Definition von
Mediennutzungsregeln
•
Angemessene Konsequenzen setzen bei Verstoß gegen
Nutzungsregeln (Kein „Alles-oder Nichts“ –Prinzip)
•
Auf keinen Fall Internetfähiges Handy oder Internetanschluss im
eigenen Zimmer des Kindes/Jugendlichen !!!
Computerspiele:Goldene Regeln der PC-Nutzung
2. Eltern sind mitverantwortlich für das Bereitstellen alternativer, v.a.
gemeinsamer Freizeitaktivitäten.
3. Computerspiele müssen kritisch beurteilt worden sein !
Kenntnis der USK (Kriterienkatalog) bzw. BPjM und deren Einhaltung
!!!
4. Mit dem Kind von Zeit zu Zeit gemeinsam Computer spielen!
Damit Kontrollmöglichkeit und Anerkennen des Interesses des
Kindes.
5. Mit wem, wann, wo, was und wie lange spielt mein Kind Computer ?
Absprache mit den Eltern der befreundeten Kinder und Jugendlichen
sind wichtig.
6.
Rechtzeitiges Aufsuchen klinisch-psychologischer Anlaufstellen
(Suchtberatung) bei V.a. Vorliegen einer beginnenden Sucht / Wissen
um zugrundeliegende Störungen
Therapie
• Problematik: völlige Abstinenz nicht möglich
 daher Lehren des bewussten Umgangs mit
dem Medium
 angestrebt wird Abstinenz von
problematischen Anwendungen bei einem
kontrollierten Internetgebrauch
• bei der Therapie gegen die
Internetabhängigkeit müssen häufig auch
Folgeprobleme behoben werden
Therapiemotivation herstellen durch Aufzeigen von
Ambivalenzen
•
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Welche Vorteile hat es für mich, wenn ich weiter viel Computer spiele?
ich kann abschalten
es macht mir Spaß
ich beherrsche es gut
ich spiele gerne mit anderen Jugendlichen im Online-Modus
Welche Nachteile hat es für mich, wenn ich weiter viel Computer spiele?
ich verschlechtere mich weiter mit meinen schulischen Leistungen
ich gehe meinem Sport nicht mehr nach
ich schlafe zu wenig und bin tagsüber zu müde
Welche Vorteile hat es für mich, wenn ich mit dem Computerspielen aufhöre
oder zumindest drastisch verringere?
ich kann mich wieder auf das Abi konzentrieren
ich habe wieder mehr Zeit für meine Freunde oder meine Familie
ich habe weniger Streit mit meinen Eltern
ich bin wieder wacher, weil ich mehr schlafe
Welche Nachteile hat es für mich, wenn ich mit dem Computerspielen aufhöre
oder es zumindest drastisch verringere?
ich verliere meine gute Position, die ich mir in der Spielergilde erarbeitet habe
mir würde viel schneller wieder langweilig
ich könnte nicht mehr so gut abschalten
Therapie
•
Primär Abklärung, ob ambulante oder stationäre Behandlung !
•
Motivational Interviewing zur Aufdeckung von Ambivalenzen !
•
verhaltenstherapeutische Maßnahmen empfohlen, z.B.
Begrenzungsangebote und Zeitmanagementtrainings, sowie
Stimuluskontrolle, die zum Ziel haben, zu einem gemäßigten und
kontrollierten Umgang mit dem Internet zurückzufinden !
•
(Re-)etablierung ursprünglicher sozialer Aktivitäten !
•
Wiederherstellung pädagogisch gesetzter Grenzen mit definiertem
Handlungsspielraum (individuelle Zeitbudgets !!)
•
Behandlung der Komorbiditäten !
•
Gruppenfokus der Behandlung berücksichtigen in Stabilsierungsphase !
•
Etablierung von Selbsthilfeinitiativen für Betroffene !
ADHS / Computerspiele
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !